Zusammenfassung des Urteils SCBES.2022.39: Verwaltungsgericht
Die Schweizerische Eidgenossenschaft führte Betreibungen gegen A.___ für Mehrwertsteuerforderungen von insgesamt CHF 108’148.95 durch. A.___ legte Beschwerde ein, da er eine Lohnpfändung bevorzugte, um die Schulden schneller zu begleichen. Die Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs wies die Beschwerde ab, da das bewegliche Vermögen nicht ausreichte, um die Forderungen zu begleichen. Der Beschwerdeführer konnte die Pfändung der Liegenschaften nicht verhindern, da die gesetzliche Reihenfolge eingehalten wurde. Die Beschwerde wurde abgewiesen, und es wurden keine Kosten erhoben.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | SCBES.2022.39 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Schuldbetreibungs- und Konkurskammer |
Datum: | 12.07.2022 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Pfändung; Betreibungsamt; Lohnpfändung; Schuldner; SchKG; Reihenfolge; Schuldbetreibung; Konkurs; Forderung; Liegenschaften; Schuldners; Gläubiger; Aufsichtsbehörde; Verhältnisse; Mehrwertsteuerforderung; Abweichen; Forderungen; Grundstück; Präsident; Marti; Mehrwertsteuerforderungen; Gewährung; Beamte; Vermögens; Urteil; Oberrichter; Gerichtsschreiber; Schaller |
Rechtsnorm: | Art. 20a KG ;Art. 93 KG ;Art. 95 KG ; |
Referenz BGE: | 129 I 129; |
Kommentar: | Adrian Staehelin, Marti, Basler Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs I, Art. 95 SchKG, 2021 |
Geschäftsnummer: | SCBES.2022.39 |
Instanz: | Schuldbetreibungs- und Konkurskammer |
Entscheiddatum: | 12.07.2022 |
FindInfo-Nummer: | O_SC.2022.49 |
Titel: | Pfändung Nr. [...] |
Resümee: |
Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs
Urteil vom 12. Juli 20222 Es wirken mit: Oberrichter Flückiger Oberrichter Kiefer Gerichtsschreiber Schaller In Sachen A.___, vertreten durch Erik Wassmer, Advokat,
Beschwerdeführer
gegen
Beschwerdegegner
betreffend Pfändung Nr. [...] zieht die Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs in Erwägung: I.
1. Die Schweizerische Eidgenossenschaft führt beim Betreibungsamt Thierstein die Betreibungen Nrn. [...], [...] und [...] gegen A.___ für Mehrwertsteuerforderungen von insgesamt CHF 108’148.95. Am 21. April 2022 pfändete das Betreibungsamt in der Pfändung Nr. [...] die Liegenschaften GB [...] Nrn. [...], [...], [...], [...], [...] und [...] mit einem Schätzwert von CHF 950’000.00. Die hypothekarische Belastung der Liegenschaften beträgt CHF 890’000.00.
2.1 Dagegen erhob A.___ (im Folgenden der Beschwerdeführer) am 11. Mai 2022 mit folgenden Rechtsbegehren Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs: 1. Die Pfändung vom 26. April 2022 sei aufzuheben. eventualiter: Es sei eine Lohnpfändung über max. Fr. 2'000.-- pro Monat anzuordnen. 2. Unter o/e Kostenfolge, wobei dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung zu bewilligen sei.
2.2 Zudem stellte er den folgenden Verfahrensantrag: Der vorliegenden Beschwerde sei sofort und superprovisorisch aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und das Betreibungsamt sei sofort anzuweisen, die Pfändung des Stockwerkeigentums umgehend aufzuheben und dies dem Grundbuchamt wie auch der [...].
2.3 Der Präsident der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs wies das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung mit Verfügung vom 17. Mai 2022 ab.
3. Das Betreibungsamt schloss in seiner Vernehmlassung vom 18. Mai 2022 auf Abweisung der Beschwerde.
4. Der Beschwerdeführer reichte am 10. Juni 2022 eine Stellungnahme zur Vernehmlassung des Betreibungsamtes ein.
5. Auf die Ausführungen der Parteien und des Betreibungsamtes wird im Folgenden soweit entscheidrelevant eingegangen. Im Übrigen wird auf die Akten verwiesen.
II.
1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Pfändung verletze Art. 95 SchKG, wonach zuerst das flüssige Vermögen des Schuldners zu pfänden sei. Liegenschaften dürften erst gepfändet werden, wenn die Lohnpfändung nicht ausreichend sei. Gegen die Mehrwertsteuerforderung habe er Einsprache erhoben. Er habe bei seiner Hausbank einen Kreditantrag gestellt. Wegen der Pfändung sehe die Bank nun Probleme bei der Kreditvergabe. Er habe einen Nettolohn von ca. CHF 6’000.00 pro Monat. Sein Existenzminimum betrage maximal CHF 4’000.00 pro Monat. Es könne deshalb eine Lohnpfändung von CHF 2’000.00 pro Monat verfügt werden. Damit seien die Mehrwertsteuern in weniger als 3 Jahren bezahlt. Art. 95 Abs. 4bis SchKG gestatte ein Abweichen von der gesetzlichen Reihenfolge nur, wenn es die Verhältnisse rechtfertigten wenn Gläubiger und Schuldner es gemeinsam verlangten. Hier verlangten die Verhältnisse, dass nach der Hauptregel von Art. 95 Abs. 1 und 2 SchKG vorgegangen werde, obwohl die Lohnpfändung während eines Jahres die Forderung der Steuerverwaltung nicht ganz decke. Das Betreibungsamt habe sein Ermessen überschritten. Die Pfändung der Liegenschaften schade der Steuerverwaltung weit mehr, als sie ihr nütze.
2.1 Soweit hier interessierend, legt Art. 95 SchKG die Reihenfolge der Pfändung wie folgt fest: In erster Linie wird das bewegliche Vermögen mit Einschluss der Forderungen und der beschränkt pfändbaren Ansprüche (Art. 93) gepfändet. Dabei fallen zunächst die Gegenstände des täglichen Verkehrs in die Pfändung; entbehrlichere Vermögensstücke werden jedoch vor den weniger entbehrlichen gepfändet (Abs. 1). Das unbewegliche Vermögen wird nur gepfändet, soweit das bewegliche zur Deckung der Forderung nicht ausreicht (Abs. 2). Nach Absatz 4bis kann der Beamte von dieser Reihenfolge abweichen, soweit es die Verhältnisse rechtfertigen wenn Gläubiger und Schuldner es gemeinsam verlangen. Im Übrigen soll der Beamte, soweit tunlich, die Interessen des Gläubigers sowohl als des Schuldners berücksichtigen (Abs. 5).
2.2 Das Gesetz legt die Pfändungsreihenfolge nicht zwingend fest. Art. 95 ist eine Richtlinie, welche der Beamte nicht blind zu befolgen hat. Absatz 4bis erlaubt dem Betreibungsbeamten, von der gesetzlichen Reihenfolge abzuweichen, wenn die Verhältnisse dies rechtfertigen wenn der Gläubiger und Schuldner dies verlangen. Als Beispiele für rechtfertigende Verhältnisse werden genannt: wenn das hauptsächlichste Aktivum des Schuldners sein Grundstück und die betriebene Forderung beträchtlich ist, kann es angezeigt sein, nicht den grössten Teil des beweglichen Vermögens zu blockieren, sondern einzig das Grundstück zu pfänden. Ein Abweichen von der gesetzlichen Reihenfolge ist auch denkbar, wenn die Pfändung bestimmter Gegenstände deren Verschleuderung zur Folge hätte, statt der Pfändung der Aktien der Immobiliengesellschaft, auf welcher das Wohnhaus des Schuldners gehört, die Pfändung des Grundstücks mit dem Ferienhaus des Schuldners (Bénéndict Foëx/Irène Martin-Rivara in: Adrian Staehelin et al. [Hrsg.], Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs I, Basel 2021, Art. 95 N 1 und 59 ff.).
3.1 Das Betreibungsamt hat die gesetzliche Reihenfolge eingehalten. Nach der Darstellung des Beschwerdeführers bräuchte es bei einer Lohnpfändung fast drei Jahre, bis die Forderungen der Gläubigerin bezahlt wären. Diese vom Beschwerdeführer behauptete Dauer ist allerdings nicht nachvollziehbar. Die gesamten Mehrwertsteuerforderungen betragen CHF 108’148.95. Bei einer Lohnpfändung von monatlich CHF 2’000.00 würden bis zur vollständigen Zahlung 55 Monate verstreichen. Erwerbseinkommen kann jedoch längstens für die Dauer eines Jahres gepfändet werden (Art. 93 Abs. 2 SchKG). Dass er über anderes bewegliches Vermögen verfügen würde, macht der Beschwerdeführer nicht geltend. Das bewegliche Vermögen reicht somit zur Deckung der Forderungen nicht aus. Damit sind die Voraussetzungen für eine Pfändung des unbeweglichen Vermögens erfüllt. Bei dieser Sachlage verlangt der Beschwerdeführer im Grunde ein Abweichen von der gesetzlichen Reihenfolge, wenn er verlangt, es sei anstelle der Pfändung der Grundstücke eine Lohnpfändung vorzunehmen. Dazu besteht unter den vorliegenden Umständen kein Anlass. Im Gegenteil könnte sich angesichts der Höhe der hypothekarischen Belastung der gepfändeten Liegenschaften und der Gesamthöhe der betriebenen Forderungen die Frage stellen, ob nicht zusätzlich eine Lohnpfändung anzuordnen wäre.
3.2 Der Beschwerdeführer will die Mehrwertsteuerforderungen bei den Steuerbehörden noch bestreiten. Auf das vorliegende Verfahren hat dies keinen Einfluss. Im Stadium der Pfändung kann die Betreibungsforderung nicht mehr bestritten werden. Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, die Pfändung der Liegenschaften liege nicht im Interesse der Gläubigerin, wäre es ein leichtes, deren Zustimmung für ein Abweichen von der gesetzlichen Reihenfolge zu gewinnen. Abschliessend ist festzuhalten, dass eine bekannt gewordene Pfändung stets mit einer Einschränkung der Kreditwürdigkeit des Schuldners einhergeht. Die vom Beschwerdeführer verlangte Lohnpfändung hätte denselben Effekt.
4. Wie die vorangehenden Erwägungen aufzeigen, war die Beschwerde zum vornherein aussichtslos, was die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ausschliesst (BGE 129 I 129 E. 2.3.1.).
5. Die Beschwerde ist demnach abzuweisen. Das Beschwerdeverfahren ist nach Art. 20a SchKG und Art. 61 Abs. 2 lit. a GebV SchKG unentgeltlich. Die Ausrichtung einer Parteientschädigung kommt nicht in Betracht (Art. 62 Abs. 2 GebV SchKG). Demnach wird erkannt: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Das Gesuch um Gewährung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes wird abgewiesen. 3. Es werden keine Kosten erhoben.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs Der Präsident Der Gerichtsschreiber Marti Schaller
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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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