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Urteil Verwaltungsgericht (SO - BKBES.2024.72)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:BKBES.2024.72
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Beschwerdekammer
Verwaltungsgericht Entscheid BKBES.2024.72 vom 15.07.2024 (SO)
Datum:15.07.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Zusammenfassung:In dem vorliegenden Fall ging es um eine Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung eines Strafverfahrens wegen Sachbeschädigung. Der Beschwerdeführer verlangte eine Entschädigung und Genugtuung, da er die Hausdurchsuchung und Fotodokumentation als unverhältnismässig empfand. Die Staatsanwaltschaft entschied jedoch, dass weder eine Entschädigung noch eine Genugtuung gerechtfertigt seien, da der Beizug eines Anwalts nicht notwendig gewesen sei und keine schwerwiegenden persönlichen Verletzungen vorlägen. Die Beschwerde wurde abgewiesen, und die Kosten wurden den Beschwerdeführern auferlegt. Der Richter war Präsident Frey, und die Gerichtsschreiberin war Ramseier.
Schlagwörter: Verfahren; Polizei; Recht; Genugtuung; Staat; Entschädigung; Hausdurchsuchung; Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; Fotos; Rechtsanwalt; Sachbeschädigung; Beizug; Anwalt; Person; Anwalts; Einstellungsverfügung; Polizeiposten; Zwangsmassnahme; Verfahren; Recht; Verhältnis; Beschwerdekammer; Verhältnisse; Verteidigers; Verfahrens
Rechtsnorm: Art. 144 StGB ; Art. 147 StPO ; Art. 196 StPO ; Art. 429 StPO ; Art. 431 StPO ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Daniel Jositsch, Niklaus Schmid, Schweizer, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxis, 4. Auflage, Art. 429 StPO, 2023
Entscheid
 
Geschäftsnummer: BKBES.2024.72
Instanz: Beschwerdekammer
Entscheiddatum: 15.07.2024 
FindInfo-Nummer: O_BK.2024.60
Titel: Einstellungsverfügung (Entschädigung / Genugtuung)

Resümee:

 

Obergericht

Beschwerdekammer

 

 

 

Verfügung vom 15. Juli 2024

Es wirken mit:

Präsident Frey

Gerichtsschreiberin Ramseier

In Sachen

1.    A.___

2.    B.___, vertreten durch A.___,

 

Beschwerdeführer

 

 

gegen

 

 

Staatsanwaltschaft,

 

Beschwerdegegnerin

 

betreffend     Einstellungsverfügung (Entschädigung / Genugtuung)


zieht der Präsident der Beschwerdekammer des Obergerichts in Erwägung:

I.

 

1. In einer gegen C.___ geführten Strafuntersuchung wegen Sachbeschädigung (grosser Schaden) wurde anlässlich der Hausdurchsuchung vom 2. Mai 2023 in [...] eine GoPro Hero Digitalkamera sichergestellt, welche auf dessen Verlangen gesiegelt worden war. Nach der Entsiegelung wurde auf der Kamera ein Video festgestellt, welches C.___ zeigt, wie er zusammen mit zwei weiteren Personen am 29. April 2023 ein Schienenfahrzeug der SBB in [...] mit dem Schriftzug «[…]» besprayt. Die Täterschaft entfernte sich anschliessend in einem [...][...]. Vom Video wurden einzelne Printscreens erstellt. Darauf wollte die Polizei B.___ als möglichen Mittäter resp. als Fahrer des [...] erkannt haben. Auf dem Video war ersichtlich, dass der Fahrer auf der [...] des [...] [...]arms tätowiert ist und der [...] aufweist. Am 16. Oktober 2023 eröffnete die Staatsanwaltschaft gegen B.___ eine Strafuntersuchung wegen Sachbeschädigung, erteilte der Polizei gleichentags einen Ermittlungsauftrag (u.a. Anhaltung des Beschuldigten) und erliess einen Hausdurchsuchungsbefehl.

 

Gestützt darauf begab sich die Polizei am 19. Oktober 2023 um 6:15 Uhr an den Wohnort von B.___. Dort wurde ihr von dessen Mutter mitgeteilt, dass ihr Sohn bei seiner Freundin übernachtet habe und er keine Tätowierung am Arm habe. Darauf sah die Polizei von einer Hausdurchsuchung ab. Auf dem Rückweg meldete sich B.___ bei der Polizei, worauf ein Treffen bei der [...]fabrik in [...] vereinbart wurde. Dort zeigte B.___ der Polizei seine Arme; es konnte keine Tätowierung festgestellt werden. Nach Rückfrage wurde vereinbart, dass die Polizei von seinen Armen Fotos erstellen darf. Damit dies nicht auf öffentlicher Strasse stattfinden musste, war er damit einverstanden, die Fotos auf dem Polizeiposten machen zu lassen. Nach Erstellen der Fotos wurde B.___ entlassen (vgl. Nachtragsrapport vom 8. Dezember 2023). Gemäss diesem Rapport habe B.___ aufgrund der fehlenden Tätowierung als einer der Sprayer ausgeschlossen werden können. Somit seien auch keine weiteren Massnahmen mehr erfolgt.

 

Am 24. Oktober 2023 wandte sich Rechtsanwalt A.___ unter dem Betreff STA.2021.2966 an die Staatsanwaltschaft. Es sei ihm mitgeteilt worden, dass am 19. Oktober 2023 eine weitere Hausdurchsuchung stattgefunden habe. Ohne dass er davon in Kenntnis gesetzt worden wäre, sei sein Klient auf den Polizeiposten geführt worden. Er ersuche um Akteneinsicht in sämtliche Akten, welche seit dem 10. Juli 2023 in diesem Verfahren ergangen seien. Der zuständige Staatsanwalt orientierte Rechtsanwalt A.___ am 2. November 2023 dahingehend, die von ihm erwähnte Hausdurchsuchung sei im Verfahren STA.2022.4766 geplant gewesen. Stand jetzt müsse das Verfahren eingestellt werden. Eine Benachrichtigung an ihn habe bei der erwähnten Ausgangslage nicht als notwendig erschienen. Falls er B.___ auch in diesem Verfahren vertreten wolle, bitte er um Zustellung einer entsprechenden Mandatsanzeige.

 

In der Folge bat Rechtsanwalt A.___ um Akteneinsicht, welche ihm am 10. November 2023 gewährt wurde. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, dass das Verfahren gegen B.___ nach Eingang des polizeilichen Ermittlungsberichts eingestellt werde. Am 16. November 2023 liess sich Rechtsanwalt A.___ dazu vernehmen. Die Hausdurchsuchung sei völlig unverhältnismässig gewesen. Auch die «Fotosession» sei absolut unnötig gewesen. Von einem hinreichenden Tatverdacht habe von Anbeginn nicht ansatzweise gesprochen werden können. Ein Anwaltsbeizug sei angemessen gewesen. Aus diesem Grund werde zu gegebener Zeit sowohl eine Entschädigung als auch eine Genugtuung geltend gemacht.

 

Am 20. Dezember 2023 teilte die Staatsanwaltschaft den Abschluss der Untersuchung mit. Es sei vorgesehen, das Verfahren gegen B.___ wegen Sachbeschädigung einzustellen. Mit Eingabe vom 8. Januar 2024 machte Rechtsanwalt A.___ eine Entschädigung von CHF 924.20 sowie eine Genugtuung für seinen Mandanten von CHF 500.00 geltend. Die Fotodokumentation sei zu vernichten.

 

Mit Verfügung vom 15. April 2024 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen B.___ wegen Sachbeschädigung ein (Ziff. 1). Es wurde weder eine Entschädigung noch eine Genugtuung ausgerichtet (Ziff. 3). Ziff. 3 wurde damit begründet, der Beizug eines Anwaltes sei nicht notwendig gewesen. Es sei von einem Fall mit Bagatellcharakter auszugehen, was von Anfang an ersichtlich gewesen sei. Es seien keine sachlichen rechtlichen Schwierigkeiten auszumachen. B.___ wäre ohne Zweifel in der Lage gewesen, sich selber zu verteidigen. Eine Genugtuung rechtfertige sich nicht, da B.___ nie einer namhaften Zwangsmassnahme ausgesetzt gewesen sei. Es fehle an der besonderen Schwere der durch das Strafverfahren bewirkten Verletzung der persönlichen Verhältnisse.

 

2. Gegen Ziff. 3 der Einstellungsverfügung erhob Rechtsanwalt A.___ am 6. Mai 2024 Beschwerde; in eigenem Namen gegen die verweigerte Entschädigung, namens von B.___ gegen die verweigerte Genugtuung. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, für die Einschätzung, ob ein Anwalt beizuziehen sei, sei der Moment der Mandatierung massgebend. Dies sei hier kurz nach dem Vollzug eines Vorführungs- und Hausdurchsuchungsbefehls der Fall gewesen. Es habe sich nicht nur um ein Bagatelldelikt gehandelt, ansonsten die Staatsanwaltschaft nicht die ganze Palette von Zwangsmassnahmen angeordnet hätte. Aber selbst wenn die Massnahmen dem Grundsatze nach zulässig gewesen sein sollten, hätte es mildere Massnahmen gegeben, die Mutmassung, es könnte sich bei B.___ um den Fahrer des [...] handeln, zu verifizieren. Man hätte ihn auf den Polizeiposten vorladen können, um seinen Arm zu inspizieren. Zu berücksichtigen sei zudem, dass gegen B.___ bereits ein Strafverfahren hängig sei, weswegen die Eltern von B.___ ihn auch frühmorgens mandatiert hätten. Sie hätten angenommen, es handle sich um eine weitere Zwangsmassnahme im laufenden Verfahren. Die Staatsanwaltschaft gehe in der Einstellungsverfügung von mehrfacher Sachbeschädigung (grosser Schaden) aus. Dafür drohe eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren.

 

Die angeordneten Zwangsmassnahmen seien unverhältnismässig gewesen, weshalb B.___ eine Genugtuung zuzusprechen sei. Die Eltern hätten der Polizei bereits anlässlich der Hausdurchsuchung versichert, dass ihr Sohn keine solche Tätowierung auf dem Arm trage. Spätestens, als sich die Polizei bei B.___ selber davon habe überzeugen können, hätte die Übung abgebrochen werden können. Die Erstellung einer Fotodokumentation sei nicht nur unnötig, sondern auch erniedrigend und persönlichkeitsverletzend und eigentlich übergriffig gewesen.

 

3. Die Staatsanwaltschaft beantragte am 22. Mai 2024 die Abweisung der Beschwerde.

 

4. Am 4. Juni 2024 ging die Honorarnote von Rechtsanwalt A.___ ein.

 

5. Für die Standpunkte der Parteien wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, wird nachfolgend darauf eingegangen.

 

II.

 

1. Gestützt auf Art. 395 lit. b der schweizerischen Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) ist für die Beurteilung der Beschwerde die Verfahrensleitung der Beschwerdeinstanz, hier der Präsident der Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Solothurn, zuständig.

 

Rechtsanwalt A.___ ergreift das Rechtsmittel der Beschwerde betreffend die verweigerte Entschädigung zu Recht in eigenem Namen (Art. 429 Abs. 3 StPO; nachfolgend Beschwerdeführer 1) und diejenige gegen die verweigerte Genugtuung namens von B.___ (nachfolgend Beschwerdeführer 2).

 

2.1 Wird die beschuldigte Person ganz teilweise freigesprochen wird das Verfahren gegen sie eingestellt, so hat sie gemäss Art. 429 Abs. 1 StPO Anspruch auf eine nach dem Anwaltstarif festgelegte Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte, wobei beim Anwaltstarif nicht unterschieden wird zwischen der zugesprochenen Entschädigung und den Honoraren für die private Verteidigung (lit. a).

 

Zu den Aufwendungen im Sinne von Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO zählen in erster Linie die Kosten der frei gewählten Verteidigung, wenn der Beistand angesichts der tatsächlichen rechtlichen Komplexität wie auch die Höhe des Arbeitsaufwands gerechtfertigt sind. Der Beizug eines Verteidigers kann sich als angemessen erweisen, auch wenn er nicht als geradezu geboten erscheint. Einer beschuldigten Person wird in der Regel der Beizug eines Anwalts zugebilligt, wenn dem Deliktsvorwurf eine bestimmte Schwere zukommt. Deshalb wird bei Verbrechen und Vergehen nur in Ausnahmefällen schon der Beizug eines Anwalts an sich als nicht angemessene Ausübung der Verfahrensrechte bezeichnet werden können. Zu beachten ist, dass es im Rahmen von Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO um die Verteidigung einer vom Staat zu Unrecht beschuldigten und gegen ihren Willen in ein Strafverfahren einbezogenen Person geht. Das materielle Strafrecht und das Strafprozessrecht sind zudem komplex und stellen insbesondere für Personen, die das Prozessieren nicht gewohnt sind, eine Belastung und eine grosse Herausforderung dar. Wer sich selbst verteidigt, dürfte deshalb prinzipiell schlechter gestellt sein. Dies gilt grundsätzlich unabhängig von der Schwere des Deliktsvorwurfs. Auch bei blossen Übertretungen darf deshalb nicht generell davon ausgegangen werden, dass die beschuldigte Person ihre Verteidigungskosten als Ausfluss einer Art von Sozialpflichtigkeit selbst zu tragen hat. Beim Entscheid über die Angemessenheit des Beizugs eines Verteidigers sind sodann neben der Schwere des Tatvorwurfs und der tatsächlichen und rechtlichen Komplexität des Falls insbesondere auch die Dauer des Verfahrens und dessen Auswirkungen auf die persönlichen und beruflichen Verhältnisse der beschuldigten Person zu berücksichtigen. Massgebend für die Beurteilung der Angemessenheit des Beizugs eines Verteidigers sind die Umstände, die im Zeitpunkt der Mandatierung bekannt waren. Wie lange das Verfahren im Anschluss noch dauerte mit welcher Hartnäckigkeit es von der Staatsanwaltschaft danach weiterverfolgt wurde, kann keine Rolle spielen (Urteil 6B_1280/2021 vom 7. September 2022 E. 4.3.1 mit Hinweisen).

 

2.2 Beim Vorhalt der Sachbeschädigung handelt es sich um ein Vergehen, also grundsätzlich nicht um einen leichten Vorhalt, wie dies in der Regel bei Übertretungen der Fall ist. Darauf hinzuweisen ist aber, dass es entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführer in Ziff. 9 der Beschwerde nicht um eine Sachbeschädigung mit grossem Schaden gegangen war. Es wurde «nur» ein Verfahren wegen Sachbeschädigung nach Art. 144 Abs. 1 StGB eröffnet und auch aus der Einstellungsverfügung geht klar hervor, dass sich der Hinweis auf eine mehrfache Sachbeschädigung (grosser Schaden) nur auf C.___ bezog.

 

Trotz des Umstandes, dass es sich vorliegend um ein Vergehen handelte, das dem Beschwerdeführer 2 vorgeworfen wurde, und gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung bei Vergehen nur in Ausnahmefällen der Beizug eines Anwalts an sich als nicht angemessene Ausübung der Verfahrensrechte bezeichnet werden kann, war der Beizug eines Verteidigers vorliegend nicht geboten. Dies aus folgenden Gründen:

 

-      Es wurde entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführer kein Vorführungs- Hausdurchsuchungsbefehl vollzogen. Die Polizei sprach lediglich am damaligen Wohnort des Beschwerdeführers 2 vor und sah umgehend von einer Hausdurchsuchung ab, nachdem die Eltern mitgeteilt hatten, ihr Sohn weise kein Tattoo am [...]arm auf. Weder die Eltern noch ihr Sohn mussten somit zu diesem Zeitpunkt eine Zwangsmassnahme erdulden. Daraus lässt sich folglich keine Entschädigungspflicht ableiten. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine Hausdurchsuchung ohnehin keine Massnahme der Beweiserhebung bildet und daher grundsätzlich kein Recht der Parteien bzw. ihres Anwalts – im Sinne von Art. 147 StPO – auf Teilnahme besteht (Urteil des Bundesgerichts 1B_94/2022 vom 18. März 2022 E. 4.3).

 

-      Dass der Beizug eines Verteidigers unmittelbar nach Vorsprache der Polizei notwendig gewesen resp. entsprechend zu entschädigen wäre, ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass gegen B.___ bereits ein Verfahren hängig war. Dieses Verfahren war offenbar bereits mit Strafbefehl abgeschlossen.

 

-      Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers 1 ist es nicht zu beanstanden, dass sich die Staatsanwaltschaft zur Eröffnung einer Strafuntersuchung gegen B.___ veranlasst sah. Sie erhielt im gegen C.___ geführten Verfahren STA.2022.4766 den Hinweis, dass sich B.___ bei einer der C.___ vorgeworfenen Sachbeschädigungen beteiligt haben könnte und eröffnete daher nach entsprechender Meldung am 16. Oktober 2023 eine Strafuntersuchung gegen ihn. Dass sie dabei eine Hausdurchsuchung anordnete und nicht zuerst B.___ auf den Polizeiposten vorlud, um abzuklären, ob er ein Tattoo aufweist, ist aus ermittlungstaktischen Gründen sicherlich nicht zu beanstanden. Hätte B.___ anhand der Vorladung von den Ermittlungen der Polizei gewusst, wäre es für ihn (wenn er Mittäter gewesen wäre) ein Leichtes gewesen, allfällige Beweismittel auf die Seite zu schaffen Absprachen zu treffen.

 

-      Nach Entgegennahme des Telefons von B.___ wurde dieser in [...] angetroffen und auf ein allfälliges Tattoo angesprochen. Er war sowohl damit einverstanden, dass von seinen Armen Fotos erstellt werden als auch auf den Polizeiposten zur Vornahme der Fotos mitzugehen, was in der Beschwerde nicht bestritten wird. Nachdem festgestellt worden war, dass er kein Tattoo am Arm aufweist und die entsprechenden Fotos getätigt worden waren, wurde er wieder entlassen. Zu einer Einvernahme wurde er nicht aufgeboten. Der Beizug eines Anwalts war folglich auch zu diesem Zeitpunkt nicht notwendig. Aufgrund der gesamten Umstände musste es für B.___ klar gewesen sein, dass die Angelegenheit damit erledigt sein würde. Ansonsten hätte er sich kurz bei der Polizei der Staatsanwaltschaft erkundigen können.

 

-      Die Staatsanwaltschaft hatte Rechtsanwalt A.___ bereits am 2. November 2023 mitgeteilt, dass das Verfahren gegen B.___ Stand jetzt eingestellt werden müsse.

 

Das Verfahren erwies sich somit weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht als komplex, was bereits zu Beginn ersichtlich war. Das Verfahren dauerte auch nicht lange und konnte kaum nennenswerte Auswirkungen auf die persönlichen und beruflichen Verhältnisse von B.___ gehabt haben (vgl. auch nachfolgend Ziff. 3).

 

3. Wird die beschuldigte Person ganz teilweise freigesprochen wird das Verfahren gegen sie eingestellt, so hat sie gemäss Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO Anspruch auf Genugtuung für besonders schwere Verletzungen ihrer persönlichen Verhältnisse, insbesondere bei Freiheitsentzug. Das systematische Verhältnis von Art. 429 Abs. 1 lit. c zu Art. 431 StPO ergibt, dass Art. 429 Abs. 1 lit. c vorab auf Zwangsmassnahmen zugeschnitten ist, die im Einklang mit Art. 196 ff. StPO stehen, also rechtmässig angeordnet worden sind und sich erst im Nachhinein als unnötig erweisen. Art. 431 StPO ist hingegen auf im Zeitpunkt der Anordnung rechtswidrige Zwangsmassnahmen anwendbar. Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO ist neben dem explizit erwähnten Fall ungerechtfertigter Haft bei persönlichkeitsverletzenden Äusserungen von Strafbehörden anwendbar. Sie ergeben sich aber nicht bereits aus der mit jedem Strafverfahren verbundenen psychischen Belastung und Blossstellung. Vorverurteilende Medienberichterstattung kann in schweren Fällen ebenfalls einen Genugtuungsanspruch auslösen, wobei es dem Beschuldigten obliegt, die Vorverurteilung und deren Ausmass darzulegen (Daniel Jositsch/Niklaus Schmid, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 4. Auflage, 2023, Art. 429 N 10 f.).

 

Eine Genugtuung gestützt auf Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO rechtfertigt sich vorliegend nicht. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die auf eine derart besonders schwere Verletzung der persönlichen Verhältnisse hindeuten würden. Die Hausdurchsuchung wurde nicht durchgeführt. Der Beschwerdeführer musste einzig dulden, auf den Polizeiposten mitzugehen und dort von seinem Oberkörper Fotos erstellen zu lassen. Diesbezüglich ist zwar zu erwähnen, dass die Feststellung der Polizei vor Ort in [...], wonach B.___ kein Tattoo aufweise, wohl auch genügt hätte. Dennoch kann im Mitgehen auf den Polizeiposten (damit die Fotos nicht vor Ort auf öffentlicher Strasse durchgeführt werden mussten) und der Erstellung der Fotos an sich keine Persönlichkeitsverletzung erblickt werden, die eine Genugtuung rechtfertigen würde. Einerseits hat sich der Beschwerdeführer 2 damit einverstanden erklärt, mit der Polizei mitzugehen, andererseits stellen die Fotos auch keine schwere Persönlichkeitsverletzung dar. Gemäss Ziff. 4 der Einstellungsverfügung sind sie nach Eintritt der Rechtskraft der Einstellungsverfügung zudem zu vernichten resp. dürften schon vernichtet worden sein, da Ziff. 4 nicht angefochten worden ist.

 

4. Zusammenfassend ist folglich weder dem Beschwerdeführer 1 eine Entschädigung zuzusprechen noch dem Beschwerdeführer 2 eine Genugtuung. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist entsprechend abzuweisen.

 

5. Bei diesem Ausgang gegen die Kosten zu Lasten der Beschwerdeführer. Sie betragen total CHF 600.00. Rechtsanwalt A.___ und B.___ haben somit je Kosten von CHF 300.00 zu tragen. Eine Entschädigung für das Beschwerdeverfahren ist bei diesem Ausgang nicht zuzusprechen.

Demnach wird verfügt:

1.    Die Beschwerden werden abgewiesen.

2.    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von total CHF 600.00 haben Rechtsanwalt A.___ und B.___ je zur Hälfte zu tragen. Eine Entschädigung ist nicht zuzusprechen.

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen der Beschwerdekammer des Obergerichts

Der Präsident                                                                    Die Gerichtsschreiberin

Frey                                                                                  Ramseier

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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