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Urteil Verwaltungsrekurskommission (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:V-2018/20
Instanz:Verwaltungsrekurskommission
Abteilung:Kindes- und Erwachsenenschutz
Verwaltungsrekurskommission Entscheid V-2018/20 vom 01.04.2019 (SG)
Datum:01.04.2019
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 10 Abs. 2 i.V.m. Art. 36 BV sowie Art. 310 ZGB (SR 210). Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Jugendheime, in denen Kinder und Jugendliche mit auffälligem Sozialverhalten und gefährdeter Entwicklung untergebracht werden, sehen im Heimreglement regelmässig pädagogisch-erzieherische und disziplinarische Massnahmen explizit vor; das entspricht ihrem Anstaltszweck. Mit der Aufhebung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach Art. 310 Abs. 1 ZGB geht zudem notwendigerweise ein Übergang eines wesentlichen Teils der Erziehungskompetenz einher, weshalb die Institution die üblichen Erziehungsmassnahmen ergreifen darf. Die Kompetenz, das Verhalten der Jugendlichen erzieherisch und disziplinarisch zu beeinflussen, gehört geradezu zum Wesenskern eines Jugendheims und begründet erst seine Eignung zur Aufnahme von Jugendlichen, bei denen eine entsprechende Entwicklungsgefährdung vorliegt (Verwaltungsrekurskommission, Abteilung V, 1. April 2019, V-2018/20).
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 10 BV ; Art. 29 BV ; Art. 310 ZGB ; Art. 314b ZGB ; Art. 36 BV ; Art. 383 ZGB ; Art. 384 ZGB ; Art. 438 ZGB ; Art. 450b ZGB ; Art. 454 ZGB ;
Referenz BGE:121 I 22; 139 I 280;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Entscheid
Präsident Titus Gunzenreiner, Fachrichter Hubert Bühlmann und Thomas Angehrn, Gerichtsschreiber Raphael Fisch

J., geb. 2000, Beschwerdeführerin,

vertreten durch Rechtsanwalt lic.iur. Stefan Blum,

gegen

Amt für Justizvollzug, Jugendheim Platanenhof, Heimleitung, Sonnenhofstrasse 10, 9242 Oberuzwil, Vorinstanz,

betreffend

Einschränkung der Bewegungsfreiheit

Sachverhalt:

A.- J., geb. 2000, ist die Tochter der unverheirateten Eltern M. und V.. Sie stand unter der alleinigen elterlichen Sorge ihrer Mutter. Mit Entscheid der damaligen Vormundschaftsbehörde Winterthur vom 25. März 2003 wurde für sie eine Beistandschaft errichtet. J. ist inzwischen volljährig geworden.

B.- Am 21. November 2016 entzog die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (nachfolgend: KESB) Winterthur-Andelfingen der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht. J. war in der Folge vom 21. November 2016 bis zum 28. Februar 2017 im Rahmen einer vorsorglichen Kindesschutzmassnahme im Jugendheim Platanenhof in Oberuzwil untergebracht.

Am 7. Januar 2017 verfügte das Jugendheim Platanenhof eine disziplinarische Einschliessungsstrafe für je 24 Stunden im heiminternen Sicherheitszimmer "SIZ" vom

8. Januar 2017 bis zum 10. Januar 2017. Die Disziplinarmassnahme wurde von der Sozialpädagogin S. nach Rücksprache mit dem Pikettdiensthabenden P. wegen ungebührlichen Verhaltens angeordnet. Tatsächlich vollzogen wurde die Disziplinarmassnahme an drei halben Tagen, während derer das Mädchen in ihrem Zimmer verweilen musste.

C.- Gegen die Disziplinarverfügung liess J. am 20. Januar 2017 Rekurs beim Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen durch ihren Vertreter, Rechtsanwalt lic.iur. Stefan Blum, erheben. Sie beantragte die Aufhebung der Verfügung sowie eine Entschädigung von Fr. 40.–. Das Sicherheits- und Justizdepartement wies den Rekurs mit Entscheid vom 23. August 2017 ab, überband die Kosten aufgrund einer Kompetenzüberschreitung bei Unterzeichnung der Verfügung indes dem Jugendheim Platanenhof und sprach J. eine ausseramtliche Entschädigung von Fr. 1'600.– zuzüglich Mehrwertsteuer zu. Als Rechtsmittel wurde die Beschwerde an die Anklagekammer angeführt.

Mit Eingabe vom 4. September 2017 liess J. gegen den Entscheid des Sicherheits- und Justizdepartements Beschwerde bei der Anklagekammer erheben und beantragte dessen Aufhebung; im Übrigen hielt sie an ihren ursprünglichen Anträgen im Rekurs vom 20. Januar 2017 fest. Die Anklagekammer hob den Rekursentscheid des Sicherheits- und Justizdepartements vom 23. August 2017 mit Ausnahme der Regelung der Kostenfolgen mangels sachlicher Zuständigkeit auf, überwies die Sache zuständigkeitshalber der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen (abgekürzt: VRK) und trat im Weiteren nicht auf die Beschwerde ein. Die amtlichen Kosten wurden dem Staat auferlegt und der Rechtsvertreter von J. mit Fr. 1'000.– entschädigt.

D.- Mit Schreiben vom 29. Januar 2018 forderte der Abteilungspräsident der VRK J. auf, das Formular betreffend die unentgeltliche Rechtspflege auszufüllen. Dieses reichte der Rechtsvertreter am 14. Februar 2018 samt summarischer Begründung und weiteren Akten ein. Mit Zwischenentscheid-Nr. ZV-2018/13 wies der Abteilungspräsident das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege infolge Aussichtslosigkeit (fehlendes aktuelles Rechtsschutzinteresse) ab und forderte J. zur Leistung eines Kostenvorschusses in der Höhe von Fr. 1'200.– auf.

Dagegen erhob J. am 5. März 2018 Beschwerde beim Einzelrichter des Kantonsgerichtes; sie beantragte die Aufhebung des Entscheids und die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtsverbeiständung. Der Abteilungspräsident der VRK verzichtete am 13. März 2018 auf eine Vernehmlassung und wies gleichzeitig darauf hin, dass der einverlangte Kostenvorschuss am 9. März 2018 geleistet worden sei. Mit Entscheid vom 17. Mai 2018 hiess der Einzelrichter des Kantonsgerichts die Beschwerde von J. gut; er wies die Sache an den Abteilungspräsidenten der VRK zurück mit der Begründung, es sei zu prüfen, ob ein aktuelles oder ausnahmsweise virtuelles Rechtsschutzinteresse bestehe; die Verfahrenskosten auferlegte er dem Staat und sprach J. eine Entschädigung für Parteikosten von Fr. 670.– zu.

Mit Zwischenentscheid-Nr. ZV-2018/47 verfügte der Abteilungspräsident der VRK in der Folge, das Gesuch von J. um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege samt unentgeltlicher Rechtsverbeiständung werde gewährt und zwar in dem Sinne, dass sie in Bezug auf den Fr. 1'200.– übersteigenden Betrag von Gerichts- und Anwaltskosten vorläufig befreit werde.

Gegen diesen Entscheid liess J. am 14. Juni 2018 Beschwerde beim Einzelrichter des Kantonsgerichts einreichen. Sie beantragte, es sei ihr die unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung vollumfänglich zu gewähren. Mit Entscheid vom 28. Juni 2018 wies der Einzelrichter des Kantonsgerichts die Beschwerde ab und bestätigte den Zwischenentscheid des Abteilungspräsidenten der VRK.

E.- Auf die Ausführungen in der Beschwerde und die Akten wird, soweit notwendig, in den Erwägungen eingegangen.

Erwägungen:

1.- Die Eintretensvoraussetzungen sind von Amtes wegen zu prüfen.

  1. Bei der VRK können gemäss Art. 41ter des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (sGS 951.1, abgekürzt: VRP) und Art. 27 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur Bundesgesetzgebung über das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (sGS 912.5, abgekürzt: EG-KES) Verfügungen nach Art. 439 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (SR 210, abgekürzt: ZGB) angefochten werden. Dazu gehört die Überprüfung von Massnahmen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit, wenn das Kind in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht ist (Art. 314b Abs. 1 ZGB i.V.m. Art. 439 Abs. 1 Ziff. 5 ZGB). Angefochten ist die Verfügung des Jugendheims Platanenhof vom 7. Januar 2017, in der eine vorübergehende disziplinarische Einschliessung angeordnet wurde. Zum Verfügungszeitpunkt war die Beschwerdeführerin vorsorglich in der geschlossenen Wohngruppe untergebracht (vgl. Entscheid der KESB Winterthur/Andelfingen vom

    21. November 2016). Insoweit die Beschwerde die Überprüfung der Einschliessungsmassnahme betrifft, ist die Zuständigkeit der VRK somit gegeben. Keine Zuständigkeit besteht hingegen für mit der Massnahme verbundene öffentlich- rechtliche Entschädigungsansprüche nach Art. 454 ZGB, weil diese gemäss Art. 72 lit. a VRP klageweise vor dem Zivilrichter geltend zu machen sind. Die beantragte Genugtuung von Fr. 40.– kann im vorliegenden Verfahren daher nicht behandelt werden; auf Antrag 3 der Beschwerde vom 4. September 2017 wird entsprechend nicht eingetreten.

  2. Die Beschwerdeführerin ist als Adressatin der Verfügung und durch den (verkürzten) Vollzug der Einschliessung besonders betroffen. Nach Art. 314b Abs. 2 ZGB kann sie

    das Gericht selbständig anrufen, wenn sie urteilsfähig ist. Im Verfügungszeitpunkt war die Beschwerdeführerin 16-jährig; sie darf damit hinsichtlich der Überprüfung der verfügten Massnahme als urteilsfähig gelten. Im Weiteren wurde sie durch ihren Kindesvertreter (gemäss Art. 314a bis ZGB) begleitet. Ihre Beschwerdebefugnis ist zu bejahen.

  3. Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerde rechtzeitig und gemäss der in der Verfügung enthaltenen Rechtsmittelbelehrung (beim Justiz- und Sicherheitsdepartement) erhoben. In der Folge wurde die Beschwerde (nach Entscheid durch das Departement und Weiterzug durch die Beschwerdeführerin) von der Anklagekammer zuständigkeitshalber an die VRK überwiesen. Die ursprüngliche Rechtsmittelfrist wurde dadurch gewahrt (vgl. Cavelti/Vögeli, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen, St. Gallen 2003, Rz 906). Die Beschwerde entspricht im Übrigen den formellen und inhaltlichen Anforderungen von Art. 450 und Art. 450b ZGB, Art. 27 EG-KES sowie Art. 41ter VRP.

  4. aa) Die Einschliessungsmassnahme wurde bereits vollzogen. Es stellt sich daher die Frage, ob die Beschwerdeführerin ein Rechtsschutzinteresse an deren Überprüfung hat.

bb) Nach Art. 11 lit. a EG-KES i.V.m. Art. 45 Abs. 1 VRP ist zur Beschwerde befugt, wer an der Änderung oder Aufhebung einer Verfügung oder eines Entscheides ein schutzwürdiges Interesse hat. Ein solches Interesse muss in der Regel aktuell oder künftig sein, d.h. die rechtliche oder tatsächliche Situation der Beschwerdeführerin muss durch den Ausgang des Verfahrens grundsätzlich beeinflusst werden können (Vögeli/Cavelti, a.a.O., Rz. 400). Ausnahmsweise genügt auch ein virtuelles Interesse nämlich, wenn sich die aufgeworfene Frage unter gleichen oder ähnlichen Umständen jederzeit wieder stellen könnte, eine rechtzeitige Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre und die Beantwortung wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung im

öffentlichen Interesse liegt (statt vieler Urteil des Bundesgerichts [BGer] 5A_724/2017 vom 15. Mai 2018 E. 6.1). Das Bundesgericht anerkannte ein virtuelles Interesse etwa bei der nachträglichen Überprüfung der Anordnung einer fürsorgerischen Unterbringung, obwohl diese bereits beendet worden war (BGer 5A_193/2018 vom 18. April 2018 E. 3 = ZKE 5/2018, ÜR 144-18, S. 391; BGer 5A_57/2018 vom 17. Januar

2018 E. 3 = ZKE 3/2018, ÜR 88-18, S. 210). Demgegenüber führte es in BGer 5A_324/2018 vom 19. April 2018 E. 3 aus, es bestehe gerade kein virtuelles Interesse, soweit ein gutheissender Rechtsmittelentscheid nicht mehr zu einer Beendigung der fürsorgerischen Unterbringung führe; ausserdem könne mit einer Klage nach Art. 454 ZGB die Feststellung der Widerrechtlichkeit einer Massnahme als Form der Genugtuung verlangt werden. Aus dem Gesetz und der höchstrichterlichen Rechtsprechung lassen sich keine klaren Kriterien entnehmen, wann ein virtuelles Interesse in Konstellationen wie der vorliegenden gegeben ist, weshalb eine Abwägung im konkreten Einzelfall vorzunehmen ist.

cc) Hier ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin zwischenzeitlich volljährig geworden ist und damit in Zukunft überhaupt nicht mehr von einer Kindesschutzmassnahme (bzw. einer im Rahmen einer solchen Massnahme vollzogenen Disziplinarmassnahme) betroffen sein kann. Ausserdem ist auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu verweisen, wonach die Widerrechtlichkeit einer Massnahme als Form der Genugtuung im Rahmen einer Staatshaftungsklage nach Art. 454 ZGB festgestellt werden kann. Dem steht das Vorbringen der Beschwerdeführerin gegenüber, im Kanton St. Gallen bestehe keine gesetzliche Grundlage für die Anordnung von Disziplinarmassnahmen gegenüber zivilrechtlich untergebrachten Jugendlichen und es habe eine Kompetenzüberschreitung vorgelegen. Sie wirft damit Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, deren Klärung im öffentlichen Interesse liegt. Es erscheint für einen geordneten Betrieb in entsprechenden (geschlossenen) Institutionen zentral, dass Klarheit darüber herrscht, inwieweit die Anordnung von Disziplinarmassnahmen bei zivilrechtlichen Unterbringungen zulässig ist. Diese Frage ist von einiger Wichtigkeit, zumal Disziplinarmassnahmen elementare Grundrechte wie insbesondere die Bewegungsfreiheit (vgl. Art. 10 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft [SR 101, abgekürzt: BV]) tangieren. Die

Problematik der genügenden gesetzlichen Grundlage und diejenige der Kompetenzdelegation stellen sich zwangsläufig, wenn eine Disziplinarmassnahme auszusprechen ist. Eine solche Massnahme wird nach einem Fehlverhalten zudem jeweils rasch vollzogen, weshalb ihre Rechtmässigkeit vor Vollzug im Rechtsmittelverfahren kaum je überprüft werden kann. Ein höchstrichterliches Urteil in dieser Frage existiert bis anhin nicht und bei den Kantonen herrschen unterschiedliche Auffassungen vor (siehe E. 3b hiernach). Mit Blick hierauf ist ausnahmsweise ein virtuelles Interesse der Beschwerdeführerin zu bejahen.

e) Insgesamt liegen alle Eintretensvoraussetzungen vor. Auf die Beschwerde ist – soweit sie die Rechtmässigkeit der Anordnung der Disziplinarmassnahme betrifft – einzutreten.

2.- a) Die Beschwerdeführerin rügte in ihrer Beschwerde vom 20. Januar 2017 zunächst, die angefochtene Disziplinarmassnahme enthalte keine Begründung; sie macht damit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend.

b) Der verfassungsmässige Gehörsanspruch (Art. 29 Abs. 2 BV) verpflichtet die verfügende Behörde, ihren Entscheid so zu begründen, dass sich die betroffene Person über dessen Tragweite Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sachlage an eine höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde leiten liess und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGer 1C_50/2017 vom 16. Mai 2017 E. 3.2). Der St. Galler Gesetzgeber hielt diese Begründungspflicht für Verfügungen in Art. 24 Abs. 1 lit. a VRP ausdrücklich fest.

  1. In der angefochtenen "Anordnung einer Disziplinarmassnahme" vom 7. Januar 2017 wird der relevante Sachverhalt kurz geschildert: Die Beschwerdeführerin habe nach einem Krisengespräch über ihr Verhalten in der Wohngruppe zwei andere Jugendliche erneut provoziert, woraufhin es zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen sei. Unter dem Titel "Erwägungen" wird sodann festgehalten, damit sei der Beschwerdeführerin ein ungebührliches Verhalten gegenüber anderen Mitbewohnern vorzuwerfen und deshalb eine disziplinarische Einschliessung zu verfügen. Dies reicht im vorliegenden Fall als Begründung aus. Gerade bei Disziplinarmassnahmen in Heimen sind keine überhöhten Anforderungen an die Begründungspflicht zu stellen. Wichtig ist, dass die betroffene Person weiss, welcher relevante Sachverhalt zur Massnahme führte. Das ist hier der Fall.

  2. Nachdem die Beschwerdeführerin vor Erlass der Verfügung schriftlich Stellung nehmen konnte und sie die Verfügung samt Rechtsmittelbelehrung erhielt, wurde ihr verfahrensmässige Anspruch auf rechtliches Gehör gewahrt.

3.- Die Beschwerdeführerin macht geltend, durch die Einschliessungsmassnahme sei ein massiver Eingriff in ihr Recht auf persönliche Freiheit (vgl. Art. 10 Abs. 2 BV) erfolgt. Fraglich und im Folgenden zu prüfen ist, ob eine Einschränkung des Rechts auf Bewegungsfreiheit im Sinne von Art. 36 BV gerechtfertigt war.

  1. Zu beachten ist vorab, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in der geschlossenen Wohngruppe des Jugendheims Platanenhof ein Sonderstatusverhältnis begründete (vgl. Entscheid der KESB Winterthur/Andelfingen vom 21. November 2016). Ein solches liegt vor, wenn eine Person in einer besonders engen Beziehung zum Staat oder einer öffentlichen Anstalt steht, wie z.B. Schüler oder Strafgefangene. Die Geltung der Grundrechte im Sonderstatusverhältnis ist heute anerkannt. Die Grundrechte können ihre Wirkung in einer solchen Konstellation indessen nur begrenzt entfalten; es müssen stets die individuellen Interessen der betroffenen Person gegenüber den

    Interessen des Verwaltungszweiges bzw. der Anstalt abgewogen werden (Häfelin/ Haller/Keller/Thurnherr, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 9. Aufl., Zürich/Basel/ Genf 2016, Rz. 328 f.; Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl., Zürich/St. Gallen 2016, Rz. 450 ff.).

  2. aa) Nach Art. 36 Abs. 1 BV bedürfen Einschränkungen von Grundrechten einer gesetzlichen Grundlage; schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein.

    bb) Die Beschwerdeführerin bringt vor, bei zivilrechtlich untergebrachten Jugendlichen bestehe im Kanton St. Gallen keine genügende Rechtsgrundlage für strenge disziplinarische Einschliessungsmassnahmen. Aus der Botschaft des Aargauer Regierungsrates vom 29. Juni 2016 gehe hervor, dass eine Grundlage in einem formellen Gesetz notwendig sei. In der Verfügung vom 7. Januar 2017 sei ein strenger Einschluss verfügt worden, der als schwerer Grundrechtseingriff zu gelten habe. Dass die Einschliessung letztlich im eigenen Zimmer und verkürzt durchgeführt worden sei, ändere daran nichts.

    cc) Eine Freiheitsbeschränkung muss grundsätzlich in einer generell-abstrakten Norm vorgesehen sein, sodass ein Bürger sein Verhalten danach richten kann (Häfelin/Haller/ Keller/Thurnherr, a.a.O., Rz. 308). Je schwerer ein Eingriff wiegen kann, desto grössere Anforderungen sind an die Rechtsetzungsstufe zu stellen: Bei leichten Eingriffen reicht eine Regelung auf Verordnungsstufe aus, wohingegen bei schweren Eingriffen ein Gesetz im formellen Sinn, d.h. ein durch die zuständige Legislative erlassenes Gesetz samt Referendumsmöglichkeit, vorausgesetzt wird (Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr, a.a.O., Rz. 310 ff.). Ob ein Grundrechtseingriff schwer wiegt, beurteilt sich grundsätzlich nach objektiven Kriterien (BGE 139 I 280 E. 5.2). Im Sonderstatusverhältnis sind die Anforderungen an die Normdichte und Normstufe weniger streng, wenn Grundrechtseingriffe in Frage stehen, die sich in voraussehbarer

    Weise aus dem Zweck des Sonderstatusverhältnisses ergeben (BGE 139 I 280 E. 5.3.1; Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr, a.a.O., Rz. 330). Es ist nicht notwendig, dass das Sonderstatusverhältnis bis in alle Einzelheiten generell-abstrakt geregelt ist; Generalklauseln und eine relativ offene Normierung genügen (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., Rz. 453). Steht eine disziplinarische Massnahme zur Diskussion, welche der Aufrechterhaltung der Ordnung dient, sind an das Erfordernis der Gesetzesform keine allzu hohen Anforderungen zu stellen (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., Rz. 1505 ff.).

    dd) Ein Teil der Lehre fordert, die bewegungsbeschränkenden Massnahmen bei zivilrechtlich untergebrachten Jugendlichen seien (auch im Sonderstatusverhältnis) formell-gesetzlich zu normieren. Es sei ein Gebot der Stunde, dass die Kantone eine einheitliche Regelung der Voraussetzungen, Möglichkeiten und Dauer solcher Massnahmen erliessen. Eine sinngemässe Anwendung der Art. 438 i.V.m. Art. 383 ff. ZGB (Einschränkungen der Bewegungsfreiheit im Erwachsenenschutzrecht) sei nur möglich, wenn die Massnahmen im kantonalen Recht geregelt seien und institutionell so umgesetzt würden, dass sie auf den Betreuungsbedarf im Einzelfall abgestimmt seien. Diese Gesetzesbestimmungen zielten auf die Abwehr einer Selbst- oder Fremdgefährdung oder einer schweren Störung des Gemeinschaftslebens und seien nicht auf die Bedürfnisse und Handlungsweisen pädagogischer Einrichtungen zugeschnitten (BK-Affolter/Vogel, Bern 2016, Art. 310/314b N 125 f.). In der Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau vom 29. Juni 2016 (Änderungen am EG-ZGB- AG betreffend Disziplinarmassnahmen in geschlossenen Einrichtungen) wird diese Lehrmeinung aufgegriffen. Bis anhin sei davon ausgegangen worden, dass die Leitung einer öffentlich-rechtlichen Anstalt Disziplinarmassnahmen aufgrund ihrer Anstaltsordnungskompetenz ohne besondere formell-gesetzliche Grundlage aussprechen könne. Nach der neuen Literatur sei für den strengen Arrest (Einschliessung Tag und Nacht in einem speziellen Einschliessungszimmer) aber eine zivilgesetzliche Grundlage zu schaffen. Der Kanton Aargau hat mit § 67tbis EG-ZGB-AG eine solche Grundlage mittlerweile erlassen. Besondere Regelungen für zivilrechtlich untergebrachte Jugendliche kennen auch die Kantone Bern und Wallis (BK-Affolter/ Vogel, a.a.O., Art. 310/314b N 125).

    ee) Im vorliegenden Fall steht eine verfügte Einschliessung in einem speziellen Zimmer für zwei Tage zur Diskussion; mit dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin ist davon auszugehen, dass bei der Prüfung der genügenden gesetzlichen Grundlage – im Gegensatz zur Prüfung der Verhältnismässigkeit (siehe dazu E. 3c sogleich) – nicht auf die weniger schwerwiegende tatsächlich vollzogene Disziplinarmassnahme (Einschliessung an drei Halbtagen im eigenen Zimmer) abzustellen ist. Bei einer Einschliessung von zweimal 24 Stunden in einem speziellen Sicherheitszimmer mit Personentrennung handelt es sich um einen relativ schweren Eingriff in das Recht der Beschwerdeführerin auf persönliche Freiheit, weshalb die Anforderungen an die gesetzliche Grundlage entsprechend höher sind. Zu beachten ist aber auch, dass sich die Beschwerdeführerin in einem Sonderstatusverhältnis befand und sich der Zweck der disziplinarischen Einschliessung aus der Natur der Platzierung in der geschlossenen Wohngruppe des Jugendheims ergibt, was die Anforderungen an die gesetzliche Grundlage senkt. Insgesamt kann hier weder davon gesprochen werden, dass die Anforderungen an die Gesetzesgrundlage hoch sind, noch davon, dass sie gering sind.

    ff) Institutionen, in denen Bürger im Rahmen eines Sonderstatusverhältnisses untergebracht oder betreut werden, sind befugt, zur Wahrung des Anstaltszwecks eine Anstaltsordnung zu erlassen, wozu auch die Regelung der Disziplin gehört (vgl. BGE 121 I 22 E. 4a). Dabei ist es naturgemäss nicht möglich, alle möglichen Sanktionen zu normieren; vielmehr soll einer Anstalt stets die Möglichkeit belassen werden, situativ die im Einzelfall angemessene Massnahme zu ergreifen. Jugendheime, in denen Kinder und Jugendliche mit auffälligem Sozialverhalten und gefährdeter Entwicklung untergebracht werden, sehen im Heimreglement regelmässig pädagogisch- erzieherische und disziplinarische Massnahmen explizit vor; das entspricht ihrem Anstaltszweck. Mit der Aufhebung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach Art. 310 Abs. 1 ZGB geht zudem notwendigerweise ein Übergang eines wesentlichen Teils der Erziehungskompetenz einher, weshalb die Institution die üblichen Erziehungsmassnahmen ergreifen darf. Die Kompetenz, das Verhalten der Jugendlichen erzieherisch und disziplinarisch zu beeinflussen, gehört geradezu zum Wesenskern eines Jugendheims und begründet erst seine Eignung zur Aufnahme von

    Jugendlichen, bei denen eine entsprechende Entwicklungsgefährdung vorliegt. Die KESB Winterthur-Andelfingen hat bei Erlass der vorsorglichen Massnahme vom

    21. November 2016 denn auch explizit erwogen, es sei eine Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung notwendig, in der die Bewegungsfreiheit eingeschränkt und ein strikter pädagogischer Rahmen gegeben seien und eine korrektive

    (Nach-)Erziehung angestrebt werde (E. 2.2.2). Wäre tatsächlich davon auszugehen, dass im Kanton St. Gallen keine genügende gesetzliche Grundlage für eine disziplinarische Einschliessung besteht, hätte die KESB Winterthur-Andelfingen die Eignung des Jugendheims Platanenhof verneinen oder die Beschwerdeführerin bzw. ihr Kindesvertreter hätte aus diesem Grund Beschwerde gegen deren Entscheid erheben müssen. Dies ist nicht geschehen, weshalb davon auszugehen ist, dass sämtliche Beteiligte die Geeignetheit des Jugendheims Platanenhofs anerkannten, wozu eben auch die Kompetenz zur disziplinarischen Einschliessung gehört. Nachdem hier keine erhöhten Anforderungen an die gesetzliche Grundlage zu stellen sind und im Heimreglement vom 14. Dezember 2009 (Ziffer 6.1 und Ziffer 6.2) sowie im Merkblatt über besondere Sicherungs- und Disziplinarmassnahmen vom 8. Juni 2011 die disziplinarische Einschliessung ausdrücklich geregelt wird, ist den Art. 5 Abs. 1 und Art. 36 Abs. 1 BV Genüge getan. Daran ändert auch nichts, dass das Heimreglement vom Sicherheits- und Justizdepartement erlassen wurde und sich gemäss der Präambel auf Art. 11 Abs. 2 der Verordnung über die Gefängnisse und Vollzugsanstalten (sGS 962.14) stützt, welche durch die St. Galler Regierung in Ausführung von Art. 43, Art. 63 und Art. 64 des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung (sGS 962.1, abgekürzt: EG-StPO) erlassen wurde. Mangels abweichender zivilrechtlicher Grundlage erscheint es unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten vielmehr sinnvoll, dass sich die Heimleitung auch bei zivilrechtlich untergebrachten Jugendlichen an das Heimreglement hält. Dadurch ist einerseits für die betroffenen Personen transparent, mit welchen Massnahmen sie zu rechnen hat und wie deren Vollzug abläuft. Andererseits wird dadurch der rechtsgleichen Behandlung aller untergebrachten Jugendlichen Rechnung getragen. Das Sicherheits- und Justizdepartement führte in der Vernehmlassung zu Beschwerde vor der Anklagekammer vom 18. September 2017 diesbezüglich zu Recht aus, dass die Einweisungsgrundlage (strafrechtliche oder zivilrechtliche Unterbringung) am Regime

    der Unterbringung nichts ändere und sich alle Jugendlichen an die Heimvorschriften halten müssten.

    gg) Selbst wenn man das Heimreglement nicht als genügende gesetzliche Grundlage betrachten wollte, bestünde bei zivilrechtlichen untergebrachten Jugendlichen für die disziplinarische Einschliessung eine Gesetzesgrundlage im ZGB. Art. 314b Abs. 1 ZGB verweist für den Fall, dass ein Kind oder Jugendlicher in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht wird, auf die Bestimmungen des Erwachsenenschutzes über die fürsorgerische Unterbringung. Für bewegungsbeschränkende Massnahmen gilt somit Art. 438 ZGB, der seinerseits auf die Bestimmungen über die Einschränkung der Bewegungsfreiheit in Wohn- oder Pflegeeinrichtungen verweist. Sinngemäss anzuwenden sind demnach die Art. 383-385 ZGB, in denen die Voraussetzungen und das Verfahren für den Erlass von Massnahmen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit (bei Erwachsenen) geregelt werden. Eine solche Massnahme ist möglich, um eine ernsthafte Gefahr für das Leben oder die körperliche Integrität der betroffenen Person oder Dritter abzuwenden (Art. 383 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB) oder eine schwerwiegende Störung des Gemeinschaftslebens zu beseitigen (Art. 383 ZGB Abs. 1 Ziff. 2 ZGB), sofern keine mildere Massnahme Erfolg verspricht. Vor der Einschränkung der Bewegungsfreiheit wird der betroffenen Person erklärt, was geschieht, warum die Massnahme angeordnet wurde, wie lange diese voraussichtlich dauert und wer sich während dieser Zeit um sie kümmert (Art. 383 Abs. 2 ZGB). Über jede Massnahme wird Protokoll geführt; dieses enthält insbesondere den Namen der anordnenden Person, den Zweck, die Art und die Dauer der Massnahme (Art. 384 Abs. 1 ZGB). Diese Regelung ist relativ allgemein gehalten, bezieht sich aber (über entsprechende Verweise) ausdrücklich auch auf zivilrechtlich untergebrachte Jugendliche und erlaubt bewegungsbeschränkende Massnahmen zur Beseitigung schwerwiegender Störungen des Gemeinschaftslebens. Im Sonderstatusverhältnis taugt diese Bestimmung jedenfalls dann als gesetzliche Grundlage für eine Einschliessungsmassnahme, wenn damit der geregelte Heimbetrieb sichergestellt werden soll (und nicht ein pädagogischer Zweck im Vordergrund steht). Aus der angefochtenen Verfügung ergibt sich, dass das Gemeinschaftsleben durch das Verhalten der Beschwerdeführerin gestört wurde; es ist dabei auch von einer gewissen Schwere auszugehen, zumal die

    Probleme offenbar wiederholt auftraten. Insgesamt konnte sich die Massnahme somit auch auf das ZGB abstützen.

    hh) Zusammengefasst bestand mit dem Heimreglement und im ZGB eine genügende gesetzliche Grundlage für die disziplinarische Einschliessung einer zivilrechtlich untergebrachten Jugendlichen im Jugendheim Platanenhof.

  3. Nach Art. 36 Abs. 2 BV müssen Einschränkungen von Grundrechten durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein. Bei Sonderstatusverhältnissen ergibt sich das Interesse aus dessen Natur (vgl. Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr, a.a.O., Rz. 331). Mit Einschliessungsmassnahmen sollen ein geordneter Betrieb sichergestellt und das Verhalten der Jugendlichen zum Positiven hin beeinflusst werden (vgl. Ziffer 3.1 des Reglements für das Jugendheim Platanenhof). Dies stellt ein hinreichendes öffentliches Interesse dar, was von der Beschwerdeführerin auch nicht in Zweifel gezogen wird.

  4. Nach Art. 36 Abs. 3 BV müssen Einschränkungen von Grundrechten verhältnismässig sein. Eine erzieherische Massnahme muss somit zweckmässig, erforderlich und angemessen sein (vgl. auch Art. 383 Abs. 1 ZGB; Häfelin/Haller/Keller/ Thurnherr, a.a.O., Rz. 320 ff.). Im konkreten Fall wurde die Einschliessung als Disziplinarmassnahme angeordnet, nachdem die Beschwerdeführerin nach einem langen Krisengespräch erneut andere Jugendliche provoziert hatte; mit der Massnahme sollte ihrem ungebührlichen Verhalten gegenüber den Mitbewohnern begegnet werden (vgl. Verfügung vom 7. Januar 2017). Die Verletzung der Heimordnung ist disziplinarisch zu ahnden, wenn eine erzieherische Massnahme nicht mehr genügt. Dabei steht der verfügenden Person naturgemäss ein weiter Ermessensspielraum zu. Hier erscheint eine Einschliessungsmassnahme sowohl zur Gewährleistung eines geordneten Heimbetriebs als auch im Sinne einer pädagogischen Sanktionierung als grundsätzlich zweckmässig. Nachdem die Problematik bereits

    längere Zeit bestand, ist die Einschliessungsmassnahme auch unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit nicht zu beanstanden. Dem Grundsatz der Angemessenheit wurde schliesslich im Vollzug nachgelebt, indem statt einer strengen Einschliessung für zwei volle Tage in einem Sicherheitszimmer nur eine Einschliessung an drei Halbtagen im eigenen Zimmer angeordnet wurde. Insgesamt ist kein Verstoss gegen das Verhältnismässigkeitsgebot ersichtlich.

  5. Der Kerngehalt der Grundrechte ist gemäss Art. 36 Abs. 4 BV unantastbar. Zum Kerngehalt des Grundrechts auf persönliche Freiheit nach Art. 10 BV gehören das Folterverbot, das Verbot der Todesstrafe sowie (umstritten) das Recht auf Leben (Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr, a.a.O., Rz. 378 f.). Weder die verfügte noch die tatsächlich vollzogene Einschliessungsmassnahme greift hier in den Kerngehalt der persönlichen Freiheit ein.

  6. Zusammengefasst wurde durch die verfügte und tatsächlich vollzogene Einschliessungsmassnahme das Recht der Beschwerdeführerin auf persönliche Freiheit nach Art. 10 Abs. 2 BV tangiert; die Grundrechtseinschränkung war aber nach Art. 36 BV gerechtfertigt.

4.- Die Beschwerdeführerin bemängelt, die Einschliessungsmassnahme sei von einer Sozialpädagogin erlassen worden. Zuständig sei gemäss dem Reglement des Jugendheims Platanenhof jedoch die Heimleitung bzw. ausnahmsweise die Bereichsleitung. Es liege eine Kompetenzanmassung vor.

  1. Das Zivilgesetzbuch enthält keine Regelung darüber, wer zum Entscheid über die Einschränkung der Bewegungsfreiheit nach Art. 383 ff. ZGB zuständig ist. Gemäss der Lehre obliegt die Anordnung einer solchen Massnahme grundsätzlich der Heimleitung.

    Im kantonalen Recht oder einem internen Reglement des Heims kann die Kompetenz zusätzlich normiert werden (BSK ZGB I-Stavro-Köbrich/Steck, 6. Aufl., Basel 2018, Art. 383 N 15; ESR Komm-Mösch Payot, Art. 383-385 ZGB N 13a).

  2. Weder das kantonale Recht noch das Jugendheim Platanenhof kennen eine spezifische Disziplinarordnung für bewegungsbeschränkende Massnahmen des Zivilrechts. Das Reglement des Jugendheims Platanenhof sieht für die disziplinarische Einschliessung bei erzieherischen Massnahmen eine Zuständigkeit der Erziehungsleitung mit Delegationsmöglichkeit an die Wohngruppenleitung (Ziffer 6.1.2) bzw. bei disziplinarischen Massnahmen eine solche der Heimleitung mit Delegationsmöglichkeit an die Bereichsleiter und bei Dringlichkeit auch an die Betreuungspersonen vor (Ziffer. 6.2.3). Diese Regelung deckt sich mit den Vorgaben in der kantonalen Verordnung über die Gefängnisse und Vollzugsanstalten (sGS 962.14), wonach grundsätzlich die Heimleitung Disziplinarmassnahmen anordnet (Art. 47 Abs. 1 lit. e der Verordnung) und die Leitungsperson, die Pikettdienst leistet, zur Sicherung der Ordnung in der Vollzugseinrichtung vorsorgliche Massnahmen treffen kann, wobei diese längstens bis zum Erlass des Disziplinarentscheids andauern (Art. 49ter Abs. 1 der Verordnung).

  3. Im vorliegenden Fall wurde die Disziplinarmassnahme von einer Sozialpädagogin nach Rücksprache mit dem Pikettdiensthabenden ausgesprochen und (gemäss Zustellhinweis) danach der Bereichsleitung zur Prüfung übergeben. Gemäss den erwähnten kantonalgesetzlichen und reglementarischen Bestimmungen dürfen der Pikettdienstleiter bzw. die Betreuungsperson die Disziplinarmassnahme bei Dringlichkeit aussprechen. Nach einem Vorfall, der geahndet werden soll, hat die Anordnung einer Disziplinarmassnahme regelmässig rasch zu erfolgen; das ergibt sich aus der Natur des damit verfolgten Zwecks. Eine Überprüfung durch einen Vorgesetzten gewährleistet einen zusätzlichen Schutz. Das gewählte Vorgehen (Anordnung durch Betreuerin nach Rücksprache mit Pikettdienstleiter und Überprüfung durch die Bereichsleitung) ist damit grundsätzlich nicht zu beanstanden.

  4. Als unzulässig erweist sich indessen, dass auf der Verfügung keine Unterschrift enthalten ist; lediglich der Name der Sozialpädagogin wurde in einer speziellen Computerschriftart hinzugefügt. Eine Verfügung ist grundsätzlich zu unterzeichnen (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts B 2007/200 vom 12. Februar 2008 E. 2.1, abrufbar im Internet unter: www.gerichte.sg.ch), wobei im vorliegenden Fall eine unterschriftliche Unterzeichnung sowohl durch die anordnende Betreuungsperson (beim Erlass) als auch durch die Bereichsleitung (bei der Überprüfung) angezeigt gewesen wäre. Die fehlende Unterschrift stellt einen Formmangel dar, der am Verfügungscharakter der Disziplinarmassnahme indessen nichts ändert, zumal nur in schwerwiegenden Fällen ausnahmsweise von der Nichtigkeit ausgegangen werden darf (Häfelin/Müller/ Uhlmann, a.a.O., Rz. 871 f.). Aus diesem Mangel darf der Beschwerdeführerin indessen kein Nachteil erwachsen. Dafür, dass ihr solche Nachteile erwuchsen, bestehen keine Anhaltspunkte. Ein Formfehler berechtigt aber zur Anfechtung der Verfügung, was bei der Kostenverlegung (siehe E. 5 hiernach) zu berücksichtigen ist.

  5. Zusammengefasst liegt keine Kompetenzanmassung vor. Die angefochtene Verfügung leidet indessen wegen der fehlenden Unterschrift(en) an einem Formmangel, woraus der Beschwerdeführerin aber keine Nachteile entstanden sind.

5.- a) Nach Art. 11 lit. a EG-KES in Verbindung mit Art. 95 Abs. 1 VRP hat in Streitigkeiten jene Beteiligte die Kosten zu tragen, deren Begehren ganz oder teilweise abgewiesen werden. Es gilt der Grundsatz der Kostentragung nach Massgabe des Obsiegens oder Unterliegens. Die Beschwerdeführerin unterliegt mit ihren Anträgen; zu berücksichtigen ist aber auch, dass die angefochtene Verfügung formell fehlerhaft war. Erweist sich das Rechtsmittel als in der Sache unbegründet, sind der Betroffenen für das materielle Unterliegen nur anteilsmässig amtlichen Kosten aufzuerlegen, weil der Weiterzug insoweit berechtigt war, als er der Beseitigung des Formfehlers diente. Der Behörde bzw. dem befassten Gericht kommt bei der Verlegung der Kosten ein weiter

Ermessensspielraum zu (Urteil des Verwaltungsgerichts B 2009/221 vom 24. August 2010 E. 6.1, abrufbar im Internet unter: www.gerichte.sg.ch). Im vorliegenden Fall rechtfertigt es sich, von einem Obsiegen der Beschwerdeführerin von rund einem Viertel auszugehen (vgl. auch Urteil des Verwaltungsgerichts B 2009/221 vom 24. August 2010 E. 8), zumal der formelle Mangel einer fehlenden Unterschrift am Verfügungscharakter nichts ändert und wenig schwer wiegt. Die Beschwerdeführerin hat die Entscheidgebühr, welche auf Fr. 1'200.– festgesetzt wird (Art. 7 Ziff. 112 der Gerichtskostenverordnung, sGS 941.12), somit im Betrag von Fr. 900.– zu bezahlen; der Vorinstanz (Amt für Justizvollzug, Jugendheim Platanenhof) sind Fr. 300.– aufzuerlegen. Gestützt auf Art. 95 Abs. 3 VRP ist auf die Erhebung der Kosten bei der Vorinstanz zu verzichten. Die Beschwerdeführerin hat ihren Anteil unter Anrechnung des Kostenvorschusses zu bezahlen; die unentgeltliche Rechtspflege wurde ihr erst für einen Fr. 1'200.– übersteigenden Betrag gewährt (vgl. Zwischenverfahren-Nr.

ZV-2018/47). Im Restbetrag von Fr. 300.– ist ihr der Kostenvorschuss

zurückzuerstatten.

  1. Zufolge mehrheitlichen Unterliegens besteht kein Anspruch der Beschwerdeführerin auf Entschädigung ihrer Parteikosten (Art. 98bis VRP; R. Hirt, Die Regelung der Kosten nach st. gallischem Verwaltungsrechtspflegegesetz, Diss. Lachen/St. Gallen 2004, S. 183).

  2. Das Honorar des unentgeltlichen Rechtsvertreters wird gemäss den Bestimmungen der Honorarordnung für Rechtsanwälte und Rechtsagenten (sGS 963.75, abgekürzt: HonO) bemessen. Vor der VRK wird grundsätzlich eine Pauschale innerhalb des gesetzlich vorgesehenen Rahmens zugesprochen (vgl. Art. 22 Abs. 1 lit. b HonO). Von diesem Honoraransatz kann indes abgewichen werden, soweit es in einem krassen Missverhältnis zu den Bemühungen des Rechtsanwalts steht (Art. 3 HonO). Das trifft im vorliegenden, vor der VRK geführten Beschwerdeverfahren zu. Der vom Rechtsvertreter in diesem Verfahren getätigte Aufwand war sehr gering; er reichte – ausserhalb der Zwischenverfahren betreffend die unentgeltliche Rechtspflege, für die grundsätzlich

kein Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung besteht (vgl. Ziffer 4 Abs. 6 Spiegelstrich 6 der Richtlinien zur unentgeltlichen Rechtspflege im Zivilprozess und für die Privatklägerschaft im Strafprozess vom Mai 2011 des Kantonsgerichts) – keine neuen Eingaben ein; es fand zudem keine Hauptverhandlung statt. Der zu entschädigende Aufwand beschränkt sich somit auf die Durchsicht der (wenigen) Schreiben des Gerichts und die Nachbereitung des Falles. Überdies wurde der Rechtsvertreter bereits vom Sicherheits- und Justizdepartement sowie von der Anklagekammer für seine Aufwendungen entschädigt. Insgesamt erscheint daher eine um einen Fünftel gekürzte (vgl. Art. 31 Abs. 3 Anwaltsgesetzes [sGS 963.70; abgekürzt AnwG]) Entschädigung von pauschal Fr. 300.–, beinhaltend die Barauslagen und die Mehrwertsteuer, als angemessen. Nachdem die unentgeltliche Rechtspflege erst für einen Fr. 1'200.– übersteigenden Betrag bewilligt wurde und der Beschwerdeführerin der Kostenvorschuss im Teilbetrag von Fr. 300.– zurückerstattet wird, besteht kein Entschädigungsanspruch des unentgeltlichen Rechtsvertreters gegenüber dem Staat.

Entscheid:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

  2. Die amtlichen Kosten von Fr. 1'200.– bezahlen die Beschwerdeführerin zu drei

    Vierteln,

    mithin im Betrag von Fr. 900.–, und die Vorinstanz (Amt für Justizvollzug,

    Jugendheim

    Platanenhof) zu einem Viertel, mithin im Betrag von Fr. 300.–.

    Der Kostenvorschuss der Beschwerdeführerin wird an ihren Kostenanteil

    angerechnet und

    ihr im Restbetrag von Fr. 300.– zurückerstattet.

    Auf die Erhebung des Kostenanteils der Vorinstanz wird verzichtet.

  3. Es besteht weder Anspruch auf eine ausseramtliche Entschädigung noch auf eine Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsvertreters durch den Staat.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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