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Urteil Verwaltungsgericht (SO - BKBES.2024.12)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:BKBES.2024.12
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Beschwerdekammer
Verwaltungsgericht Entscheid BKBES.2024.12 vom 06.03.2024 (SO)
Datum:06.03.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Zusammenfassung:Die Beschwerdekammer des Obergerichts hat über den Nachentscheid des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 21. Dezember 2023 verhandelt. Es ging um die Verlängerung der stationären Massnahme für A.___. Die Gutachterin Dr. C.___ bestätigte die schwere psychische Störung von A.___ und die Notwendigkeit der Behandlung. Die Befragung von Dr. C.___ wurde unterbrochen, und der Antrag auf Verlängerung der Massnahme wurde abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens wurden festgelegt, und die Beschwerdekammer entschied, dass A.___ nicht bedingt aus der stationären Massnahme entlassen wird. Die Beschwerdegegnerin und das Amt für Justizvollzug hatten unterschiedliche Anträge gestellt, die im Rahmen des Verfahrens diskutiert wurden.
Schlagwörter: Massnahme; Setting; Gutachten; Behandlung; Gutachter; Krankheit; Krankheits; Gutachterin; Entlassung; Störung; Risiko; Cannabis; Verlängerung; Lockerung; Massnahmen; Urteil; Recht; Verlauf; Eltern; Vollzug; Obergericht
Rechtsnorm: Art. 10 StPO ; Art. 100 StPO ; Art. 36 BV ; Art. 365 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 448 StPO ; Art. 453 StPO ; Art. 56 StGB ; Art. 59 StGB ; Art. 62 StGB ; Art. 9 BV ;
Referenz BGE:128 I 81; 129 I 49; 130 I 337; 132 II 257; 133 II 384; 136 II 539; 141 IV 369;
Kommentar:
-
Entscheid
 
Geschäftsnummer: BKBES.2024.12
Instanz: Beschwerdekammer
Entscheiddatum: 06.03.2024 
FindInfo-Nummer: O_BK.2024.23
Titel: Nachentscheid des Richteramtes Olten-Gösgen vom 21. Dezember 2023

Resümee:

 

Obergericht

Beschwerdekammer

 


Beschluss vom 6. März 2024 zum Nachentscheid des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 21. Dezember 2023

Es wirken mit:

Präsident Frey

Oberrichterin Hunkeler

Oberrichterin Kofmel

Gerichtsschreiberin Ramseier

In Sachen

Amt für Justizvollzug,

 

Beschwerdeführer

 

 

gegen

 

A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Daniel U. Walder,

 

Beschwerdegegnerin

 

betreffend     Nachentscheid des Richteramtes Olten-Gösgen vom 21. Dezember 2023


 

Es erscheinen am 5. März 2024 zur Verhandlung vor Obergericht:

 

-       B.___ als Vertreterin des beschwerdeführenden Amtes für Justizvollzug, in Begleitung von H.___, juristische Fallverantwortliche beim Amt für Justizvollzug;

-       A.___, Beschwerdegegnerin;

-       Rechtsanwalt Daniel U. Walder, amtlicher Verteidiger der Beschwerdegegnerin;

-       Dr. med. C.___, Sachverständige;

-       die Eltern der Beschwerdegegnerin und eine Freundin als Zuschauer;

-       zwei Polizeibeamte.

 

 

Der Präsident eröffnet die Verhandlung, gibt die Zusammensetzung des Gerichts bekannt und stellt die Anwesenden fest. Rechtsanwalt Walder bestätigt die Annahme des Präsidenten, dass er auch im Beschwerdeverfahren als amtlicher Verteidiger von A.___ auftrete. Anschliessend äussert sich der Präsident zum Anfechtungsgegenstand und zum Ablauf der Verhandlung und fragt die Parteien, ob sie Vorfragen Vorbemerkungen hätten. Im Weiteren übergibt er der Vertreterin des Amtes für Justizvollzug eine Kopie der am Morgen eingegangenen Kostennote von Rechtsanwalt Walder.

 

B.___ hat keine Vorbemerkungen Vorfragen. Rechtsanwalt Walder deponiert zunächst die Feststellung, dass der Transport der Beschwerdegegnerin in Handschellen unverhältnismässig sei. Weiter stellt er den Antrag, Frau C.___ dürfe als sachverständige Zeugin nicht im Raum sein, wenn seine Mandantin befragt werde. B.___ verzichtet auf eine Stellungnahme zu diesem Antrag.

 

Die Verhandlung wird zur geheimen Beratung dieses Antrags unterbrochen. Nach der Wiederaufnahme wird den Parteien der Beschluss eröffnet, der Antrag werde abgewiesen. Frau C.___ sei als Sachverständige, nicht als Zeugin, vorgeladen worden. Ihre Aufgabe sei es, das Gutachten zu ergänzen. Dazu müsse sie wissen, was die Beschwerdegegnerin anlässlich der Hauptverhandlung ausführe. Im Übrigen entspreche es der ständigen Praxis, sowohl der Beschwerde- wie auch der Strafkammer, dass Sachverständige anwesend seien, wenn die beschuldigte Person resp. ein Beschwerdeführer eine Beschwerdeführerin (vorliegend die Beschwerdegegnerin) befragt werde.

 

Anschliessend weist der Präsident darauf hin, dass sich für den Fall einer Verlängerung der Massnahme die Frage der Sicherheitshaft zur Sicherung des Massnahmenvollzugs stelle. Im Weiteren macht er die Parteien darauf aufmerksam, dass die Einvernahmen auf einen Tonträger aufgezeichnet würden, d.h. das Protokoll werde anschliessend an die Einvernahme nicht zum Durchlesen und Unterzeichnen vorgelegt (Art. 78 Abs. 5bis aStPO). Ebenso würden die Plädoyers, sofern sie nicht schriftlich abgegeben würden, aufgezeichnet.

 

Rechtsanwalt Walder erwähnt, er habe mit seiner Mandantin darüber gesprochen, dass sie keine Aussagen machen werde, wenn der Antrag, Frau C.___ habe während ihrer Befragung den Raum zu verlassen, abgewiesen werde. Die Beschwerdegegnerin werde also keine Aussagen machen und verweise auf diejenigen vor der Vorinstanz. Präsident Frey bittet die Beschwerdegegnerin dennoch nach vorne und fragt sie – nach dem Hinweis darauf, dass sie als schuldunfähige Person einvernommen werde, sie sich nicht selber belasten müsse und sie Aussagen und Mitwirkung verweigern könne –, ob sie Aussagen machen wolle. Sie sagt, in dem Falle verweigere sie die Aussagen.

 

Es erfolgt die Befragung von Frau Dr. C.___. Die Befragung wird mit technischen Mitteln aufgezeichnet (Datenträger in den Akten; vgl. auch das schriftliche Einvernahmeprotokoll).

 

Die Parteien werden anschliessend gefragt, ob sie noch weitere Beweisanträge hätten. Dies wird verneint, worauf das Beweisverfahren geschlossen wird.

 

Es stellen und begründen folgende Anträge (die schriftlichen Plädoyers der Parteivertreter werden zu den Akten gegeben):

 

B.____ für das Amt für Justizvollzug:

 

1.    Der Nachentscheid des Richteramts Olten-Gösgen vom 21. Dezember 2023 sei aufzuheben.

2.    Die mit Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 14. Januar 2021 angeordnete stationäre Massnahme nach Art. 59 StGB sei um zwei Jahre zu verlängern.

3.    Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerdegegnerin.

 

Rechtsanwalt Daniel U. Walder für die Beschwerdegegnerin:

 

1.    Es sei die Beschwerde des Beschwerdeführers abzuweisen und A.___ umgehend aus der Sicherheitshaft zu entlassen.

2.    Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. MwSt.) zu Lasten des Staates.

 

Die Parteien nutzen die Gelegenheit für eine kurze Replik resp. Duplik.

 

Angesprochen auf die Gelegenheit zu einem letzten Wort führt die Beschwerdegegnerin aus, sie bitte, dass man ihr vertraue und ihr eine Chance gebe. Sie hätten etwas Gutes vorbereitet.

 

Damit endet die öffentliche Verhandlung. Es erfolgt die geheime Beratung des Gerichts. Am Folgetag, um 15:00 Uhr, wird den Parteien und den weiteren Anwesenden (Eltern der Beschwerdegegnerin, Frau H.___ und zwei Polizeibeamte) der Beschluss der Beschwerdekammer durch den Präsidenten mündlich eröffnet und summarisch begründet. Anschliessend wird den Parteien eine Kopie des Beschlusses vom selben Tag betreffend vorsorgliche Anordnung von Sicherheitshaft übergeben.

 

Die Beschwerdekammer des Obergerichts zieht in Erwägung:

 

I.

 

1. A.___ suchte am 8. Juli 2018 die Wohnung von B.___ auf und verlangte von dieser die Herausgabe von vermeintlich gestohlenen Sachen. Nachdem B.___ diesen Vorwurf zurückgewiesen und A.___ zum Verlassen der Wohnung aufgefordert hatte, wurde sie von dieser an den Haaren gezogen und zu Boden gerissen. In der Folge sprang A.___ auf den Oberkörper der auf dem Rücken liegenden B.___, sass auf deren Brustkasten Bauch und drückte einen spitzen Gegenstand, der als Küchenschnitzer mit 8 cm Klingenlänge und spitzem Klingenende identifiziert werden konnte, mehrfach mit grosser Kraft gegen beide Halsseiten von B.___. Diese konnte mit der rechten Hand den oberen Teil des Gegenstandes ergreifen, wobei sie sich Verletzungen zuzog. A.___ geriet immer mehr in Rage und erhöhte den Druck, während B.___ versuchte, mit aller Kraft dagegenzuhalten, d.h. einen Gegendruck zu dem von A.___ auf den Hals beidseitig ausgeübten Druck zu erzeugen. In diesem Gerangel zog sich B.___ eine 5 mm lange und tiefe Schnittwunde an der rechten Halsseite zu, die genäht werden musste. Eine Nachbarin hatte die Hilfeschreie von B.___ wahrgenommen und gelangte über die offene Balkontüre in deren Wohnung, woraufhin A.___ das Messer nicht mehr einsetzte, jedoch weiterhin Gewalt gegen B.___ ausübte. Namentlich packte A.___ B.___ an den Haaren, stiess sie durch den Flur und gegen den Schrank im Schlafzimmer, wobei B.___ insbesondere eine Rissquetschwunde am Hinterkopf erlitt, die ebenfalls genäht werden musste. B.___ legte schliesslich gegenüber A.___ ein falsches Geständnis ab. Indem sie vorgab, A.___ die Sachen gestohlen zu haben und anbot, in der Wohnung nach diesen zu suchen, gelang es ihr, eine erneute Eskalation zu vermeiden (Zusammenfassung des Sachverhalts gemäss Urteil des Bundesgericht 6B_536/2021 vom 2. November 2022, Lit. A).

 

2. Das Amtsgericht Olten-Gösgen stellte mit Urteil vom 13. März 2020 fest, dass A.___ für den geschilderten Sachverhalt sowie weitere Taten die Tatbestände der einfachen Körperverletzung mit gefährlichem Gegenstand, der mehrfachen einfachen Körperverletzung, der versuchten Nötigung, der unrechtmässigen Aneignung, des Diebstahls, der mehrfachen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie der Sachbeschädigung in Schuldunfähigkeit tatbestandsmässig und rechtswidrig verwirklicht hat und ordnete eine sehr engmaschig ausgestaltete ambulante Massnahme an. Das Obergericht des Kantons Solothurn stellte auf Berufung der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn hin mit Urteil vom 14. Januar 2021 fest, dass A.___ die Tatbestände der versuchten vorsätzlichen Tötung, der versuchten Nötigung und der mehrfachen einfachen Körperverletzung im Zustand der nicht selbstverschuldeten Schuldunfähigkeit erfüllt hat. Zudem stellte es fest, dass das erstinstanzliche Urteil namentlich in Bezug auf die Beurteilung der unrechtmässigen Aneignung, des Diebstahls, der mehrfachen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie der Sachbeschädigung in Rechtskraft erwachsen ist. Es ordnete eine stationäre therapeutische Massnahme von drei Jahren mit Beginn am 14. Januar 2021 an, unter Anrechnung des bereits erstandenen Freiheitsentzugs. Das Bundesgericht wies die von A.___ gegen das Urteil des Obergerichts erhobene Beschwerde mit Urteil vom 2. November 2022 ab, soweit darauf einzutreten war.

 

3. Am 28. Juli 2023 beantragte das Amt für Justizvollzug, Straf- und Massnahmenvollzug (nachfolgend: AJUV), die Verlängerung der stationären Massnahme um zwei Jahre. Sollte bis zum Ablauf der gerichtlich angeordneten Massnahmedauer am 13. Januar 2024 kein richterlicher Nachentscheid vorliegen, sei beim Haftgericht um Anordnung von Sicherheitshaft im aktuellen Setting zu ersuchen.

 

4. Das Amtsgericht von Olten-Gösgen beschloss mit Nachentscheid vom 21. Dezember 2023 Folgendes:

 

1.    Der Antrag des Straf- und Massnahmenvollzugs um Verlängerung der für A.___ mit Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 14. Januar 2021 angeordneten stationären therapeutischen Massnahme nach Art. 59 StGB wird abgewiesen.

2.    Auf den Antrag des amtlichen Verteidigers, es sei A.___ am 13. Januar 2024 bedingt aus der stationären Massnahme zu entlassen, evtl. unter Erteilung geeigneter Weisungen, wird mangels Zuständigkeit nicht eingetreten.

3.    Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers der Gesuchsgegnerin A.___, Rechtsanwalt Daniel U. Walder, […], wird auf CHF 16'705.20 (CHF 190.00/h, inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu zahlen.

4.    Die Kosten des Verfahrens, mit einer Urteilsgebühr von CHF 5’200.00, total
CHF 5'295.40, gehen zu Lasten des Staates Solothurn.

 

Der Beschluss wurde den Parteien im Dispositiv eröffnet.

 

5. Das AJUV beantragte mit Schreiben vom 8. Januar 2024 beim Richteramt Olten-Gösgen, es sei über A.___ ab der Höchstdauer der stationären Massnahme am 13. Januar 2024 für die Dauer des Rechtsmittelverfahrens Sicherheitshaft im aktuellen Setting anzuordnen. Eventualiter seien über sie ab der Höchstdauer der stationären Massnahme am 13. Januar 2024 für die Dauer des Rechtsmittelverfahrens Ersatzmassnahmen im aktuellen Setting anzuordnen. Das Richteramt Olten-Gösgen leitete den Antrag am 9. Januar 2024 an die Beschwerdekammer weiter (Posteingang am 10. Januar 2024). Mit Verfügung vom 10. Januar 2024 setzte der Präsident der Beschwerdekammer A.___ Frist bis 15. Januar 2024, um sich zum Antrag des AJUV zu äussern. Weiter ordnete er an, A.___ habe bis zum Entscheid über den Antrag des AJUV im aktuellen Setting des Massnahmevollzugs zu verbleiben. Nach Eingang der Stellungnahme von A.___ verfügte er am 15. Januar 2024, es werde betreffend A.___ bis zum Entscheid der Beschwerdekammer über die Beschwerde gegen den Nachentscheid des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 21. Dezember 2023 Sicherheitshaft angeordnet, zu vollziehen im aktuellen Setting des Massnahmenvollzugs. Gegen diese Verfügung erhob A.___ am 15. Februar 2024 Beschwerde beim Bundesgericht.

 

6. Das Amtsgericht stellte am 10. Januar 2024 den Parteien den begründeten Nachentscheid zu. Das AJUV erhob am 22. Januar 2024 dagegen Beschwerde mit dem Antrag, den Nachentscheid aufzuheben und die mit Urteil des Obergerichts vom 14. Januar 2021 angeordnete stationäre Massnahme nach Art. 59 StGB um 2 Jahre zu verlängern. Der Präsident der Beschwerdekammer gab A.___ (nachfolgend auch als Beschwerdegegnerin bezeichnet) die Gelegenheit, sich dazu bis 6. Februar 2024 schriftlich zu äussern. Nach Eingang der Stellungnahme werde zu einer Verhandlung vorgeladen. Die Beschwerdegegnerin teilte am 6. Februar 2024 mit, sie werde sich anlässlich der Verhandlung zu den Vorbringen in der Beschwerde äussern. Mit Verfügung vom 15. Februar 2024 wurden die Parteien sowie Dr. med. C.___ als Sachverständige zur Hauptverhandlung vom 5. März 2024 vorgeladen.

 

7. Die Beschwerdegegnerin hatte am 22. Januar 2024 ein Ausstandsgesuch gegen den Präsidenten der Beschwerdekammer und die Gerichtsschreiberin gestellt. Die Strafkammer des Obergerichts wies das Ausstandsgesuch mit Beschluss vom 19. Februar 2024 ab. Die [...], reichte am 21. Februar 2024 den im Hinblick auf die Hauptverhandlung angeforderten Therapiebericht ein. Am 22. Februar 2024 erstattete das [...] einen Verlaufsbericht. Mit Verfügung vom 29. Februar 2024 wies der Präsident der Beschwerdekammer die Anträge der Beschwerdegegnerin, ihr die selbständige Anreise zur Verhandlung und Urteilseröffnung zu bewilligen, ab. Am 1. März 2024 teilte der Vertreter der Beschwerdegegnerin im Hinblick auf die anstehende Verhandlung sodann mit, dass erstens die Aktenführung und –ordnung ungenügend seien und zweitens die Vorladung und geplante Befragung der Gutachterin Dr. med. C.___ höchst problematisch sei und erneut an einer neutralen und unvoreingenommenen Verfahrensführung zweifeln lasse. Diese vorgesehene Beweisabnahme, sollte es denn nicht einzig um die Frage der Verwertbarkeit des Gutachtens gehen, stelle erneut einen Grund dar, anzunehmen, dass das Gericht beziehungsweise zumindest einzelne Gerichtspersonen nicht mehr Entscheid offen und daher befangen seien. Für den Fall, dass an der Befragung der Gutachterin festgehalten werde, kündige er an, dass es seitens der Verteidigung zahlreiche Fragen an die Gutachterin gebe, die Befragung durch die Gutachterin also einige Zeit in Anspruch nehmen werde.

 

8. Für die Standpunkte der Parteien wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, wird nachfolgend darauf eingegangen.

 

II.

 

1. Per 1. Januar 2024 sind geänderte Bestimmungen der Strafprozessordnung in Kraft getreten. Dabei sieht Art. 365 Abs. 3 StPO neu vor, dass gegen einen selbstständigen nachträglichen Entscheid Berufung erhoben werden kann. Der Nachentscheid ist vorliegend am 21. Dezember 2023 und damit noch unter bisherigem Recht ergangen. Gemäss Art. 448 StPO werden Verfahren, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes noch hängig sind, nach neuem Recht fortgeführt, soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen. Art. 453 StPO sieht für das Rechtsmittelverfahren etwas anderes vor, nämlich, dass Rechtsmittel gegen einen Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes nach bisherigem Recht, von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt werden. Dabei würde es zu eng greifen, den Begriff «bei Inkrafttreten dieses Gesetzes» so auszulegen, dass nur das damalige Inkrafttreten der neuen StPO im Jahr 2011 gemeint ist. Dies hat vorliegend zur Folge, dass gegen den Nachentscheid des Amtsgerichts von Olten-Gösgen noch die Beschwerde das korrekte Rechtsmittel ist und damit die Beschwerdekammer des Obergerichts für das Rechtsmittelverfahren zuständig ist. Auf die rechtzeitig eingereichte Beschwerde ist einzutreten.

 

2. Das Obergericht setzte sich in seinem Urteil vom 14. Januar 2021 im Hinblick auf die von ihm angeordnete stationäre Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB einlässlich mit den Einschätzungen des damals in das Verfahren involvierten Sachverständigen Dr. med. D.___ auseinander. Es erwog im Wesentlichen, die Beschwerdegegnerin leide an einer psychischen Störung in Form einer schweren schizoaffektiven Störung, die im Hinblick auf den erfolgten Angriff auf das Opfer von hoher Deliktrelevanz sei. Das ursprüngliche Gutachten von Dr. med. D.___ sei laufend aktualisiert worden und die Einschätzung berücksichtige die neuesten Entwicklungen. Die psychische Störung sei grundsätzlich mittels Pharmakotherapie und einer damit verbundenen störungs- und deliktsorientierten Psychotherapie gut behandelbar. Auch eine Psychoedukation sei erforderlich, damit die Beschwerdegegnerin vertieftere Einsicht in die Mechanismen ihrer Erkrankung gewinnen könne. Wichtig sei die Schaffung einer Tagesstruktur sowie einer relativ engmaschigen Betreuung durch psychiatrisch geschultes Fachpersonal, wobei auch das soziale Umfeld in enger Weise einbezogen werden müsse. Ohne adäquate Behandlung bestünde eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit für erneute Gewaltdelikte bis hin zu Tötungsdelikten aufgrund zunehmender Wahnsymptomatik mit Realitätsverkennungen und Verwirrtheitszuständen.

 

Der Gutachter habe ursprünglich, nämlich bis zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Hauptverhandlung, eine ambulante Massnahme mit sehr engmaschigem ambulanten Setting empfohlen. Dies sei dadurch motiviert gewesen, einen Mittelweg zwischen den Interessen der Beschwerdegegnerin und dem kantonalen Amt für Straf- und Massnahmenvollzug zu finden. Namentlich aufgrund des Scheiterns der vorzeitigen stationären Massnahme in der Klinik [...] trotz etablierter Depotmedikation seien dazumal weder ein schneller Antritt einer stationären Massnahme noch zügige Lockerungen im Rahmen einer solchen realistischerweise zu erwarten gewesen. Eine sehr engmaschige ambulante Massnahme unterscheide sich kaum von einer initial stationären Massnahme mit raschen Vollzugslockerungen. Aufgrund der seit der erstinstanzlichen Hauptverhandlung eingetretenen Ereignisse, nämlich einem weiteren – trotz etablierter Depotmedikation – gescheiterten Versuch, die Beschwerdegegnerin in einem geschlossenen Setting unterzubringen, mit dem Ziel einer Überführung in ein ambulantes Setting, käme in Übereinstimmung mit der aktualisierten Einschätzung des Gutachters ein ambulantes Setting nicht länger in Frage. Es sei schlicht nicht anzunehmen, dass sich die Beschwerdegegnerin in einem ambulanten Setting – mit weniger Tagesstruktur, geringerer Reizabschirmung und damit einhergehend einer deutlich grösseren Gefahr einer Reizüberflutung – bewähren werde, da sie bereits mehrfach in einem stationären Setting gescheitert sei. Angesichts des hohen Risikos für die Begehung schwerster Delikte bis hin zu Tötungsdelikten und des bisherigen Behandlungsverlaufs sei nicht mehr vertretbar, das erhebliche Risiko eines Scheiterns einer ambulanten Massnahme einzugehen. Die Schlussfolgerungen des Gutachters in seinem Ergänzungsgutachten vom 21. Dezember 2020 seien in jeder Hinsicht nachvollziehbar, schlüssig und überzeugend. Namentlich seine zwischenzeitlich vertretene vermittelnde Haltung, es mit einem engmaschigen ambulanten Setting zu versuchen, sei durch die Ereignisse im Nachgang der erstinstanzlichen Hauptverhandlung überholt. Die stationäre Massnahme sei in Achtung des Verhältnismässigkeitsprinzips und in Anlehnung an die Empfehlung des Sachverständigen auf drei Jahre zu befristen. Mit der zeitlichen Beschränkung solle sowohl der Vollzugsbehörde als auch der Beschwerdegegnerin ein klares Signal gesendet werden, dass die Massnahme rasch vorangetrieben und Vollzugslockerungen möglichst bald ins Auge zu fassen seien (Zusammenfassung der Erwägungen gemäss Urteil des Bundesgericht 6B_536/2021 vom 2. November 2022, E. 3.2).

 

3.1 Das AJUV hatte am 1. März 2023 Dr. C.___ den Auftrag erteilt, die Beschwerdegegnerin psychiatrisch zu begutachten. In ihrem Gutachten vom 23. Juni 2023 rekapituliert sie den bisherigen Massnahmenvollzug der Beschwerdegegnerin im Wesentlichen wie folgt: «Im Januar 2019 trat A.___ den vorzeitigen Massnahmenvollzug an. Von April bis Ende Juli 2019 wurde diese in der Klinik [...], vollzogen. … Nachdem sich Anfang Juli herausstellte, dass A.___ eine Beziehung mit einem Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes eingegangen war, wurde von der Klinik die Versetzung beantragt. A.___ wurde zunächst ins UG [...] zurückversetzt und die psychiatrische Behandlung wurde durch den zuständigen Gefängnispsychiater durchgeführt. … Anfang Juli 2020 trat A.___ dann in das Wohnheim [...] ein. Bereits rund vierzehn Tage später scheint sie im Wohnheim eine zunehmend dominante Rolle eingenommen zu haben und verlangte, dass Mitbewohnerinnen und Mitbewohner ihre Anweisungen befolgen würden. Sie fing an, mit Gewaltanwendung zu drohen. Das auffällige Verhalten verstärkte sich in den folgenden Tagen weiter, sodass es am 26.07.2020 zur ersten Klinikeinweisung kam. Bereits am 01.08.2020 erfolgte nach einer Zwangsmedikation die Rückkehr ins Wohnheim, wo aber wiederum ein aggressives und bedrohliches Verhalten gegenüber Mitbewohnerinnen und Personal beobachtet wurde. Ein weiterer Klinikaufenthalt in den [...] erfolgte vom 08.08. bis 01.09.2020. Das Wohnheim sprach eine fristlose Kündigung aus. A.___ wurde von den [...] zunächst auf die [...] verlegt. Hier wurde sie rund fünf Wochen bis zum 05.10.2020 behandelt. … A.___ scheint sich sehr schnell wieder freundlich und adäquat verhalten zu haben. Der stationäre Massnahmenvollzug wurde danach im Zeitraum vom 02.11.2020 bis 19.10.2021 in den [...], fortgesetzt. Dem Austrittsbericht ist zu entnehmen, dass A.___ der stationären Massnahme ablehnend gegenüberstand. … Dokumentiert wurde, dass A.___ im Verlauf wiederholt verbal beleidigend, gereizt und angespannt war, es kam mehrmals zu Tätlichkeiten gegen Mitpatienten. … Weiter ist beschrieben, dass eine deliktorientierte Auseinandersetzung nicht möglich war. A.___ habe sich immer wieder wenig kritisch und problembewusst geäussert, die Anlassdelikte bagatellisiert und gewaltfördernde Einstellungen legitimiert. Die Erarbeitung eines gemeinsamen Problemverständnisses gelang nicht. Kurz vor Behandlungsende kam es zum Therapieabbruch. In diesem Zusammenhang wurde vermutet, dass die Patientin mit dem Behandlungsplan nicht einverstanden war. … Ende Februar 2022 trat A.___ in das [...] ein, wo sie therapeutisch durch das [...] behandelt wird. Dem vorliegenden Bericht ist zu entnehmen, dass A.___ bereits bei Eintritt ins [...] ein maniformes Zustandsbild aufwies und Distanzlosigkeit und Impulsivität mit Fremdaggression beobachtet werden konnten. Nach einer Krisenintervention in den [...] erfolgte eine weitere Behandlung auf der [...], von der A.___ am 06.04.2022 ins [...] zurückkehrte. Seither, so ist dem Bericht zu entnehmen, ist der psychopathologische Befund weitgehend unauffällig, die Stimmung allenfalls minim gehoben.

 

Medikamentös wird A.___ seit dem 31.10.2022 mit 30 mg Abilify morgens und 100 mg Quetiapin abends behandelt. Es besteht eine Reservemedikation in Form von Benzodiazepinen (Temesta, Valium) und dem Neuroleptikum Haldol. Krankheits- und Behandlungseinsicht werden als ‹zufriedenstellend› bewertet, eventuell etwas vordergründig. Kritisch wurde angemerkt, dass keine hinreichende intrinsische Abstinenzmotivation bezüglich Cannabis vorliege. Weiter ist dem Bericht zu entnehmen, dass A.___ es ablehnte, sich an tagesstrukturierenden Angeboten zu beteiligen. Eine Tendenz zu Dissimulation von Krankheitssymptomen wurde festgestellt. Zum Zeitpunkt meines Untersuchungsgesprächs hatte A.___ gerade angefangen, halbtags an der [...] zu arbeiten, wozu sie sich sehr zufrieden äusserte» (Gutachten S. 40 ff.).

 

3.2 Die Gutachterin Dr. C.___ schliesst sich der Diagnose einer schizoaffektiven Störung von Dr. D.___ in dessen Gutachten von 2018 an. Zum Zeitpunkt ihres gutachterlichen Gesprächs sei der psychopathologische Befund weitgehend unauffällig, das heisst die schizoaffektive Störung sei remittiert gewesen (ICD-10 F25). Die Einschätzung des Vorgutachters, wonach A.___ zum Zeitpunkt der Anlasstat unter einer akuten Krankheitsepisode gelitten und die Situation mit ihrer Nachbarin wahnhaft verkannte habe, was sie dazu motiviert habe, tätlich-aggressiv gegen die Nachbarin vorzugehen, teile sie. Sie stimme auch der Einschätzung des derzeit behandelnden Psychiaters Herrn Dr. E.___ zu, wonach gewisse Auffälligkeiten im Erleben und Verhalten als Restsymptome der schweren schizoaffektiven Störung zu werten seien. Die Ausprägung der Störung sei – sowohl gemessen an der Gesamtgruppe der Personen mit einer psychischen Störung als auch gemessen an der Diagnosekategorie – schwer. Als Nebendiagnose sei aufgrund der vorliegenden Akten für die Vorgeschichte, bis zum Zeitpunkt der Anlasstat, von einer Störung durch Cannabis, mindestens im Sinne eines schädlichen Gebrauchs (ICD-10 Fl2.1), auszugehen.

 

In ihrem Explorationsgespräch hätten der psychopathologische Befund sowie das Gesprächsverhalten weitgehend unauffällig imponiert. Bei der Besprechung der langen Krankheitsgeschichte sei aber deutlich geworden, dass A.___ die Schwere ihrer Erkrankung verharmlose. Auch dieser Eindruck decke sich mit der Beurteilung des derzeit behandelnden Psychiaters, der beschrieben habe, dass A.___ frühere Symptome tendenziell dissimuliere. Weiter sei aufgefallen, dass A.___ es ablehne, sich zu eigentlich wichtigen Fragen ausführlicher einzulassen, wie zum Beispiel auf einen Autounfall in der Vorgeschichte, der in Zusammenhang mit Kokainkonsum gestanden habe. Auch zu den im aktuellen Pflegebericht beschriebenen Männerbekanntschaften habe sie sich nicht näher äussern wollen, obwohl es für die Beantwortung der gutachterlichen Fragen natürlich von Interesse sei, die sozialen Bezüge möglichst gut kennen zu lernen. So sei der Eindruck entstanden, dass sie die angeordnete Behandlung derzeit zwar mittrage und im Setting des Wohnheims auch eine hinreichende Krankheitseinsicht und Behandlungsbereitschaft aufweise. Gleichzeitig sei ein hohes Autonomiebedürfnis erkennbar und (der grundsätzlich natürlich einfühlbare) Wunsch, die intensive Behandlung möglichst bald hinter sich lassen zu können. Dass ihr Wunsch nach Autonomie angesichts der Vorgeschichte mit zahlreichen schweren Krankheitsphasen, massiver Fremd- aber anscheinend auch Selbstgefährdung, gegen andere Interessen abgewogen werden müsse, sei ihr zu wenig bewusst. Insgesamt sei der Eindruck entstanden, dass die Explorandin sehr hohe Ansprüche an die eigene Leistungsfähigkeit habe. Da sie in den Phasen, in denen die schizoaffektive Störung remittiert sei, ja auch tatsächlich einen weitgehend unauffälligen Befund zeige, scheine sie bislang wenig Bewusstsein dafür entwickelt zu haben, dass ihre Erkrankung im Längsschnitt – durch die wiederkehrenden krisenhaften Verschlechterungen – eben doch schwer verlaufe. Aus gutachterlicher Sicht wäre es wichtig, das Thema «Anspruch an die eigene Leistungsfähigkeit» in der Psychotherapie weiter zu beleuchten. Im besten Fall könnte es A.___ in der Folge leichter fallen, die Abhängigkeiten und Erfordernisse, die sich aus der Situation der Massnahme beziehungsweise aus ihrer Erkrankung ergäben, zu akzeptieren.

 

Wenn man den Krankheitsverlauf seit der Anlasstat betrachte, dann müsse man feststellen, dass es auch unter einer regelmässigen neuroleptischen Medikation beziehungsweise Drogenabstinenz wiederholt zu Krankheitsphasen gekommen sei. Dieser Verlauf spreche dafür, dass die Frage der psychischen Stabilität bei A.___ eben nicht nur von der der neuroleptischen Medikation, sondern natürlich auch vom Ausmass der sonstigen Belastung abhängig sei. Offenbar sei A.___ im Setting des Untersuchungsgefängnisses, das natürlich einen sehr vorhersehbaren, regelmässigen Ablauf biete, psychisch stabil und symptomfrei. Man müsse davon ausgehen, dass die Anforderungen durch den Übertritt ins Wohnheim mindestens dazu beigetragen hätten, dass es zur Dekompensation gekommen sei. Andere Einflussfaktoren wie zum Beispiel Substanzkonsum seien nicht bekannt. Ein ähnlicher Verlauf habe beim Übertritt ins [...] beobachtet werden können. Auch hier sei es im Rahmen der Verlegung zu einer maniform-psychotischen Dekompensation gekommen, die einen mehrwöchigen stationär-psychiatrischen Behandlungsaufenthalt nötig gemacht habe. Im Zusammenhang mit der Störung durch psychotrope Substanzen (schädlicher Gebrauch von Cannabis, ICD-10 F12.1) sei festzustellen, dass A.___ seit Beginn der Massnahme und auch unter den aktuellen Lockerungen offenbar keine Mühe habe, abstinent von Cannabis zu leben. Sie habe deutlich gemacht, dass sie ein eigenes Interesse habe, in Zukunft psychisch stabil zu bleiben, weshalb sie nicht mehr konsumieren wolle. In diesem Zusammenhang habe sie auch auf den Wunsch nach einer eigenen Familie verwiesen. A.___ scheine ein sehr hohes Autonomiebedürfnis zu haben und eigentlich wenig bereit zu sein, sich mit der von ihr als unangenehm erlebten Thematik kritisch auseinanderzusetzen. Angesichts des Umstands, dass das Thema Substanzkonsum im Längsschnitt der Biografie einen grossen Raum eingenommen habe und für den weiteren Krankheitsverlauf beziehungsweise das Gewaltrisiko sehr wichtig sei, scheine ihr Umgang mit diesem Thema eher nicht angemessen.

 

A.___ habe die Zukunftsvorstellung, möglichst bald zu ihren Eltern nach [...] zu ziehen. Sie habe gesagt, dass sie einige Zeit im Haushalt der Eltern leben wolle, um dann von dort in die zwischenzeitlich von den Eltern für sie erworbene Eigentumswohnung nach [...] zu ziehen. Zwar habe sie die Bereitschaft geäussert, sich auch zukünftig psychiatrisch behandeln zu lassen, und eventuell auch eine Alltagsbegleitung durch eine Psychiatrie-Spitex in Anspruch zu nehmen. Ein Verständnis dafür, dass es angesichts der Vorgeschichte (häufige Krankheitsepisoden, wiederholt fremdaggressives Verhalten, Schwierigkeiten, im Falle einer klinischen Verschlechterung das eigene Befinden sicher zu beurteilen, intensiver Cannabiskonsum) angezeigt sei, ein «Entlasssetting» vor Beendigung der Massnahme tatsächlich zu erproben, zeige A.___ kaum. Die Überlegung, das definitive Entlasssetting sollte vor Beendigung der Massnahme erprobt werden, um festzustellen, ob es überhaupt längerfristig realistisch und tragfähig sei, scheine für sie neu zu sein. In der Gesamtschau komme man zum Schluss, dass der bisherige Verlauf der Massnahme ganz klar dafür spreche, Lockerungen kleinschrittig zu erproben und eng zu begleiten. Die Vorstellungen von A.___, wie die Monate der Massnahmebehandlung bis Januar 2024 zu gestalten seien, seien mit so einem Vorgehen kaum vereinbar (Gutachten, S. 43 ff.).

 

3.3 Die Risikoeinschätzung der Gutachterin Dr. C.___ anhand des Instruments HCR-20 ergab Folgendes: Da A.___ im aktuellen Setting hinreichend zuverlässig kooperiere (Medikamenteneinnahme, sonstige Absprachen) und abstinent lebe, sei ihr Gewaltrisiko derzeit, verglichen mit einer Durchschnittsbevölkerung, nicht wesentlich erhöht. Das aktuelle Setting, in dem sie regelmässig Kontakt mit Fachpersonen habe, würde es ausserdem erlauben, eine etwaige Befundverschlechterung zeitnah zu erkennen und angemessen zu reagieren, mit beispielsweise einer Reservemedikation, Entlastung nötigenfalls stationären Krisenintervention. A.___ habe in der Therapie einen Notfallplan erarbeitet, den sie bislang aber noch nicht habe einsetzen müssen. Wenn man die R-Items betrachte, dann werde deutlich, dass Lockerungen, wenn sie aus dem aktuellen Setting eines Wohnheims heraus durchgeführt würden, eng begleitet werden könnten. Schwieriger hinsichtlich Unterstützung und Kontrolle könne es werden, wenn A.___ in einem ambulanten Setting wäre bzw. wenn die Verpflichtung der Massnahme wegfiele. In diesem Fall scheine es nicht sicher, dass A.___ weiterhin hinreichend zuverlässig kooperieren würde, da sie ein hohes Autonomiebedürfnis habe und nach wie vor dazu neige, die Schwere ihrer Störung und das Gewaltrisiko zu unterschätzen. Sie habe einen hohen Anspruch an die eigene Leistungsfähigkeit, was dazu führen könnte, dass sie sich überschätze und damit ihre Stabilität gefährde. Ihre aktuellen Vorstellungen hinsichtlich einer Entlassung aus der Massnahme seien nicht realistisch. Sie wolle zunächst ins Haus der Eltern einziehen und – nach einiger Zeit dort – ihre eigene Wohnung in [...] beziehen. Es scheine unrealistisch und sei aufgrund der Belastung durch den langen Arbeitsweg nicht zu empfehlen, dass sie von dort weiter an ihren jetzigen Arbeitsplatz nach [...] fahren könnte. Die Höchstdauer der Massnahme werde am 13. Januar 2024 erreicht. Es sei absehbar, dass die Zeit bis dahin nicht ausreichen werde, ein Setting, das über das Massnahmeende hinaus stabil bestehen könnte, vorzubereiten und zu erproben. Ohne eine sorgfältige Vorbereitung und Erprobung würde man aber die seit rund einem Jahr erreichte psychische Stabilität, die Voraussetzung für ein geringes Rückfallrisiko sei, gefährden. Man müsse unbedingt berücksichtigen, dass A.___ im Verlauf der Massnahme zwei Mal in Umbruchssituationen, das heisst unter stabil eingestellter Medikation, schizomanische Krankheitsepisoden entwickelt habe. Dieser Verlauf spreche klar dafür, dass jegliche Lockerungen kleinschrittig und eng begleitet durchgeführt werden müssten (Gutachten, S. 47 ff.).

 

3.4. Im Rahmen der Beantwortung der ihr konkret gestellten Fragen führte die Gutachterin Dr. C.___ zusätzlich im Wesentlichen aus, dass es für die dia-gnostizierte psychische Störung eine störungsspezifische Behandlung gebe. Ausgehend von der Delikthypothese sei zu erwarten, dass sich durch eine in erster Linie störungsspezifische Behandlung das Rückfallrisiko reduzieren lasse. Die Behandlung sollte pharmako-, psycho- und milieutherapeutische Ansätze verfolgen und auf eine bestmögliche berufliche und soziale Rehabilitation von A.___ abzielen. Ausgehend von der Vorgeschichte seien insbesondere die Themen «Behandlungsadhärenz», «Abstinenzmotivation», «Umgang mit eigenen Leistungsansprüchen/Krankheitsakzeptanz» wichtig. A.___ erhalte diese Behandlung beziehungsweise habe sie erhalten. Möglicherweise könnte der – zumindest punktuelle – Einbezug von Angehörigen hilfreich sein, da sie ein enges Verhältnis zu ihnen habe und von ihnen zuverlässig unterstützt werde. Es sei grundsätzlich sinnvoll, dass A.___ vom [...] aus ihre Belastbarkeit im Rahmen eines AEX ([...]) erprobe. Da sie klar den Wunsch geäussert habe, perspektivisch wieder im Raum [...] ([...]) zu leben, stelle sich aus gutachterlicher Sicht allerdings die Frage, ob die entsprechenden Lockerungsschritte/Belastungserprobungen nicht sinnvollerweise von einem Wohnheim in dieser Region aus gemacht werden müssten (z.B. [...]). Nur so könnte das Setting, in dem A.___ langfristig leben möchte, kleinschrittig aufgebaut und erprobt werden. Der bisherige Behandlungsverlauf sei hinsichtlich Stabilität, aber auch was das Erarbeiten einer tragfähigen Krankheits- und Behandlungseinsicht angehe, kompliziert gewesen. Seit der Behandlung beziehungsweise Unterbringung im [...] scheine die Einstellung zur Massnahme positiver zu sein, Krankheits- und Behandlungseinsicht würden als «vordergründig hinreichend» beschrieben. Als problematisch werde hingegen bewertet, dass sich A.___ im Verlauf offenbar hinsichtlich Cannabiskonsums ambivalent geäussert habe.

 

A.___ habe durchaus Wissen über ihr Störungsbild. Sie scheine aber dazu zu neigen, die Schwere ihrer Störung beziehungsweise von zwischenzeitlich aufgetretenen Symptomen zu dissimulieren. Ihr eigener Leistungsanspruch sei hoch. Ein Problembewusstsein dafür, dass ihre allgemeine Belastbarkeit störungsbedingt vermutlich langfristig eingeschränkt sei, scheine kaum vorhanden. Entsprechend habe sie während der Exploration den Umstand, dass schizomanische Episoden auch in Zukunft mit einem erhöhten Gewaltrisiko einhergingen, tendenziell ausgeblendet. Andererseits habe sie in der Zwischenzeit in der Therapie einen Notfallplan erarbeitet und könne ihre Frühwarnsymptome gut benennen. Da die Krankheits- bzw. Behandlungseinsicht als «vordergründig hinreichend» einzuschätzen seien, sollte die Arbeit an diesen Themen sicherlich fortgeführt werden. Auch die Arbeit an der Motivation, in Zukunft Cannabisabstinent zu leben, sollte fortgesetzt werden. Denn zukünftiger Cannabiskonsum sei sicherlich ein ganz wesentlicher Risikofaktor im Hinblick auf eine erneute schizomanische Dekompensation, die mit einer erhöhten Fremdgefährdung verbunden wäre.

 

Zur Frage, innert welcher Zeit erfahrungsgemäss diese Ziele erreicht werden könnten, betonte die Gutachterin, in Anbetracht der Behandlungsvorgeschichte sei die Arbeit an Krankheitsverständnis und Behandlungsadhärenz langfristig angezeigt. Während der laufenden Massnahme wäre es realistisch, vorsichtig und in Abhängigkeit des Befundes weitere Lockerungsschritte zu erproben. Es wäre wichtig, mit A.___ zu klären, wo sie in Zukunft ihren Lebensmittelpunkt sehe. Dann sollte sinnvollerweise – dort über kleinschrittige Belastungserprobungen – ein geeigneter sozialer Empfangsraum vorbereitet werden. Eine Entlassung aus der Massnahme sei aus gutachterlicher Sicht erst dann ins Auge zu fassen, wenn ein Entlasssetting (z.B. geregelte Tagesstruktur / Berufstätigkeit, Anbindung an ein forensisches Ambulatorium, kontrollierte Abstinenz, betreutes Einzelwohnen) über einen gewissen Zeitraum erprobt und sich als tatsächlich tragfähig erwiesen habe. A.___ sei zwar einerseits bereit, sich der Behandlung zu unterziehen. Andererseits sei aber auch der Eindruck entstanden, dass sie die damit verbundene Fremdbestimmung als sehr kränkend erlebe und daher so schnell wie möglich aus der «verordneten Behandlung» entlassen werden möchte. Dabei schien sie die Schwere der Erkrankung eher zu verharmlosen. Ein Verständnis dafür, dass es aus gutachterlicher Sicht empfehlenswert sei, die Massnahme fortzuführen, bis die Lockerung in ein geeignetes Setting tatsächlich vollzogen werde, sei wenig entwickelt. Möglicherweise angesichts des aktuell remittierten Befundes scheine sie ihre Leistungsfähigkeit tendenziell zu überschätzen.

 

Angesichts der Vorgeschichte mit sehr häufigen Krankheitsepisoden sowie eines Massnahmeverlaufs, bei dem trotz stabiler medikamentöser Einstellung Krankheitsphasen aufgetreten seien, sei sowohl kurz-, mittel- als auch langfristig denkbar, dass erneute schizomanische Phasen aufträten. Ausgehend vom bisherigen Verlauf bestehe dann ein erhebliches Risiko, dass es auch wieder zu fremdgefährdendem Verhalten kommen könne. Problematisch sei dabei, dass sich die Krankheitsepisoden in der Vorgeschichte offenbar innerhalb von Tagen entwickelten. Das Risiko, dass in Zukunft Krankheitsphasen auftreten könnten, steige natürlich an, wenn A.___ ihre Medikation absetzen, Cannabis (Drogen) konsumieren, sich im Alltag überlasten sonstigen Stress erleben würde. Günstig im Hinblick auf das Rückfallrisiko wären geordnete, regelmässige Alltagsabläufe, die wenig Stress verursachten. Wichtig seien eine stabile medikamentöse Einstellung und Abstinenz von anderen psychotropen Substanzen, insbesondere Cannabis. Überforderungssituationen, unzuverlässige Medikamenteneinnahme, Drogenkonsum, erhöhten die Wahrscheinlichkeit, dass eine weitere schizomanische Episode auftrete. In so einer Situation, in der das Denken (z.B. Beeinträchtigungsideen), der Antrieb und die Affekte (z.B. gereizt, Antriebssteigerung) krankheitsbedingt verändert seien, könnte, zum Beispiel aufgrund einer wahnhaften Verkennung einer Situation, erneut aggressives Verhalten auftreten, ähnlich der Situation der Anlasstat.

 

Ausgehend von den Akten sei die Wahrscheinlichkeit, dass A.___ sich im Rahmen einer gereizten schizomanischen Episode verbal aggressiv verhalte, hoch. Aber auch tätlich-aggressives Verhalten sei im Rahmen von Krankheitsepisoden immer wieder beschrieben, zuletzt in den [...] im Jahr 2021. Auch in Abhängigkeit von situativen Faktoren wären in Krankheitsphasen auch zukünftig schwere Opferschäden denkbar – zumal, wenn man bedenke, dass A.___ in der Situation der Anlasstat ein Messer eingesetzt habe. Für betroffene Personen könne es im Falle einer akuten schizomanischen Episode – trotz Psychoedukation und Notfallplan – sehr schwierig sein, die krankhafte Veränderung des eigenen Zustands sicher zu erkennen. Daher seien regelmässige Kontakte mit einem psychiatrisch geschulten Helfernetz / Psychiaterin auch in Zukunft sehr wichtig, um allfällige Befundveränderungen zeitnah zu bemerken. Die Wahrscheinlichkeit für Delikte mit einer schweren Beeinträchtigung der physischen und / psychischen Integrität von Dritten hänge ganz klar vom Verlauf der Erkrankung ab beziehungsweise davon, ob A.___ eine schizomanische Episode erlebe. Sie selbst habe angegeben, in der Vergangenheit «sehr schnell», das heisst innerhalb weniger Tage, schizomanische Dekompensationen erlebt zu haben. Zwar habe sie in der Zwischenzeit einen Notfallplan ausgearbeitet und habe auch Frühwarnzeichen einer psychischen Verschlechterung nennen können. Gleichzeitig habe sie aber auch offen eingeräumt, dass sie zwar merke, wenn sich ihre Stimmung manisch verändere («den ganzen Tag lachen»), dass sie aber nicht unbedingt sicher merke, wenn sich ihr Denken inhaltlich verändere, also wenn zum Beispiel paranoide Ideen aufträten. Dies zeige an, dass A.___ auch in Zukunft auf eine engmaschige, Behandlung / Betreuung angewiesen sein werde, um Veränderungen ihres Zustandsbildes sicher und zeitnah zu erkennen. Besonders wichtig seien psychiatrisch-psychotherapeutische Interventionen (Krankheits-, Behandlungseinsicht, Medikamentenadhärenz, Frage des Konsums psychotroper Substanzen, ggf. Einbezug von Bezugspersonen). Unterstützung bei der beruflichen Integration beziehungsweise sorgfältige Abklärung der beruflichen Leistungsfähigkeit sei sicherlich sinnvoll. A.___ neige dazu, ihre Erkrankung zu bagatellisieren. Unrealistische Vorstellungen bezüglich der eigenen beruflichen Leistungsfähigkeit könnten sich im längerfristigen Verlauf ungünstig auf die psychische Stabilität auswirken. Durch eine regelmässige störungsspezifische Behandlung und soziale Rehabilitation könnte der Verlauf der Erkrankung, der bis zum Zeitpunkt der Anlasstat phasenweise sehr instabil gewesen sei, stabilisiert werden.

 

Das Rückfallrisiko von A.___ hänge in erster Linie davon ab, ob ihre schizoaffektive Störung remittiert sei, sie also – wie aktuell – einen weitgehend unauffälligen psychopathologischen Befund aufweise, ob sie eine schizomanische Episode mit hoher Symptombelastung erlebe. Es sei absehbar, dass A.___ im Falle einer schizomanischen Exazerbation auch in Zukunft auf stationärpsychiatrische Behandlungen angewiesen sein werde, um das Zustandsbild wieder zu stabilisieren, beziehungsweise potentieller Fremd- / Selbstgefährdung zu begegnen. Wichtig, um zukünftige Krankheitsphasen nach Möglichkeit zu verhindern, sei die regelmässige Einnahme der neuroleptischen Medikation und eine kontrollierte Drogenabstinenz. Davon abgesehen sollten die anstehenden Lockerungen eng begleitet werden, um allfällige Befundverschlechterungen zeitnah zu bemerken und dann den inzwischen in der Therapie erarbeiteten Notfallplan einzusetzen beziehungsweise angemessen zu reagieren (z.B. Verminderung der Belastung, stationäre Krisenintervention). Es wäre sicherlich sinnvoll, die Eltern, die ihre Tochter zuverlässig unterstützten und bei denen sie perspektivisch Wochenenden verbringen möchte, für bestimmte Aspekte in die Behandlung miteinzubeziehen (z.B. Psychoedukation, Frühwarnsymptome). Für die weitere Vollzugsplanung wäre wichtig, zu klären, in welcher Region A.___ langfristig leben möchte. Dort sollte dann sinnvollerweise kleinschrittig und eng begleitet die Lockerung aus einem Wohnheim, entsprechend dem aktuellen Setting, in ein Arbeitsexternat erfolgen. Die weitere Stabilität vorausgesetzt wäre – nachdem die Integration in ein Arbeitssetting geglückt sei – eine Lockerung im Wohnbereich der nächste Schritt. Da A.___ grundsätzlich gute alltagspraktische Fähigkeiten habe, scheine ihr Wunsch, allein in einer Wohnung zu leben, nicht unrealistisch. So ein Setting setze aber natürlich in besonderer Weise eine zuverlässige Absprachefähigkeit und gute Behandlungsadhärenz voraus. Auch in diesem Bereich sei daher ein kleinschrittiges, eng betreutes Vorgehen, zum Beispiel über ein zunächst betreutes Einzelwohnen, empfehlenswert.

 

Ganz allgemein sei die wichtige Voraussetzung für Lockerungen aus gutachterlicher Sicht natürlich, dass A.___ in der Behandlung weiterhin zuverlässig kooperiere, insbesondere, dass Medikamentenadhärenz und Drogenabstinenz gegeben seien bzw. im Zweifelsfall kontrolliert würden. Angesichts der langjährigen Krankheitsvorgeschichte und des Massnahmeverlaufs sei es angezeigt, die Themen «Krankheitseinsicht», «Behandlungsbereitschaft» und «Cannabisabstinenz» in der psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung auch in Zukunft zu beachten. Ein Arbeitsplatz / eine Tagesstruktur im Raum [...], wo A.___ ihre Wohnung beziehen möchte, sei derzeit nicht vorhanden. Eine berufliche Aufgabe / Tagesstruktur wäre aus gutachterlicher Sicht aber sehr wichtig. Dabei sollte aber beachtet werden, dass die Belastbarkeit von A.___ störungsbedingt absehbar dauerhaft eingeschränkt sei. Sie selbst strebe eine 50-60 %ige Berufstätigkeit an. Selbstverständlich sei eine langfristige psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung nötig (Medikamente, Psychotherapie) sowie eine fortgesetzte Drogenabstinenz. Inwieweit längerfristig weitere Betreuung (z.B. Wohnbetreuung) nötig sei, müsse sich im Rahmen der schrittweisen Lockerungen erweisen. Aufgrund des bisherigen Krankheitsverlaufs müsse man davon ausgehen, dass A.___ in Umbruch- bzw. Belastungssituationen ein hohes Risiko aufweise, schizomanisch zu dekompensieren. Aus diesem Grund sollte eine bedingte Entlassung erst dann erfolgen, wenn ein sozialer Empfangsraum erprobt worden sei und sich in der Erprobungsphase als tragfähig erwiesen habe. Voraussetzung für eine bedingte Entlassung wäre, dass A.___ das Setting, in dem sie nach der Entlassung weiterhin leben werde (Wohnen, Arbeit, Behandlung, ggf. Alltagsunterstützung) erprobt habe. Eine Verlängerung der Massnahme um zwei Jahre scheine realistisch. Für eine günstige Beeinflussung der Legalprognose beziehungsweise bedingte Entlassung aus dem Massnahmenvollzug sei eine medikamentöse Behandlung unbedingt nötig. Angesichts der chronischen Erkrankung sei absehbar, dass A.___ lebenslang auf eine geeignete Medikation angewiesen sein werde, um zukünftige Krankheitsepisoden, so weit möglich, zu vermeiden beziehungsweise zu verhindern (Gutachten, S. 51 ff.).

 

4. Das Amtsgericht befragte die Eltern als Zeugen. Eine Befragung der Gutachterin Dr. med. C.___ erfolgte nicht. Zur Frage der Verlängerung der Massnahme stellte das Gericht zunächst fest, dass der vom Vorgutachter Dr. med. D.___ in seinem Gutachten vom 10. November 2018 festgestellte erforderliche Zusammenhang zwischen schwerer psychischer Störung und Anlasstat(en) auch von Dr. med. C.___ im aktuellen forensisch-psychiatrischen Ergänzungsgutachten vom 23. Juni 2023 bejaht werde. Zur erforderlichen Schwere der psychischen Störung halte sie fest, dass die Ausprägung der bei A.___ diagnostizierten schizoaffektiven Störung – sowohl gemessen an der Gesamtgruppe der Personen mit einer psychischen Störung als auch gemessen an der Diagnosekategorie – schwer wiege. Näher zu beleuchten gelte es die Voraussetzung der Erforderlichkeit der Massnahme, die für eine Verlängerung nach wie vor gegeben sein müsse: Konkret sei zu prüfen, ob A.___ noch ein Rückfallrisiko attestiert werde, welches die erhebliche Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit durch die Weiterführung der stationären Massnahme rechtfertige.

 

Dr. med. C.___ führe in Bezug auf das Rückfallrisiko aus, dieses hänge in erster Linie davon ab, ob die schizoaffektive Störung von A.___ remittiert sei, sie also – wie aktuell – einen weitgehend unauffälligen psychopathologischen Befund aufweise, ob sie eine schizomanische Episode mit hoher Symptombelastung erlebe. Günstig im Hinblick auf das Rückfallrisiko wären geordnete, regelmässige Alltagsabläufe, die wenig Stress verursachten. Wichtig seien eine stabile medikamentöse Einstellung und Abstinenz von anderen psychotropen Substanzen, insbesondere Cannabis. Überforderungssituationen, unzuverlässige Medikamenteneinnahme, Drogenkonsum, würden die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass eine weitere schizomanische Episode auftrete. Die Gutachterin äussere sich mithin zum Rückfallrisiko nur dürftig und halte lediglich fest, welche Faktoren das Risiko einer erneuten schizomanischen Episode senken erhöhen könnten. Weder nehme sie aber eine Quantifizierung des Rückfallrisikos für erneute Delinquenz – ob sie dieses namentlich als geringfügig, mittelschwer hoch erachte – vor noch äussere sie sich dazu, wie sie das Rückfallrisiko kurz-, mittel- langfristig einschätze. Andererseits könne ihren Ausführungen unter dem Titel aktuelle Risikoeinschätzung entnommen werden, dass die schizomanische Symptomatik aktuell remittiert sei und, da A.___ im aktuellen Setting hinreichend zuverlässig kooperiere und abstinent lebe, ihr Gewaltrisiko derzeit, verglichen mit einer Durchschnittsbevölkerung, nicht wesentlich erhöht sei. Vor diesem Hintergrund stelle sich die weitere Frage, ob einem Anstieg des bei A.___ im Falle erneuter schizomanischer Symptomatik bestehenden Rückfallrisikos nicht auch mit milderen Massnahmen als der Verlängerung der stationären Massnahme begegnet werden könne.

 

A.___ seien seit ihrem letzten Wiedereintritt ins [...] sukzessive Vollzugslockerungen gewährt worden und sie befinde sich seit dem 22. Mai 2023 in einer Arbeitserprobung am Empfang der [...]. Die letzten Vollzugslockerungen seien mit Verfügung des AJUV vom 25. Juli 2023 erfolgt, mit welcher A.___ die Bewilligung für durch das Personal des [...] sowie Vertrauenspersonen begleitete Tagesurlaube (ohne Übernachtung) bei den Eltern erteilt worden sei. Diese Tagesurlaube seien jedoch zumindest ab jenem Zeitpunkt, als A.___ durch ihre Eltern hätte abgeholt und zurückgebracht werden sollen, aufgrund der auf 5 Stunden beschränkten Dauer der Ausgänge und der Distanz zwischen dem [...] und dem Wohnort der Familie in [...] schlicht nicht umsetzbar gewesen. Mithin seien A.___ seit rund 5 Monaten keine Vollzugslockerungen mehr gewährt worden, die ihr ein Vorwärtskommen ermöglicht hätten. Vor diesem Hintergrund erschienen die Ausführungen des AJUV, wonach A.___ mit den zunehmend gewährten Progressionen Mühe bekommen und es in der Folge vermehrt zu schwierigem Verhalten, kleineren Regelverstössen und auch manipulativem Verhalten gekommen sei, als nicht nachvollziehbar. Vielmehr weise das beschriebene Verhalten von A.___ offensichtlich einen direkten Zusammenhang mit dem Ausbleiben weiterer Vollzugslockerungen, in deren Rahmen sie sich hätte bewähren können, sowie dem Antrag um Verlängerung der Massnahme, auf. Hierfür spreche auch der Umstand, dass es offenbar als Reaktion auf den Therapieverlaufsbericht des [...] vom 9. August 2023, welcher sich entgegen den Erwartungen von A.___ gegen eine bedingte Entlassung ausspreche, zu einer Entweichung gekommen sei, da sich A.___ von ihrem Therapeuten Dr. med. E.___ hintergangen gefühlt habe. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung sowie auch im Lichte der Begrenzung der Höchstdauer der Massnahme mit Urteil des Obergerichts vom 14. Januar 2021, welche sich auf die vom damaligen Gutachter Dr. med. D.___ empfohlenen raschen Vollzugsöffnungen gestützt habe, könne es nicht angehen, die zufolge Nichtgewährung noch nicht durchlaufenen Lockerungsstufen nun als Begründung für die Notwendigkeit einer Massnahmenverlängerung ins Feld zu führen.

 

Alle zuletzt mit A.___ befassten Fachpersonen seien sich einig, dass ihre schizoaffektive Störung aktuell remittiert sei und keine Überforderungssituation entstehen dürfe, wofür es eines engstrukturierten Settings und der Sicherstellung der Medikamenteneinnahme bedürfe. Zwar stelle die Gutachterin fest, dass dies im aktuellen Setting sichergestellt werden und in diesem Rahmen eine etwaige Befundverschlechterung zeitnah erkannt sowie angemessen darauf reagiert werden könne. Indessen lege sie nicht dar, warum ein solch engstrukturiertes Setting ausschliesslich in Form des stationären Massnahmenvollzugs umsetzbar sein solle. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass A.___ mit Unterstützung ihrer Eltern im Hinblick auf eine allfällige bedingte Entlassung zahlreiche Massnahmen ergriffen habe. In Bezug auf die Wohnsituation sei angedacht, dass sie zunächst für eine noch nicht definierte Zeitdauer im Haus ihrer Eltern in [...] eigene Räumlichkeiten bewohnen, bevor schrittweise ein Umzug in die für A.___ eingerichtete Eigentumswohnung in [...] stattfinden könnte. Da die Weiterführung der aktuellen Arbeitstätigkeit in der [...] schon aufgrund der Distanz nicht mehr möglich sein werde, eine geregelte Tagesstruktur jedoch unabdingbar sei, habe man die IV Kanton [...] kontaktiert, welche A.___ bereits für ein Erstgespräch erwarte und ein Aufbautraining in der kaufmännischen Übungsfirma «F.___ GmbH» in […] in Aussicht stelle. Dabei sei erwähnt, dass die Möglichkeit einer beruflichen Eingliederung angesichts des Arbeitszeugnisses der [...] vom 13. Dezember 2023 als durchaus intakt einzuschätzen sei. Ebenfalls lägen eine Bestätigung der Psychiatrie-Spitex Region [...] für eine Begleitung von A.___ ab Mitte Januar sowie der Hausarztpraxis [...] betreffend erneute Aufnahme als Patientin vor. Hinzu komme, dass sich Dr. med. E.___, der aktuell behandelnde Therapeut von A.___, bereit erklärt habe, diese auch nach einer bedingten Entlassung weiter zu betreuen.

 

Bei dieser Ausgangslage sei davon auszugehen, dass A.___ im Falle einer (bedingten) Entlassung aus der stationären Massnahme nicht nur ein sozialer Empfangsraum zur Verfügung stehe, sondern durch die Begleitung der Psychiatrie-Spitex sowie Weiterführung der Therapie bei Dr. med. E.___ auch Fachpersonen in ausreichendem Masse involviert seien, um eine etwaige Verschlechterung ihres psychischen Zustands zeitnah zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren. In diesem Zusammenhang sei denn auch der Notfallplan erwähnt, den A.___ in der Therapie erarbeitet habe und welcher auch ihren Eltern bekannt sei. Was die erforderliche Tagesstruktur betreffe, so werde deren Etablierung zwar trotz Vorinformation der IV [...] eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Indessen erscheine die Erprobung einer Arbeitsstelle im Raum [...] noch während eines Aufenthalts von A.___ im [...] bereits distanzbedingt ausgeschlossen, weshalb eine gewisse Übergangsfrist wohl auch in einem späteren Zeitpunkt, namentlich im Falle der Verlängerung der Massnahme, nicht zu umgehen wäre. Entsprechend liessen sich die beschriebenen und für den Zeitpunkt einer allfälligen (bedingten) Entlassung von A.___ bereits aufgegleisten Massnahmen als genügend engmaschig strukturiertes Setting qualifizieren, mit welchem einem krankheitsbedingten Anstieg des Rückfallrisikos begegnet werden könne. Die Erforderlichkeit der Weiterführung der stationären Massnahme sei somit zu verneinen. Demzufolge seien die Voraussetzungen für eine Verlängerung der für A.___ angeordneten stationären therapeutischen Massnahme nach Art. 59 Abs. 4 StGB nicht erfüllt und der Antrag des AJUV um Verlängerung der stationären therapeutischen Massnahme nach Art. 59 StGB abzuweisen.

 

Zum Antrag des amtlichen Verteidigers, wonach A.___ am 13. Januar 2024, eventuell unter Erteilung geeigneter Weisungen, bedingt aus der stationären Massnahme zu entlassen sei, gelte es festzuhalten, dass im Kanton Solothurn Entscheide betreffend – bedingte und endgültige – Entlassungen vom AJUV getroffen würden.

 

5.1 Das AJUV rügt in seiner Beschwerde, das Amtsgericht sei klar von den gutachterlichen Empfehlungen, das heisst einer Verlängerung der Massnahme um zwei Jahre, abgewichen, ohne die Gutachterin vorher anzuhören. Wenn es ausführe, dass die Beschwerdegegnerin im aktuellen Setting kooperiere, dann könne sie nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass sie sich auch in einem offeneren Setting kooperativ zeige. Aktuell befinde sie sich in einem geschlossenen Setting, welches nicht ansatzweise mit einem Entlassungssetting vergleichbar sei. Die Vorinstanz lasse es aber schliesslich auch offen, ob und gestützt auf welche Argumente sie bei Wegfall des aktuell stützenden Settings von einer geringen Rückfallgefahr und somit günstigen Legalprognose ausgehe. Sie setze sich allgemein zwar mit dem von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten Entlassungssetting auseinander, aber nicht mit der aktuellen Legalprognose. Das Amtsgericht verkenne, dass die Gutachterin sehr wohl dazu Stellung beziehe und erläutere, dass es schwierig werden könnte, wenn A.___ in einem ambulanten Setting wäre, beziehungsweise wenn die «Verpflichtung der Massnahme» wegfiele. In diesem Fall scheine es nicht als sicher, dass A.___ weiterhin hinreichend zuverlässig kooperieren würde, da sie ein sehr hohes Autonomiebedürfnis habe und nach wie vor dazu neige, die Schwere ihrer Störung und das Gewaltrisiko zu unterschätzen. Die Gutachterin zeige deutlich auf, dass eben gerade eine stationäre Massnahme nach Art. 59 StGB notwendig sei, um die äusseren Faktoren aufrechtzuerhalten, welche das Risiko aktuell als gering erscheinen liessen.

 

Auch die Konkordatliche Fachkommission (KoFako) stelle fest, dass das Risikomanagement zurzeit in erster Linie durch das kontrollierende Setting der Institution ([...]) sichergestellt werde. Bei einer sofortigen bedingten Entlassung würde dieses stützende Setting wegfallen. Gemäss der gutachterlichen Einschätzung müsse aufgrund des bisherigen Krankheitsverlaufs davon ausgegangen werden, dass A.___ in Umbruch- beziehungsweise Belastungssituationen ein hohes Risiko aufweise, schizomanisch zu dekompensieren. Ausgehend von den Akten sei die Wahrscheinlichkeit, dass A.___ sich im Rahmen einer gereizten schizomanischen Episode verbal aggressiv verhalte, hoch. Aber auch tätlichaggressives Verhalten sei im Rahmen von Krankheitsepisoden immer wieder beschrieben worden, zuletzt in den [...] im Jahr 2021. Auch in Abhängigkeit von situativen Faktoren seien in Krankheitsphasen auch zukünftig schwere Opferschäden denkbar – zumal, wenn man bedenke, dass A.___ in der Situation der Anlasstat ein Messer eingesetzt habe.

 

Obwohl A.___ innert kurzer Zeit zweimal Cannabis konsumiert habe (Vorfälle vom 11. August 2023 und 8. November 2023), äussere sich die Vorinstanz nicht zu diesen Verstössen. Dies obwohl dem aktuellen Gutachten, dem Verlaufsbericht des [...] vom 9. August 2023 und dem Therapieverlaufsbericht des [...] vom 9. August 2023 zu entnehmen seien, dass die Abstinenz von Cannabis für die Stabilität von A.___ mitentscheidend sei. Dies seien genügend Anhaltspunkte dafür, dass weiterhin eine hohe Rückfallgefahr bestehe. Aufgrund der Anlasstat und der Vorstrafen sowie gestützt auf das Gutachten müsse davon ausgegangen werden, dass auch künftig mit grossen Opferschäden zu rechnen sei. Bei einer Entlassung aus dem stationären Massnahmenvollzug zum jetzigen Zeitpunkt müsse von einer hohen Rückfallgefahr im Bereich der körperlichen Integrität gegenüber Dritten ausgegangen werden. In diesem Zusammenhang habe die Vorinstanz den Sachverhalt unrichtig festgestellt und begehe auch eine Rechtsverletzung.

 

Der Beurteilung der KoFako sei zu entnehmen, dass die Fachkommission den Übertritt auf die offene Station des [...] befürworte, sofern sich die Beschwerdegegnerin bewähre und sie ihre Abstinenz aufrechterhalte, die medikamentöse und soziotherapeutische Behandlung fortgeführt werde und ihr psychiatrisches Zustandsbild stabil sei. Ein Wechsel in ein anderes offen geführtes Wohnheim (im Raum [...]) sei jedoch verfrüht. In der Folge sei es jedoch zu einem Konsumrückfall gekommen und es seien manische Frühwarnzeichen gedeutet worden. Die Missachtung der Abstinenzauflage und die manischen Frühwarnzeichen entsprächen nicht den Voraussetzungen, unter welchen die KoFako weitere Progressionen empfohlen habe, entsprechend hätten diese auch nicht bewilligt werden können. Die Vorinstanz lasse ausser Acht, dass es sich bei dem gezeigten Verhalten nicht um kleine Regelverstösse handle, sondern diese einen direkten Zusammenhang mit dem Delikt und einer Erhöhung des Rückfallrisikos aufweisen würden.

 

Dem Gutachten von Dr. med. D.___ könne entnommen werden, je schneller die Beschwerdegegnerin stabil werde, desto schneller gehe es auch mit den Lockerungsschritten voran. Wenn A.___ gut einsteige und sich auf die Therapie einlasse, sei es in ca. 2 ½ Jahre zu machen. Gestützt auf die Ausführungen des Gutachters habe das Obergericht die stationäre Massnahme auf 3 Jahre beschränkt. Das Obergericht habe mit der zeitlichen Beschränkung nicht nur der Vollzugsbehörde, sondern auch A.___ ein klares Signal gesetzt. Nach der Verurteilung sei die Beschwerdegegnerin jedoch mehrmals dekompensiert und es habe bis Ende Juni 2022 gedauert, bis die Beschwerdegegnerin genug stabil gewesen sei, um erste Vollzugsöffnungen zu gewähren. Die Vorinstanz könne nicht auf Einschätzungen des Gutachters Dr. med. D.___ abstellen, wenn erstellt sei, dass sich der Massnahmenverlauf anders gestaltete als im Gutachten skizziert. Sie lasse ausser Acht, dass es der Beschwerdegegnerin selber zu zuschreiben sei, dass nicht vor Ende Juni 2022 Vollzugsöffnungen hätten gewährt werden können. Im Übrigen sei aus dem Strafverfahren auch bekannt, dass A.___ und ihre Eltern die Schuld für Misserfolge und Rückschläge immer den Behörden zuwiesen.

 

Dem aktuellen Gutachten von Dr. med. C.___ vom 23. Juni 2023 könne betreffend die bedingte Entlassung entnommen werden, dass eine Entlassung aus der Massnahme aus gutachterlicher Sicht erst dann ins Auge zu fassen sei, wenn ein Entlassungssetting wie geregelte Tagesstruktur / Berufstätigkeit, Anbindung an ein (forensisches) Ambulatorium, kontrollierte Abstinenz, betreutes Einzelwohnen, über einen gewissen Zeitraum erprobt und sich als tatsächlich tragfähig erwiesen habe. Aus der Beurteilung der KoFako vom 11. Oktober 2023 gehe hervor, dass die Fachkommission die in den Gutachten gemachten Aussagen nachvollziehen könne. Den vorliegenden Risikofaktoren könne mit Fortführung der therapeutischen Behandlung (inklusive anti-psychotischer Medikation) und Aufrechterhaltung eines kontrollierenden Settings entgegengewirkt werden. Sofern sich A.___ bewähre und sie ihre Abstinenz aufrechterhalte, die medikamentöse und soziotherapeutische Behandlung fortgeführt werde und ihr psychiatrisches Zustandsbild stabil sei, erachte die Fachkommission den Übertritt auf die offene Station des [...] für möglich. Die Fachkommission erachte es als wichtig, dass allfällige Vollzugsöffnungen kleinschrittig erfolgten und A.___ nicht überfordert werde, so dass die seit rund einem Jahr erreichte psychische Stabilität, welche die Voraussetzung für ein geringes Rückfallrisiko darstelle, nicht durch Stressoren gefährdet werde. Infolge der erst kürzlich erfolgten Stabilität und der Wichtigkeit eines beständigen Settings / Behandlungsteams erachtete die KoFako die Versetzung von A.___ in ein anderes, offen geführtes Wohnheim im Raum [...] zurzeit als verfrüht. Indem die Vorinstanz das von der Beschwerdegegnerin vorgesehene Entlassungssetting als «genügend engmaschig strukturiertes Setting» qualifiziere, verkenne sie, dass dieses Setting einerseits in keiner Weise erprobt sei und andererseits gerade in Anbetracht des Massnahmenverlaufs bei der Beschwerdegegnerin Umbruchsituationen ein grosses Risiko für eine schizomanische Krankheitsepisode mit sich brächten. In Hinblick auf den allerseits anerkannten und gesetzlich vorgesehenen sukzessiven Progressionenvollzug lasse sich weiter anmerken, dass bei einer bedingten Entlassung aus dem geschlossenen Vollzug mehrere Progressionsstufen ausgelassen würden, was nicht der lege artis des Massnahmenvollzugs entspreche. Der Beschwerdegegnerin würde so die Chance genommen, sich in den verschiedenen Stufen zu bewähren und damit würden die bisher gemachten Fortschritte massiv gefährdet werden. Zudem habe bereits das Obergericht festgehalten, dass den Eltern nicht die Hauptarbeit von Fachpersonen übertragen werden dürfe. Bei einer bedingten Entlassung seien Reaktionsmöglichkeit erheblich eingeschränkt und eine schnelle Reaktion auf ein Lockerungsversagen wäre nur mit zivilrechtlichen Massnahmen möglich. Das Obergericht habe diesbezüglich bereits ausgeführt, dass eine zivilrechtliche fürsorgerische Unterbringung nicht als sachgerecht erscheine. Auch im Gutachten werde festgehalten, dass eine ambulante Massnahme vorerst verfrüht sei.

 

Zusammenfassend müsse gestützt auf die Einschätzungen der Gutachterin und der KoFako derzeit davon ausgegangen werden, dass bei einer kurzfristigen Entlassung aus dem Massnahmensetting die Gefahr bestehe, dass es zu einer erneuten schizomanischen Krankheitsepisode kommen könnte und damit auch die ernsthafte und unmittelbare Gefahr eines fremdgefährdenden Verhaltens im Bereich der körperlichen Integrität gegenüber Dritten bestehe. Im Verlauf der Massnahme sei es zwei Mal in Umbruchsituationen, das heisst unter stabil eingestellter Medikation, zu schizomanischen Krankheitsepisoden gekommen. Die kurzfristige Entlassung aus dem bisherigen Setting würde wiederum zu einer solchen Umbruchsituation führen. Unter diesen Voraussetzungen könne aktuell noch keine günstige Legalprognose hinsichtlich einer bedingten Entlassung gestellt werden, zumal ein Entlassungssetting zuerst über einen längeren Zeitraum erprobt und gefestigt werden müsse. Die Fortsetzung der Massnahme unter Weiterführung der begonnenen, sukzessiv erweiterten Progressionsschritte sei aus deliktpräventiver Hinsicht unumgänglich. Angesichts der begangenen Straftaten und der weiterhin belastenden Legalprognose erscheine eine Verlängerung der stationären Massnahme von zwei Jahren als verhältnismässig. Der angefochtene Entscheid, der ohne triftige Gründe, gestützt auf fehlerhafte Überlegungen und ohne Anhörung der Fachperson von den Empfehlungen einer sehr erfahrenen Gutachterin abweiche, sei aufzuheben und die Massnahme sei zu verlängern.

 

5.2 An der Hauptverhandlung bekräftigte das AJUV seinen in der Beschwerdeschrift vertretenen Standpunkt. Zusätzlich nahm es Stellung zum aktuellen Therapiezwischenbericht des [...] und dem Verlaufsbericht des [...].

 

6. Der Beschwerdegegnerin wurde mit Verfügung vom 22. Januar 2024 die Gelegenheit eingeräumt, sich zur Beschwerde schriftlich zu äussern. Innert der ihr dafür angesetzten Frist teilte sie mit, sich anlässlich der Verhandlung zu den Vorbringen in der Beschwerde zu äussern. Im Rahmen des Plädoyers beanstandete ihr Vertreter zunächst die Aktenführung. Es fehle ein Verzeichnis zu den 9 Bundesordnern und die Akten seien nicht paginiert. Damit sei die Übersicht und Kontrolle praktisch verunmöglicht. Diese Art der Aktenführung verstosse deutlich gegen Art. 100 Abs. 2 StPO und verunmögliche den wirksamen Zugang zu den Akten im Sinne der EMRK. Ausserdem seien die Akten nicht vollständig beziehungsweise die Vollständigkeit könne auch nicht überprüft werden, wie die der Eingabe vom 1. März 2024 beispielhaft aufgezeigte Situation mit der Honorarrechnung der Gutachterin zeige.

 

Zur Sache bemerkte die Beschwerdegegnerin zusammengefasst und im Wesentlichen, die Vorinstanz habe die Rückfallprognose sorgfältig geprüft. Eine ungünstige Prognose liege nicht vor. Das AJUV versuche nun mit seiner Beschwerde mit allen Mitteln von der eigentlichen Frage, nämlich der Frage nach der (nicht mehr vorhandenen) Gefährlichkeit, abzulenken. Es gehe aber hier weder darum, Massnahmeplätze im [...] zu füllen, noch ihr die angeblich «beste Therapie» aufzudrängen, noch um die Frage, ob sie geheilt werden könne. Das könne sie nämlich nicht und das wisse sie. Die Gutachterin habe gar keine eigentliche Rückfallprognose erstellt. Im Übrigen treffe es nicht zu, dass das Gericht hinsichtlich einer Prognose quasi sklavisch an die Einschätzung der Gutachterin gebunden wäre. Das Gutachten von Dr. med. C.___ sei aus verschiedenen formellen und materiellen Gründen unverwertbar. Unter anderem sei aus dem Gutachten nicht ersichtlich, welche Akten der sachverständigen Person überlassen worden und ob diese vollständig gewesen seien. Das Gutachten von Dr. med. C.___ sei bereits aus diesem Grund nicht verwertbar und aus dem Recht zu weisen. Die Gutachterin erwecke zudem zumindest aus drei Gründen den Anschein der Befangenheit. Erstens bestünden Interessenbindungen unter anderem als Mitglied der KoFako. Zweitens seien der Gutachterin die vorangehenden Gutachten von Herrn Dr. med. D.___ vorab vorgelegt worden, was die Beeinflussung durch die Erkenntnisse ihres Fachkollegen äusserst wahrscheinlich mache. Drittens führe auch die suggestive Art und Weise, wie der Gutachterin der Auftrag erteilt worden sei, zu deren Befangenheit.

 

In materieller Hinsicht beanstandet die Beschwerdegegnerin, dass es sich beim Gutachten faktisch um ein Aktengutachten handle, obwohl dies nicht dem Auftrag entsprochen habe. Die Gutachterin habe bloss ein einzelnes 100-minütiges Gespräch durchgeführt. In so kurzer Zeit könne kaum eine sorgfältige Beurteilung eines zuvor unbekannten Menschen gelingen. Ebensowenig sei eine Fremdauskunft eingeholt worden. Um Aussagen zum sozialen Empfangsraum zu tätigen, was im Gutachten auch thematisiert werde, hätten das Umfeld, beziehungsweise zumindest die Eltern zwingend mit in die Begutachtung einbezogen werden müssen. Auch eine körperliche Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl bekannt sei, dass beispielsweise organische Hirnveränderungen eine Ursache für gewisse Persönlichkeitsstörungen darstellen könnten. Das Gutachten sei zudem undeutlich, da diesem keine eindeutigen Antworten auf die gestellten Fragen zu entnehmen seien. Auf diverse Fragen werde nur ausweichend gar nicht geantwortet.

 

Die Beschwerdegegnerin rügt weiter, dass selbst wenn das Gutachten verwertbar wäre, diesem keine Legalprognose lege artis entnommen werden könne. Eigentlich sollte das Ergebnis der Beurteilung die Aussage ermöglichen, mit welcher Wahrscheinlichkeit welche Delikte unter welchen Bedingungen (situative Faktoren) in Bezug auf die Vergleichspopulation (Basisrate der Täterpopulation) zu erwarten seien. Ein solches Ergebnis liefere die Gutachterin nicht. Sie habe nicht nur auf die Angabe einer Basisrate verzichtet, sondern die Einzelfallprognose auch nicht unter Verwendung standardisierter Prognoseinstrumente begründet. Ihre Risikoeinschätzung habe nichts mit einer korrekten Anwendung des Instruments HCR-20 zu tun. Das Ergebnis der Risikoeinschätzung sollte ein konkretes Rückfallrisiko in Prozenten für spezifische Delikte in einem bestimmten Zeitraum sein. Ein solcher Wert gehe aus dem Gutachten nicht hervor und es fehle damit auch eine Angabe der Wahrscheinlichkeit. Die Verweigerung Unfähigkeit der Gutachterin, diese Fragen zu beantworten, lasse mehr als deutliche Zweifel an ihrer Qualifikation aufkommen. Wenn sich das AJUV zur Begründung der angeblich negativen Prognose auf weitere Berichte berufe, so verkenne es, dass sich diese Berichte nicht eigneten, ein unverwertbares Gutachten zu ersetzen. Erstens komme diesen nicht der Stellenwert eines unabhängigen Gutachtens zu und zweitens könne man sich des Eindrucks ohnehin nicht verwehren, dass es hauptsächlich darum gehe, gut bezahlte Therapieplätze zu füllen.

 

Die Beschwerdegegnerin verweist darauf, dass sie bereits seit bald zwei Jahren, nämlich seit dem Wiedereintritt ins [...] im April 2022, stabil sei. Dass die Entlassung in ein ambulantes Setting mit Eintritt der Stabilisierung erfolgen könne, sei auch dem ersten Gutachter, Dr. med. D.___, klar gewesen. Die Gutachterin bestätige, dass sie unter stabil eingestellter Medikation symptomfrei sei. Krankheitseinsicht habe sie und sie erkenne und anerkenne auch ihre Krankheitssymptome als solche. Der lediglich zweimalige Cannabiskonsum habe ihre Stabilität nicht negativ beeinflusst. Für die Annahme, dass sie angeblich ein Problem mit Cannabis-Konsum habe, bestehe keinerlei Grundlage. Die Anlasstat sei nicht unter dem Einfluss von Cannabis verübt worden. Woher die Gutachterin im ohnehin unverwertbaren Gutachten nun darauf schliessen wolle, dass die Abstinenz von Cannabis für die Stabilität mitentscheidend sei, ergebe sich aus den Akten nicht. Ebenfalls sinnfrei erscheine das Argument des AJUV, wonach nach der bedingten Entlassung die Reaktionsmöglichkeit erheblich eingeschränkt sei und eine schnelle Reaktion auf ein «Lockerungsversagen» nur mit zivilrechtlichen Massnahmen möglich sei. Dass das AJUV aus diesem Grund eine Verlängerung sozusagen «auf Vorrat» für sachgerecht halte, entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben. Das Amtsgericht habe erkannt, dass sie hinsichtlich ihrer Entlassung mit Unterstützung der Eltern zahlreiche Massnahmen ergriffen habe. Sie sei sich mit ihren Eltern der Verantwortung, welche mit der Entlassung einhergehe, ganz klar bewusst. Die Vorbereitung sei mehr als genügend. Auch die Vorinstanz sei deshalb zum Schluss gekommen, dass diese Massnahmen genügend engmaschig seien, um einem krankheitsbedingten Anstieg des Rückfallrisikos zu begegnen. Sollten an der Behandlungsadhärenz Medikamentencompliance trotzdem irgendwelche Zweifel bestehen, könnte diesen mit geeigneten Weisungen im Rahmen einer bedingten Entlassung genauso, wenn nicht besser, begegnet werden wie während einer stationären Massnahme. Mangels Erforderlichkeit der Verlängerung der Massnahme fehle es selbstverständlich auch an der Verhältnismässigkeit. Der Freiheitsentzug – unter welchem Titel auch immer – bestehe nun seit mehr als fünfeinhalb Jahren. Es sei nicht ersichtlich und nirgends dargelegt, weshalb für das Aufgleisen des Entlass-Settings gemäss AJUV eine Zeitdauer von ausgerechnet zwei Jahren nötig sei. Dies entspreche schliesslich 2/3 der ursprünglichen Maximaldauer der Massnahme. Eine entsprechende Verlängerung um zwei Jahre wäre auch daher absolut unverhältnismässig.

 

7. Die Gutachterin Dr. med. C.___ äusserte sich an der Hauptverhandlung zusammenfassend wie folgt (im Detail vgl. schriftliches Einvernahmeprotokoll): Die sechs Bundesordner hätten die wesentliche Grundlage ihres Gutachtens dargestellt. Die Störung der Beschwerdegegnerin sei zum Zeitpunkt ihrer Begutachtung weitgehend remittiert gewesen. Andererseits sei die Störung in den Akten so eindeutig dokumentiert gewesen, dass an der Störung kein Zweifel bestehe. Sie habe ein Gespräch mit der Beschwerdegegnerin von 100 Minuten geführt, am 7. Juni 2023. Der psychopathologische Befund zu diesem Zeitpunkt sei weitgehend unauffällig gewesen. Dies passe zum Störungsbild, welches chronisch mit Exazerbationen verlaufe. Über den weiteren Verlauf nach ihrem Gutachten habe sie keine Kenntnis und keine weiteren Informationen. Auch vom amtsgerichtlichen Urteil habe sie keine Kenntnis.

 

Sie könne den Vorwurf, sie habe unkritisch auf den Vorgutachter, Dr. D.___, verwiesen und sie kennten sich von der KoFako her, überhaupt nicht nachvollziehen. Die Krankengeschichte sei langwierig und so umfangreich und gut dokumentiert, dass es diagnostisch überhaupt keine Frage sei, unabhängig vom Gutachten von Dr. D.___. Dass sie und Dr. D.___ sich kennten stimme, sie kennten sich sogar schon länger als von der KoFako her. Es gebe nicht so viele Forensiker in der Schweiz, da kenne man sich.

 

Dass sie sich zum Rückfallrisiko nicht in Prozenten geäussert habe, sei darauf zurückzuführen, dass es bei gewalttätigen Frauen, die eine Schizophrenie Drogenabhängigkeit hätten, überhaupt bei Frauen, die Gewalt angewendet hätten, wenige empirische Zahlen (verlässliche Zahlen) gebe. Dies habe sie in ihrem Gutachten auf S. 47 vorangestellt. Aus diesem Grund habe sie kein statistisches Prognoseverfahren angewendet, weil das für Frauen nicht zulässig sei. Wenn sie ein solches Verfahren angewendet hätte, wäre dies nicht seriös gewesen. Sie habe deshalb eine strukturierte Einzelfalleinschätzung gemacht mit dem HCR-20. Dieser gehe auch für Frauen und werde für Frauen propagiert.

 

Auf Frage, wie sie die Rückfallgefahr beurteile, wenn die Beschwerdegegnerin aus der Massnahme entlassen würde, sagte sie, es handle sich um eine chronische psychische Erkrankung. Diese verlaufe phasenweise, wo sich Phasen mit schwerer Symptomatik mit Wahnerleben, wo sie von der Stimmung und dem Antrieb her verändert sei, mit Phasen abwechsle, wo sie remittiert sei. Letzteres sei auch zum Zeitpunkt ihres Gesprächs mit der Beschwerdegegnerin so gewesen, aber man müsse aufgrund des bisherigen Verlaufs, der so gut dokumentiert sei, davon ausgehen, dass es immer wieder Phasen gebe, wo sie deutlich symptombelastet sei. Und dann schätze sie das Risiko, dass sie sich fremdaggressiv verhalte, als hoch ein. Weil sie, die Beschwerdegegnerin, das in der Vergangenheit wiederholt auch getan habe. Nach wie vor sei der beste Prädikator für zukünftiges Verhalten das bisherige Verhalten. Wenn jemand eine Störung habe, wo man mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, dass jemand wieder so eine Phase erlebe und sie sich in früheren Phasen aggressiv verhalten habe, müsse mit hohem Risiko davon ausgegangen werden, dass sie sich wieder fremdaggressiv verhalte. Man müsse in der Massnahme festklopfen, dass jemand immer Medikamente nehmen müsse, dass jemand überhaupt keine Drogen mehr nehmen werde, dass man ein ausgeprägtes Verständnis der eigenen Erkrankung und des eigenen Risikos, was in Krankheitsphasen von einem ausgehe, habe und dies sei bei der Beschwerdegegnerin nicht uneingeschränkt feststellbar gewesen.

 

Es sei zu berücksichtigen, dass es ab 2019 erhebliche Instabilitäten gegeben habe, sie sei zweimal manisch dekompensiert gewesen, obwohl sie Medikamente genommen habe und es sei auch zu Tätlichkeiten gegenüber Mitpatienten gekommen, als sie schizomanisch dekompensiert gewesen sei. Das seien Anzeichen dafür, dass sie eine ganz enge Betreuung brauche und jegliche Lockerungen gut erprobt sein müssten, bevor man sage, jetzt überführe man die forensisch-psychiatrische Behandlung in eine allgemein-psychiatrische. Dies sei im Sommer 2023 eindeutig noch nicht der Fall gewesen. Der Zeithorizont bis Januar 2024 sei zu kurz, um alles zu erarbeiten. Die von der Beschwerdegegnerin geschilderten Zukunftspläne seien eigentlich mit einer sinnvollen Art, die Massnahme zu einem langfristigen Erfolg zu führen, nicht vereinbar gewesen.

 

Sie habe deshalb keine Fremdanamnese mit den Eltern gemacht, weil deren Angaben zu den Fragen, die sie habe begutachten müssen, nicht so relevant gewesen seien. Es gehe darum, was die Explorandin wolle, ob sie die Lockerungsschritte, die indiziert seien, bereit sei, mitzutragen. Wenn die begutachtete Person nicht überzeugt sei von einem kleinschrittigen Vorgehen, änderten auch die Eltern nichts, selbst wenn die Eltern gesagt hätten, sie solle noch in [...] bleiben und das so beenden, wie es vorgesehen sei. Sie sei aber davon ausgegangen, dass die Eltern sie für einen Wechsel Richtung […] eher ermutigen würden, das sei natürlich nochmals schwieriger.

 

Auf das im amtsgerichtlichen Nachentscheid geschilderte Setting angesprochen, erwähnte die Gutachterin, dies berühre letztlich die Frage der Verhältnismässigkeit. Ein Setting bei den Eltern und in einer eigenen Wohnung ziehe nach sich, dass die Betreuung sehr viel weniger eng wäre als jetzt. Und wenn man bedenke, dass die Massnahme seit 2019 instabil sei und innert Tagen eine Exazerbation eintreten könne, könne es sein, dass es zu Zustandsveränderungen komme. Wer ziehe dann die Notbremse? Das Vorgehen über die IV […] sei angemessen, aber noch nicht erprobt und man wisse nicht, ob das klappe. Wenn man den Verlauf seit 2019 anschaue, sei die Beschwerdegegnerin nicht so belastbar gewesen, wie sie scheine, wenn sie in psychisch gutem Zustand sei; es habe mindestens zwei Mal, wo sie verlegt worden sei, psychische Destabilisierungen gegeben. Angesichts der Anlasstat halte sie das Risiko für relativ hoch. Wie hoch, dafür habe man keine Zahlen, aber man müsse den phasenweisen Verlauf der Erkrankung der Beschwerdegegnerin und die vergleichsweise häufigen schizomanischen Episoden – sie habe 15 Mal stationär behandelt werden müssen und sei 2019 nicht stabil gewesen – berücksichtigen. Wenn man schnell reagieren müsse, sei das Setting, wie es sich das Amtsgericht vorgestellt habe, ungünstig. Ohne Erprobung gehe man das Risiko ein, dass die Beschwerdegegnerin eine schwere schizomanische Episode erleide, wo sie Situationen Personen wahnhaft verkenne, wie es bei der Anlasstat der Fall gewesen sei. Bei ihr habe es sogar im relativ engen Korsett des Massnahmenvollzugs einen Störungsverlauf mit sehr häufigen Exazerbationen gegeben. Es sei aber erfreulich, dass die Beschwerdegegnerin seit April 2022 unauffällig sei. Es sei der Zeitpunkt für Lockerungen. Zwei Jahre seien realistisch dafür, ein entsprechendes Setting festzumachen und zu erproben. In einem Jahr komme man nicht weit mit dem zu Erproben.

 

Auf die Einschätzung der Beschwerdegegnerin angesprochen, es sei wahrscheinlich nicht so, dass ein Joint gleich eine Psychose auslöse, erwähnte die Gutachterin, dies sei eine völlig inadäquate Einschätzung angesichts ihrer Erkrankung und der Tat. Sechs Jahre täglich kiffen heisse, da sei jemand abhängig, kiffen in [...] heisse, die Abstinenz werde – trotz des relativ hoch strukturierten Settings – nicht eingehalten, entweder, weil das Problembewusstsein nicht da sei, weil noch eine süchtige Bindung an die Substanz bestehe. Beides sei prognostisch ungünstig. Man könne klar sagen, dass Cannabiskonsum das Risiko, dass die Beschwerdegegnerin wieder eine psychotische Episode bekomme, relevant erhöhe. Kiffen sei sehr relevant für eine Psychose. Auch die Abstinenz sollte beim Übertritt vom geschlossenen in ein freies Setting möglichst kleinschrittig kontrolliert und eingeübt werden. Es brauche vorher die Erkenntnis, dass Cannabiskonsum ganz schädlich sei in dieser Situation. Auch eine einzelne Konsumhandlung von Cannabis sei ein absolutes No-Go.

 

Es gebe zum jetzigen Zeitpunkt ein relevantes Risiko, dass die Beschwerdegegnerin bei Stressoren psychotisch dekompensiere, z.B. bei Veränderungen des Settings, des Wohnsettings, Cannabiskonsum, neue Arbeitsstelle. Auf Frage, ob es auch positive «Stressoren» gebe, sagte die Gutachterin, sie würde sich so festlegen, dass jegliche Veränderung sich für die Beschwerdegegnerin destabilisierend auswirken könne. Das habe man zum Beispiel gesehen beim Wechsel vom Untersuchungsgefängnis in ein Wohnheim. Es sei sehr erfreulich, dass sich die psychotischen Phasen nicht mehr ereignet hätten, seit sie in [...] sei und das sei ja auch das, auf was die Massnahme abziele, aber es dürfe nicht eine zu schnelle Veränderung geben. Sie würde vorschlagen, sie in ein Wohnheim in der Region mit einem Helfernetz in der Region zu verlegen und dann die Lockerungsschritte zu machen, die anstünden, z.B. einen Arbeitsplatz suchen, etc. Dann müsse man schauen, wie es gehe. Es sei realistisch, für das zwei Jahre zu veranschlagen. Wenn es gut gehe, könne es auch schneller sein als zwei Jahre.

 

Auf Fragen der Verteidigung sagte sie, sie wisse nicht, wie sie als Gutachterin ausgewählt worden sei. Sie habe auch schon Gutachten für das AJUV gemacht, sie schätze 2-3 pro Jahr, könne es aber nicht genau sagen. Auf Frage, wie sie den Gutachtensauftrag verstanden habe, ob als Ergänzung zu Dr. D.___ als eigenständiges Gutachten, sagte sie, als eigenständiges.

 

Auf die Dauer des Gesprächs mit der Beschwerdegegnerin von nur 100 Minuten angesprochen, sagte sie, angesichts des Zustands der Beschwerdegegnerin bei der Exploration sei die ausführliche Krankengeschichte so wichtig und nötig gewesen. Dort sehe man den instabilen Verlauf und wegen des Verlaufs der Erkrankung müsse man davon ausgehen, dass dies auch eine Bedeutung für die Zukunft habe. Bei der Exploration sei die Beschwerdegegnerin stabil remittiert gewesen. Sie, die Gutachterin, habe sich nicht veranlasst gesehen, ein zweites Gespräch durchzuführen. Dies hätte nichts gebracht, weil die Beschwerdegegnerin remittiert gewesen sei und genau das wolle man ja erreichen mit der Massnahme.

 

8. Die Beschwerdegegnerin beanstandet vorweg die Aktenführung. In dieser Hinsicht ist festzuhalten, dass die Vollzugsakten vollständig, übersichtlich und chronologisch mit Inhaltsverzeichnis geordnet sind. Sie legt nicht dar, inwiefern ihr dadurch eine wirksame Verteidigung erschwert werden sollte. Der alleinige Hinweis auf die fehlende Honorarnote der Gutachterin ist gesucht, zumal eine solche Honorarnote mit dem eigentlichen Vollzug nichts zu tun hat und daher auch gar nicht Bestandteil der Vollzugsakten sein muss. Auch die Vorakten des Amtsgerichts enthalten ein Inhaltsverzeichnis, sind übersichtlich geordnet und paginiert. Der Umfang der Beschwerdeakten wiederum ist bescheiden und überschaubar. Die Kritik der Beschwerdegegnerin an der Aktenführung ist unbegründet.

 

9. Der mit der stationären Behandlung verbundene Freiheitsentzug beträgt in der Regel höchstens fünf Jahre (Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB). Sind die Voraussetzungen für die bedingte Entlassung noch nicht gegeben und ist zu erwarten, durch die Fortführung der Massnahme lasse sich der Gefahr weiterer mit der psychischen Störung des Täters in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Verlängerung der Massnahme um jeweils höchstens fünf Jahre anordnen (Art. 59 Abs. 4 Satz 2 StGB). Der Täter wird gemäss Art. 62 Abs. 1 StGB aus dem stationären Vollzug der Massnahme bedingt entlassen, sobald sein Zustand es rechtfertigt, dass ihm Gelegenheit gegeben wird, sich in der Freiheit zu bewähren. Voraussetzung für die bedingte Entlassung ist eine günstige Prognose. Die Prognose ist günstig, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene keine weiteren Straftaten begehen wird, die mit der behandelten Störung in Zusammenhang stehen. Andererseits erfordert die Verlängerung, dass der fortbestehenden Gefahr durch die Massnahme begegnet werden kann, mithin dass der Täter überhaupt behandlungsfähig ist. Gemeint ist damit eine therapeutische dynamische Einflussnahme, die zu einer Verbesserung der Legalprognose führt. Eine Verlängerung kann deshalb nur in Betracht gezogen werden, wenn sich davon eine therapeutische Wirkung in diesem Sinne erwarten lässt (Urteil des Bundesgerichts 6B_1190/2021 vom 28. März 2022 E. 2.2.2 mit Hinweisen).

 

Die stationäre therapeutische Massnahme muss verhältnismässig sein (Art. 36 Abs. 2 und 3 BV; Art. 56 Abs. 2 StGB). Das Verhältnismässigkeitsprinzip verlangt, dass die Massnahme geeignet ist, beim Betroffenen die Legalprognose zu verbessern. Weiter muss die Massnahme notwendig sein. Sie hat zu unterbleiben, wenn eine gleich geeignete, aber mildere Massnahme für den angestrebten Erfolg ausreichen würde. Dieses Kriterium trägt dem Aspekt des Verhältnisses zwischen Strafe und Massnahme bzw. der Subsidiarität von Massnahmen Rechnung. Schliesslich muss zwischen dem Eingriff und dem angestrebten Zweck eine vernünftige Relation bestehen (Verhältnismässigkeit i.e.S.). Das bedeutet, dass die betroffenen Interessen gegeneinander abgewogen werden müssen. Bei einer Prüfung des Zweck-Mittel-Verhältnisses fallen im Rahmen der Gesamtwürdigung auf der einen Seite insbesondere die Schwere des Eingriffs in die Freiheitsrechte des Betroffenen in Betracht. Auf der anderen Seite sind das Behandlungsbedürfnis sowie die Schwere und die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten relevant. Die Dauer der (stationären) Massnahme hängt von deren Auswirkungen auf die Gefahr weiterer Straftaten ab, wobei die Freiheit dem Betroffenen nur so lange entzogen werden darf, als die von ihm ausgehende Gefahr dies zu rechtfertigen vermag. Die Massnahme dauert aber grundsätzlich so lange an, bis ihr Zweck erreicht ist sich eine Zweckerreichung als aussichtslos erweist (Urteil 6B_1190/2021 vom 28. März 2022 E. 2.2.3 mit Hinweisen).

 

10.1 Die Vorinstanz erachtete die von der Beschwerdegegnerin beziehungsweise deren Eltern für den Zeitpunkt einer allfälligen bedingten Entlassung bereits aufgegleisten Massnahmen als genügend engmaschig strukturiertes Setting, mit welchem einem krankheitsbedingten Anstieg des Rückfallrisikos begegnet werden könne. Sie stellte der Beschwerdegegnerin somit eine günstige Prognose in dem Sinne, dass keine weiteren Straftaten mehr zu erwarten seien, die mit der behandelten Störung der Beschwerdegegnerin im Zusammenhang stehen. Nachfolgend ist zu prüfen, ob diese Einschätzung zu teilen ist.

 

10.2.1 Die Beschwerdegegnerin kritisiert das Gutachten von Dr. med. C.___ und erachtet es als unverwertbar. Auch die Vorinstanz bemerkt, die Gutachterin äussere sich zum Rückfallrisiko nur dürftig.

 

10.2.2 Zieht das Gericht mangels eigener Fachkenntnis eine sachverständige Person bei, ist es bei der Würdigung des Gutachtens grundsätzlich frei. Ob das Gericht die in einem Gutachten enthaltenen Erörterungen für überzeugend hält nicht und ob es dementsprechend den Schlussfolgerungen der Experten folgen will, ist mithin eine Frage der Beweiswürdigung. Die Beweiswürdigung und die Beantwortung der sich stellenden Rechtsfragen ist Aufgabe des Richters. Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung entscheiden die Organe der Strafrechtspflege frei von Beweisregeln und nur nach ihrer persönlichen Ansicht aufgrund gewissenhafter Prüfung darüber, ob sie eine Tatsache für erwiesen halten (vgl. Art. 10 Abs. 2 StPO). Das Gericht ist somit nicht an den Befund die Stellungnahme des Sachverständigen gebunden. Es hat vielmehr zu prüfen, ob sich aufgrund der übrigen Beweismittel und der Vorbringen der Parteien ernsthafte Einwände gegen die Schlüssigkeit der gutachterlichen Darlegungen aufdrängen. Auch wenn das gerichtlich eingeholte Gutachten grundsätzlich der freien Beweiswürdigung unterliegt, darf das Gericht in Fachfragen nicht ohne triftige Gründe von ihm abrücken und muss Abweichungen begründen (BGE 141 IV 369 E. 6.1).

 

Auf der anderen Seite kann das Abstellen auf eine nicht schlüssige Expertise bzw. der Verzicht auf die gebotenen zusätzlichen Beweiserhebungen gegen das Verbot willkürlicher Beweiswürdigung (Art. 9 BV) verstossen (BGE 136 II 539 E. 3.2; BGE 133 II 384 E. 4.2.3; BGE 132 II 257 E. 4.4.1; BGE 130 I 337 E. 5.4.2; BGE 129 I 49 E. 4; BGE 128 I 81 E. 2). Erscheint dem Gericht die Schlüssigkeit eines Gutachtens in wesentlichen Punkten zweifelhaft, hat es nötigenfalls ergänzende Beweise zur Klärung dieser Zweifel zu erheben. Ein Gutachten stellt namentlich dann keine rechtsgenügliche Grundlage dar, wenn gewichtige, zuverlässig begründete Tatsachen Indizien die Überzeugungskraft des Gutachtens ernstlich erschüttern. Das trifft etwa zu, wenn der Sachverständige die an ihn gestellten Fragen nicht beantwortet, seine Erkenntnisse und Schlussfolgerungen nicht begründet diese in sich widersprüchlich sind die Expertise sonst wie an Mängeln krankt, die derart offensichtlich sind, dass sie auch ohne spezielles Fachwissen erkennbar sind (BGE 141 IV 369 E. 6.1; 6B_829/2013 vom 6.5.2014 E. 4.1).

 

10.2.3 Bei der Gutachterin Dr. med. C.___ handelt es sich um eine ausgewiesene und anerkannte Fachperson. Worauf sie ihr Gutachten stützt, gibt sie an (S. 2 des Gutachtens). An der Hauptverhandlung ergänzte sie ihr Gutachten mündlich. Den Vorwurf, sie habe unkritisch auf den Vorgutachter verwiesen, entkräftete sie. Das schriftliche Gutachten enthält nachvollziehbare und alles andere als dürftig zu bezeichnende Ausführungen zur Rückfallgefahr. Sie erläuterte und ergänzte an der Hauptverhandlung einleuchtend, weshalb sie kein statistisches Prognoseverfahren anwandte, sondern eine Einzelfalleinschätzung gemäss HCR-20. Auch die Fragen, weshalb sie keine Fremdanamnese vorgenommen und bloss ein einziges Gespräch von 100 Minuten mit der Beschwerdegegnerin geführt hatte, beantwortete sie mit dem Hinweis darauf, dass die Beschwerdegegnerin ihr gut habe Auskunft geben können, in stabil remittiertem Zustand und die Störung in den Akten eindeutig dokumentiert gewesen sei, überzeugend. Die Krankheit der Beschwerdegegnerin erforderte nicht zusätzlich auch noch eine körperliche Untersuchung. Das Gutachten und die mündlichen Ergänzungen der Gutachterin anlässlich der Hauptverhandlung sind ausführlich, vollständig, fachlich fundiert und frei von Widersprüchen. Es kann deshalb darauf abgestellt werden.

 

Die Kritik der Beschwerdegegnerin und der Vorinstanz am Gutachten ist somit unbegründet. Das gilt insbesondere auch für den von der Beschwerdegegnerin erhobenen Vorwurf der Befangenheit und den Einwand, sie sei im Hinblick auf die Erstellung des schriftlichen Gutachtens nicht verteidigt gewesen. Ganz abgesehen davon, sind diese erst im Beschwerdeverfahren erhobenen Vorwürfe verspätet. Auch wenn die Gutachterin von der Vorinstanz nicht befragt wurde, entband das nicht davon, die Einwände ohne Verzug vorzubringen. An der Hauptverhandlung, an welcher die Gutachterin ihr Gutachten mündlich erläuterte, hatte die Beschwerdegegnerin zudem die Gelegenheit, der Gutachterin Ergänzungsfragen zu stellen, wovon der amtliche Verteidiger denn auch wie im Voraus angekündigt, ausführlich Gebrauch machte.

 

10.3.1 Dr. med. C.___ führt in ihrem Gutachten vom 23. Juni 2023 aus, es sei «sowohl kurz-, mittel- als auch langfristig denkbar, dass erneute schizomanische Phasen auftreten. Ausgehend vom bisherigen Verlauf besteht dann ein erhebliches Risiko, dass es auch wieder zu fremdgefährdendem Verhalten kommen kann. Problematisch ist dabei, dass sich die Krankheitsepisoden in der Vorgeschichte offenbar innerhalb von Tagen entwickelten  … Der Hauptrisikofaktor für gewalttätiges Verhalten ist die schwere psychische Erkrankung, bei der in der Vergangenheit auch unter fortgesetzter Medikation Krankheitsphasen auftraten. Das Risiko, dass in Zukunft Krankheitsphasen auftreten, steigt natürlich an, wenn die Expl. ihre Medikation absetzen, Cannabis (Drogen) konsumieren, sich im Alltag überlasten sonstigen Stress erleben würde … Auch in Abhängigkeit von situativen Faktoren wären in Krankheitsphasen auch zukünftig schwere Opferschäden denkbar – zu Mal, wenn man bedenkt, dass A.___ in der Situation der Anlasstat ein Messer einsetzte» (Gutachten, S. 57 f.). Die Gutachterin geht in ihrem schriftlichen Gutachten weiter davon aus, dass dieses Risiko bei der Entlassung aus der Massnahme steigt: «Schwieriger (hinsichtlich Unterstützung und Kontrolle) könnte es werden, wenn A.___ in einem ambulanten Setting wäre bzw. wenn die «Verpflichtung der Massnahme» wegfiele. In diesem Fall scheint es nicht sicher, dass A.___ weiterhin hinreichend zuverlässig kooperieren würde, da sie ein hohes Autonomiebedürfnis hat und nach wie vor dazu neigt, die Schwere ihrer Störung und das Gewaltrisiko zu unterschätzen» (Gutachten, S. 50).

 

10.3.2 Anlässlich der Verhandlung führte sie zum Rückfallrisiko ergänzend aus, auch wenn die Störung der Beschwerdegegnerin aktuell remittiert sei, müsse aufgrund des bisherigen Verlaufs davon ausgegangen werden, dass es immer wieder Phasen gebe, in welchen sie deutlich symptombelastet sei und dann das hohe Risiko bestehe, dass sie sich fremdaggressiv verhalte. Man könne klar sagen, dass Cannabiskonsum das Risiko, dass sie wieder eine psychotische Episode bekomme, relevant erhöhe. Die Beschwerdegegnerin habe eine schizoaffektive Störung, von der klar sei, dass eine Destabilisierung von Cannabis ausgelöst werde. Deshalb sei jeglicher Konsum ein No-Go. Wenn sich jemand mit einer solchen Störung in früheren Phasen aggressiv verhalten habe, müsse mit hohem Risiko davon ausgegangen werden, dass sie sich wieder fremdaggressiv verhalte. Wenn man schnell reagieren müsse, sei das vom Amtsgericht als ausreichend erachtete Setting «ungünstig» (Einvernahmeprotokoll, S. 4). Es wäre wichtig, dies im Massnahmevollzug zu erproben, weil sich dann jemand verbindlich zuständig fühle. Gefordert sei, dass kleinschrittig in ein Setting gelockert werde, in welchem die Beschwerdegegnerin bis 80 weiterleben könne, in welchem sie stabil sei und man wisse, wie sie weiter behandelt werde. Ohne Erprobung bestehe das Risiko, dass die Beschwerdegegnerin eine schwere schizomanische Phase erleide, in welcher sie Situationen Personen wahnhaft verkenne, wie das bei der Anlasstat der Fall gewesen sei. Selbst im Massnahmeverlauf sei die Beschwerdegegnerin bei Veränderungen des Settings psychotisch dekompensiert. Auf Veränderungen äusserer Bedingungen habe sie empfindlich reagiert, deshalb müsse es langsam und engmaschig durchgeführt werden. Die Ereignisse im bisherigen Verlauf der Massnahme seien Anzeichen dafür, dass sie eine ganz enge Betreuung brauche und jegliche Lockerungen gut erprobt sein müssten, bevor man sage, jetzt überführe man die forensisch-psychiatrische Behandlung in eine allgemein-psychiatrische. Eine stationäre Massnahme sei deshalb besser als ein ambulantes Setting. Es dürfe nicht eine zu schnelle Veränderung geben. Sie würde vorschlagen, die Beschwerdegegnerin in ein Wohnheim in ihrer ursprünglichen Wohnregion mit einem Helfernetz in der Region zu verlegen und dann die Lockerungsschritte zu machen, die anstünden, zum Beispiel einen Arbeitsplatz suchen, etc. Dann müsse man schauen, wie es gehe, zum Beispiel auch in einem Einzelwohnheim, wer die psychiatrische Behandlung übernehme etc.

 

10.4 Das AJUV hatte die KoFako gebeten, im Zusammenhang mit dem Vollzug der Massnahme diverse Fragen zu beantworten. Die KoFako gab gestützt darauf am 11. Oktober 2023 folgende Gesamtbeurteilung ab: «Auf therapeutischer Ebene konnten nach Ansicht der Fachkommission noch keine Fortschritte erzielt werden, welche die Legalprognose bedeutsam zu verbessern vermögen. A.___ hat weder eine differenzierte Störungseinsicht noch hat sie sich bisher vertieft mit der Anlasstat bzw. dem Deliktmechanismus auseinandergesetzt. Sie blendet den Umstand tendenziell aus, dass schizomanische Episoden auch in Zukunft mit einem erhöhten Gewaltrisiko einhergehen. Ihre Therapie- und Veränderungsbereitschaft gründet nicht auf einem intrinsischen Willen und erscheint lediglich vordergründig gegeben. Trotz diesen ungünstigen Faktoren konnte mit Hilfe der antipsychotischen Medikation (u.a. Zwangsmedikation in der [...]) eine Remission der Positivsymptomatik erreicht werden und A.___ präsentiert sich zurzeit psychisch stabil, was günstig zu werten ist, da ihr Gewaltrisiko vor allem mit dem Auftreten schizomanischer Episoden verknüpft ist. Nach Ansicht der Fachkommission benötigt A.___ weiterhin professionelle Betreuung und Kontrolle, solange sie nicht in der Lage ist, eine Verschlechterung ihres psychischen Zustands rechtzeitig zu erkennen (Frühwarnzeichen) und selbstständig die benötigte Unterstützung und Hilfe einzuholen. Weiter muss sie einen erneuten Cannabiskonsum als deliktrelevant erachten und eine zuverlässige und intrinsisch motivierte Medikamentencompliance aufweisen. Das Risikomanagement wird zurzeit in erster Linie durch das kontrollierende Setting der Institution sichergestellt … Die tatzeitnahen Risikofaktoren werden medikamentös und soziotherapeutisch bearbeitet und haben sich leicht abgeschwächt (Remission; Abstinenz im kontrollierten Rahmen); sie liegen aber auch heute noch als solche vor. Den vorliegenden Risikofaktoren kann mit Fortführung der therapeutischen Behandlung (inklusive antipsychotischer Medikation) und Aufrechterhaltung eines kontrollierenden Settings entgegengewirkt werden. Sofern sich A.___ bewährt und sie ihre Abstinenz aufrechterhält, die medikamentöse und soziotherapeutische Behandlung fortgeführt wird und ihr psychisches Zustandsbild stabil ist, erachtet die Fachkommission den Übertritt auf die offene Station des [...] für möglich. Unter den oben genannten Voraussetzungen erachtet die Fachkommission ebenso die Gewährung eines Arbeitsexternats für möglich. Wichtig ist ein intensives Monitoring, damit frühzeitig erkannt wird, falls A.___ im zwischenmenschlichen Bereich erneut in Konflikt- bzw. Überforderungssituationen gerät. Nach erfolgtem Wechsel auf die offene Station des [...] erachtet die Fachkommission die schrittweise Gewährung von unbegleiteten Beziehungsurlauben (bis zu 12 Stunden) tagsüber bei den Eltern sowie in einem zweiten Schritt unbegleitete Beziehungsurlaube mit Übernachtungen unter den oben genannten Voraussetzungen sowie unter Einhaltung von Auflagen und Weisungen für möglich. Die Fachkommission erachtet es als wichtig, dass allfällige Vollzugsöffnungen kleinschrittig erfolgen und A.___ nicht überfordert wird, so dass die seit rund einem Jahr erreichte psychische Stabilität (welches die Voraussetzung für ein geringes Rückfallrisiko darstellt) nicht durch Stressoren gefährdet wird. Des Weiteren empfiehlt die Fachkommission, eine Depotmedikation zu prüfen. Infolge der erst kürzlich erfolgten Stabilität und der Wichtigkeit eines beständigen Settings / Behandlungsteams erachtet die Fachkommission die Versetzung von A.___ in ein anderes offen geführtes Wohnheim (Raum [...]) zurzeit für verfrüht» (Beurteilung der KoFako vom 11. Oktober 2023, S. 10 f.).

 

10.5 Die [...], erwähnt in dem von Oberarzt Dr. med. E.___ und von Chefarzt Dr. med. G.___ unterzeichneten Therapiezwischenbericht vom 21. Februar 2024, die Beschwerdegegnerin sei am 12. August 2023 aus einem Ausgang nicht zurückgekehrt und erst am Folgetag im [...] erschienen. Es sei bei der Entweichung zu Cannabiskonsum und anschliessend zur einer Verweigerung der Abstinenzkontrollen gekommen. Am 9. November 2023 sei bei der Beschwerdegegnerin ein steigender THC-Wert nachgewiesen worden. Sie habe angegeben, mit Mitbewohnerinnen Cannabis auf der Abteilung konsumiert zu haben. Am 10. Januar 2024 sei CBD in einer Urinprobe nachgewiesen worden, wobei sie jeglichen Konsum verneint habe. Die Beschwerdegegnerin habe noch keine hinreichende Krankheitseinsicht und Behandlungsmotivation, unzureichende Einsicht in das eigene Gewaltrisiko sowie leichtsinniger und unüberlegter wiederholter Konsum von Cannabis (S. 7). Für die Einschätzung des Gewaltrisikos wird zusammenfassend festgestellt, dass für A.___ vor dem Hintergrund einer langjährigen schizoaffektiven Erkrankung, eines schädlichen Cannabisgebrauchs sowie einer Persönlichkeitsakzentuierung im eng strukturierten und therapeutisch ausgerichteten Setting des [...] von einem geringen bis moderaten Risiko für erneute Straftaten im Sinne der Anlassdelikte ausgegangen werde. Das Gewaltrisiko stehe dabei vor allem in Zusammenhang mit dem Auftreten schizomanischer Episoden. Problematisch dabei sei vor allem der wiederholte Substanzmittelkonsum zu werten, der einen Risikofaktor für das Auftreten erneuter schizomanischer Episoden darstelle (S. 9 f.). Es bestehe eine nur vordergründig tragfähige Krankheits- und Behandlungseinsicht. Im aktuellen Beurteilungszeitraum sei die psychopharmakologische Behandlung nicht in Frage gestellt worden. Eine realistische Einsicht in das eigene Gewaltrisiko bestehe in noch nicht ausreichendem Masse. Insbesondere bezüglich Substanzkonsums für Cannabis bestünden bei der Beschwerdegegnerin deutliche Tendenzen zur Bagatellisierung (S. 11).

 

Der Verlauf der stationären Massnahme nach Art. 59 StGB sei für den Beurteilungszeitraum ab dem 7. August 2023 als durchwachsen zu beschreiben. Es sei wiederholt zu Cannabiskonsum gekommen. Andererseits habe die Beschwerdegegnerin in stabilen Phasen ihrer Arbeit in der [...] zuverlässig nachgehen können. Ihr Verhalten müsse zumindest als leichtsinnig und unüberlegt in Hinsicht auf das Dekompensations-Risiko eingeordnet werden. Auch hinsichtlich der Regeln im Vollzug hätten sich weiterhin Tendenzen dahingehend gezeigt, dass sie Regeln einseitig zu ihren Gunsten auslege. Der Umgang mit dem Substanzkonsum weise deutliche Bagatellisierungstendenzen auf. Die Krankheitseinsicht erscheine noch nicht hinreichend, ebenso wie die Behandlungsmotivation, das eigene Gewaltrisiko werde noch unzureichend eingeschätzt. Die Beschwerdegegnerin habe sich oft ungeduldig hinsichtlich der Umsetzung von Vollzugsöffnungen gezeigt. Das Rückfallrisiko für erneute Straffälligkeit werde im eng strukturierten und therapeutisch ausgerichteten Setting des [...] als weiterhin gering bis moderat gewertet. Eine (bedingte) Entlassung aus dem aktuellen Setting erscheine mit Blick auf die noch anstehenden Vollzugsöffnungen als verfrüht. Aus forensisch-psychiatrischer Sicht sei eine Verlängerung der stationären Massnahme nach Art. 59 StGB unbedingt anzuraten (S. 13).

 

10.6 Auch das [...] erwähnt in seinem Verlaufsbericht vom 22. Februar 2024 den Cannabiskonsum der Beschwerdegegnerin. Es äussert zusätzlich den Verdacht, sie habe auch Mitte Oktober 2023 erneut THC konsumiert. Wiederum habe sie die entsprechenden Drogenurinproben nicht zulassen wollen und angegeben, lediglich einem Kollegen in einem anderen Ortsteil bei der Ernte von Cannabis geholfen zu haben (S. 3). Im Sinne einer Beurteilung und eines Ausblicks hält das [...] fest, seit August 2023 habe sich ein schwankender Verlauf gezeigt. Die Beschwerdegegnerin habe eine instabilere Phase mit einer Entweichung und Konsumrückfällen durchlebt, was möglicherweise auch im Zusammenhang mit einer erlebten Belastung durch die nahende Höchstdauer der stationären Massnahme wie auch mit dem ihr nicht rasch genug fortschreitenden Progressionsstand zusammenhängen könnte. Strukturierende Rahmenbedingungen könne sie nach wie vor nicht immer akzeptieren, wehre sich verbal gegen direktive Ansagen versuche Regelungen, die aus ihrer Perspektive unnötig seien, zu umgehen. Sie bleibe dabei jeweils in der Lage, sich in Nachbesprechungen reflektiert zu äussern auch mal zu entschuldigen für ihr Verhalten. Als positiv zu werten sei demnach, dass sie das therapeutische Bündnis nicht einseitig habe brechen lassen, wie in der Vergangenheit mehrfach geschehen. Sie verfüge über ein gutes kognitives Leistungsniveau, könne sich an Abmachungen halten, Termine organisieren, sich daran erinnern und auch komplexeren Zusammenhängen folgen. Im Berichtzeitraum sei der Eindruck geblieben, dass die Beschwerdegegnerin sich nicht primär mit ihren Delikten, den dahinterliegenden Deliktmechanismen (Exazerbation der psychiatrischen Grunderkrankung) und ihrer Vergangenheit befassen, sondern hauptsächlich ihre Zukunft sinnvoll gestalten möchte. Diese Tendenz scheine mit zunehmenden Freiheiten in Folge erweiterter Progressionen verstärkt beobachtbar zu sein. Die Abstinenzauflagen habe sie seit August 2023 nicht mehr durchgehend aufrechterhalten können und sie habe sich Drogenurinproben gegenüber deutlich abweisend gezeigt, aber dahingehend geäussert, dass sie keine «Kifferin» (mehr) sei. Aufgrund der krankheitsbedingten Vorgeschichte der Beschwerdegegnerin erachtet es das [...] weiterhin als notwendig, die Medikamenteneinnahme und Abstinenzeinhaltung zu kontrollieren und die psychopathologische Stabilität zu monitorisieren, was im Rahmen des bestehenden (oder eines ähnlichen) therapeutischen Settings möglich sei. Ein schrittweises Vorgehen im Zusammenhang mit Lockerungen erscheine weiterhin angebracht, um die Stabilität nicht zu gefährden und Überforderung zu vermieden. Eine Verlängerung der Massnahme nach Art. 59 StGB sei angebracht. In diesem Rahmen könnten die Belastbarkeit der Beschwerdegegnerin weiter monitorisiert und neue Progressionsschritte, wie Wohnen auf offener Station, längere Beziehungsurlaube, erarbeitet werden (S. 6 f.).

 

10.7.1 Die zitierten Berichte und Beurteilungen stimmen mit den Beobachtungen und Schlussfolgerungen der Gutachterin C.___ weitgehend und im Wesentlichen überein: Im gegenwärtigen, eng strukturierten und therapeutisch ausgerichteten Setting des Massnahmevollzugs besteht ein geringes bis moderates Rückfallrisiko für erneute Straffälligkeit. Das Risiko, dass es in Krankheitsphasen auch zukünftig zu schweren Opferschäden kommen kann, ist aber weiterhin vorhanden, insbesondere wenn die Beschwerdegegnerin ihre Medikation absetzen, Cannabis konsumieren sich im Alltag überlasten sonstigen Stress erleben würde. Wie das vergangene halbe Jahr zeigte, ist Cannabiskonsum für die Beschwerdegegnerin nach wie vor ein Thema. Den Umgang mit dem Substanzkonsum bagatellisiert sie, was von einer noch nicht hinreichenden Krankheitseinsicht zeugt. Das ist vor allem deshalb problematisch, weil es sowohl kurz-, mittel- als auch langfristig denkbar ist, dass erneute schizomanische Phasen auftreten können und Cannabiskonsum dabei ein ganz wesentlicher Risikofaktor ist. Krankheitsepisoden entwickelten sich in der Vorgeschichte offenbar sehr schnell innerhalb von wenigen Tagen. Dass die Gutachterin Dr. med. C.___ bei dieser Ausgangslage eine Entlassung aus der Massnahme erst dann befürwortet, wenn ein Entlasssetting (z.B. geregelte Tagesstruktur / Berufstätigkeit, Anbindung an ein forensisches Ambulatorium, kontrollierte Abstinenz, betreutes Einzelwohnen) über einen gewissen Zeitraum erprobt und sich als tatsächlich tragfähig erwiesen hat, leuchtet ein. Es ist mit ihr zu befürchten, dass bei einer kurzfristigen Entlassung aus dem Massnahmensetting die Gefahr besteht, dass es zu einer erneuten schizomanischen Krankheitsepisode kommen könnte und damit auch die ernsthafte und unmittelbare Gefahr eines fremdgefährdenden Verhaltens im Bereich der körperlichen Integrität gegenüber Dritten einhergeht. Das von der Vorinstanz ihrem Entscheid zugrunde liegende Entlassungssetting ist in keiner Weise erprobt. Es konnte sich daher bis anhin auch nicht als tragfähig erweisen und entspricht den geschilderten Anforderungen folglich nicht.

 

10.7.2 Im Verfahren vor Amtsgericht äusserte sich die Beschwerdegegnerin auch noch zum Vorgutachter und zum Urteil des Obergerichts vom 14. Januar 2021. Die in diesem Zusammenhang vorgebrachte Kritik verfängt nicht. Das Bundesgericht hielt in seinem Urteil vom 2. November 2022 ausdrücklich fest, das Obergericht habe sich einlässlich und zutreffend mit den Einschätzungen von Dr. med. D.___ auseinandergesetzt und wies die Beschwerde ab. Die Ausführungen des Vorgutachters Dr. med. D.___ widersprechen den vorstehenden Schlussfolgerungen nicht. Dr. med. D.___ hatte anlässlich der obergerichtlichen Hauptverhandlung vor der Strafkammer des Obergerichts ausgeführt, die konkrete Dauer der Massnahme hänge letztlich von den erzielten Fortschritten von A.___ ab. Je schneller die Berufungsklägerin stabiler werde, desto schneller gehe es auch mit den Lockerungen voran. Es brauche hierfür eine gewisse Stabilität, doch gerade bei einer soliden Medikation sei vieles machbar. Wenn die Berufungsklägerin ab jetzt gut einsteige und sich auf die Therapie einlasse, sei es nach seiner Einschätzung von nun an in ca. 2 ½ Jahren zu machen (Urteil des Obergerichts vom 14. Januar 2021, S. 77, E. V/8). Die Fortschritte von A.___ waren indessen weniger schnell als angenommen, so dass es aktuell für eine Entlassung aus der Massnahme immer noch an der dafür nötigen Stabilität fehlt.

 

10.8 Zusammenfassend steht damit fest, dass das von der Vorinstanz beschriebene Setting nach der Entlassung aktuell nicht ausreicht, um die Rückfallwahrscheinlichkeit auf ein Mass zu reduzieren, das eine günstige Legalprognose zulässt. Die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung sind daher noch nicht erfüllt. Es ist zu erwarten, dass durch die Fortführung der Massnahme der Gefahr weiterer mit der psychischen Störung der Beschwerdegegnerin in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen begegnet werden kann. Die Massnahme ist somit zu verlängern (Art. 59 Abs. 4 StGB).

 

11.1 Das Gericht kann die Verlängerung der Massnahme um höchstens fünf Jahre anordnen (Art. 59 Abs. 4 StGB). Auch bei der Verlängerung der Massnahme gilt das Gebot der Verhältnismässigkeit. Nur die Gefahr relativ schwerer Delikte kann die Verlängerung rechtfertigen. Eine Verlängerung um weniger als fünf Jahre ist möglich (Trechsel/Pauen Borer, Praxiskommentar, Schweizerisches Strafgesetzbuch, 4. Aufl. 2021, N. 15 zu Art. 59 StGB).

 

11.2.1 Das Obergericht ordnete die stationäre Massnahme in seinem Urteil vom 14. Januar 2021 für die Dauer von drei Jahren an. Es stützte sich dabei auf die Einschätzungen des damaligen Gutachters Dr. med. D.___. Dieser habe anlässlich der Hauptverhandlung ausgeführt, die konkrete Dauer der Massnahme hänge letztlich von den erzielten Fortschritten von A.___ ab. Je schneller sie stabiler werde, desto schneller gehe es auch mit den Lockerungen voran. Es brauche hierfür eine gewisse Stabilität, doch gerade bei einer soliden Medikation sei vieles machbar. Wenn sie ab jetzt gut einsteige und sich auf die Therapie einlasse, sei es nach seiner Einschätzung von nun an in ca. 2 ½ Jahren zu machen. Gestützt hierauf sei die Dauer der Massnahme auf drei Jahre festzusetzen (Urteil vom 14. Januar 2021, S. 77, E. V./8).

 

11.2.2 Dr. med. C.___ bezeichnete in ihrem schriftlichen Gutachten eine Verlängerung um zwei Jahre als realistisch (Gutachten S. 64). An der Hauptverhandlung bestätigte sie grundsätzlich diese Einschätzung. Die Erfahrung zeige, dass Entscheidungsprozesse wie die Suche nach einem Wohnheim mit anschliessenden sukzessiven Lockerungen, dauerten. Auch die Mühlen der IV mahlten langsam. Wenn es gut gehe, könne es auch schneller sein als zwei Jahre.

 

11.2.3 Der psychopathologische Befund der Beschwerdegegnerin ist seit ihrer Rückkehr ins [...] am 6. April 2022 weitgehend unauffällig (Gutachten Dr. med. C.___, S. 42). Zu beachten ist, dass die Vollzugsbehörden die Planung der konkreten nächsten Lockerungsschritte bereits im Sommer 2023 zügig hätten an die Hand nehmen können. Dr. med. C.___ selber hatte die nächsten Entscheidungen und Schritte in ihrem Gutachten bereits damals detailliert aufgezeigt (Gutachten, S. 55 f., 62). Die Vollzugsbehörden sind daher ab sofort gefordert, nun mit Hochdruck die weiteren Lockerungsschritte aufzugleisen. Ausgehend von der damaligen Einschätzung des Gutachters Dr. med. D.___ und der gestützt darauf vom Obergericht festgesetzten Dauer der Massnahme rechtfertigt es sich deshalb, für die nun zu bestimmende Dauer der Verlängerung ab 6. April 2022 (dem Zeitpunkt, ab dem davon ausgegangen werden kann, dass die Beschwerdegegnerin gut eingestiegen ist und sich auf die Therapie eingelassen hat) nach wie vor von drei Jahren auszugehen. Konkret bedeutet das eine Verlängerung bis April 2025, was ausgehend vom für die Verlängerung massgebenden Datum vom 14. Januar 2024 einer Verlängerung von 15 Monaten entspricht.

 

Wenn keine weiteren Friktionen eintreten, sollte die ab jetzt noch verbleibende Zeit von einem Jahr ausreichen, um dann eine bedingte Entlassung der Beschwerdegegnerin ins Auge zu fassen, zumal sie mit ihren Eltern ein persönliches Umfeld hat, das sie stützen kann. Sollte es indessen zu Friktionen kommen, wie zum Beispiel erneutem Cannabis-Konsum einer Stresssituation mit anschliessender akuten Krankheitsphase, könnte sich die Dauer der Verlängerung in der Tat als zu knapp erweisen. Aktuell ist indessen davon auszugehen, dass es zu keinen solchen Friktionen kommt und sich die Beschwerdegegnerin weiterhin kooperativ verhält. Die Massnahme ist aus diesen Gründen um 15 Monate zu verlängern.

 

12. Für den Fall, dass gegen diesen Beschluss eine Beschwerde in Strafsachen erhoben wird, wird zur Sicherung des Massnahmenvollzugs mit separatem Beschluss Sicherheitshaft angeordnet, zu vollziehen im bisherigen bzw. im neu aufzugleisenden Setting des Massnahmenvollzugs.

 

13.1 Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen. Der Nachentscheid des Amtsgerichts Olten-Gösgen vom 21. Dezember 2021 ist aufzuheben. Die stationäre therapeutische Massnahme ist wie vom AJUV beantragt zu verlängern, aber nicht um die verlangte Dauer von zwei Jahren, sondern bloss um 15 Monate. Angesichts dieses Ausgangs (Art. 428 Abs. 1 StPO) gehen die Kosten des obergerichtlichen Verfahrens mit einer Staatsgebühr von CHF 3'000.00 (inkl. Verfahren betr. Anordnung von Sicherheitshaft), zuzüglich Auslagen von CHF 1'600.00, je zur Hälfte zu Lasten des Staates und der Beschwerdegegnerin. Dasselbe gilt für die amtsgerichtlichen Kosten von total CHF 5'295.40, die ebenfalls entsprechend neu zu verlegen sind. Die Beschwerdegegnerin hat somit für das obergerichtliche Verfahren CHF 2'300.00 und für das amtsgerichtliche Verfahren CHF 2'647.70 zu bezahlen.

 

13.2 Für die Festsetzung der Entschädigung des amtlichen Verteidigers der Beschwerdegegnerin, Rechtsanwalt Daniel U. Walder, ist grundsätzlich von dessen Honorarnote auszugehen. Nicht entschädigt werden können die noch für das Jahr 2023 fakturierten Aufwendungen (3:00; 0:25, 0:10, 0:05), da diese bereits durch die Vorinstanz abgegolten wurden. Dasselbe gilt für die Verrichtungen vom 10. Januar 2024 (0:10 Std. Prüfung Nachentscheid und 0:35 Std. Studium Entscheid). Über den Aufwand für das Ausstandverfahren wurde bereits mit dem Beschluss des Obergerichts (Strafkammer) vom 19. Februar 2024 befunden, weshalb der für das Studium des Entscheids geltend gemachte Aufwand von 0:15 Stunden ebenfalls unberücksichtigt bleiben muss. Nach diesen Korrekturen resultiert ein Aufwand von 79:35 Stunden resp. inklusive Auslagen von CHF 293.80 und der Mehrwertsteuer von 8,1 % eine Entschädigung von CHF 16'663.20. Die Entschädigung für das erstinstanzliche Verfahren von CHF 16'705.20 (inkl. Auslagen und MwSt.) ist unangefochten geblieben.

 

Demnach wird beschlossen:

1.    Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Nachentscheid des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 21. Dezember 2023 wird aufgehoben.

2.    Die für A.___ mit Urteil des Obergerichts vom 14. Januar 2021 angeordnete stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59 StGB wird mit Wirkung ab 14. Januar 2024 um 15 Monate verlängert.

3.    Die Kosten des amtsgerichtlichen Verfahrens von CHF 5'295.40 gehen zur Hälfte, das heisst im Umfang von CHF 2'647.70, zu Lasten von A.___. Die andere Hälfte geht zu Lasten des Staates.

4.    Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Daniel U. Walder, […], für das erstinstanzliche Verfahren von CHF 16'705.20 (inkl. Auslagen und MwSt.) ist zufolge amtlicher Verteidigung durch den Staat zu bezahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates im Umfang von CHF 8'352.60 (1/2) während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben.

5.    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 3'000.00, total CHF 4'600.00, gehen zur Hälfte, d.h. im Umfang von CHF 2'300.00, zu Lasten von A.___. Die andere Hälfte geht zu Lasten des Staates.

6.    Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Daniel U. Walder, […], für das Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf CHF 16'663.20 (inkl. Auslagen und MwSt.). Sie ist zufolge amtlicher Verteidigung durch den Staat zu bezahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates im Umfang von CHF 8'331.60 (1/2) während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.___ erlauben.

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Gegen den Entscheid betreffend Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) und der unentgeltlichen Rechtsbeistandschaft im Rechtsmittelverfahren (Art. 138 Abs. 1 i.V.m. Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) kann innert 10 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesstrafgericht Beschwerde eingereicht werden (Adresse: Postfach 2720, 6501 Bellinzona).

Im Namen der Beschwerdekammer des Obergerichts

Der Präsident                                                                    Die Gerichtsschreiberin

Frey                                                                                  Ramseier

 

Das Bundesgericht hat mit Urteil vom 5. Juni 2024 die dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen (Bger 6B_376/2024).

 

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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