Zusammenfassung des Urteils BKBES.2021.122: Verwaltungsgericht
Die Beschwerdekammer des Obergerichts hat entschieden, dass die Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung des Staatsanwaltes unbegründet ist. Die Beschuldigten hatten ernsthafte Gründe, ihre Äusserungen in gutem Glauben für wahr zu halten, was zu einer Einstellung des Verfahrens führte. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von CHF 1'200 gehen zu Lasten des Beschwerdeführers. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. Der Entscheid wurde vom Präsidenten Müller und der Gerichtsschreiberin Riechsteiner gefällt.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | BKBES.2021.122 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Beschwerdekammer |
Datum: | 25.11.2021 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Beschuldigte; Staatsanwaltschaft; Beschuldigten; Recht; Patientin; Einstellung; Beschwerdeführers; Verfahren; Stellung; Äusserung; Beschwerdekammer; Obergericht; Verhalten; Ehemann; Stellungnahme; Frist; Einstellungsverfügung; Verfügung; Äusserungen; Parteien; Ziffer; Person; Aussage; Dolmetscherin; Verfahrens; Entscheid; Anklage |
Rechtsnorm: | Art. 173 StGB ;Art. 308 StPO ;Art. 318 StPO ;Art. 382 StPO ; |
Referenz BGE: | 114 IV 42; 143 IV 241; |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | BKBES.2021.122 |
Instanz: | Beschwerdekammer |
Entscheiddatum: | 25.11.2021 |
FindInfo-Nummer: | O_BK.2021.135 |
Titel: | Einstellungsverfügung des Staatsanwaltes |
Resümee: |
Obergericht Beschwerdekammer
Beschluss vom 25. November 2021 Es wirken mit: Oberrichter Frey Oberrichterin Hunkeler Gerichtsschreiberin Riechsteiner In Sachen A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Gregori Werder,
Beschwerdeführer
1. Staatsanwaltschaft,
Beschwerdegegnerin
2. B.___ 3. C.___ 4. D.___
Beschuldigte
betreffend Einstellungsverfügung des Staatsanwaltes zieht die Beschwerdekammer des Obergerichts in Erwägung: I.
1. Am 1. Mai 2020 bot B.___, zu diesem Zeitpunkt Bereichsleiter Sozialpädagogische Familienbegleitung der «[...] GmbH», Dr. med. A.___ als Notfallpsychiater für eine suizidal gefährdete Patientin auf. Die am Einsatzort für die Patientin anwesende Dolmetscherin, E.___, die Patientin sowie ihr Ehemann gaben an, A.___ habe bei der Visite einen verwirrten und alkoholisierten Eindruck gemacht, was E.___ an B.___ meldete. Nachdem die Patientin und ihr Ehemann ihre Bedenken am 5. Mai 2020 erneut geäussert hatten, nahm D.___, Asylkoordination Sozialregion [...], am 6. Mai 2020 Kontakt auf mit F.___ vom Departement des Innern (nachfolgend: DdI). B.___ und C.___, Geschäftsführerin der «[...] GmbH», schilderten die Ereignisse in ihrer Stellungnahme vom 15. Juni 2020 erneut. Mit Verfügung vom 17. September 2020 stellte das DdI das aufsichtsrechtliche Verfahren gegen A.___ mangels Beweisen ein.
2. Daraufhin erstattete A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Gregori Werder, am 28. September 2020 Strafanzeige gegen B.___, C.___, D.___ und E.___ wegen übler Nachrede. Er wirft den vier Beschuldigten vor, gegenüber Dritten Äusserungen getätigt zu haben, welche geeignet sein sollen, seinen Ruf zu schädigen.
3. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn stellte mit Verfügung vom 19. Juli 2021 das Verfahren ein. Dagegen liess A.___ (nachfolgend: Beschwerdeführer) beim Obergericht Solothurn Beschwerde erheben. Nachdem der Beschwerdeführer fristgerecht die Sicherheitsleistung von CHF 1'200.00 bezahlt hatte, wurden die Parteien mit Verfügung vom 23. August 2021 zur Vernehmlassung eingeladen. Die Staatsanwaltschaft und D.___ nahmen in ihren Eingaben vom 30. bzw. 31. August 2021 Stellung. C.___ und E.___ verzichteten auf eine Vernehmlassung. Am 15. September 2021 teilte B.___ mit, die Verfügung vom 23. August 2021 sei fälschlicherweise an die Adresse seiner ehemaligen Arbeitgeberin zugestellt worden und er habe diese erst am 11. September 2021 erhalten. B.___ teilte mit, er wolle Stellung nehmen zu den Vorwürfen und beantragte sinngemäss die Fristwiederherstellung. Die Beschwerdekammer eröffnete B.___, er habe die Wiederherstellung der Frist zur Stellungnahme der Beschwerde sowie die inhaltliche Stellungnahme innerhalb von 30 Tagen seit Wegfall des Säumnisgrundes, d.h. 30 Tage ab dem 11. September 2021, schriftlich und begründet beim Obergericht einzureichen. Nachdem B.___ innert Frist weder ein Wiederherstellungsgesuch noch eine Stellungnahme eingereicht hatte, stellte die Beschwerdekammer am 25. Oktober 2021 fest, das Verfahren sei nun spruchreif. Die Parteien liessen sich seither nicht mehr vernehmen.
II.
1. Gegen eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft ist die Beschwerde an das Obergericht zulässig (Art. 322 Abs. 2 i.V.m. Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO). Der Beschwerdeführer ist nach seiner Konstituierung als Privatkläger beschwerdelegitimiert i.S.v. Art. 382 Abs. 1 StPO. Auf die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist einzutreten.
2. Die Staatsanwaltschaft verfügt die Einstellung des Verfahrens unter anderem dann, wenn Rechtfertigungsgründe einen Straftatbestand unanwendbar machen (Art. 319 Abs. 1 lit. c StPO). Der Entscheid über die Einstellung eines Verfahrens hat sich nach dem Grundsatz "in dubio pro duriore" zu richten. Danach darf eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur bei klarer Straflosigkeit offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen angeordnet werden. Hingegen ist, sofern die Erledigung mit einem Strafbefehl nicht in Frage kommt, Anklage zu erheben, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher erscheint als ein Freispruch. Ist ein Freispruch genauso wahrscheinlich wie eine Verurteilung, drängt sich in der Regel, insbesondere bei schweren Delikten, eine Anklageerhebung auf. Bei zweifelhafter Beweis- Rechtslage hat nicht die Staatsanwaltschaft über die Stichhaltigkeit des strafrechtlichen Vorwurfs zu entscheiden, sondern das zur materiellen Beurteilung zuständige Gericht (BGE 143 IV 241 E. 2.2.1 m.H.). Grundsätzlich hat die Staatsanwaltschaft den Deliktsvorwurf in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch Erhebung der entsprechenden Beweise so weit abzuklären, dass sie anschliessend im Sinne von Art. 318 StPO entscheiden kann, ob das Vorverfahren durch Strafbefehl, Anklageerhebung Einstellung abzuschliessen ist (vgl. Art. 308 Abs. 1 StPO).
3. Es ist zu prüfen, ob die Staatsanwaltschaft zu Recht davon ausging, hinsichtlich des Tatbestands der üblen Nachrede liege ein Rechtfertigungsgrund vor, der einen Straftatbestand unanwendbar mache. Gemäss Art. 173 Ziffer 1 Abs. 1 StGB macht sich der üblen Nachrede strafbar, wer jemanden bei einem anderen eines unehrenhaften Verhaltens anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt verdächtigt. Ebenso macht sich strafbar, wer eine solche Beschuldigung Verdächtigung weiterverbreitet (Art. 173 Ziffer 1 Abs. 2 StGB). Der Tatbestand der üblen Nachrede setzt nur Vorsatz bzw. Eventualvorsatz voraus. Eine beschuldigte Person macht sich aber gemäss Art. 173 Ziffer 2 StGB nicht strafbar, wenn sie beweist, dass die von ihr vorgebrachte weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht (Wahrheitsbeweis), dass sie ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten (Gutglaubensbeweis).
4. Die Art. 173 ff. StGB schützen den Ruf, ein ehrbarer Mensch zu sein, d.h. sich so zu benehmen, wie ein charakterlich anständiger Mensch sich nach allgemeiner Auffassung zu verhalten pflegt (BGer 6B_522/2015 vom 22. Oktober 2015 E. 2.2). Der strafrechtliche Schutz der Ehre beschränkt sich auf den menschlich-sittlichen Bereich. Die Ehre wird verletzt durch jede Äusserung, welche jemanden allgemein eines Mangels an Pflichtgefühl, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit sonst einer Eigenschaft bezichtigt, die geeignet wäre, ihn als Mensch verächtlich zu machen seinen Charakter in ein ungünstiges Licht zu rücken. Ist eine Äusserung lediglich geeignet, jemanden als Geschäfts-/Berufsmann als Politiker herabzusetzen, liegt keine strafrechtlich relevante Ehrverletzung vor, es sei denn, die Kritik an den strafrechtlich nicht geschützten Seitens des Ansehens der betroffenen Person trifft zugleich die Geltung der Person als ehrbarer Mensch (BGE 114 IV 42 E. 1c; BGer 6B_51/2008 vom 2. Mai 2008 E. 3.1; Riklin, in: Niggli/Wiprächtiger: BSK StGB, 4. Auflage 2018, Vor Art. 173 N 16 f.). Massgebend ist vom Sinn auszugehen, den der durchschnittliche Dritte einer Aussage unter den gesamten konkreten Umständen beilegen würde. Dabei ist der Gesamtzusammenhang der konkreten Umstände zu berücksichtigen.
5. Vorliegend schilderten die Beschuldigten das Verhalten des Beschwerdeführers anlässlich des Vorfalls vom 1. Mai 2020 aus ihrer Sicht. Sie gaben an, der Beschwerdeführer habe verwirrt und vergesslich gewirkt; bei der Visitation vom 1. Mai 2020 sei er verspätet eingetroffen, habe den Arztkoffer vergessen, keine Maske getragen und nach Alkohol gerochen. E.___ führte aus, dass die Patientin und ihr Ehemann angegeben hätten, der behandelnde Notfallarzt sei alkoholisiert gewesen. Sowohl im Gesamtzusammenhang als auch bei Betrachtung der einzelnen Aussagen bestehen keine Hinweise darauf, dass es den Beschuldigten um einen persönlichen Angriff gegen den Beschwerdeführer gegangen wäre. Jeder betroffenen Person steht ohne Weiteres das Recht zu, sich über ein unprofessionell empfundenes Verhalten einer Amtsperson zu beschweren. Unter Umständen besteht sogar die Pflicht, Verfehlungen einer Amtsperson der zuständigen übergeordneten Behörde zu melden. Dass der betroffene Beschwerdeführer damit in ein ungünstiges Licht gerückt wird, geht mit einer solchen Meldung einher, ist von ihm aber hinzunehmen.
Bei den Vorwürfen handelt es sich somit allesamt um berufliche Kritik am Handeln des Beschwerdeführers als diensthabender Notfallarzt. Es ist offensichtlich, dass es den Beschuldigten nicht darum ging, dem Beschwerdeführer in persönlicher Hinsicht zu schaden ihn herabzusetzen, sondern sie sorgten sich um das Wohlergehen der Patientin. Untermauert wird dies auch durch die E-Mail von D.___ vom 6. Mai 2021 mit der Kantonsarztstelle, in welcher sie explizit schreibt, sie wolle dem Beschwerdeführer nicht schaden und ihn nicht in Verruf bringen und sie wolle auch keine Schritte gegen ihn einleiten. Besonders glaubhaft ist der Hinweis von D.___, es liege in ihrer Aufgabe und Funktion als Betreuungsperson, die Vulnerabilität ihrer Klienten zu erkennen und falls nötig zu schützen. Fehl geht das Argument des Beschwerdeführers, der Beschuldigte B.___ habe eventualvorsätzlich seine Ehre verletzen wollen, weil letzterer eingeräumt habe, es sei ihm auch darum gegangen, dass die Patientin Rechtsstaatlichkeit erfahre. Der Beschwerdeführer verkennt, dass aus B.___s Aussage kein Angriff auf seine Ehre im menschlich-sittlichen Bereich abgeleitet werden kann. An diesem Ergebnis ändert auch nichts, dass die Staatsanwaltschaft die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 8. Februar 2021 in ihrer Einstellungsverfügung vom 19. Juli 2021 nicht explizit erwähnte, wie dies der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdeschrift rügt.
Die Staatsanwaltschaft hat unter Verweis auf die Akten und Erhebungen einlässlich und überzeugend dargelegt, dass die Beschuldigten glaubhaft machen konnten, dass sie ihre Äusserungen in der Annahme tätigten, diese seien wahr. Sie erwog nachvollziehbar, dass die Beschuldigten ernsthafte Gründe hatten, die Äusserungen in guten Treuen für wahr zu halten. Besonders plausibel sind die Hinweise auf das Schreiben von B.___ und C.___ vom 15. Juni 2020, in welchem das Verhalten des Beschwerdeführers als «im Ton, Art und organisatorisch wirr, auch inhaltlich nicht nachvollziehbar» beschrieben wurde die Aussage der Dolmetscherin E.___, wonach sie der Patientin und ihrem Ehemann versichern musste, beim Beschwerdeführer handle es sich wirklich um einen Arzt und es werde «alles gut».
Zu Recht subsumierte der Beschwerdeführer das Verhalten der Beschuldigten auch nicht als falsche Anschuldigungen gemäss Art. 303 Ziffer 1 StGB, da keine Anhaltspunkte bestehen, dass die Beschuldigten ihre Äusserungen im sicheren Bewusstsein um die Unwahrheit der Anschuldigungen getätigt hätten. Die Beschuldigten hatten nämlich genügend Anlass, die Angaben der langjährigen Dolmetscherin E.___ und der Patientin bzw. ihrem Ehemann in guten Treuen für wahr zu halten und den Sachverhalt beim DdI zu melden. Aus den Akten ergibt sich, dass sie im guten Glauben handelten und ernsthafte Gründe hatten, das Verhalten des Beschwerdeführers in Zweifel zu ziehen bzw. sich an die zuständige Aufsichtsbehörde zu wenden.
Zusammenfassend hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen die Beschuldigten zu Recht in Anwendung von Art. 319 Abs. 1 lit. c StPO i.V.m. Art. 173 Abs. 2 StGB eingestellt. Damit erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist abzuweisen.
6. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von total CHF 1'200.00 gehen bei diesem Ausgang des Verfahrens zu Lasten des Beschwerdeführers und sind mit der geleisteten Sicherheit zu verrechnen. Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen. Die Beschuldigten haben keine Entschädigungsansprüche geltend gemacht.
Demnach wird beschlossen:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens von total CHF 1’200.00 zu bezahlen. 3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Im Namen der Beschwerdekammer des Obergerichts Der Präsident Die Gerichtsschreiberin Müller Riechsteiner |
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