Zusammenfassung des Urteils UV 2017/84: Versicherungsgericht
Der Versicherte war als Lehrling bei einem Unfall verletzt worden und erhielt eine Invalidenrente von 10%. Nach verschiedenen Tätigkeiten musste er aufgrund von Gesundheitsproblemen seine letzte Vollzeitstelle aufgeben. Nach einem Antrag auf Rentenerhöhung wurde festgestellt, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtert hatte. Eine Erhöhung der Rente wurde genehmigt, aber weitere medizinische Abklärungen sind erforderlich, um den genauen Betrag festzulegen. Die Beschwerde wurde teilweise gutgeheissen, die Sache zur weiteren Prüfung an die Behörde zurückgewiesen.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | UV 2017/84 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | UV - Unfallversicherung |
Datum: | 02.12.2019 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Eine Revision der altrechtlichen Rente ist trotz Ablaufs von neun Jahren bei verschlimmertem unfallkausalem Gesundheitszustand möglich. Rückweisung zu ergänzenden Abklärungen (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 2. Dezember 2019, UV 2017/84). Bestätigt durch Urteil des Bundesgerichts 8C_42/2020. |
Schlagwörter: | Suva-act; Rente; Unfall; Renten; Recht; Invalidenrente; Beeinträchtigung; Beeinträchtigungen; Verfügung; Hirnschädigung; Gutachten; Invaliditätsgrad; Abklärungen; MEDAS; Urteil; Einsprache; Akten; Revision; Störung; Faktoren; Rentenfestsetzung; Erhöhung; Erwägungen; Sinne |
Rechtsnorm: | Art. 118 UVG ; |
Referenz BGE: | 127 V 234; 131 V 86; |
Kommentar: | - |
Besetzung
Versicherungsrichterin Christiane Gallati Schneider (Vorsitz), Versicherungsrichter Joachim Huber und Versicherungsrichterin Miriam Lendfers; Gerichtsschreiber Markus Lorenzi
Geschäftsnr. UV 2017/84
Parteien
,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Ronald Pedergnana, Rorschacher Strasse 21, Postfach 27, 9004 St. Gallen,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, Postfach 4358, 6002 Luzern,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Reto Bachmann, Lischer, Zemp & Partner,
Schwanenplatz 4, 6004 Luzern,
Gegenstand Invalidenrente (Revision) Sachverhalt
A.
A. (nachfolgend: Versicherter) war als Lehrling zum Konfektionsschneider bei der B. AG tätig und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherung (Suva) gegen die Folgen von Unfällen versichert (Suva-act. 50-88). Am 29. Januar 1980 erlitt er einen Verkehrsunfall, als er als nicht angegurteter Beifahrer eines Personenwagens mit einem korrekt entgegenkommenden VW-Bus kollidierte. Dabei erlitt er ein Schädelhirntrauma mit Contusio cerebri, eine doppelseitige Unterkieferfraktur, eine Taubheit links und eine Commotio labyrinthi links (Suva-act. 50-86).
Die Suva anerkannte ihre Leistungspflicht und sprach dem Versicherten aufgrund der verbliebenen Beeinträchtigungen (Taubheit links, weitere von Zeit zu Zeit auftretende Beschwerden) mit Verfügung vom 26. Mai 1982 rückwirkend ab 1. März 1981 eine Invalidenrente von (pauschal) 10% bei einem versicherten Jahresverdienst von Fr. 18'929.-- zu (Suva-act. 49-47 ff., 49-59 ff.). Mit Entscheid vom 7. Dezember 1989 beliess die Suva die Invalidenrente unverändert auf 10% (Suva-act. 49-3, act. G 1.2 S. 2).
Nach dem Unfall hatte der Versicherte seine Lehre als Konfektionsschneider nicht abgeschlossen (Suva-act. 49-49, 54) und anschliessend an verschiedenen Stellen bis im Jahr 2005 in Vollzeit gearbeitet (Suva-act. 27-102). Seine letzte Vollzeit-Tätigkeit als
Logistiker (Mitarbeiter Lager/Warenannahme) hat er aufgrund somatischer Probleme (Rücken- und Schulterproblematik) aufgeben müssen (Suva-act. 27-16). Von August 2007 bis Ende Juli 2011 arbeitete er bei der C. AG mit einem rund 70%-igen Pensum (vgl. die von der Suva beigelegte CD [IV-Akten]).
B.
Im August 2005 hatte sich der Versicherte wegen einer seit ca. zehn Jahren bestehenden Wirbelsäulenproblematik zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung (IV) angemeldet (vgl. IV-Akten).
Die IV-Stelle tätigte mehrere berufliche und medizinische Abklärungen (Suva-act. 5 ff.; IV-Akten). Aufgrund kognitiver Auffälligkeiten wurde am 7. April 2010 ein MRT des Neurocraniums durchgeführt. Dieses zeigte eine strukturelle Hirnschädigung (posttraumatischer Hirnparenchymdefekt fronto-basal rechts; Suva-act. 10-6). Die Ärzte des Kantonsspitals St. Gallen, Klinik für Neurologie, diagnostizierten eine leichte kognitive Störung, posttraumatisch (ICD-10: F 06.7; Suva-act. 10-5 ff.). Letztlich veranlasste die IV-Stelle ein polydisziplinäres Gutachten bei der MEDAS Zentralschweiz in Luzern (vgl. dazu das Verfahren IV 2013/16). Die Abklärungen erfolgten vom 28. bis
30. September 2010. Im entsprechenden Gutachten vom 28. Januar 2011 nannten die Sachverständigen folgende arbeitsfähigkeitsrelevante Diagnosen: ein organisches Psychosyndrom nach traumatischer Hirnverletzung durch Verkehrsunfall vom 29. Januar 1980, eine verminderte mentale Leistungsfähigkeit mit mittelschweren verbalen Gedächtnisdysfunktionen und leichten Aufmerksamkeitsschwierigkeiten multikausaler Genese, eine teilweise noch subsyndromale depressive Störung, psychotische Faktoren Verhaltensfaktoren bei andernorts klassifizierten Erkrankungen sowie einen Residualzustand mit Periarthropathia humeroscapularis und leichter Impingement-Symptomatik der rechten Schulter. Zur Arbeitsfähigkeit hielten die Gutachter fest, die früher ausgeübte, körperlich teilweise schwere Tätigkeit als
Logistik-Mitarbeiter sei dem Versicherten nicht mehr zumutbar – als limitierend erweise sich vor allem die Minderbelastbarkeit der rechten operierten Schulter. Die gegenwärtig ausgeübte Tätigkeit als C. -Mitarbeiter sei dem Versicherten zu 70% der Norm möglich. Längerfristig sei diese Tätigkeit jedoch ungeeignet aufgrund der eingeschränkten kognitiven Leistungsfähigkeit des Versicherten, der Notwendigkeit,
Auto zu fahren, und der erhöhten psychischen Belastung bei alleine auszuführenden Nachteinsätzen. Behinderungsangepasste Tätigkeiten seien dem Versicherten zu 80% der Norm zumutbar. Limitierend würden sich vor allem die Konzentrations- und Antriebsstörungen aber auch die Verlangsamung und die erhöhte Ermüdbarkeit auswirken (Suva-act. 27).
Mit Verfügung vom 7. Dezember 2012 verneinte die IV-Stelle aufgrund eines Invaliditätsgrades von unter 40% einen Rentenanspruch (Suva-act. 30). Das Bundesgericht schützte diese Verfügung, nachdem das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen von einem rentenrelevanten Invaliditätsgrad ausgegangen war (IV 2013/16), und bestätigte einen Invaliditätsgrad von weniger als 40% (Urteil vom 22. September 2015, 9C_366/2015).
C.
Mit Schreiben vom 17. November 2015 reichte der Rechtsvertreter des Versicherten, Rechtsanwalt Dr. iur. R. Pedergnana, bei der Suva ein Revisionsgesuch ein. Er machte insbesondere geltend, dass der Versicherte die Auswirkungen des durch den Unfall erlittenen Hirnschadens nicht mehr in gleicher Weise wie früher kompensieren könne und entsprechend – anders als früher – eine unfallkausale Teilarbeitsunfähigkeit vorliege, weshalb eine Rentenerhöhung zu prüfen sei (Suva-act. 36).
In der Folge wurde der Fall Dr. med. D. , Facharzt für Neurologie, vom Kompetenzzentrum Versicherungsmedizin der Suva, vorgelegt. Mit Bericht vom 9. Mai 2016 gab dieser seine Beurteilung ab (Suva-act. 54). Zusammengefasst kam er zum Schluss, dass die im Jahr 2011 dokumentierten leichten Störungen der Aufmerksamkeit und die leichte Persönlichkeitsveränderung mit rigiden Persönlichkeitszügen überwiegend wahrscheinlich unfallkausal seien. Weitere neuropsychologische Funktionseinschränkungen wie die beklagten Gedächtnisstörungen seien möglicherweise, nicht aber überwiegend wahrscheinlich auf den Unfall aus dem Jahr 1980 zurückzuführen, da unfallfremde Faktoren wie eine chronische Schmerzsymptomatik und eine teilweise limitierte depressive Störung eine Rolle spielten. Nach den operationalen Kriterien der Tabelle 8 der Suva "Integritätsschaden bei psychischen Folgen von Hirnverletzungen" würden die
beschriebenen neuropsychologischen Funktionsstörungen einer leichten Störung entsprechen. Diese habe sich im Laufe der Jahre nicht überwiegend wahrscheinlich verschlechtert. Hiergegen spreche auch die MRT-Untersuchung vom 7. April 2010, die keine Spätfolgen wie eine sekundäre Hirnatrophie einen Hydrozephalus ausweise. Allenfalls verschlechtert habe sich die Fähigkeit des Versicherten, die Folgen der Hirnverletzung zu kompensieren, dies aber überwiegend wahrscheinlich aus unfallfremden Gründen. Eine Verschlechterung des Gesundheitszustands gegenüber der Rentenfestsetzung könne somit medizinisch nicht begründet werden (Suva-act.
54-11).
Mit Verfügung vom 19. Mai 2016 führte die Suva aus, dass die Rente in Anwendung von Art. 80 des bis 31. Dezember 1983 geltenden Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung (KUVG) grundsätzlich in der revisionslosen Zeit laufe. Sofern sich die Unfallrestfolgen erheblich verschlimmert hätten, würde trotzdem eine Rentenerhöhung geprüft. Gestützt auf die neurologische Beurteilung vom 9. Mai 2016 habe sich der unfallbedingte medizinische Befund seit der Rentenfestsetzung aber nicht erheblich verschlimmert, weshalb die KUVG-Rente nicht erhöht werden könne (Suva-act. 55).
D.
Gegen diese Verfügung liess der Versicherte durch seinen Rechtsvertreter am 25. Mai 2016 Einsprache erheben und die revisionsweise Erhöhung der Invalidenrente auf 30%, eventualiter auf 50% beantragen. Subeventualiter sei ein neuropsychologisches Gutachten in Auftrag zu geben (Suva-act. 56). Mit Entscheid vom 12. September 2017 wies die Suva die Einsprache ab (Suva-act. 64).
E.
Gegen den Einspracheentscheid vom 12. September 2017 liess der Versicherte (nachfolgend: Beschwerdeführer) durch seinen Rechtsvertreter am 13. Oktober 2017 Beschwerde erheben und beantragen, der Einspracheentscheid sei aufzuheben und die Invalidenrente aufgrund neurologischer unfallbedingter Probleme auf 30% zu erhöhen. Eventualiter sei eine Invalidenrente von 50% auszurichten. Subeventualiter sei ein neurologisches Gutachten in Auftrag zu geben, unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten der Suva (nachfolgend: Beschwerdegegnerin; act. G 1).
In der Beschwerdeantwort vom 12. Dezember 2017 beantragte die Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. R. Bachmann, Luzern, die Abweisung der Beschwerde und die Bestätigung des Einspracheentscheids (act. G 5).
Mit Replik vom 26. Februar 2018 liess der Beschwerdeführer unverändert an seinen Anträgen festhalten (act. G 9). Die Beschwerdegegnerin verzichtete auf eine Duplik (act. G 11).
Auf die Begründungen in den einzelnen Rechtsschriften sowie die Ausführungen in den medizinischen Akten wird, soweit entscheidnotwendig, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Erwägungen 1.
Zwischen den Parteien umstritten und nachfolgend zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen für eine Revision im Sinne einer Erhöhung der Rente des Beschwerdeführers gegeben sind.
2.
Die Beschwerdegegnerin macht vorab geltend, dass eine Rentenrevision bereits gestützt auf Art. 80 Abs. 2 KUVG in Verbindung mit Art. 118 des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (UVG; SR 832.20), wonach eine Rente längstens bis Ablauf des neunten Jahres revidiert werden könne, ausser Betracht falle. Der Beschwerdeführer bestreitet dies. Die Übergangsbestimmungen von Art. 118 UVG, namentlich dessen Abs. 5, würden sich nur auf Renten mit Invaliditätsgraden von weniger als 10% beziehen. Demgegenüber würden Renten mit höheren Invaliditätsgraden nicht unter diese Übergangsbestimmung fallen.
Wie der Beschwerdeführer richtig ausführen lässt, ist die Übergangsbestimmung von Art. 118 Abs. 5 UVG nur auf altrechtliche Renten mit Invaliditätsgraden von weniger als 10% anwendbar (vgl. die schlüssige Begründung/Auslegung dazu in BGE 131 V 86 ff. E. 2). Sie ist für den vorliegenden Fall dementsprechend unbeachtlich bzw. führt nicht dazu, dass die Rente des Beschwerdeführers nicht (mehr) revidiert werden könnte. Zur Beantwortung der Frage der Revidierbarkeit höhergradiger altrechtlicher Renten ist indessen, nachdem Art. 118 Abs. 2 lit. c UVG (auf den ersten Blick) nicht zur
Diskussion steht (die Rentenfestsetzung aufgrund der Beeinträchtigungen aus dem Unfall vom 29. Januar 1980 erfolgte am 26. Mai 1982 und damit vor Inkrafttreten des UVG am 1. Januar 1984), Art. 118 Abs. 1 UVG einschlägig, wonach Versicherungsleistungen für Unfälle, die sich vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ereignet haben, und für Berufskrankheiten, die vor diesem Zeitpunkt ausgebrochen sind, nach bisherigem Recht, dem KUVG, gewährt werden.
Gemäss Art. 80 Abs. 2 KUVG kann die Rente während der ersten drei Jahre nach ihrer Festsetzung jederzeit, in der Folge aber nur noch bei Ablauf des sechsten und des neunten Jahres revidiert werden. Damit ist die ursprüngliche Rente, deren Zusprache mehr als neun Jahre zurückliegt, grundsätzlich nicht mehr revidierbar. Über den Wortlaut hinaus hat das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG; seit 1. Januar 2007 sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts) bzw. das Bundesgericht mehrfach entschieden, dass die Erhöhung einer (altrechtlichen) Rente trotz Ablaufs von neun Jahren seit der Rentenfestsetzung möglich ist, wenn der Unfallversicherer auf einen Rückfall Spätfolgen einzutreten hat, die entsprechenden Beschwerden in natürlichem und adäquatem Kausalzusammenhang zum ursprünglichen Unfall stehen und eine erhebliche Verschlimmerung der Unfallfolgen bewirken (vgl. u.a. Urteil des EVG vom 18. April 2007, U 195/06, E. 2.2.1, und Urteil des Bundesgerichts vom 4. Dezember 2018, 8C_477/2018, E. 3). Lediglich geänderte erwerbliche Auswirkungen einer im Wesentlichen gleich gebliebenen Gesundheitsbeeinträchtigung sind einer Revision nicht mehr zugänglich (Urteil des EVG vom 19. November 2002, U 106/02, E. 4).
3.
Vorweg ist zu prüfen, ob sich der unfallkausale Gesundheitszustand des Beschwerdeführers (sei es im Sinne eines Rückfalls von Spätfolgen) verschlimmert hat, so dass eine Rentenerhöhung grundsätzlich in Betracht fällt.
Die medizinischen Fachpersonen gehen einig, dass der Beschwerdeführer bei seinem Unfall im Jahr 1980 unter anderem eine strukturelle Hirnschädigung (posttraumatischer Hirnparenchymdefekt fronto-basal rechts; Suva-act. 10-6, 54-11) erlitten hat und diese bzw. das von den MEDAS-Gutachtern diagnostizierte organische Psychosyndrom F07.2 bei Status nach traumatischer Hirnverletzung (Suva-act. 27-26) unter anderem die kognitive Leistungsfähigkeit einschränkt. Die Hirnschädigung wurde zeitnah zum Unfall nicht erkannt, da sie sich computertomographisch, aus methodischen Gründen, nicht zeigte. Sie wurde übersehen (Suva-act. 54-10). Allfällige kognitive Funktionseinbussen wurden nicht abklärt, da der Beschwerdeführer dadurch
– zumindest erwerbsrelevant – nicht beeinträchtigt war (Suva-act. 54-11). Letztlich führten sämtliche unfallkausalen Gesundheitsschäden – auch allfällige kognitive Funktionseinschränkungen – nicht zu einer Erwerbseinbusse und die verbliebenen Beeinträchtigungen (Taubheit links, weitere von Zeit zu Zeit auftretende Beschwerden) führten ab März 1981 zu einer (pauschalen) Invalidenrente von 10% bzw. Fr. 100.-- monatlich (vgl. Sachverhalt lit. A.b; Suva-act. 49-47 f., 49-59 ff.). Eine solche Abgeltung der unfallbedingten Beeinträchtigungen der körperlichen psychischen Integrität – auch ohne Erwerbseinschränkung – war nach dem damals geltenden Recht üblich (Urteil des EVG vom 23. November 2006, U 123/06, E. 3.1).
Es ist unbestritten und ergibt sich aus den (medizinischen) Akten, dass der Beschwerdeführer bis zum Ende des Jahres 2004 (Suva-act. 27-28), damit über 24 Jahre lang nach dem Unfall von 1980, zuletzt als Logistiker, aufgrund der strukturellen Hirnschädigung und allfälligen daraus resultierenden kognitiven Funktionseinbussen im Erwerbsleben nicht relevant eingeschränkt war. Der Beschwerdeführer war in diesen Jahren in der Lage, die Folgen der Hirnschädigung mittels anderer Ressourcen zu kompensieren (Suva-act. 27-29, 54-11). Die MEDAS-Gutachter halten dazu ausdrücklich fest, dass erfahrungsgemäss Folgen eines Schädelhirntraumas zum Teil jahrelang kompensiert werden könnten (Suva-act. 10-6, 27-28 f.). Anders gesagt waren in dieser Zeit die Folgen der Hirnschädigung – wenn auch bereits vorhanden – nicht derart ausgeprägt, dass sie sich im Erwerbsleben relevant ausgewirkt hätten. Dies änderte sich erst bei nachträglich hinzugekommenen unfallfremden Faktoren (zu erwähnen ist dabei insbesondere die Schulterproblematik ab Dezember 2004 und der damit verbundene Stellenverlust als Logistiker). Aufgrund dessen ist es zu einer Demaskierung (Suva-act. 10-6) der kognitiven Funktionsstörungen bzw. erstmals auch zu einem andauernd erwerbsrelevant beeinträchtigten – zumindest teilweise unfallkausalen – Gesundheitsschaden gekommen. Offensichtlich haben unfallfremde Faktoren dazu geführt, dass sich auch der unfallkausale Gesundheitszustand deutlich verschlechtert hat bzw. dass sich die Folgen der Hirnschädigung deutlich ausgeprägter präsentierten. So werden denn im MEDAS-Gutachten vor allem die Konzentrations- und Antriebsstörungen, aber auch die Verlangsamung und die erhöhte Ermüdbarkeit, damit zumindest teilweise unfallkausale kognitive und psychische Beeinträchtigungen, als quantitativ limitierend qualifiziert (Suva-act. 27-27). Ob diese Verschlechterung bzw. Demaskierung als Rückfall als Spätfolge zu qualifizieren ist, kann letztlich offenbleiben. Eine Erhöhung der (altrechtlichen) Rente trotz Ablaufs von neun Jahren seit der Rentenfestsetzung ist bei dieser Konstellation (verschlimmerter Gesundheitszustand) gestützt auf die Rechtsprechung grundsätzlich möglich (vgl. dazu auch das Urteil des EVG vom 23. November 2006, U 123/06, E. 4), zumal nicht von
lediglich geänderten erwerblichen Auswirkungen einer im Wesentlichen gleich gebliebenen Gesundheitsbeeinträchtigung auszugehen ist. Dass erst nachträglich hinzugekommene unfallfremde Faktoren zur Verschlimmerung des Unfallschadens geführt haben, ändert nichts an einer (Teil-)Kausalität der im MEDAS-Gutachten festgestellten, sich erstmals auch quantitativ limitierend auswirkenden Beeinträchtigungen und damit an einer grundsätzlichen Leistungspflicht des Unfallversicherers für die eingetretene Verschlechterung. Immerhin kann der nicht unfallkausale Anteil nach aktuellem Recht zu einer angemessenen Kürzung (Art. 36 Abs. 2 Satz 1 UVG) bzw. nach dem vorliegend anwendbaren Art. 91 KUVG zu einer entsprechenden Kürzung der Invalidenrente führen (RKUV 1998 Nr. U 47 S. 229 E. 6b). Gestützt auf das Gesagte vermag die Beurteilung von Dr. D. , wonach sich eine (erhebliche) Verschlechterung der unfallkausalen Beeinträchtigung medizinisch nicht begründen lasse, nicht zu überzeugen.
4.
Zusammengefasst ist festzuhalten, dass eine Revision/Erhöhung der altrechtlichen Rente aufgrund des überwiegend wahrscheinlich ausgewiesenen verschlimmerten unfallkausalen Gesundheitszustands möglich bleibt. Um wieviel Prozent sich die Invalidenrente letztlich erhöhen wird bzw. ob die Erheblichkeitsgrenze überschritten wird, lässt sich mit der vorliegenden medizinischen Aktenlage indes noch nicht rechtsgenüglich sagen. Damit ist die Angelegenheit zur Bestimmung der Erwerbsunfähigkeit bzw. des Invaliditätsgrads an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Zwar erscheint die Arbeitsunfähigkeit bei medizinischem Endzustand (Suva-act. 27-27) gestützt auf das MEDAS-Gutachten ausgewiesen (seit 2008/2009 80% in adaptierten Tätigkeiten ohne besondere Anforderungen an die psychische Belastbarkeit und die kognitive Leistungsfähigkeit sowie auch nicht besondere Fähigkeiten verlangend, wobei sich vor allem die Konzentrations- und Antriebsstörungen, aber auch die Verlangsamung und die erhöhte Ermüdbarkeit quantitativ limitierend auswirken [Suva-act. 27-25 ff.]). Bei allfälliger multikausaler bzw. zusätzlich unfallfremder Genese auch der kognitiven/psychischen Beeinträchtigungen (vgl. dazu Suva-act. 27-21) steht indes – wie erwähnt – eine entsprechende Kürzung nach Art. 91 KUVG im Raum. Zur Bestimmung der Höhe einer allfälligen Kürzung bedarf es weiterer medizinischer Abklärungen. Dasselbe gilt bezüglich eines – wenn auch vorliegend nicht zum Streitgegenstand gehörend – allfälligen Anspruchs auf eine Integritätsentschädigung. Insgesamt erscheint es angezeigt, mittels externer fachärztlicher Beurteilung (zumindest neurologisch, neuropsychologisch und psychiatrisch) diese noch offenen Punkte abklären zu lassen.
5.
Im Sinne der vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde dahingehend gutzuheissen, dass die Streitsache zu ergänzenden (medizinischen) Abklärungen im Sinne der Erwägungen und neuer Verfügung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen ist.
Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1]). Hingegen hat der obsiegende Beschwerdeführer (als Obsiegen gilt auch die Rückweisung der Sache an die Verwaltung zwecks ergänzender Abklärungen [BGE 127 V 234 E. 2b/bb]) Anspruch auf eine Parteientschädigung gegenüber der Beschwerdegegnerin (Art. 61 lit. g ATSG). Es rechtfertigt sich, diese ermessensweise – wie in vergleichbar aufwändigen Fällen üblich – auf pauschal Fr. 4'000.-- (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer) festzulegen.
Entscheid
im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP
1.
Die Beschwerde wird dahingehend gutgeheissen, dass der Einspracheentscheid vom
12. September 2017 aufgehoben und die Streitsache zu ergänzenden Abklärungen im Sinne der Erwägungen und zu neuer Verfügung an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen wird.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr.
4‘000.-- (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
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