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Urteil Verwaltungsgericht (SO - OGBES.2024.1)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:OGBES.2024.1
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Obergericht
Verwaltungsgericht Entscheid OGBES.2024.1 vom 22.08.2024 (SO)
Datum:22.08.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Zusammenfassung:Die Beschwerdeführerin A.___ hat beim Obergericht Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Antrags auf freiwillige öffentliche Versteigerung zweier Grundstücke eingereicht. Die Parteien hatten in einem Vergleich vereinbart, dass die Grundstücke versteigert werden sollen. Der Amtschreiber von Olten-Gösgen lehnte jedoch den Antrag ab, da er nicht zuständig sei. Das Obergericht entschied, dass der Amtschreiber von Olten-Gösgen die Versteigerung durchführen soll. Die Gerichtskosten wurden den Beschwerdegegnern C.___ und B.___ auferlegt. Die Beschwerdeführerin erhielt eine Parteientschädigung von CHF 2'217.45.
Schlagwörter: Amtschreiber; Versteigerung; Vergleich; Parteien; Olten; Olten-Gösgen; Grundstück; Recht; Grundstücke; Amtschreiberei; Solothurn; Vereinbarung; Amtschreibers; Vergleichs; Beschwerdegegner; Region; Zuständig; Liquidator; Zuständigkeit; Obergericht; Corinne; Ziffer; Antrag; Erben; Liquidation; Gesetzes; Stellung; Wille
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ; Art. 18 OR ; Art. 20 OR ; Art. 208 ZPO ; Art. 229 OR ; Art. 236 OR ; Art. 241 ZPO ; Art. 328 ZPO ; Art. 329 ZPO ; Art. 604 ZGB ;
Referenz BGE:143 III 157;
Kommentar:
Claire Huguenin, David Oser, Corinne Widmer Lüchinger, Basler Obligationenrecht I, Art. 19 OR, 2020
Entscheid
 
Geschäftsnummer: OGBES.2024.1
Instanz: Obergericht
Entscheiddatum: 22.08.2024 
FindInfo-Nummer: O_OG.2024.6
Titel: Antrag auf freiwillige öffentliche Versteigerung

Resümee:

 

Obergericht

 

Urteil vom 22. August 2024                   

Es wirken mit:

Präsidentin Hunkeler

Oberrichter Frey

Oberrichter Flückiger    

Gerichtsschreiberin Zimmermann

In Sachen

A.___, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Corinne Saner,

 

Beschwerdeführerin

 

 

gegen

 

 

1.    Amtschreiberei Olten-Gösgen Grundbuchamt,  

2.    B.___, vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Urs Helfenfinger,

3.    C.___, vertreten durch Rechtsanwalt Daniel von Arx,

 

Beschwerdegegner

 

 

 

betreffend     Antrag auf freiwillige öffentliche Versteigerung


zieht das Obergericht in Erwägung:

 

I.

 

1. Am 24. September 2021 schlossen die Erben, A.___, B.___ und C.___, der am [...] 2015 verstorbenen D.___, in der Schlichtungsverhandlung betreffend Erbteilung vor der a.o. Amtsgerichtstatthalterin von Olten-Gösgen einen Vergleich ab. Darin wurde unter anderem Folgendes vereinbart:

[1. – 3.]

4.         Es wird für GB [...] Nr. [xx], GB [...] Nr. [yy] und GB [...] Nr. [zz] die öffentliche Versteigerung zum bestmöglichen Preis angeordnet. […]

[5. – 6.]

7.         Als Liquidator wird der Amtschreiber der Amtschreiberei Region Solothurn ernannt. Der Amtschreiber kann die Aufgaben innerhalb der Amtschreiberei delegieren.

[8. – 10.]

2. Mit Schreiben vom 20. Oktober 2021 wies die Amtschreiberei Region Solothurn den Auftrag zur Liquidation der Erbengemeinschaft [...] gemäss Vergleich vom 24. September 2021, gestützt auf § 5 und § 8 des Gesetzes über die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (EG ZGB, BGS 211.1), zurück. Am 11. April 2022 lehnte der Amtschreiber der Region Solothurn, E.___, den Liquidationsauftrag erneut ab.

3. Am 15. August 2023 ersuchte A.___ den Amtschreiber von Olten-Gösgen, gestützt auf den Vergleich vom 24. September 2024, die öffentliche Versteigerung der beiden Grundstücke GB [...] Nrn. [xx] und [yy] zum bestmöglichen Preis, in die Wege zu leiten.

4. Mit Schreiben vom 31. August 2023 wies der Amtschreiber von Olten-Gösgen darauf hin, dass sich aus dem abgeschlossenen Vergleich keine Zuständigkeit des Amtschreibers von Olten-Gösgen ergebe und ohnehin ein Antrag auf freiwillige öffentliche Versteigerung nicht durch einen Miterben alleine erfolgen könne.

5. Am 14. September 2023 informierte Rechtsanwältin Dr. Corinne Saner, als Vertreterin von A.___, die Amtschreiberei Olten-Gösgen, dass sie deren Rechtsauffassung in keinerlei Hinsicht teile. Der abgeschlossene Vergleich habe zwar den Amtschreiber der Region Solothurn als Liquidator vorgesehen, dieser habe jedoch keine Kompetenz, die freiwillige öffentliche Versteigerung durchzuführen. Gemäss § 315 Abs. 1 EG ZGB habe die freiwillige Versteigerung von Grundstücken durch den nach § 5 EG ZGB zuständigen Amtschreiber zu erfolgen. Alle Miterben hätten ihre Unterschrift, u.a. unter Ziff. 4 des abgeschlossenen Vergleichs (vgl. E. I. / 1.) gesetzt. Rechtsanwältin Dr. Corinne Saner ersuchte namens und im Auftrag ihrer Klientin, den Auftrag zur Durchführung der freiwilligen öffentlichen Versteigerung von GB [...] Nrn. [xx] und [yy] sowie GB [...] Nr. [zz] zum bestmöglichen Preis entgegenzunehmen und auszuführen.

6. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2023 teilte Rechtsanwalt Daniel von Arx, namens C.___, mit, dass gegen das beantragte Vorgehen von Rechtsanwältin Dr. Corinne Saner keine Einwände erhoben würden.

7. Am 30. November 2023 beantragte Rechtsanwalt Daniel Urs Helfenfinger, namens und im Auftrag von B.___ die vollumfängliche Abweisung des Antrages vom 15. August 2023, soweit überhaupt darauf einzutreten sei. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten von A.___. Begründet wurde die Stellungnahme unter anderem damit, dass sich die Erben auf eine öffentliche Versteigerung geeinigt hätten und die beantragte freiwillige Versteigerung durch den Vergleich gerade nicht gedeckt sei und ausserdem, unter Missachtung des gerichtlichen Vergleichs, das Grundstück GB [...] Nr. [zz] im Gesuch ausdrücklich von der Verwertung ausgeschlossen worden sei.

8. Am 8. Januar 2024 verfügte die Amtschreiberei Olten-Gösgen Folgendes:

1.    Der Antrag von A.___, v.d. Rechtsanwältin Dr. iur. Corinne Saner, auf Durchführung der freiwilligen öffentlichen Versteigerung von GB [...] Nr. [xx] und [yy] sowie GB [...] Nr. [zz] wird im Sinne der Erwägungen abgelehnt.

2.    Die Amtschreibereikosten gehen zu Lasten der Antragstellerin. Im Verfahren vor den administrativen Behörden besteht im Sinne von § 371 EG ZGB i.V.m. § 2 Gebührentarif kein Anspruch auf eine Parteientschädigung. Auf das entsprechende Begehren von B.___, v.d. Rechtsanwalt Daniel Urs Helfenfinger, wird nicht eingetreten.

9. Am 19. Januar 2024 erhob A.___ (nachfolgend: Beschwerdeführerin) Beschwerde gegen die Verfügung der Amtschreiberei Olten-Gösgen vom 8. Januar 2024. Darin stellte sie folgende Rechtsbegehren:

1.    Die Verfügung der Amtschreiberei Olten-Gösgen vom 8. Januar 2024 sei vollumfänglich aufzuheben.

2.    Die Amtschreiberei Olten-Gösgen sei anzuweisen, die freiwillige öffentliche Versteigerung der Grundstücke GB [...] Nr. [xx] und [yy] sowie [...] Nr. [zz] zum bestmöglichen Preis in die Wege zu leiten und die unbelehnten Schuldbriefe auf GB [...] Nr. [xx] und [yy] im 1. und 2. Rang bei B.___ einzuverlangen.

Eventualiter: Der Antrag auf Durchführung der freiwilligen öffentlichen Versteigerung der beiden Grundstücke GB [...] Nr. [xx] und [yy] sowie [...] Nr. [zz] sei durch die Amtschreiberei Olten-Gösgen zu sistieren, bis die Zustimmung von B.___ auf dem Weg der gerichtlichen Vollstreckung beigebracht wurde.

3.    U.K.u.E.F.

10. Mit Vernehmlassung vom 29. Januar 2024 nahm die Amtschreiberei Olten-Gösgen (nachfolgend: Beschwerdegegnerin 1) zur Beschwerde Stellung und wies u.a. darauf hin, dass sich mit § 5 Abs. 2 EG ZGB sowohl die Zuständigkeit des Amtschreibers von Olten-Gösgen als auch die Zuständigkeit des Amtschreibers von Thal-Gäu begründen lasse.

11. Mit Schreiben vom 13. Februar 2024 teilte C.___ (nachfolgend: Beschwerdegegnerin 3) mit, dass sie auf eine Stellungnahme verzichte und das Urteil jedenfalls akzeptieren werde.

12. Am 10. April 2024 stellte B.___ (nachfolgend: Beschwerdegegner 2) folgende Rechtsbegehren:

1.    Es sei die Beschwerde vom 19. Januar 2024, soweit überhaupt darauf einzutreten ist, vollumfänglich abzuweisen und es sei die Nichtigkeit des gerichtlichen Vergleichs vom 24. September 2021 festzustellen resp. zu bestätigen.

2.    Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerdeführerin, auch für das Vorverfahren. Es wird um Ansetzung einer Frist zur Einreichung der Kostennote ersucht.

13. Mit Verfügung vom 17. Mai 2024 wurde bei der ehemaligen a.o. Amtsgerichtsstatthalterin von Olten-Gösgen, F.___, eine schriftliche Auskunft im Sinne von Art. 190 der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) eingeholt, woraufhin diese am 21. Mai 2024 Auskunft erstattete.

14. Am 28. Mai 2024 reichte A.___ eine Stellungnahme zur Eingabe von B.___ vom 10. April 2024 ein.

15. B.___ reichte am 5. Juni 2024 eine weitere Eingabe ein.

16. Die Stellungnahme des Amtschreiberei-Inspektors gelangte am 1. Juli 2024 beim Obergericht ein. Diese wurde den Parteien am 3. Juli 2024 zur Kenntnis zugestellt.

17. Auf die Ausführungen der Parteien wird im Folgenden soweit entscheidrelevant eingegangen. Im Übrigen wird auf die Akten verwiesen. Auf die Einholung weiterer Akten kann angesichts der Beilagen und klaren Sachlage abgesehen werden.

II.

1. Die Tätigkeit des Amtschreibers im Erbgangsverfahren unterliegt der Aufsicht des Obergerichtes. Gegen Anordnungen und Unterlassungen des Amtschreibers kann beim Obergericht innert 10 Tagen nach Kenntnisnahme Beschwerde geführt werden (§ 225 EG ZGB). Die Zivilkammer des Obergerichts beurteilt entsprechende Beschwerden gegen Entscheide des Amtschreibers (§ 30 Abs. 1 lit. g des Gesetzes über die Gerichtsorganisation [GO, BGS 125.12]). Das Beschwerdeverfahren richtet sich unter Vorbehalt abweichender Vorschriften des Bundesrechts nach den Bestimmungen des Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen (VRG, BGS 124.11, § 50 Abs. 2 der Verordnung über die Geschäftsführung der Amtschreibereien, ASV, BGS 123.21).

2. Die Parteien haben sich mit Vergleich vom 24. September 2021 im Rahmen der Schlichtungsverhandlung im Verfahren betreffend Erbteilung vor der a.o. Amtsgerichtsstatthalterin von Olten-Gösgen über die Liquidation ihrer Erbschaft geeinigt. Vorliegend umstritten sind die Ziffern 4 und 7 des Vergleichs.

3. Der Beschwerdegegner 2 hat in seiner Eingabe vom 10. April 2024 seinen Rücktritt von der Vereinbarung vom 24. September 2021 erklärt. Es ist daher vorfrageweise auf die Bedeutung dieser Erklärung einzugehen. Die Vereinbarung wurde im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens geschlossen und dieses gestützt darauf abgeschrieben. Es handelt sich daher nicht bloss um eine privatrechtlich geschlossene Vereinbarung, sondern um einen gerichtlichen Vergleich, der einem Urteil gleichgestellt ist (Art. 208 Abs. 2 ZPO). Einen gerichtlichen Vergleich kann keine Partei nachträglich einseitig durch blosse Erklärung widerrufen, wie dies der Beschwerdegegner 2 zu glauben scheint. Vielmehr muss sie dazu wiederum ein gerichtliches Verfahren anheben und in einem Revisionsverfahren ihre Anfechtungsgründe geltend machen (Art. 328 Abs. 1 ZPO). Die Revision ist innert 90 Tagen seit Entdeckung des Revisionsgrundes einzureichen (Art. 329 ZPO). Das ist bis dato offenbar nicht geschehen. Nachdem der Beschwerdegegner 2 ausführt, dass er seit dem 27. September 2023 Kenntnis davon habe, dass der Amtschreiber der Region Solothurn die Übernahme des Liquidationsmandats abgelehnt hat, scheint ihm dieser Weg prima vista verwehrt. Es erübrigt sich daher an dieser Stelle, weiter auf die Ausführungen des Beschwerdegegners 2, über den Rücktritt von der Vereinbarung vom 24. September 2021 einzugehen.

4.1 Die Parteien haben sich in Ziffer 4 des Vergleichs auf eine Versteigerung der drei zur Erbmasse gehörenden Grundstücke geeinigt.

Dazu ist vorab Folgendes klarzustellen: Das Gesetz unterscheidet in Art. 229 des Obligationenrechts (OR, SR 220) zwei Arten von Versteigerungen von Grundstücken, die Zwangsversteigerung (Abs. 1) und die freiwillige Versteigerung (Abs. 2). Die freiwillige Versteigerung ist wiederum in öffentliche und private Versteigerungen zu unterteilen (vgl. Reto Thomas Ruoss/Pascale Gola in: Corinne Widmer Lüchinger/David Oser [Hrsg.], Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Basel 2020, vor Art. 229-236 OR N 9). Um eine freiwillige öffentliche Versteigerung handelt es sich, wenn eine öffentliche Auskündigung erfolgt und das freie Bietrecht gilt (Art. 229 Abs. 2 OR). Kein Begriffsmerkmal der öffentlichen Versteigerung ist von Bundesrechts wegen die Mitwirkung einer Behörde eines Beamten. Die Kantone können aber – gestützt auf ihre Gesetzgebungskompetenz gemäss Art. 236 OR – ergänzende Regeln erlassen, welche die Mitwirkung einer Amtsperson anordnen (vgl. Reto Thomas Ruoss/Pascale Gola, a.a.O., N 20). Von dieser Möglichkeit hat der Kanton Solothurn Gebrauch gemacht, worauf noch einzugehen ist.

4.2 In Ziffer 4 des Vergleichs haben die Parteien die öffentliche Versteigerung der Grundstücke zum bestmöglichen Preis vereinbart. Das Votum des Beschwerdegegners 2, dass man nie eine freiwillige, sondern eine öffentliche Versteigerung vereinbart habe, ist in diesem Zusammenhang nicht verständlich, da diese Begriffe keine Gegensätze sind. Offenbar bestehen hier gewisse Verständnisprobleme. Da die Grundstücke nicht zwangsversteigert werden, sondern sich die Eigentümer einvernehmlich auf deren Verkauf auf dem Weg der Versteigerung geeinigt haben, handelt es sich nach dem oben Gesagten um eine freiwillige Versteigerung und, da der Bieterkreis offen ist, um eine öffentliche Versteigerung, mithin um eine freiwillige öffentliche Versteigerung. Die Beschwerdeführerin verlangt somit nichts anderes als die Parteien im Vergleich vom 24. September 2021 vereinbart haben.

4.3 Es stellt sich weiter die Frage, ob die Vereinbarung in Bezug auf die Abmachungen über die Versteigerung mängelbehaftet ist. Zu beachten ist, dass ein allfälliger Mangel in diesem Punkt nicht automatisch zur Nichtigkeit der gesamten Vereinbarung führte. Betrifft der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages bzw. Vergleichs, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre (Art. 20 Abs. 2 OR). Führt die Feststellung des hypothetischen Parteiwillens zum Schluss, dass die Parteien bei Kenntnis der Teilnichtigkeit keine Vereinbarung getroffen hätten, soll Ganznichtigkeit auch dann eintreten, wenn der Schutzzweck der verletzten rechtlichen sittlichen Norm die Vertragsbeseitigung nicht erfordern würde (Barbara Meise/Claire Huguenin in: Corinne Widmer Lüchinger/David Oser [Hrsg.], Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Basel 2020, Art. 19/20 OR N 64).

4.4 Gemäss § 315 Abs. 1 EG ZGB erfolgt die freiwillige Versteigerung von im Kanton Solothurn gelegenen Grundstücken zwingend durch den nach § 5 EG ZGB zuständigen Amtschreiber. Dieser ist allein zuständig für die öffentliche Beurkundung von Rechtsgeschäften über Grundstücke, die ganz zum grössten Teil in seinem Amtskreis liegen. Handelt es sich um mehrere, in verschiedenen Amtskreisen gelegene Grundstücke, so nimmt derjenige Amtschreiber die Beurkundung vor, der darum angegangen wird (§ 5 Abs. 1 und 2 EG ZGB). Gemäss Art. 43 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Solothurn (KV, BGS 111.1) ist das Kantonsgebiet in fünf Amteien aufgeteilt, u.a. die Amtei Olten-Gösgen und die Amtei Thal-Gäu. Nach § 2 [...] des Verzeichnisses der solothurnischen Gemeinden (Verzeichnis der solothurnischen Gemeinden, BGS 131.3) gehört [...] zum Bezirk Olten und [...] zum Bezirk Gäu (§ 2 […] Verzeichnis der solothurnischen Gemeinden).

4.5 Die örtliche und sachliche Zuständigkeit gemäss § 5 EG ZGB ist zwingend und kann von den Parteien nicht durch Vereinbarung abgeändert werden. Zuständig für die freiwillige öffentliche Versteigerung der in [...] gelegenen Grundstücke ist demnach aufgrund zwingenden Rechts einzig der Amtschreiber von Olten-Gösgen. Dieser ist aufgrund des gerichtlichen Vergleichs der Parteien, der gemäss Art. 241 Abs. 2 ZPO die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Entscheids hat, gehalten, die freiwillige Versteigerung von GB [...] Nrn. [xx] und [yy] an die Hand zu nehmen, wenn er gestützt auf den abgeschlossenen Vergleich darum ersucht wird.

4.6 Der Gesuchsgegner 2 hält dafür, aus der Vereinbarung ergebe sich keine Zuständigkeit des Amtschreibers von Olten-Gösgen. Vielmehr habe man sich auf die Liquidation der Erbschaft durch den Amtschreiber der Region Solothurn geeinigt. Die Vereinbarung ist daher auszulegen.

Bei der Vertragsauslegung ist vorab der übereinstimmende tatsächliche Wille der Parteien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses massgebend (Art. 18 Abs. 1 OR). Nach der Rechtsprechung ist Ziel der Vertragsauslegung, den übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen festzustellen. Für das tatsächliche Verständnis des Parteiwillens ist nicht allein der Wortlaut massgebend, vielmehr indizieren die gesamten Umstände, unter denen die Willenserklärungen abgegeben wurden, den inneren Willen der Parteien (BGE 143 III 157 E. 1.2.2; 142 III 239 E. 5.2.1). Das nachträgliche Verhalten ist insoweit zu berücksichtigen, als daraus geschlossen werden kann, was die Parteien mit ihrer jeweiligen Erklärung tatsächlich wollten (BGE 143 III 157 E. 1.2.2; 140 III 86 E. 4.1; 132 III 626 E. 3.1). Steht eine tatsächliche Willensübereinstimmung fest, bleibt für eine Auslegung nach dem Vertrauensgrundsatz kein Raum. Erst wenn eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten (zum Ganzen: Urteil des Bundesgerichts 8C_14/2020 E. 4.4).

Vorab ist festzustellen, dass sich die Parteien in Ziffer 4 des Vergleichs lediglich auf die öffentliche Versteigerung geeinigt haben. Eine Kompetenzzuweisung wird in dieser Ziffer nicht gemacht.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass es sich nach dem Gesagten bei der Zuständigkeitsregel gemäss § 5 EG ZGB um eine zwingende Gesetzesbestimmung handelt, die die einer abweichenden Vereinbarung durch die Parteien nicht zugänglich ist. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass den Parteien die zwingende Zuständigkeit des örtlichen Amtschreibers für die öffentliche Beurkundung von Rechtsgeschäften über Grundstücke die ganz zum grössten Teil in seinem Amtskreis liegen, bekannt und bewusst war. Das gilt im Übrigen nicht nur für eine allfällige Versteigerung der Grundstücke, sondern für jegliche Art der Eigentumsübertragung (infolge Versteigerung, freihändigen Verkaufs Übernahme durch einen Erben aus der Erbmasse). Das gilt umso mehr, als alle Parteien anlässlich der Schlichtungsverhandlung von Anwälten vertreten wurden, die gleichzeitig Solothurner Notare sind. Die allgemeine Lebenserfahrung spricht sodann dagegen, dass die Parteien bewusst eine rechtswidrige Regelung gewählt haben sollen, zumal damit ihr Problem nicht hätte gelöst werden können.

Liegen die Grundstücke in mehreren Amtskreisen ist derjenige Amtschreiber zuständig, der angegangen wird, vorliegend ist das der Amtschreiber von Olten-Gösgen. Die Beschwerde ist daher in diesem Punkt gutzuheissen. Der Amtschreiber von Olten-Gösgen soll (gestützt auf den gerichtlichen Vergleich, der einem Urteil entspricht) zur Durchführung der Versteigerung den Amtschreiber der Region Solothurn (oder dessen Stellvertreter) beiziehen. Dieser ist gemäss § 2 Abs. 2 der Amtschreibereiverordnung von Gesetzes wegen Stellvertreter des Amtschreibers von Olten-Gösgen und daher zur ausserordentlichen Stellvertretung in dieser Angelegenheit befugt.

4.7 Gemäss dem öffentlichen Inventar über den Vermögensnachlass von D.___ vom [...] 2016 liegt das Grundstück GB [...] Nr. [zz] in der Landwirtschaftszone und unterliegt den Bestimmungen des Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB, SR 211.412.11). Eine Versteigerung von GB [...] Nr. [zz] ist gemäss Art. 69 des BGBB, der die freiwillige Versteigerung solcher Grundstücke ausschliesst von Gesetzes wegen unmöglich. Soweit in Ziffer 4 des Vergleichs die freiwillige Versteigerung von GB [...] Nr. [zz] vereinbart wurde, ist dieser nicht umsetzbar. In diesem Punkt ist die Beschwerde abzuweisen.

Eine allfällige Zuständigkeit des Amtschreibers von Thal-Gäu ergibt sich aus diesem Grund auch für die beiden in [...] gelegenen Grundstücke nicht.

5.1 Für die Durchführung der Liquidation haben sich die Parteien vergleichsweise auf den Beizug des Amtschreibers der Region Solothurn geeinigt (Ziff. 7 des Vergleichs). Dieser hat das Mandat auf Anfrage abgelehnt, obwohl sein Stellvertreter die Übernahme des Mandats offenbar vorgängig zugesagt hatte. In Bezug auf die Person des Liquidators ist der Vergleich folglich wegen nachträglicher Unmöglichkeit ebenfalls nicht umsetzbar. Da dieser Punkt nicht die ausschliessliche Zuständigkeit des Amtschreibers betrifft, ist der Amtschreiber der Region Solothurn rechtlich nicht zur Mandatsübernahme verpflichtet.

Das Amt des Liquidators kann im Gegensatz zur öffentliche Beurkundung von Rechtsgeschäften über Grundstücke von jedermann übernommen werden, zum Beispiel auch von einem privaten Notar, einem Treuhänder sogar von einem Erben mehreren Erben gemeinsam. Eine zwingende Zuständigkeit besteht nicht.

5.2 Betrifft der Mangel - wie hier - bloss einzelne Teile des Vertrages bzw. Vergleichs, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre (Art. 20 Abs. 2 OR). Führt die Feststellung des hypothetischen Parteiwillens zum Schluss, dass die Parteien bei Kenntnis der Teilnichtigkeit keine Vereinbarung getroffen hätten, soll Ganznichtigkeit auch dann eintreten, wenn der Schutzzweck der verletzten rechtlichen sittlichen Norm die Vertragsbeseitigung nicht erfordern würde (Barbara Meise/Claire Huguenin in: Corinne Widmer Lüchinger/David Oser [Hrsg.], Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Basel 2020, Art. 19/20 OR N 64).

In Ziff. 7 des Vergleichs vom 24. September 2021 haben die Parteien die Einsetzung des Amtschreibers der Amtschreiberei Region Solothurn als Liquidator vereinbart. Sowohl die Beschwerdegegnerin 1 als auch der Beschwerdegegner 2 liessen in ihrer Stellungnahme ausführen, dass es der ausdrückliche Wille aller Erben gewesen sei, dass der Amtschreiber der Region Solothurn als Liquidator eingesetzt werde. Deshalb habe die a.o. Amtsgerichtsstatthalterin telefonisch abgeklärt, ob er diesen Auftrag annehmen würde, was der einzig erreichbare Stellvertreter gemäss ihrer Rückmeldung bejaht habe. Diese Schilderung wird durch die schriftliche Auskunft der ehemaligen a.o. Amtsgerichtsstatthalterin von Olten-Gösgen vom 21. Mai 2024 bestätigt.

Diese Vergleichsziffer ist nach der Weigerung des Amtschreibers der Region Solothurn, das Mandat zu übernehmen, objektiv nicht umsetzbar. Da es sich bei der Liquidation von Erbschaften um keine zwingende Zuständigkeit der Amtschreiberei handelt, kann der Amtschreiber von der Aufsichtsbehörde nicht zur Mandatsübernahme angehalten werden. Es wird unumgänglich sein, dass sich die Parteien diesbezüglich auf eine andere Person/Institution einigen, sofern sie auf einen solchen bestehen.

5.3 Es stellt sich nach dem oben gesagten die Frage, ob der Vergleich ohne diesen Punkt nicht abgeschlossen worden wäre. Davon ist trotz der Stellungnahme des Beschwerdegegners 2 nicht auszugehen. Die Erbschaft kann auch ohne externen Liquidator geteilt werden. Die Person des Liquidators hat objektiv keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der restlichen Vereinbarung, insbesondere nicht auf jene Teile, für die zwingendes Recht gilt. Hinzu kommt, dass aus der Vereinbarung selber kein Zusammenhang zwischen den Ziffern 4 und 7 hervorgeht und eine solche auch sachlich nicht ersichtlich ist, da ein willkürlich eingesetzter Liquidator keine Grundstücksversteigerung durchführen kann. In diesem Zusammenhang ist überdies in Erinnerung zu rufen, dass gemäss Art. 604 Abs. 1 ZGB jeder Miterbe zu beliebiger Zeit die Teilung der Erbschaft verlangen und auch gegen den Willen der Miterben durchsetzen kann und dafür nicht zwingend ein Liquidator eingesetzt werden muss. Es ist daher (lediglich) von einer Teilnichtigkeit der Vereinbarung in Bezug auf die Person des Liquidators gemäss Ziffer 7, wegen nachträglicher Unmöglichkeit der Umsetzung, auszugehen.

6. Die Beschwerdeführerin ersucht um Parteibefragung und Befragung von F.___ und G.___ als Zeugen. Eine Befragung würde die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung voraussetzen. Gemäss § 50 Abs. 2 ASV richtet sich das Beschwerdeverfahren unter Vorbehalt abweichender Vorschriften des Bundesrechts nach den Bestimmungen des Gesetzes über das Verfahren vor den Verwaltungsgerichtsbehörden (VRG; BGS 124.1). Gemäss § 52 Abs. 1 VRG sind die Verwaltungsgerichtsbehörden nicht an die Beweisanträge der Parteien gebunden. Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, vermögen die Ausführungen der Beschwerdeführerin und der beantragten Zeugen nichts an den rechtlichen Gegebenheiten zu ändern. Der Beizug weiterer Akten erübrigt sich daher ebenso wie die persönlichen Befragungen von F.___ und G.___.

7. Die Beschwerde erweist sich folglich weitgehend als begründet und ist lediglich in Bezug auf die Versteigerung von GB [...] Nr. [zz] abzuweisen.

8. Dem Ausgang des Beschwerdeverfahrens entsprechend rechtfertigt es sich, die Prozesskosten den grossmehrheitlich unterliegenden Beschwerdegegnern je hälftig aufzuerlegen (vgl. § 77 VRG i.V.m. Art. 106 Abs. 1 ZPO). Die Gerichtkosten werden für das Beschwerdeverfahren auf CHF 2'000.00 festgesetzt. Sie werden mit dem von der Beschwerdeführerin geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet. Die Beschwerdegegner haben ihr diese unter solidarischer Haftbarkeit zu ersetzen.

9. Die Beschwerdegegner haben der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu bezahlen. Die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin hat eine detaillierte Honorarnote eingereicht. Der geltend gemachte Aufwand erscheint angemessen. Die Beschwerdegegner haben die Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren unter solidarischer Haftbarkeit mit total CHF 2'217.45 zu entschädigen.

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen und der Amtschreiber von Olten-Gösgen wird angewiesen, umgehend die öffentliche Versteigerung der Grundstücke GB [...] Nrn. [xx] und [yy] an die Hand zu nehmen.

2.    Die Gerichtskosten von CHF 2'000.00 werden C.___ und B.___ je hälftig auferlegt. Sie werden mit dem von A.___ geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. C.___ und B.___ haben ihr diesen Betrag unter solidarischer Haftbarkeit zu ersetzen.

3.    C.___ und B.___ haben A.___ für das Beschwerdeverfahren unter solidarischer Haftbarkeit eine Parteientschädigung von CHF 2'217.45 zu bezahlen.

Im Namen des Obergerichts

Die Präsidentin                                                                 Die Gerichtsschreiberin

Hunkeler                                                                           Zimmerman



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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