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Urteil Verwaltungsgericht (SO - BKBES.2021.174)

Zusammenfassung des Urteils BKBES.2021.174: Verwaltungsgericht

Die Beschwerdekammer des Obergerichts hat am 18. Januar 2022 entschieden, dass die Strafanzeige wegen Sachbeschädigung gegen den Beschuldigten C.___ nicht an die Hand genommen wird. Die Staatsanwaltschaft begründete dies damit, dass der Beschuldigte sich in einem indirekten Tatbestandsirrtum befunden habe. Die Beschwerde der Beschwerdeführer wurde als unbegründet abgewiesen, und sie müssen die Gerichtskosten von CHF 800.00 tragen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts BKBES.2021.174

Kanton:SO
Fallnummer:BKBES.2021.174
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Beschwerdekammer
Verwaltungsgericht Entscheid BKBES.2021.174 vom 18.01.2022 (SO)
Datum:18.01.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Beschuldigte; Äste; Staatsanwaltschaft; …bäume; Beschuldigten; Kapprecht; Sachbeschädigung; Grundstück; Anzeige; Nichtanhandnahme; Verfahren; Bundesgericht; Tatbestand; Eigentum; Beschwerdekammer; Urteil; Parzelle; Schaden; Voraussetzungen; Frist; Miteigentum; Nichtanhandnahmeverfügung; Obergericht
Rechtsnorm: Art. 14 StGB ;Art. 144 StGB ;Art. 310 StPO ;Art. 52 StGB ;Art. 687 ZGB ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Riklin, Basler Kommentar StGB I, Art. 52 StGB, 2007

Entscheid des Verwaltungsgerichts BKBES.2021.174

 
Geschäftsnummer: BKBES.2021.174
Instanz: Beschwerdekammer
Entscheiddatum: 18.01.2022 
FindInfo-Nummer: O_BK.2022.13
Titel: Nichtanhandnahmeverfügung des Staatsanwaltes

Resümee:

 

Obergericht

Beschwerdekammer

 

 

Beschluss vom 18. Januar 2022   

Es wirken mit:

Präsident Müller

Oberrichterin Hunkeler

Oberrichter Frey    

Gerichtsschreiber Wiedmer

In Sachen

1.    A.___,

2.    B.___,

 

Beschwerdeführer

 

 

gegen

 

 

1.    Staatsanwaltschaft, Barfüssergasse 28, Franziskanerhof, 4502 Solothurn,

 

Beschwerdegegnerin

 

2.    C.___,

 

Beschuldigter

 

betreffend     Nichtanhandnahmeverfügung des Staatsanwaltes


zieht die Beschwerdekammer des Obergerichts in Erwägung:

 

I.

 

1. Am 11. Juni 2021 erstattete A.___ Strafanzeige gegen den Beschuldigten C.___ wegen Sachbeschädigung i.S.v. Art. 144 Abs. 1 StGB.

 

2. Die Staatsanwaltschaft nahm die Strafanzeige mit Verfügung vom 13. Oktober 2021 nicht an die Hand.

 

3. Gegen diese Verfügung erhoben A.___ und dessen Ehefrau B.___ (nachfolgend: Beschwerdeführer) am 25. Oktober 2021 (Datum Postaufgabe) Beschwerde mit dem sinngemässen Antrag auf deren Aufhebung.

 

4. Die Staatsanwaltschaft (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) verzichtete am 22. November 2021 mit Verweis auf die angefochtene Verfügung auf eine Stellungnahme und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

 

5. C.___ (nachfolgend: Beschuldigter) liess sich nicht vernehmen.

 

6. Für die Standpunkte der Parteien wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, wird nachfolgend darauf eingegangen.

 

 

II.

 

1. Gemäss Art. 310 Abs. 1 der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) verfügt die Staatsanwaltschaft die Nichtanhandnahme der Untersuchung, sobald aufgrund der Strafanzeige des Polizeirapports feststeht, dass die fraglichen Straftatbestände die Prozessvoraussetzungen eindeutig nicht erfüllt sind (lit. a) wenn Verfahrenshindernisse bestehen (lit. b). Ein Strafverfahren kann mithin in sachverhaltsmässig und rechtlich klaren Fällen gemäss Art. 310 Abs. 1 StPO durch Nichtanhandnahme erledigt werden. Dies ist der Fall bei offensichtlicher Straflosigkeit, wenn der Sachverhalt mit Sicherheit nicht unter einen Straftatbestand fällt, bei eindeutig fehlenden Prozessvoraussetzungen. Ein Straftatbestand gilt nur dann als eindeutig nicht erfüllt, wenn kein zureichender Verdacht auf eine strafbare Handlung besteht der zu Beginn der Strafverfolgung gegebene Anfangsverdacht sich vollständig entkräftet hat. Ergibt sich indes aus den Informationen und Berichten der Polizei, aus der Strafanzeige aus den eigenen Feststellungen der Staatsanwaltschaft ein hinreichender Tatverdacht, so eröffnet sie eine Untersuchung (Art. 309 Abs. 1 lit. a StPO). Die zur Eröffnung einer Strafuntersuchung erforderlichen tatsächlichen Hinweise auf eine strafbare Handlung müssen allerdings erheblich und konkreter Natur sein. Blosse Gerüchte Vermutungen genügen nicht. Der Anfangsverdacht muss auf einer plausiblen Tatsachengrundlage beruhen, aus welcher sich die konkrete Möglichkeit der Begehung einer Straftat ergibt. Im Zweifelsfall, wenn die Nichtanhandnahmegründe nicht mit absoluter Sicherheit gegeben sind, muss das Verfahren eröffnet werden. Der Grundsatz «in dubio pro duriore» gelangt erst dann zur Anwendung, wenn gestützt auf die Aktenlage zweifelhaft ist, ob ein hinreichender Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt bzw. eine Verurteilung wahrscheinlich macht (Urteil 6B_834/2019 vom 11. Dezember 2019 mit Hinweisen).

 

2. Der Strafanzeige liegt im Wesentlichen der folgende Sachverhalt zu Grunde: Dem Beschuldigten wird vorgehalten, sich der Sachbeschädigung zum Nachteil von A.___ schuldig gemacht zu haben, indem er bzw. seine Freundin in dessen Auftrag eine Gartenbaufirma engagierte, welche vier […]bäume auf der Parzelle GB […] Nr. […], von welcher der Geschädigte Miteigentümer ist, zurückschnitt. Konkret handelt es sich bei der Parzelle GB […] Nr. […] um einen ca. 0.5 Meter breiten Grünstreifen, der sich unter anderem unmittelbar vor dem Grundstück des Beschuldigten befindet. Auf dieser Parzelle befinden sich vier […]bäume, welche einerseits auf das Grundstück des Beschuldigten ragten und andererseits einen Schattenwurf auf das besagte Grundstück zur Folge hatten.

 

3. Die Staatsanwaltschaft begründete die Nichtanhandnahmeverfügung damit, dass sich der Beschuldigte betreffend Sachbeschädigung in einem indirekten Tatbestandsirrtum über das Kapprecht gemäss Art. 687 Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB, SR 210) befunden habe. Überdies wird geltend gemacht, das Verfahren sei auch gestützt auf Art. 52 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB, SR 311.0) nicht an die Hand zunehmen, zumal es sich um eine geringfügige Bagatelle handle.

 

4. Nach Art. 144 Abs. 1 StGB macht sich auf Antrag strafbar, wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört unbrauchbar macht. Richtet sich die Tat nur auf einen geringen Vermögenswert auf einen geringen Schaden, so wird der Täter mit einer Busse bestraft (Art. 172ter Abs. 1 StGB). Die unter Strafe stehende Tathandlung des Beschädigens umfasst eine Substanzveränderung, die Minderung der Funktionsfähigkeit auch die Minderung der Ansehnlichkeit. Das Kappen von Ästen erfüllt gemäss Bundesgericht grundsätzlich den Tatbestand der Sachbeschädigung (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_751/2017 vom 29. März 2018). Der Berechtigte braucht keinen Vermögensschaden zu erleiden. Das Bundesgericht erachtet indessen Art. 172ter StGB für anwendbar, wenn der Schaden nicht mehr als 300 Franken beträgt. In subjektiver Hinsicht ist Vorsatz erforderlich. Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat mit Strafe bedroht ist (Art. 14 StGB). Eine solche Erlaubnis kann zum Beispiel dann vorliegen, wenn die Voraussetzungen des in Art. 687 ZGB geregelten Kapprechts lückenlos erfüllt sind. Dann – und nur dann – kann eine an sich erfolgte Sachbeschädigung ohne Strafe bleiben.

 

4.1 Der Beschuldigte verfügt bezüglich der Einkürzung der […]bäume nicht über ein Kapprecht gemäss Art. 687 Abs. 1 ZGB.

 

4.2 Wird sein Eigentum, wie er geltend macht, durch die Höhe von Bäumen beeinträchtigt (Schattenfall), so kann er dem nicht in Anwendung von Art. 687 Abs. 1 ZGB entgegenwirken. Für eine solche Selbsthilfe besteht keine Rechtsgrundlage. Der Anwendungsbereich von Art. 687 Abs. 1 ZGB ist auf das Astwerk eingeschränkt, das in den Luftraum des Nachbargrundstückes eindringt, das heisst über die Grenze ragt. Bei Überschreiten von gesetzlich vorgeschriebenen Maximalhöhen von Pflanzen greift dieser Rechtsbehelf nicht. Die […]bäume standen nicht im Eigentum des Beschuldigten. Es handelte sich somit um eine fremde Sache. Durch das Abschneiden der Äste griff der Beschuldigte in die Substanz des Baumes ein bzw. er veränderte dessen Aussehen.

 

4.3 Wenn die […]bäume an und nicht auf der Grenze stehen und deren Äste mit erheblich schädigenden Auswirkungen auf die Parzelle des Beschuldigten hinüberragen, so hätte er unter den gesetzlichen Voraussetzungen allenfalls ein Kapprecht bezüglich der über die Grundstücksgrenze ragenden Äste. Nach Art. 687 Abs. 1 ZGB kann der Nachbar überragende Äste und eindringende Wurzeln, wenn sie sein Eigentum schädigen und auf seine Beschwerde hin nicht binnen angemessener Frist beseitigt werden, kappen und für sich behalten. Ein wichtiges Element des Kapprechts besteht allerdings darin, dass der Pflanzeneigentümer zuerst abgemahnt werden muss. Das hat der Beschuldigte nicht getan; es wurde keine Frist gesetzt. Er kann sich also schon von daher nicht auf ein Kapprecht berufen. Selbst wenn er dies getan hätte, würde dies noch nicht heissen, dass er die Äste der […]bäume unbesehen bis auf die Grundstücksgrenze hätte abschneiden können. Das Kapprecht greift nur bezüglich Ästen, die sich erheblich schädigend auswirken. Falls es solche Äste gegeben hätte, wäre ein Rückschnitt grundsätzlich nur insoweit infrage gekommen, als damit die erhebliche Schädigung hätte eliminiert werden können.

 

4.4 Das Kapprecht findet ausserdem keine Anwendung, wenn der fragliche Baum – wie vorliegend – auf einem Grundstück steht, das im Miteigentum liegt. In einem solchen Fall sind die Regeln des Miteigentums (Art. 670 und 646 ff. ZGB) anwendbar. Auch als Miteigentümer wäre der Beschuldigte nicht berechtigt gewesen, den Baum zurückzuschneiden. Miteigentum gewährt kein ausschliessliches Eigentumsrecht, weshalb eine im Miteigentum stehende Sache fremd ist im Sinne von Art. 144 StGB.

 

4.5 Nach dem Gesagten besteht der hinreichende Tatverdacht der Sachbeschädigung und zwar unabhängig vom Vorliegen eines Vermögensschadens. Im Fall des Beschuldigten war der durch das Zurückschneiden der […]bäume angerichtete Schaden primär ideeller Natur. Es wäre deshalb ein Schadensbetrag im geringfügigen Bereich anzunehmen. Es lag entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft auch kein Rechtsfertigungsgrund vor, der eine Bestrafung nach Art. 144 StGB ausschliessen würde. Nach dem Grundsatz Ignorantia legis non excusat war der Irrtum zu keinem Zeitpunkt unvermeidbar, da sich der Beschuldigte über die Zulässigkeit seines Handelns hätte informieren können und müssen. Es handelt sich um einen Irrtum, der auf Tatsachen beruht, durch die sich ein gewissenhafter Mensch nicht hätte in die Irre führen lassen.

 

4.6 Für die Argumentation der Staatsanwaltschaft, wonach sich der Beschuldigte in einem indirekten Tatbestandsirrtum befunden haben solle und deshalb die Anzeige nicht an die Hand genommen worden sei, besteht mit Verweis auf die Ausführungen hiervor kein Raum.

 

4.7. Weitere Ausführungen zum subjektiven Tatbestand erübrigen sich im Lichte der nachfolgenden Ausführungen.

 

5.1 Gemäss Art. 310 Abs. 1 lit. e StPO i.V.m. Art. 52 StGB kann ein Verfahren auch trotz Erfüllung eines strafrechtlichen Tatbestands nicht an die Hand genommen werden, wenn Schuld und Tatfolgen geringfügig sind. Damit von einer Strafverfolgung abgesehen werden kann, müssen beide Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein (Riklin, Basler Kommentar StGB I, 2007, Art. 52 StGB N 14).

 

5.2 Die Schuld des Beschuldigten ist in casu als geringfügig einzustufen. Es ging ihm nicht darum, den Baum zu zerstören. Vielmehr enervierte er sich durch die […]bäume und beabsichtigte, mittels Abschneiden der Äste seine Sicht auf den Sonnenuntergang zu verbessern bzw. wiederherzustellen und sein Grundstück freizuhalten von überhängenden Ästen. Auch bezüglich der Tatfolgen muss von Geringfügigkeit ausgegangen werden. Die Tatfolgen erscheinen insofern als vernachlässigbar, als dass die Bäume keine bleibenden Schäden davontrugen. Dies, da der Geschädigte im Rahmen seiner Einvernahme selbst kundgab (Einvernahme A.___ vom 12. Juli 2021, S. 2) bzw. auf den Fotos vom 15. Juli 2021 ersichtlich ist, dass die […]bäume wieder ausschlagen. Aus diesen Gründen ist nicht zu beanstanden, dass die Staatsanwaltschaft die Strafanzeige resp. den Strafantrag wegen geringfügiger Sachbeschädigung gestützt auf Art. 310 Abs. 1 lit. c StPO i.V. mit Art. 52 StGB nicht an die Hand genommen hat.

 

6. Die Beschwerde erweist sich folglich als unbegründet und ist abzuweisen.

 

 

III.

 

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von total CHF 800.00 gehen bei diesem Ausgang des Verfahrens zu Lasten der Beschwerdeführer und sind mit der geleisteten Sicherheit zu verrechnen.

 

 

Demnach wird beschlossen:

 

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.    Die Beschwerdeführer haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens von total CHF 800.00 zu bezahlen.

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

 

Im Namen der Beschwerdekammer des Obergerichts

Der Präsident                                                                    Der Gerichtsschreiber

Müller                                                                                Wiedmer

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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