Zusammenfassung des Urteils BKBES.2020.164: Verwaltungsgericht
Die Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Solothurn hat in einem Fall entschieden, in dem A.___ gegen die Maskenpflicht des Kantons Solothurn vorging. Die Staatsanwaltschaft nahm die Strafanzeigen von A.___ nicht an die Hand, da sie die Vorwürfe als nicht erfüllt ansah. A.___ legte Beschwerde ein, die jedoch abgewiesen wurde. Die Gerichtskosten von CHF 800.00 wurden A.___ auferlegt.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | BKBES.2020.164 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Beschwerdekammer |
Datum: | 09.03.2021 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Staatsanwaltschaft; Maskenpflicht; Anzeige; Kanton; Nichtanhandnahme; Kantons; Solothurn; Nichtanhandnahmeverfügung; Nötigung; Körperverletzung; Verfahrens; Beschwerdekammer; Tatbestände; Verfügung; Gesundheit; Massnahme; Urteil; Obergericht; Allgemeinverfügung; Verbrechen; Menschlichkeit; Vorhalt; Recht; Beschwerdeführers; Entscheid; Verwaltung; Bundesgericht |
Rechtsnorm: | Art. 11 StGB ;Art. 11 StPO ;Art. 123 StGB ;Art. 146 StGB ;Art. 181 StGB ;Art. 2 StPO ;Art. 264a StGB ;Art. 324 StPO ;Art. 382 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 428 StPO ; |
Referenz BGE: | 144 IV 362; |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | BKBES.2020.164 |
Instanz: | Beschwerdekammer |
Entscheiddatum: | 09.03.2021 |
FindInfo-Nummer: | O_BK.2021.41 |
Titel: | Nichtanhandnahmeverfügung des Staatsanwaltes |
Resümee: |
Obergericht Beschwerdekammer
Beschluss vom 9. März 2021 Es wirken mit: Oberrichterin Hunkeler Oberrichter Frey Gerichtsschreiber Bachmann In Sachen
Beschwerdeführer
1. Staatsanwaltschaft,
Beschwerdegegnerin
2. B.___, 3. C.___,
Beschuldigte
betreffend Nichtanhandnahmeverfügung des Staatsanwaltes zieht die Beschwerdekammer des Obergerichts in Erwägung: I.
1. Am 30. September 2020 erstattete A.___ bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn Strafanzeige gegen […] B.___, […] C.___, sowie weitere Mitarbeiter des kantonsärztlichen Dienstes. Er machte geltend, die vom Kantonsarzt mittels Allgemeinverfügung angeordnete Maskenpflicht erfülle die Straftatbestände der Nötigung (Art. 181 Strafgesetzbuch [StGB, SR 311.0]) und der einfachen Körperverletzung (Art. 123 StGB), da durch das Maskentragen gesundheitliche Schäden verursacht würden. Zudem werde er dadurch, dass man ihm kein Vertrauen schenke und er nur mit einem Attest von der Maskentragpflicht dispensiert werden könne, diskriminiert.
2. Mit Verfügung vom 13. Oktober 2020 nahm die Staatsanwaltschaft die Strafanzeige nicht an die Hand. Sie erwog, dass die Maskentragpflicht im Kanton Solothurn in Beachtung der aktuell bekannten wissenschaftlichen Erkenntnisse sowie in Absprache mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) erlassen worden sei. Es bestehe absolut kein Verdacht, dass Exponenten des Kantonalen Gesundheitsamtes die Bevölkerung mit der Maskentragpflicht einer Gesundheitsgefährdung aussetzten bzw. aussetzen wollten. Die ihm mittels Gerichtsurkunde zugestellte Nichtanhandnahmeverfügung wurde von A.___ nicht abgeholt.
3. Am 22. November 2020 reichte A.___ bei der Staatsanwaltschaft eine erneute Strafanzeige gegen B.___, C.___ sowie weitere Mitarbeiter des kantonsärztlichen Dienstes und des Kantons Solothurn ein. Die Anzeige richtete sich wiederum gegen die Maskenpflicht. A.___ erachtet dadurch die Straftatbestände der Nötigung (Art. 181 StGB), der einfachen Körperverletzung (Art. 123 StGB), des Betrugs (Art. 146 StGB) sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Art. 264a StGB) als erfüllt.
4. Mit Verfügung vom 26. November 2020 nahm die Staatsanwaltschaft auch diese Strafanzeige nicht an die Hand. Sie hielt fest, dass die Vorhalte der Nötigung und der einfachen Körperverletzung bereits in der Nichtanhandnahmeverfügung vom 13. Oktober 2020 beurteilt worden seien, weshalb infolge des Verbots der doppelten Strafverfolgung (Art. 11 StGB) ein Verfahrenshindernis vorliege. Nichtsdestotrotz seien die genannten Tatbestände sowie derjenige des Betrugs offensichtlich nicht erfüllt, womit die Strafanzeige nicht an die Hand zu nehmen sei. Mit Blick auf den Vorhalt der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, für welche das Gesetz die Bundeskompetenz anordnet, wurde eine Kopie der Akten zwecks Prüfung der Zuständigkeit an die Bundesanwaltschaft (BA) überwiesen.
5. Mit Beschwerde vom 9. Dezember 2020 wandte sich A.___ (nachfolgend: Beschwerdeführer) an die Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Solothurn. Die Eingabe wurde mit Verfügung vom 15. Dezember 2020 zur Verbesserung zurückgewiesen. Am 17. Dezember 2020 wurde die überarbeitete Beschwerde eingereicht. Der Beschwerdeführer verlangt sinngemäss die Eröffnung einer Untersuchung gegen die angezeigten Mitarbeiter des Gesundheitsamtes des Kantons Solothurn.
6. Mit Stellungnahme vom 6. Januar 2021 schloss die Staatsanwaltschaft auf Abweisung der Beschwerde. C.___ und B.___ beantragten mit Eingaben vom 7. bzw. 11. Januar 2021 die Beschwerdeabweisung.
7. Auf die Ausführungen der Parteien wird, soweit für die Entscheidfindung wesentlich, im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
II.
1. Das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft vom 8. Juni 2020 ist zulässig (Art. 393 Abs. 1 lit. a Strafprozessordnung [StPO, SR 312.0]) und der Beschwerdeführer ist als Geschädigter, der noch keine Gelegenheit hatte, sich als Privatkläger zu konstituieren, zur Beschwerde legitimiert (Art. 382 Abs. 1 StPO, vgl. Patrick Guidon, Die Beschwerde gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung, Diss. Bern, Zürich/St. Gallen 2011, Rz. 280). Auf die rechtzeitig und formrichtig (Art. 396 Abs. 1 StPO) eingereichte Beschwerde ist einzutreten.
2. Die Staatsanwaltschaft setzte sich mit dem Vorhalt der Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht auseinander, sondern überwies eine Kopie der Akten zur diesbezüglichen Prüfung an die Bundesanwaltschaft. Der Beschwerdeführer beanstandet dieses Vorgehen nicht. Gegenteiliges ist auch nicht ersichtlich, zumal Verbrechen gegen die Menschlichkeit in die Zuständigkeit der Bundesbehörden fallen (Art. 23 Abs. 1 lit. g StPO). Zufolge Teilrechtskraft der angefochtenen Verfügung ist auf diesen Punkt nachfolgend nicht weiter einzugehen.
3. Zu prüfen ist zunächst, ob die Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Vorhalte der Nötigung und einfachen Körperverletzung zu Recht auf ein Verfahrenshindernis erkannte und in der Folge die Strafanzeige des Beschwerdeführers nicht an die Hand nahm.
3.1 Die Staatsanwaltschaft erachtete das in Art. 11 StPO statuierte Verbot der doppelten Strafverfolgung («ne bis in idem») als tangiert. Dieses gilt auch bei Nichtanhandnahmen und Einstellungen, sofern nicht die Voraussetzungen der Wiederaufnahme erfüllt sind (vgl. Art. 11 Abs. 2 StPO). Erforderlich ist Tatidentität, d.h. dem ersten und dem zweiten Strafverfahren müssen identische im Wesentlichen gleiche Tatsachen zugrunde liegen, wobei deren rechtliche Qualifikation unerheblich ist (BGE 144 IV 362 E. 1.3.2 S. 366).
3.2 Sowohl die Strafanzeige vom 30. September 2020 wie auch diejenige vom 22. November 2020 haben die Maskenpflicht zum Gegenstand. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die Maskenpflicht zunächst vom Kantonsarzt namens des Departements des Innern mittels Allgemeinverfügung angeordnet wurde. Am 21. Oktober 2020 erliess jedoch der Regierungsrat des Kantons Solothurn die Verordnung über Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie (V Covid-19, BGS 100.1). Regelungsgegenstand dieser Notverordnung bildet(e) auch die Maskenpflicht. Die vom Beschwerdeführer in seinen beiden Strafanzeigen beanstandete gesundheitspolizeiliche Massnahme wurde folglich von jeweils unterschiedlichen Behörden angeordnet. Unerheblich ist dabei, dass sich auch die zweite Anzeige in erster Linie gegen B.___ und C.___ richtete. Es war ohne weiteres erkennbar, dass zumindest auch die aktuell für die Maskenpflicht Verantwortlichen angezeigt werden sollten. Tatidentität liegt damit nicht vor, weshalb das Verbot der doppelten Strafverfolgung nicht tangiert ist. Die Staatsanwaltschaft hätte deshalb nicht auf ein Verfahrenshindernis erkennen dürfen. Da sie sich aber in der angefochtenen Verfügung im Rahmen einer Eventualbegründung trotzdem zu den beiden Straftatbeständen der Nötigung und der einfachen Körperverletzung geäussert hat, fällt eine Rückweisung zur materiellen Beurteilung ausser Betracht.
4. Zu prüfen ist nun, ob die Straftatbestände der Nötigung, der einfachen Körperverletzung und des Betrugs offensichtlich nicht erfüllt sind.
4.1 Die Staatsanwaltschaft verfügt nach Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO die Nichtanhandnahme, sobald aufgrund der Strafanzeige des Polizeirapports feststeht, dass die fraglichen Straftatbestände eindeutig nicht erfüllt sind. Eine Nichtanhandnahme darf nur in sachverhaltsmässig und rechtlich klaren Fällen ergehen. Es muss sicher feststehen, dass der Sachverhalt unter keinen Straftatbestand fällt. Im Zweifelsfall ist eine Untersuchung zu eröffnen. Nach der Rechtsprechung richtet sich der Entscheid über die Anhandnahme Einstellung eines Strafverfahrens nach dem Grundsatz «in dubio pro duriore». Dieser fliesst aus dem Legalitätsprinzip (Art. 5 Abs. 1 Bundesverfassung [BV, SR 101] und Art. 2 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 319 Abs. 1 und Art. 324 Abs. 1 StPO). Er bedeutet, dass eine Einstellung – Nichtanhandnahme – durch die Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur bei klarer Straflosigkeit bzw. offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen angeordnet werden darf. Hingegen ist (sofern die Erledigung mit einem Strafbefehl nicht in Frage kommt) Anklage zu erheben, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher erscheint als ein Freispruch (Urteil des Bundesgerichts 6B_541/2017 vom 20. Dezember 2017 mit Hinweisen).
4.2 Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens bildet die Strafanzeige des Beschwerdeführers vom 22. November 2020. Die Maskenpflicht fand ihre Grundlage dannzumal in der Notverordnung des Regierungsrates. Vordem war die Maskenpflicht in namens des DdI erlassenen kantonsärztlichen Allgemeinverfügungen angeordnet worden. Unabhängig von der Frage, ob solche Gesetzgebungs- bzw. Verwaltungsakte für sich allein bereits die Intensität einer strafbaren Handlung erreichen können, kann von einem strafbarem Verhalten der angezeigten Personen keine Rede sein. Die Maskenpflicht stellt eine Massnahme zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie dar. Als solche stützt sie sich auf Art. 40 des Epidemiengesetzes (EpG, SR 818.101), wonach die zuständigen Behörden Massnahmen anordnen, um die Verbreitung übertragbarer Krankheiten in der Bevölkerung in bestimmten Personengruppen zu verhindern (Abs. 1). Das Verwaltungsgericht hat die Anordnung der Maskenpflicht im Kanton Solothurn durch den Kantonsarzt in drei Urteilen vom 21. Oktober 2020 ausdrücklich als rechtmässig beurteilt (VWBES.2020.33; VWBES.2020.338; VWBES.2020.341). Die Massnahme wurde namentlich mit Blick auf die aus der Pandemie resultierende Gefährdung der öffentlichen Gesundheit als geeignetes, erforderliches und den Einzelnen auch zumutbares Mittel qualifiziert. Darauf kann verwiesen werden, zumal die entsprechenden Überlegungen sinngemäss auch für den späteren Erlass der Maskenpflicht in einer regierungsrätlichen Notverordnung herbeigezogen werden können. Die Überprüfung von Allgemeinverfügungen und Verordnungen ist nicht Aufgabe der Straf-, sondern der Verwaltungsjustiz. Da sich das Handeln der Verwaltung und der Regierung in der Frage der Maskenpflicht als rechtmässig erweist, fällt eine strafrechtliche Verantwortlichkeit von vornherein ausser Betracht. So hält das Strafgesetzbuch in Art. 14 fest, dass rechtmässige Handlungen nicht strafrechtlich verfolgt werden können.
4.3 Auch eine konkrete Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen der angezeigten Delikte führt im Übrigen zu keinem anderen Resultat. Diesbezüglich kann auf die zutreffenden Ausführungen der Staatsanwaltschaft verwiesen werden. Damit ein Straftatbestand erfüllt ist, muss – im Regelfall – das Handeln der Beteiligten vorsätzlich sein. Vorsätzliches Handeln ist vorliegend jedoch nicht ansatzweise erkennbar und wird vom Beschwerdeführer im Übrigen auch gar nicht geltend gemacht. Die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft ist folglich nicht zu beanstanden.
5. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet; sie ist abzuweisen. Die Kosten des Verfahrens von CHF 800.00 gehen bei diesem Ausgang zu Lasten des Beschwerdeführers (Art. 428 Abs. 1 StPO). Sie sind mit dem von ihm geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe zu verrechnen. Demnach wird beschlossen: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Verfahrenskosten von CHF 800.00 zu bezahlen. Sie werden mit dem von ihm geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Im Namen der Beschwerdekammer des Obergerichts Der Präsident Der Gerichtsschreiber Müller Bachmann
Das Bundesgericht ist mit Urteil vom 9. Juni 2021 auf die dagegen erhobene Beschwerde nicht eingetreten (BGer 6B_340/2021). |
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