Zusammenfassung des Urteils BKBES.2023.54: Verwaltungsgericht
Die Beschwerdekammer des Obergerichts hat entschieden, die Strafuntersuchung gegen den Beschuldigten B.___ wegen Urkundenfälschung, ungetreuer Geschäftsbesorgung und Veruntreuung einzustellen. Die Beschwerdeführerin, die A.___ AG, hatte gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Beschwerde erhoben. Es wurde festgestellt, dass keine Fälschung der Vereinbarung nachgewiesen werden konnte, weshalb eine Weiterführung der Strafuntersuchung nicht gerechtfertigt war. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von CHF 1'200 gehen zu Lasten der Beschwerdeführerin, während dem Beschuldigten eine Parteientschädigung von CHF 904.70 zugesprochen wird.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | BKBES.2023.54 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Beschwerdekammer |
Datum: | 16.08.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Beschuldigte; Vereinbarung; Beschuldigten; Staat; Staatsanwaltschaft; Einnahmen; Urkunde; Unterschrift; Recht; Verfahren; Vermögens; Kaffeekasse; Anzeige; Urkundenfälschung; Beweis; «Ok»; Person; Verfahren; Dokument; Geschäftsführer; Untersuchung; Geschäftsbesorgung; Bundesgericht; Verkauf; Polizei; Parteien |
Rechtsnorm: | Art. 115 StPO ;Art. 118 StPO ;Art. 158 StGB ;Art. 319 StPO ;Art. 432 StPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | BKBES.2023.54 |
Instanz: | Beschwerdekammer |
Entscheiddatum: | 16.08.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_BK.2023.52 |
Titel: | Einstellungsverfügung |
Resümee: |
Obergericht Beschwerdekammer
Beschluss vom 16. August 2023 Es wirken mit: Oberrichter Frey Oberrichterin Hunkeler Gerichtsschreiberin Ramseier In Sachen A.___, vertreten durch Fürsprecher Peter Stein,
Beschwerdeführerin
1. Staatsanwaltschaft,
Beschwerdegegnerin
2. B.___, vertreten durch Rechtsanwalt Beat Gerber,
Beschuldigter
betreffend Einstellungsverfügung zieht die Beschwerdekammer des Obergerichts in Erwägung: I.
1.1 Am 8. Dezember 2021 liessen die A.___ AG und C.___ Strafanzeige gegen B.___ wegen «Verdacht auf Urkundenfälschung und Vermögensdelikte» einreichen. B.___, ehemaliger Mitarbeiter und Geschäftsführer der A.___ AG, wird vorgeworfen, Einnahmen aus dem Verkauf von […] nicht abgerechnet und für sich behalten zu haben. Zur Rechtfertigung habe er eine gefälschte Urkunde erstellt.
1.2 Die Staatsanwaltschaft eröffnete am 13. März 2021 eine Strafuntersuchung gegen B.___ wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung und Urkundenfälschung und beauftragte die Polizei gleichentags mit entsprechenden Ermittlungen.
1.3 Mit Verfügung vom 4. Mai 2023 stellte die Staatsanwaltschaft die Strafuntersuchung gegen B.___ wegen Urkundenfälschung, ungetreuer Geschäftsbesorgung und Veruntreuung ein.
2. Am 22. Mai 2023 liess die A.___ AG gegen diese Verfügung Beschwerde erheben mit dem Antrag auf deren Aufhebung. Die Strafuntersuchung sei weiterzuführen.
3. Die Staatsanwaltschaft beantragte am 22. Juni 2023 die Abweisung der Beschwerde.
4. B.___ liess am 10. Juli 2023 ebenfalls die Abweisung der Beschwerde beantragen.
5. Für die Standpunkte der Parteien wird auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachfolgend darauf einzugehen.
II.
1. Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren im Straf- Zivilpunkt zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 StPO). Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist (Art. 115 Abs. 1 StPO).
Straftatbestände wie ungetreue Geschäftsbesorgung (Art. 158 StGB) Veruntreuung von Vermögenswerten (Art. 138 Abs. 1 Ziff. 2 StGB) zeichnen sich dadurch aus, dass die Tatbestandsverwirklichung den Eintritt eines Vermögensschadens voraussetzt. Sie schützen den Wert des Vermögens als Summe der rechtlich geschützten wirtschaftlichen Güter gemäss dem vorwiegend vertretenen «wirtschaftlich-juristischen» Vermögensbegriff. Als geschädigte Person gilt somit der Inhaber (natürliche juristische Person) des geschädigten Vermögens. Bei einem solchen Vermögensdelikt zum Nachteil einer Aktiengesellschaft sind weder die Aktionäre noch die Gesellschaftsgläubiger unmittelbar verletzt. Urkundendelikte schützen in erster Linie die Allgemeinheit. Geschütztes Rechtsgut ist das besondere Vertrauen, welches im Rechtsverkehr einer Urkunde als Beweismittel entgegengebracht wird. Auch private Geschäftsinteressen können daneben unmittelbar verletzt werden, falls die Urkundenfälschung auf die Benachteiligung (vermögensrechtlicher anderer Art) einer bestimmten Person abzielt. In der Praxis wird die Geschädigtenstellung von Privaten bspw. bejaht, wenn die Urkundenfälschung gleichzeitig Bestandteil des schädigenden Vermögensdeliktes ist (Goran Mazzucchelli/Mario Postizzi in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Jugendstrafprozessordnung, Art. 1 - 195 StPO, BSK-StPO, 2. Auflage, Basel 2014, Art. 115 N 56 und 73).
Die A.___ AG ist durch die dem Beschuldigten vorgehaltenen Straftatbestände unmittelbar beeinträchtigt, weshalb ihr Geschädigtenstellung zukommt und sie zur Beschwerde legitimiert ist.
2. Die Staatsanwaltschaft verfügt gemäss Art. 319 Abs. 1 StPO die vollständige teilweise Einstellung des Verfahrens, wenn kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt (lit. a), kein Straftatbestand erfüllt ist (lit. b), Rechtfertigungsgründe einen Straftatbestand unanwendbar machen (lit. c), Prozessvoraussetzungen definitiv nicht erfüllt werden können Prozesshindernisse aufgetreten sind (lit. d) nach gesetzlicher Vorschrift auf Strafverfolgung Bestrafung verzichtet werden kann (lit. e).
Der Entscheid über die Einstellung eines Verfahrens hat sich nach dem Grundsatz «in dubio pro duriore» zu richten. Das Verfahren darf grundsätzlich nur bei klarer Straflosigkeit offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen eingestellt werden. Hingegen ist, sofern die Erledigung mit einem Strafbefehl nicht in Frage kommt, Anklage zu erheben, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher erscheint als ein Freispruch. Falls sich die Wahrscheinlichkeiten eines Freispruchs einer Verurteilung in etwa die Waage halten, drängt sich in der Regel, insbesondere bei schweren Delikten, eine Anklageerhebung auf (Urteil des Bundesgerichts 6B_515/2021 vom 20. Dezember 2022 E. 2.4.1 mit Hinweisen).
Sachverhaltsfeststellungen sind unter Berücksichtigung des Grundsatzes «in dubio pro duriore» auch bei Einstellungen zulässig, soweit gewisse Tatsachen «klar» bzw. «zweifelsfrei» feststehen, so dass im Fall einer Anklage mit grosser Wahrscheinlichkeit keine abweichende Würdigung zu erwarten ist. Der Staatsanwaltschaft ist es mithin nur bei unklarer Beweislage untersagt, der gerichtlichen Beweiswürdigung vorzugreifen. Im Rahmen von Art. 319 Abs. 1 lit. b und c StPO sind Sachverhaltsfeststellungen der Staatsanwaltschaft in der Regel gar notwendig. Auch insoweit gilt aber, dass der rechtlichen Würdigung der Sachverhalt «in dubio pro duriore», d.h. der klar erstellte Sachverhalt, zugrunde gelegt werden muss (Urteil des Bundesgerichts 6B_1195/2019 vom 28. April 2020 E. 3.1).
3.1 Dem Beschuldigten, welcher bis zu seiner fristlosen Entlassung am 6. August 2021 Betriebsleiter und stellvertretender Geschäftsführer der A.___ AG gewesen sei, wird in der Strafanzeige vorgehalten, Einnahmen aus dem Verkauf von […] für sich behalten zu haben. Nachdem sich C.___, Geschäftsführer der Firma, bei ihm erkundigt habe, wo die durch das Recycling von […] erzielten Erträge gebucht worden seien und wie der aktuelle Marktpreis sei (dieser sei in den letzten Jahren stetig gestiegen), habe ihm der Beschuldigte eine Vereinbarung vorgelegt, wonach das Geld für die Kaffeekasse verwendet werden könne. Eine solche Vereinbarung habe er indessen nie unterzeichnet. Es gebe keinerlei Belege für die Verwendung dieser Beträge. Der Deliktsbetrag belaufe sich seit Juni 2017 auf mehrere tausend Franken.
3.2 Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen den Beschuldigten mit der Begründung ein, die polizeilichen Auswertungen des Büro-Laptops der A.___ AG hätten ergeben, dass die ursprüngliche Datei (die fragliche Vereinbarung) am 9. August 2021 geöffnet, eventuell gedruckt bearbeitet worden sei. Die Originaldatei sei nicht gefunden worden und die ursprüngliche Erstellung sei nicht nachweisbar bzw. könnte längere Zeit zurückliegen; in welchem Zeithorizont sei nicht mehr rekonstruierbar. Es könne deshalb nicht gesagt werden, ob das Dokument zu einem Zeitpunkt erstellt worden sei, in welchem sich der Beschuldigte und Herr C.___ über die Abrechnung des […] uneins gewesen seien nicht und entsprechend könne auch nicht gesagt werden, ob davon auszugehen sei, es handle sich um eine nachträglich erstellte Fälschung nicht. Zudem sei nicht klar, durch wen das Dokument am 9. August 2021 geöffnet, evtl. gedruckt und bearbeitet worden sei. Aus dem auf dem Laptop noch vorhandenen Fragment lasse sich somit kein Beweis ableiten, der nur ansatzweise die Anschuldigungen der Anzeigeerstatter zu stützen vermöchten. Ebenso wenig sei eine Überprüfung der Echtheit der Handschrift auf der Vereinbarung möglich. Der Tatverdacht habe sich nicht erhärtet.
3.3 Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, die Staatsanwaltschaft habe das Verfahren zu Unrecht eingestellt und müsse sich eine lustlose Untersuchungsführung vorwerfen lassen. C.___ habe glaubhaft ausgesagt, dass weder die Unterschrift noch das «Ok» auf der Vereinbarung von ihm stamme. Der Preis für […] habe bis anfangs 2020 bei ca. CHF 100.00 pro Tonne gelegen und sei danach stetig auf ca. CHF 400.00 angestiegen. C.___ gehe von 7 bis 8 Tonnen […] pro Monat aus, welches anfalle. Es sei nicht glaubhaft, dass er erlaubt haben solle, einen derart hohen Betrag für die Kaffeekasse abzuführen. Bei der Beschwerdeführerin handle es sich um einen Zweimannbetrieb, welcher seit Jahren von Vater und Sohn B.___ und D.___ geführt werde. Im Betrieb habe auch keine entsprechende Kaffeekasse sichergestellt werden können. Auch ein Kassabuch habe nicht existiert und der Barkassenbestand sei auch nie buchhalterisch erfasst worden. Allein schon diese Versäumnisse seien strafrechtlich relevant und hätten zu einer Anklage führen müssen. Es hätten weitere Abklärungen durchgeführt werden sollen, zum Beispiel beim Abnehmer des […] und beim Nachfolger des Beschuldigten. Die Beschwerdeführerin sei der Meinung, dass die Vereinbarung vom Beschuldigten am 9. August 2021 erstellt und widerrechtlich mit der Unterschrift von C.___ versehen worden sei. Schliesslich sei die IT-Auswertung mangelhaft. Dazu könne auf die mannigfache Berichterstattung im Internet verwiesen werden.
3.4 Die Staatsanwaltschaft führte dazu aus, die Beschwerdeführerin verkenne, dass nicht nachgewiesen werden könne, ob die Vereinbarung gefälscht worden sei nicht. Da keine hinreichenden Beweise auf eine Fälschung vorlägen, könne auf die Prüfung von weiteren Straftatbeständen verzichtet werden und es müsse auch nicht darüber Beweis geführt werden, wie hoch ein allfälliger finanzieller Schaden zu Lasten der Beschwerdeführerin ausgefallen wäre. Allfällige buchhalterische Versäumnisse wären aufgrund der Aufgabenteilung und Positionen in der Firma wohl am ehesten dem Geschäftsführer C.___ anzulasten. Anlässlich der Hausdurchsuchung sei aufgrund des bereits fortgeschrittenen Stadiums des Verfahrens lediglich nach elektronischen Geräten gesucht worden. Nach einer Kaffeekasse mit Bargeld sei nicht gesucht worden. Schliesslich erscheine es nicht sachgerecht, wenn die Beschwerdeführerin mit Kenntnissen, die sie aus dem Internet gewonnen habe, die Erläuterungen der IT-Spezialisten der Polizei in Frage stellen wolle.
3.5 Der Beschuldigte erwähnte dazu, Herr C.___ sei [..] Jahre alt. Möglicherweise erinnere er sich nicht mehr an alles, was er an Dokumenten erstellt unterschrieben habe. Die Strafanzeige sei nur zum Zweck eingereicht worden, zivilrechtliche Ansprüche abzuwehren. So sei die Strafanzeige erst vier Monate nach dem behaupteten Vorfall vom 9. August 2021 eingereicht worden und erst, nachdem der Beschuldigte das arbeitsrechtliche Schlichtungsverfahren eingereicht habe. Es habe nicht eruiert werden können, wann die Datei «Vereinbarung» erstellt und ob sie abgeändert worden sei. Dem Beschuldigten könne deshalb selbstredend keine Urkundenfälschung nachgewiesen werden. Ebenso wenig gebe es einen Verdacht gegen ihn wegen weiterer Vermögensdelikte.
4.1 Der Beschuldigte stellt sich auf den Standpunkt, er habe die Erträge aus dem […]verkauf für die Kaffeekasse brauchen dürfen. Dazu legte er eine Kopie einer Vereinbarung mit C.___ vor. Das Original dieses Dokuments liess sich nicht finden. Die Vereinbarung ist undatiert und trägt folgenden Text:
«Die Anforderung für die Teuerungsausgleich die jedes Jahr um ca. 1 % erhöht wurde denn wir nie erhalten haben, wurde von C.___ abgelehnt. Die Idee von uns, dass wir die Einnahmen von Ausschuss von Material für unseren Kaffeekasse A.___ behalten dürfen.»
Versehen ist der Text mit «Ok» und der Unterschrift von C.___. Dieser macht geltend, die Vereinbarung nicht unterzeichnet zu haben, es handle sich um eine Fälschung seiner Unterschrift.
4.2 Die Staatsanwaltschaft hat bezüglich der fraglichen Vereinbarung beim Forensischen Institut Zürich abgeklärt, ob sich das auf der Vereinbarung befindende Wort «Ok» mit der auf dem Schreiben vorhandenen Unterschrift abgleichen lasse ob es sich dabei um zu wenig Vergleichsmaterial handle. Von Interesse sei einerseits die Frage, ob festgestellt werden könne, ob die beschuldigte Person das Dokument gefälscht habe und somit die Unterschrift und das Wort «Ok» selber auf dem Dokument angebracht habe nicht. Weiter würde die Frage interessieren, ob festgestellt werden könne, ob das «Ok» möglicherweise auch von einem anderen Verfasser stamme, als die Unterschrift. Das Forensische Institut antwortete darauf am 6. September 2022, die beiden Schriftzüge liessen sich durch den unterschiedlichen Wortlaut nicht sinnvoll miteinander vergleichen. Jedoch könne die Unterschrift auf Echtheit (in Bezug auf den/die Namenseigner/in) und der Eintrag «Ok» auf potentielle Urheber überprüft werden. Die Qualität des übermittelten Scans sei hingegen für eine schriftvergleichende Untersuchung ungenügend. Zudem sei zu beachten, dass besonders beim Schriftzug «Ok» durch den geringen Umfang die Aussagekraft sehr limitiert bleiben dürfte.
Gestützt auf diese Ermittlung kann somit – nachdem das Original der fraglichen Vereinbarung fehlt – nicht nachgeprüft werden, ob es sich beim Wort «Ok» und der Unterschrift von C.___ um eine Fälschung handelt nicht. Dies hat zur Folge, dass dem Beschuldigten nicht nachgewiesen werden kann, eine Urkundenfälschung begangen zu haben. Es kann genauso gut sein, wie dieser behauptet, dass C.___ diese Vereinbarung (vor mehreren Jahren) unterzeichnet und das Original mitgenommen hat, er sich aber heute nicht mehr daran erinnert. Für diese Version spricht insbesondere die Aussage des Sohnes des Beschuldigten, der zusammen mit seinem Vater in der Firma A.___ AG tätig war und immer noch dort arbeitet. Dieser hat anlässlich der staatsanwaltlichen Einvernahme vom 26. August 2022 bestätigt, C.___ habe die Vereinbarung in seiner Anwesenheit unterzeichnet und das Original mitgenommen. Aussagen von Familienangehörigen mag bisweilen zwar nicht das gleiche Gewicht zukommen, wie von unbeteiligten Personen. Vorliegend ist aber zu berücksichtigen, dass der Sohn des Beschuldigten wie erwähnt nach wie vor in der Firma A.___ AG arbeitet – und dies als stellvertretender Geschäftsführer mit Einzelunterschrift –, weshalb anzunehmen ist, dass er nicht ohne Not gegen seine Arbeitgeberin aussagen würde. Dieser Loyalitätskonflikt zeigt sich mit aller Deutlichkeit in der Einvernahme vom 27. Februar 2023, aber auch in Rz 139 ff. der Einvernahme vom 26. August 2022. Zu berücksichtigen ist zudem in diesem Zusammenhang, dass D.___ die Aussagen als Zeuge gemacht hatte, d.h. nach dem Hinweis auf die strafrechtlichen Folgen einer Falschaussage.
4.3 Die polizeilichen Ermittlungen haben ergeben, dass das fragliche Dokument «Vereinbarung mit Herr C.___» am 9. August 2021 auf dem Laptop der Firma geöffnet und evtl. gedruckt bearbeitet worden ist. Die Beschwerdeführerin wirft dem Beschuldigten in der Beschwerde (S. 12) deswegen vor, er habe die Vereinbarung an diesem Datum erstellt und widerrechtlich mit der Unterschrift von C.___ versehen. Dabei widerspricht sie sich indessen selber. So reichte sie mit der Strafanzeige Beilage 7 ein, d.h. ein Mail von C.___ vom 8. Juli 2021 an den Beschuldigten, in dem C.___ ausführt, er anerkenne sein Schreiben (gemeint ist die fragliche Vereinbarung) mit seiner (C.___) Unterschrift nicht an und widerspreche dem. Der Beschuldigte muss ihm die Vereinbarung somit vor dem 9. August 2021 (vermutlich anfangs Juli 2021; vgl. auch Ausführungen in der Strafanzeige S. 4 f.) zugestellt haben, weshalb er die Vereinbarung nicht am 9. August 2021 erstellt haben kann (s. dazu auch die Ausführungen in der Beschwerde S. 9, wo ebenfalls auf die Beilage 7 verwiesen wird).
In Bezug auf den Vorhalt, die erstellte IT-Auswertung des Laptops durch die Polizei sei mangelhaft (Beschwerde S. 12), erwähnt die Staatsanwaltschaft absolut zu Recht, dass es nicht sachgerecht erscheint, wenn die Beschwerdeführerin mit Kenntnissen, die sie aus dem Internet recherchiert hat, die Erläuterungen der IT-Spezialisten der Polizei in Frage stellen will.
4.4 Kann dem Beschuldigten keine Fälschung der Vereinbarung nachgewiesen werden, besteht auch kein Raum für eine Strafuntersuchung im Hinblick auf eine ungetreue Geschäftsbesorgung (oder andere Vermögensdelikte). Gestützt auf die Vereinbarung stand dem Beschuldigten zu, das Geld aus dem Verkauf des […] für die Kaffeekasse beiseite zu legen. Daran ändert nichts, dass sich diese Einnahmen durch die Wertsteigerung des […] erheblich erhöht haben und wohl – unter Berücksichtigung der kleinen Belegschaft – für eine Kaffeekasse hoch ausgefallen sein dürften (wobei der Beschuldigte die Höhe der von der Beschwerdeführerin erwähnten Einnahmen bestreitet). Von C.___ als Mitglied des Verwaltungsrates und Geschäftsführer mit Einzelunterschrift hätte erwartet werden können, dass er sich beim Beschuldigten nach dem Verbleib der Einnahmen aus dem […] erkundigt, wenn er schon davon ausging, es habe eine Wertsteigerung stattgefunden und die Einnahmen seien nirgends verbucht. Diesbezüglich ist zu erwähnen, dass sowohl der Beschuldigte als auch dessen Sohn aussagten, sie hätten mit der Buchhaltung nichts zu tun gehabt. Sie sähen nicht, welche Einnahmen und Ausgaben Herr C.___ habe. Herr C.___ habe dies nie gewollt (Aussagen D.___, Einvernahme vom 26. August 2022). Schliesslich ist zu berücksichtigen, dass die Einnahmen durch den Verkauf des […] offenbar auch noch im Zusammenhang mit nicht gewährten Teuerungsausgleichen standen.
Hinsichtlich der erwähnten fehlenden Buchhaltung bezüglich dieser Einnahmen mutet es zudem erstaunlich an, wenn sich die Beschwerdeführerin in der Beschwerdeschrift um die Staatsfinanzen sorgt, selber aber keinerlei Anstalten unternahm, um zu prüfen, was mit den Einnahmen aus dem Verkauf des […] geschah.
4.5 Nicht gegen den Beschuldigten spricht im Weiteren, dass keine Kaffeekasse vorgefunden wurde. Die Hausdurchsuchung hatte sich nur auf elektronische Geräte bezogen.
Ferner kann der Staatsanwaltschaft sicherlich keine lustlose Untersuchungsführung vorgehalten werden. Sie hat den Vorhalt umfassend abgeklärt (Anfrage beim Forensischen Institut Zürich, Hausdurchsuchung und Sicherstellungen, Abklärungen bei den IT-Spezialisten der Polizei, Einvernahmen mit dem Beschuldigten, C.___ und dem Sohn des Beschuldigten). Weitergehende Ermittlungsansätze sind nicht erkennbar. So ist nicht ersichtlich, was der Nachfolger des Beschuldigten, E.___, zur Klärung des Sachverhalts beitragen sollte, nachdem C.___ mit der Einreichung von Beilage 7 zur Strafanzeige selber zu erkennen gab, dass ihm die Vereinbarung vor dem 9. August 2021 zugestellt worden war. Dasselbe gilt bezüglich des Abnehmers des […]. Es ist unerheblich, wie viel Wert dieses hatte, wenn davon auszugehen ist, der Beschuldigte habe gestützt auf die fragliche Vereinbarung das Geld für die Kaffeekasse behalten dürfen. Zudem ist nochmals festzuhalten, dass C.___ sich jederzeit nach diesen Einnahmen hätte erkundigen können.
Schliesslich ist es nicht von der Hand zu weisen, wie der Beschuldigte ausführen lässt, dass die Strafanzeige im Zusammenhang mit der zivilrechtlichen Angelegenheit stehen könnte. Jedenfalls ist ansonsten nicht erklärbar, weshalb die Strafanzeige erst vier Monate nach dem angeblichen Vorfall vom 9. August 2021 – und offenbar erst nachdem der Beschuldigte ein arbeitsrechtliches Schlichtungsverfahren eingeleitet hatte – eingereicht wurde. Es ist aber nicht Aufgabe der Strafbehörden, dem Beschwerdeführer im Hinblick auf einen möglichen Zivilprozess die Mühen und das Kostenrisiko der Sammlung von Beweisen abzunehmen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_208/2022 vom 10. März 2022 E. 3.1).
5. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass im Hauptverfahren mit grösster Wahrscheinlichkeit ein Freispruch zu erwarten wäre, weshalb sich die Weiterführung einer Strafuntersuchung gegen den Beschuldigten nicht rechtfertigt. Weitere Ermittlungsansätze sind wie erwähnt ebenfalls nicht ersichtlich. Aus diesen Gründen ist nicht zu beanstanden, dass die Staatsanwaltschaft die Strafuntersuchung gegen den Beschuldigten wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung, Urkundenfälschung und Veruntreuung eingestellt hat. Die Beschwerde erweist sich folglich als unbegründet und ist entsprechend abzuweisen.
6.1 Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von CHF 1’200.00 gehen bei diesem Ausgang zu Lasten der Beschwerdeführerin und sind mit der geleisteten Sicherheit zu verrechnen. Eine Parteientschädigung ist ihr nicht zuzusprechen.
6.2 Beim vorliegenden Ausgang des Verfahrens steht dem Beschuldigten eine Parteientschädigung zu.
Im Entscheid 147 IV 47 hat sich das Bundesgericht u.a. damit befasst, wer die Entschädigung an die beschuldigte Person im Rechtsmittelverfahren zu bezahlen hat. Es ist zum Schluss gekommen, im Berufungsverfahren betreffend Offizialdelikte werde die unterliegende Privatklägerschaft entschädigungspflichtig, im Beschwerdeverfahren hingegen der Staat. Gehe es um ein Antragsdelikt, werde sowohl im Berufungs- wie im Beschwerdeverfahren die Privatklägerschaft entschädigungspflichtig (Art. 436 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 432 Abs. 2 StPO).
Bei den Tatbeständen der ungetreuen Geschäftsbesorgung, Urkundenfälschung und Veruntreuung handelt es sich um Offizialdelikte. Somit gehen die Aufwendungen des Beschuldigten zu Lasten des Staates.
Rechtsanwalt Beat Gerber macht bei einem Aufwand von 3 Stunden und einem Stundenansatz von CHF 280.00 – inklusive Mehrwertsteuer (Auslagen werden keine geltend gemacht) – eine Entschädigung von CHF 904.70 geltend, was angemessen erscheint.
Demnach wird beschlossen:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens von total CHF 1’200.00 zu bezahlen. 3. Der Beschwerdeführerin ist keine Parteientschädigung zuzusprechen. 4. Dem Beschuldigten, vertreten durch Rechtsanwalt Beat Gerber, Solothurn, ist eine Parteientschädigung von CHF 904.70 (inkl. MwSt.) zuzusprechen, zahlbar durch den Staat Solothurn.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Im Namen der Beschwerdekammer des Obergerichts Der Präsident Die Gerichtsschreiberin Müller Ramseier |
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