Kanton: | SO |
Fallnummer: | BKBES.2023.91 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Beschwerdekammer |
Datum: | 18.10.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Zusammenfassung: | Die Beschwerdekammer des Obergerichts hat entschieden, dass die Beschwerde des A.___ gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft abgewiesen wird. Die Kosten des Verfahrens von CHF 800.00 gehen zu Lasten von A.___. Es wird keine Parteientschädigung für A.___ zugesprochen. Die Beschuldigte, vertreten durch Rechtsanwalt Yves Amberg, erhält eine Parteientschädigung von CHF 376.20. Der Entscheid kann beim Bundesgericht angefochten werden. |
Schlagwörter: | Beschuldigte; Beschuldigten; Staatsanwaltschaft; Kinder; Gutachterin; Recht; Einstellung; Beschwerdeführers; Gutachten; Ausführungen; Einstellungsverfügung; Aussage; Verfahren; Äusserung; Verfahren; Verfahrens; Sachverhalt; Kindern; Verhalten; Gespräch; Rechtsanwalt; Verfügung; Akten; Parteien; Gericht; Täter; Tatbestand |
Rechtsnorm: | Art. 14 StGB ; Art. 173 StGB ; Art. 174 StGB ; Art. 319 StPO ; Art. 382 StPO ; Art. 396 StPO ; Art. 428 StPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Frank, Riklin, Basler Kommentar Strafrecht, Art. 174 StGB, 2019 |
Geschäftsnummer: | BKBES.2023.91 |
Instanz: | Beschwerdekammer |
Entscheiddatum: | 18.10.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_BK.2023.74 |
Titel: | Einstellungsverfügung |
Resümee: |
Obergericht Beschwerdekammer
Beschluss vom 18. Oktober 2023 Es wirken mit: Oberrichter Frey Oberrichterin Hunkeler Gerichtsschreiberin Schenker In Sachen A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Martin Klaus,
Beschwerdeführer
1. Staatsanwaltschaft, Barfüssergasse 28, Franziskanerhof, 4502 Solothurn,
Beschwerdegegnerin
2. B.___, vertreten durch Rechtsanwalt Yves Amberg,
Beschuldigte
betreffend Einstellungsverfügung zieht die Beschwerdekammer des Obergerichts in Erwägung: I. Prozessgeschichte 1. Am 23. August 2022 erstattete A.___ (Beschwerdeführer), vertreten durch Rechtsanwalt Martin Klaus, bei der Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland Strafanzeige gegen seine Ehefrau B.___ wegen angeblicher Ehrverletzungen. Die Beschuldigte habe im Rahmen des aktuell vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland geführten Eheschutzverfahrens gegenüber der Gutachterin, konkret der […] des Instituts für […], […], welche über die Sorgerechts- und Obhutszuteilung der Kinder eine Empfehlung abgeben solle, bei ihrer Befragung zur aktuellen Situation ehrverletzende Angaben über ihn gemacht. Konkret gerügt wurden folgende Passagen des Gutachtens vom 20. Mai 2022:
«Frau B.___ hätte sich grössere zeitliche Abstände zwischen den Geburten der Kinder gewünscht, aber der Kindsvater habe gesagt, er wolle jetzt das nächste Kind und wenn sie nicht mitmache, dann suche er sich eine neue Frau.» (Gutachten S. 9)»
und
«Weiter hätten sie [die Kinder] auch mitbekommen, wie […] die Kindsmutter angegriffen habe. Er habe sie [im Ausland] und auch in der Schweiz gewürgt, was die Kinder miterlebt hätten.» (Gutachten S. 11).
Die Behauptung, er habe seine Ehefrau zu weiteren Kindern genötigt, sei ehrverletzend, weil er dadurch in einem schlechten Licht dargestellt und zudem einer Straftat, konkret einer Nötigung, bezichtigt werde. Auch dass er die Beschuldigte mehrfach gewürgt habe, sei komplett unzutreffend. Dies sei rufschädigend und ehrverletzend sowie umso verwerflicher, als die Beschuldigte diese Aussage im Rahmen des Eheschutzprozesses getätigt und damit offensichtlich versucht habe, ihren Mann möglichst schlecht darzustellen und ihre eigene Position zu stärken.
2. Am 23. November 2022 reichte der Beschwerdeführer bei der (infolge Anerkennung des Gerichtsstandes zwischenzeitlich zuständigen) Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn eine zweite Strafanzeige gegen seine Ehefrau ein. Diese habe im Rahmen des Eheschutzverfahrens vor dem Zivilgericht in einer schriftlichen Eingabe nun auch fälschlicherweise behauptet, der Beschwerdeführer habe sie (vor den Kindern) an den Handgelenken gepackt und am Boden durch die Wohnung gezogen. Da (auch) diese Behauptung nicht zutreffe, seien diese Verdächtigungen rufschädigend. Dies habe sie einzig gemacht, um den Ehemann im Eheschutzverfahren schlecht dastehen zu lassen und sich im Zivilverfahren einen Vorteil zu verschaffen.
3. Mit Verfügung vom 9. Januar 2023 zeigte die Staatsanwaltschaft dem Beschwerdeführer i.S.v. Art 318 StPO den Abschluss des Verfahrens an und teilte ihm die Absicht mit, das Verfahren einstellen zu wollen.
4. Gestützt auf den Antrag des Beschwerdeführers vom 19. Januar 2023 edierte die Staatsanwaltschaft die Aufzeichnungen der Gespräche zwischen der Gutachterin und der Beschuldigten. Die Anträge des Beschwerdeführers, die Beschuldigte, den Beschwerdeführer und allenfalls die Gutachterin parteiöffentlich einzuvernehmen, wurden mit Verfügung vom 6. Juni 2023 abgewiesen.
5. Mit Verfügung vom 28. August 2023 stellte die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren gegen die Beschuldigte vollumfänglich ein (Ziff. 1). Es wurde keine Entschädigung ausgerichtet (Ziff. 2); die Verfahrenskosten wurden dem Kanton Solothurn auferlegt (Ziff. 3).
6. Am 11. September 2023 erhob A.___ gegen diese Einstellung des Verfahrens das Rechtsmittel der Beschwerde.
7. Am 25. September 2023 reichte die Staatsanwaltschaft der Beschwerdekammer die Verfahrensakten ein. Unter Hinweis auf die angefochtene Verfügung wurde auf die Einreichung einer detaillierten Stellungnahme verzichtet. Angemerkt wurde lediglich, dass gemäss der sich in den Akten befindlichen Tonbandaufnahme des Gutachtergesprächs vom 21. April 2022 die Beschuldigte bejaht habe, dass es sich vorliegend nicht um eine Tätlichkeit gehandelt habe, sondern der Beschwerdeführer sie nur habe beschämen und erniedrigen wollen.
8. Am 4. Oktober 2023 liess sich die Beschuldigte zur Sache vernehmen. Aus Kostengründen verzichtete sie auf das formelle Stellen eines Antrags und verwies auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Einstellungsverfügung. Sie führte aus, sie lege Wert auf die Feststellung, dass all ihre Angaben, welche sie gegenüber der Gutachterin und dem Zivilgericht gemacht habe, der Wahrheit entsprächen und sie nie die Absicht gehabt habe, den Beschwerdeführer mit diesen Angaben in seiner Ehre zu verletzen. Dies zeige sich u.a. auch in der WhatsApp-Nachricht des Beschwerdeführers vom 26. August 2018, worin er selber schreibe, dass er jetzt, wo er verstehe, dass sie keine sechs Kinder haben wolle, die Scheidung wünsche.
9. Am 9. Oktober 2023 reichte der Verteidiger der Beschuldigten seine Honorarnote ein.
10. Mit Eingabe vom 11. Oktober 2023 reichte der Verteidiger des Beschwerdeführers seine Honorarnote zu den Akten. Ergänzend zu den bisherigen Ausführungen brachte er vor, die Beschuldigte habe die Vorwürfe von Tätlichkeiten und Gewalttätigkeiten des Beschwerdeführers im Allgemeinen nicht nur gegenüber der Gutachterin, sondern insbesondere auch gegenüber dem Regionalgericht Bern-Mittelland bestätigt. Von einer Relativierung der Aussagen der Beschuldigten, wie dies die Staatsanwaltschaft annehme, könne keine Rede sein.
11. Für die Standpunkte der Parteien wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, wird nachfolgend darauf eingegangen.
II. Formelles
1. Das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 28. August 2023 ist zulässig (Art. 393 Abs. 1 lit. a der Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO, SR 312.0]). Der Beschwerdeführer hat als potentiell Geschädigter ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des Entscheides und ist deshalb zur Beschwerde legitimiert (Art. 382 Abs. 1 StPO). Die weiteren Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die rechtzeitig und formrichtig (Art. 396 Abs. 1 StPO) eingereichte Beschwerde ist einzutreten.
2.1. Nach Art. 319 Abs. 1 StPO verfügt die Staatsanwaltschaft die vollständige teilweise Einstellung des Verfahrens, wenn kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt (lit. a), kein Straftatbestand erfüllt ist (lit. b), Rechtfertigungsgründe einen Straftatbestand unanwendbar machen (lit. c), Prozessvoraussetzungen definitiv nicht erfüllt werden können Prozesshindernisse aufgetreten sind (lit. d) nach gesetzlicher Vorschrift auf Strafverfolgung Bestrafung verzichtet werden kann (lit. e).
2.2. Der Entscheid über die Einstellung des Verfahrens richtet sich nach dem aus dem Legalitätsprinzip fliessenden Grundsatz «in dubio pro duriore». Danach darf eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft nur bei klarer Straflosigkeit, namentlich fehlendem Tatverdacht, bzw. offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen verfügt werden. Ist eine Verurteilung wahrscheinlicher als ein Freispruch, ist, sofern die Erledigung mit einem Strafbefehl nicht in Frage kommt, Anklage zu erheben. Dasselbe gilt in der Regel, wenn ein Freispruch ebenso wahrscheinlich wie eine Verurteilung erscheint. Der Grundsatz, dass im Zweifelsfall nicht eingestellt werden darf, ist unter Würdigung der im Einzelfall gegebenen Umstände anzuwenden. Bei zweifelhafter Beweis- bzw. Rechtslage hat mithin nicht die Untersuchungs- Anklagebehörde über die Stichhaltigkeit des strafrechtlichen Vorwurfs zu entscheiden, sondern das für die materielle Beurteilung zuständige Gericht. Jedoch sind Sachverhaltsfeststellungen unter Berücksichtigung des Grundsatzes «in dubio pro duriore» auch bei Einstellungen zulässig, soweit gewisse Tatsachen «klar» bzw. «zweifelsfrei» feststehen, so dass im Fall einer Anklage mit grosser Wahrscheinlichkeit keine abweichende Würdigung zu erwarten ist. Der Staatsanwaltschaft ist es mithin nur bei unklarer Beweislage untersagt, der gerichtlichen Beweiswürdigung vorzugreifen. Im Rahmen von Art. 319 Abs. 1 lit. b und c StPO sind Sachverhaltsfeststellungen der Staatsanwaltschaft in der Regel gar notwendig. Auch insoweit gilt aber, dass der rechtlichen Würdigung der Sachverhalt «in dubio pro duriore», d.h. der klar erstellte Sachverhalt, zugrunde gelegt werden muss (Urteil des Bundesgerichts 6B_1195/2019 vom 28.04.2020).
3. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt verdächtigt (Art. 173 Ziff. 1 Abs. 1 StGB), wer eine solche Beschuldigung Verdächtigung weiterverbreitet (Ziff. 1 Abs. 2), wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bestraft (Ziff. 1 Abs. 3). Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar (Art. 173 Ziff. 2 StGB). Subjektiv setzt die üble Nachrede stets Vorsatz voraus. Der Täter muss alle objektiven Tatbestandsmerkmale erfüllen, wobei Eventualvorsatz genügt. Der Vorsatz braucht sich nicht auf die tatsächliche Schädigung des Rufs zu beziehen, der Täter muss sich nur der Ehrenrührigkeit seiner Behauptung bewusst gewesen sein und sie trotzdem erhoben haben (s. zum Ganzen ausführlich Franz Riklin, in: Basler Kommentar Strafrecht, BSK-StGB, 4. Auflage 2019, Art. 173 N 9 ff., m.w.Verw.). Beim Gutglaubensbeweis nach Art. 173 Abs. 2 StGB muss der Betroffene ernsthafte Gründe gehabt haben, die Wahrheit seiner Äusserung zu glauben (a.a.O., N 21 m.w.Verw.).
Bezüglich der Anforderungen an den Tatbestand von Art. 173 StGB wird ergänzend auf die Ausführungen des Beschwerdeführers in der Beschwerde vom 11. September 2023, N 30, sowie die Ausführungen der Staatsanwaltschaft in ihrer Einstellungsverfügung vom 28. August 2023, Ziff. 1.3. und Ziff. 1.7. verwiesen; für die Anforderungen betreffend den Rechtfertigungsgrund der gesetzlich erlaubten Handlung nach Art. 14 StGB auf die Ausführungen der Staatsanwaltschaft in ihrer Ziff. 1.9.
4. Wer jemanden wider besseres Wissen bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt verdächtigt (Art. 174 Ziff. 1 Abs. 1 StGB), wer eine solche Beschuldigung Verdächtigung wider besseres Wissen verbreitet (Ziff. 1 Abs. 2), wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe Geldstrafe bestraft (Ziff. 1 Abs. 3). Ist der Täter planmässig darauf ausgegangen, den guten Ruf einer Person zu untergraben, so wird er mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu drei Jahren Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft (Ziff. 2). Zieht der Täter seine Äusserungen vor dem Gericht als unwahr zurück, so kann er milder bestraft werden. Das Gericht stellt dem Verletzten über den Rückzug eine Urkunde aus (Ziff. 3). Neben dem Vorsatz muss der Täter «wider besseres Wissen» handeln. Die ehrenrührige Tatsache muss nicht nur unwahr sein, sondern der Täter muss auch wissen, dass dies so ist, dass er etwas Unwahres behauptet. Es bleibt deshalb, wenn der Tatbestand des Art. 174 StGB erfüllt ist, nicht mehr Raum für Entlastungsbeweise (Frank Riklin, in: Basler Kommentar Strafrecht, BSK-StGB, 4. Auflage 2019, Art. 174 N 6 ff., m.w.Verw.)
Bezüglich der Anforderungen an den subjektiven Tatbestand von Art. 174 StGB wird ergänzend auf die Ausführungen des Beschwerdeführers in der Beschwerde vom 11. September 2023, N 31, verwiesen.
III. Materielles
1. Aussage der Beschuldigten, der Beschwerdeführer habe sie gewürgt
In Ziff. 1.5. ihrer Einstellungsverfügung vom 28. August 2023 hält die Staatsanwaltschaft fest, die Gutachterin habe mit Schreiben vom 30. September 2022 klargestellt, dass in Kenntnis der Weiterungen, die diese Angelegenheit genommen habe, alle Gesprächsaufzeichnungen kontrolliert worden seien. Dabei habe festgestellt werden müssen, dass anlässlich der Gutachtenserstellung ein Transkriptionsfehler erfolgt sei. Zwar habe die Beschuldigte über verschiedene Situationen berichtet, die auf ein deutliches Machtungleichgewicht zwischen den Parteien hinweisen, und über Verhaltensweisen, die unter psychischer Gewalt subsumiert werden könnten. Sie habe hingegen nicht gesagt, dass sie gewürgt worden sei. Auch eine Überprüfung der entsprechenden Tonsequenzen habe ergeben, dass die Beschuldigte die entsprechende Frage, ob sie gewürgt worden sei, mithin ausdrücklich verneint habe (Aufnahme 2, 16:14). Folglich sei diesbezüglich unbestritten von einem Fehler der Gutachterin auszugehen.
In Note 12 der Beschwerde vom 11. September 2023 hielt der Beschwerdeführer fest, dass dieser Punkt der Einstellungsverfügung nicht angefochten wird (S. 5). Nachfolgend ist auf diesen Punkt deshalb nicht mehr einzugehen.
Mangels Relevanz für das vorliegende Verfahren ebenfalls nicht weiter einzugehen ist auf die umfangreichen, im Rahmen der weiteren Streitigkeiten gemachten Vorhalte wie bspw., wer in welchem Zusammenhang wem welche Vorwürfe betreffend das (angeblich kaum vorhandene) sexuelle Eheleben gemacht haben soll dass es eigentlich die Beschuldigte gewesen sei, die ihn, den Beschwerdeführer, geschlagen habe (S. 16 des Gutachtens vom 20.05.2022), weswegen er einen (unwahren) Eintrag auf Facebook gemacht habe, die Beschuldigte missbrauche C._____.
2. Aussage der Beschuldigten, der Beschwerdeführer habe sie zu weiteren Kindern gedrängt
Unter Wiederholung der geltenden rechtlichen Anforderungen hinsichtlich Beurteilung, ob eine Äusserung ehrverletzend ist nicht (N 15) und unter Verweis auf die Ausführungen der Staatsanwaltschaft in ihrer Einstellungsverfügung vom 28. August 2023 (bspw. N 16, N18, N 20 und N 23) bringt der Beschwerdeführer vor, die in Ziff. 1.7. der angefochtenen Verfügung durch die Staatsanwaltschaft wiedergegebene Rechtsprechung auf den konkreten Fall sei unzutreffend und verletze Art. 173 StGB und Art. 174 StGB. Auch gehe es nicht um negative Sachverhalte, sondern schlichtweg um Unwahrheiten, die die Beschuldigte vorbringe. Die Aussagen der Beschuldigten gegenüber der Gutachterin (zitiert in N 19) könnten nämlich klarerweise nur so verstanden werden, als dass der Beschwerdeführer die Beschuldigte gegen ihren Willen zu sexuellen Handlungen (N 20 spricht hier ausdrücklich von Vergewaltigung) und weiteren Kindern gedrängt habe, obwohl sie dies nicht gewollt habe. Die Kinder der Parteien seien aber nicht auf natürliche Weise gezeugt worden und die beiden hätten ohnehin kaum Geschlechtsverkehr miteinander gehabt. Die Aussage der Ehefrau, der Ehemann habe ihr gedroht, er werde sie verlassen, wenn sie keine weiteren Kinder mehr mit ihm haben wolle resp. er werde zu einer Prostituierten gehen, machten vor diesem Hintergrund denn auch keinen Sinn. Die Beschuldigte habe ihre Aussagen nicht in den richtigen Kontext gesetzt und damit in Kauf genommen, dass die Gutachterin denke, ihr Ehemann sei ihr gegenüber straffällig geworden. Die Ansicht der Staatsanwaltschaft, die Beschuldigte habe lediglich ihre Erlebnisse beschrieben, welche aus der sehr engmaschigen Geburtenplanung resultiert hätten, sei unzutreffend, da die Geburtenplanung nicht engmaschig und nicht durch den Beschwerdeführer allein geplant gewesen sei. Auch habe er nie gedroht, sie zu verlassen zu einer Prostituierten zu gehen. Sie habe eine Sachverhaltsschilderung, nicht nur eine Äusserung zu ihren Emotionen gemacht (N 20). Die Behauptung der Beschuldigten, sie habe den Beschwerdeführer nicht in einem schlechten Licht darstellen wollen, sei somit klar aktenwidrig. (N 21). Sie habe versucht, den Beschwerdeführer als empathie- und verständnislosen Narzissten darzustellen, wobei die Gutachterin darauf hereingefallen sei. Den Tonbandaufnahmen sei sodann zu entnehmen, dass die Gutachterin ihr Rollenverständnis nicht als unabhängige Gutachterin, sondern als persönliche Therapeutin der Beschuldigten verstanden und jegliche professionelle Distanz zur Beschuldigten habe vermissen lassen (unterlegt mit Beispielen in N 21).
Dem Gutachten vom 20. Mai 2022 ist zu entnehmen, dass die fallführende Gutachterin nebst einem Hausbesuch bei der Beschuldigten, drei Explorationsgesprächen mit dieser und zwei Explorationsgesprächen mit dem Beschwerdeführer auch diverse Gespräche mit Lehrern der drei gemeinsamen Kinder C.___, D.___ und E.___, Sozialarbeitern etc. geführt hat. Gemäss Aufstellung im Gutachten wurden in den genannten Gesprächen beispielhaft diverse Probleme mit den Kindern in der Schule und im Kindergarten Thema, welche – gemäss Angaben der Befragten – u.a. auf das Verhalten des Kindsvaters zurückzuführen seien. Teilweise wurde sogar von «physischer Gefährdung» der Kinder gesprochen es wurde dringend eine «Auflösung des Familienhaushalts» empfohlen (Abklärungsbericht von Frau F.___, Sozialarbeiterin Sozialdienste […]). Die Gutachterin spricht insgesamt von «fehlender Impulskontrolle» (S. 37), «fehlender Selbststeuerung» (S. 37), «Selbstzentrierung» (S. 38), «Gefühlskälte» (S. 39) «Kalkuliertheit» (S. 39) auf Seiten des Beschwerdeführers bzw. von einer eingeschränkten Fähigkeit der Beschuldigten zur Konfliktregulation (Ziff. 9, S. 45). Dass bereits (auch) vor dem nun beanstandeten Gutachtergespräch gewisse Probleme in der Beziehung der Beschuldigten und des Beschwerdeführers bestanden, ist somit aktenkundig.
Die Staatsanwaltschaft geht nun davon aus, dass sich die Ausführungen der Beschuldigten hinsichtlich der Unstimmigkeiten i.S. Kinderplanung in dieses bereits vorbestehende Bild einfügen (s. insb. Ziff. 1.8. der Verfügung). So führt sie u.a. aus, sämtliche der vorliegend beanstandeten Passagen seien im Rahmen eines hängigen und äussert strittig sowie aufwändig geführten Scheidungsverfahrens (recte: Eheschutzverfahrens) erfolgt, in welchem insbesondere die Kinderbelange im Zentrum der Streitigkeiten stünden. Es liege in der Natur der Sache und sei evident, dass die Diskussion kontrovers geführt werde. Dass dabei auch Vorwürfe erhoben und entsprechend negative Sachverhalte behauptet würden und ein gewisser Tonfall herrsche, um die jeweiligen eigenen Interessen durchzusetzen, sei ebenfalls nachvollziehbar und verständlich und übersteige nicht das in der Gesellschaft bzw. in solchen Prozessen geduldete Mass (s. Ziff. 1.7.).
Der Beschwerdeführer vermag nicht darzulegen, inwiefern diese Auffassung der Staatsanwaltschaft unzutreffend sein sollte. Im Gespräch mit ihrer Gutachterin hat die Beschuldigte geschildert, der Beschwerdeführer habe, was die Kinderplanung betrifft, (noch schneller) noch mehr Kinder gewollt, obwohl das für sie nicht gestimmt habe. Aus Angst ihn zu verlieren bspw. aus Angst davor, dass er sich eine andere Frau suchen könnte, so wie er dies in Aussicht gestellt habe, habe sie dennoch zugestimmt. Inwiefern diese Äusserung geeignet gewesen sein soll, den Beschuldigten eines unehrenhaften Verhaltens anderer Tatsachen zu bezeichnen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, ist nicht ersichtlich. Dass diesbezüglich Unstimmigkeiten in der Paarbeziehung bestanden haben, wird überdies vom Beschwerdeführer selbst vorgebracht (s. hier die Gutachten vom 20.05.2022, S. 15), wonach er im Witz gesagt habe, falls sie nicht noch mehr Kinder hätten, würde er sich scheiden lassen, was sie wohl, da hypersensitiv, falsch verstanden habe. Entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde vom 11. September 2023 bringt die Beschuldigte denn auch zu keinem Zeitpunkt nicht einmal ansatzweise vor, der Beschwerdeführer habe sich in irgendeiner Art und Weise sexuell an ihr vergangen bzw. er habe sie zu sexuellen Handlungen genötigt. Entsprechende Vorhalte sind dem Gutachten vom 20. Mai 2022 nicht zu entnehmen. Ob die Kinder der Beteiligten auf natürlichem nicht natürlichem Weg gezeugt worden sind, ist somit vorliegend ohne Relevanz. Vielmehr ist mit der Staatsanwaltschaft davon auszugehen, die Beschuldigte habe in den Gesprächen mit der Gutachterin lediglich ihre eigene Gefühlswelt dargelegt und geschildert, wie sie sich momentan gefühlt habe und dass sie sich vom Beschwerdeführer zu weiteren Kindern gedrängt gefühlt habe. Dass die Beschuldigte von der Gutachterin mit ihrem speziell auf Verständnis ausgerichteten Verhalten gegenüber der Beschuldigten (so sinnbildlich bspw. die Äusserung der Gutachterin bei Aufnahme 1, 14:54: «What?! Das esch ned [ausländisch], das esch eifach idiotisch!») praktisch dazu animiert wurde, noch mehr als vielleicht in einem solchen Verfahren üblich von sich und ihren Emotionen preiszugeben, kann nicht der Beschuldigten angelastet werden. Die Staatsanwaltschaft ist somit zu Recht davon ausgegangen, die Voraussetzungen des objektiven Straftatbestandes gemäss Art. 173 Ziff. 1 StGB seien nicht erfüllt.
Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass – in Ergänzung zur Ausgangslage bei Erlass der Einstellungsverfügung vom 28. August 2023 – die Beschuldigte mittlerweile mit ihrer Eingabe vom 4. Oktober 2023 weitere Unterlagen zu den Akten gereicht hat. Diese enthalten eine WhatsApp-Konversation vom August 2018, worin der Beschwerdeführer der Beschuldigten explizit erklärt, die Scheidung zu wollen, nun, da er festgestellt habe, dass sie keine sechs Kinder haben wolle. Selbst wenn entgegen den vorstehend gemachten Ausführungen davon ausgegangen würde, die von der Beschuldigten gemachten Angaben betreffend Kinderplanung seien grundsätzlich geeignet, den Ruf des Beschuldigten zu schädigen, hätte sie vorliegend den Nachweis erbracht, die getätigten Äusserungen in guten Treuen für wahr zu halten. Eine Strafbarkeit entfiele demnach auch in Anwendung von Art. 173 Ziff. 2 StGB. Infolge Wegfalls der Voraussetzung «wider besseres Wissen» entfällt im Übrigen auch eine Strafbarkeit von Art. 174 StGB, wie dies der Beschwerdeführer eventualiter fordert.
3. Aussage der Beschuldigten, der Beschwerdeführer habe sie an den Handgelenken über den Boden gezogen
Nach Ansicht des Beschwerdeführers sei die Ansicht der Staatsanwaltschaft, die Beschuldigte habe nie die Intention gehabt, den Beschwerdeführer einer Straftat zu bezichtigen diesen gar betreffend einer solchen anzuzeigen (Ziff. 1.8. der Einstellungsverfügung), nicht nachvollziehbar. Die Intention der Beschuldigten sei offensichtlich gewesen, den Beschwerdeführer als handgreiflichen, unterdrückenden Ehemann und sich selber als Opfer häuslicher Gewalt darzustellen. Es treffe denn auch nicht zu, dass die Beschuldigte gesagt habe, es sei dem Beschwerdeführer nicht darum gegangen, ihr weh zu tun, sondern sie zu demütigen. Eine solche Aussage sei weder der Eingabe der Beschuldigten an die Zivilabteilung des Regionalgerichts Bern-Mittelland vom 17. Oktober 2022 noch der Tonbandaufnahme (der Gutachtergespräche) zu entnehmen. Ohnehin sei die Angabe, der Beschwerdeführer habe die Beschuldigte an den Handgelenken über den Boden gezogen, genauso verletzend, unabhängig der jeweiligen Intention. Einerseits werde der Beschwerdeführer somit als Ausübender häuslicher Gewalt dargestellt und andererseits gleichzeitig als schlechter Vater, da er dies vor den Kindern gemacht haben soll. Auch hier sei von Sachverhaltsschilderungen auszugehen (s. detailliert N 24 und N 25). Die Äusserungen der Beschuldigten hätte somit ganz konkret zu einer Verletzung der Ehre des Beschwerdeführers geführt, welche heute noch nachhallte, da seine berechtigten Anliegen betreffend die Kinder gestützt auf das falsche Gutachten vom Tisch gewischt worden seien (N 26).
Insbesondere mit diesem letzten Vorbringen, seine Anliegen seien gestützt auf das falsche Gutachten vom 20. Mai 2022 vom Tisch gewischt worden, widerspricht sich der Beschwerdeführer selber. So steht diese Aussagen in direktem Widerspruch zu seiner Aussage, das Zivilgericht habe bei Zuteilung der elterlichen Sorge bzw. Obhut nicht auf das Gutachten abgestellt, da jenes derart viele handwerkliche Mängel aufgewiesen habe (N 26). Der Beschwerdeführer vermag aus dieser Argumentation somit nichts zu seinen Gunsten abzuleiten.
Im Übrigen ist vollumfänglich auf die Ausführungen der Staatsanwaltschaft abzustellen. Diese legt sowohl unter Würdigung des gesamten Kontextes, in welchem die monierte Äusserung der Beschuldigten getätigt wurde wie auch unter Nennung konkreter Aktenstücke detailliert und nachvollziehbar dar, wie die Äusserung der Beschuldigten einzuordnen ist. Es ist ihr zuzustimmen, dass die Beschuldigte im Rahmen der Gespräche mit der Gutachterin mehrfach versuchte, sich selbst kleinzureden bzw. das wie auch immer geartete Verhalten des Beschuldigten zu verharmlosen, weswegen sie mehrfach von der Gutachterin dazu ermuntert werden musste, nun doch auch konkrete Angaben zu machen. Dass die Beschuldigte es darauf abgesehen hätte, den Beschwerdeführer irgendeiner Straftat zu bezichtigen, wie dies der Beschwerdeführer vorbringt, ist nicht ersichtlich. Dem Schreiben an das Zivilgericht ist keine entsprechende Intention zu entnehmen. Auch diesbezüglich entfällt somit eine Strafbarkeit gemäss Art. 173 StGB. Dass die Beschuldigte die Angaben darüber hinausgehend sogar noch «wider besseres Wissen» getätigt hätte, wie dies Art. 174 StGB voraussetzt, ist noch weniger ersichtlich. Es ist vollumfänglich auf die Ausführungen der Staatsanwaltschaft zu verweisen (insb. Ziff. 1.8., Ziff. 1.10. und Ziff. 1.12.).
4. Weiteres
Da bereits die Voraussetzungen des objektiven Tatbestandes von Art. 173 StGB Art. 174 StGB nicht gegeben sind, ist nicht weiter auf die Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich des angeblich erfüllten subjektiven Tatbestandes der Beschuldigten einzugehen. Vor diesem Hintergrund kann ebenso offen bleiben, ob die Voraussetzungen des Rechtfertigungsgrundes gemäss Art. 14 StGB, wie dies die Staatsanwaltschaft annimmt und wie dies der Beschwerdeführer moniert, gegeben sind nicht.
5. Zusammenfassung
Insgesamt sind damit sämtliche Gründe, welche in Anwendung von Art. 319 StPO zur Einstellung des Strafverfahrens gegen die Beschuldigte geführt haben, gegeben. Weitere Untersuchungshandlungen, welche zu einem allenfalls anderen Ergebnis führen würden, sind nicht erkennbar. Aus den Akten ergibt sich ein rechtlich klarer Fall, welcher den Erlass einer Einstellungsverfügung rechtfertigt. Es bleibt kein Anwendungsspielraum für den Grundsatz in dubio pro duriore, wie dies der Beschwerdeführer verlangt (N 39).
Zusammengefasst erweist sich die Beschwerde folglich als unbegründet und ist abzuweisen.
IV. Kosten und Entschädigung
Bei diesem Ausgang des Verfahrens gehen die Kosten zu Lasten des Beschwerdeführers (Art. 428 Abs. 1 StPO). Sie sind von Amtes wegen auf CHF 800.00 festzusetzen und mit der geleisteten Sicherheit zu verrechnen. Entsprechend dem Verfahrensausgang ist dem Beschwerdeführer keine Parteientschädigung zuzusprechen.
Ausgangsgemäss steht demgegenüber der Beschuldigten eine Parteientschädigung zu. Mit Eingabe vom 9. Oktober 2023 macht der Vertreter der Beschuldigten, Rechtsanwalt Yves Amberg, einen Aufwand von 1.25 Stunden à CHF 270.00 sowie Auslagen von CHF 11.80 geltend. Dies erscheint verhältnismässig und nachvollziehbar. In Berücksichtigung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und der Tatsache, dass es sich beim Straftatbestand von Art. 173 StGB um ein Vergehen handelt, kann der Beizug eines Rechtsanwalts nicht beanstandet werden. Die geltend gemachten Aufwendungen sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Entsprechend ist die Entschädigung antragsgemäss auf CHF 376.20 (inkl. Auslagen und MwSt.) festzusetzen, wobei diese ausgangsgemäss durch den Beschwerdeführer zu bezahlen ist.
Demnach wird beschlossen: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von total CHF 800.00 gehen zu Lasten des Beschwerdeführers. 3. Dem Beschwerdeführer wird keine Entschädigung zugesprochen. 4. Der Beschwerdeführer hat der Beschuldigten, vertreten durch Rechtsanwalt Yves Amberg, eine Parteientschädigung von CHF 376.20 (inkl. Auslagen und MwSt.) zu bezahlen.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Gegen den Entscheid betreffend Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) und der unentgeltlichen Rechtsbeistandschaft im Rechtsmittelverfahren (Art. 138 Abs. 1 i.V.m. Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) kann innert 10 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesstrafgericht Beschwerde eingereicht werden (Adresse: Postfach 2720, 6501 Bellinzona). Im Namen der Beschwerdekammer des Obergerichts Der Präsident Die Gerichtsschreiberin Müller Schenker
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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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