Zusammenfassung des Urteils MV 2009/2: Versicherungsgericht
Der Beschwerdeführer B. beantragte die Kostenübernahme für eine Überkronung anstelle einer Füllung, die von der Militärversicherung (MV) abgelehnt wurde. Nach mehreren Einsprüchen und Gerichtsverfahren wurde die Sache zur weiteren Abklärung an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen. Es wurde festgestellt, dass die Kompositfüllung als Provisorium anzusehen war und keine definitive Lösung darstellte. Es gab Diskussionen über eine mögliche Vorschädigung des Zahns, die weitere Abklärungen erforderte. Das Gericht entschied, die Beschwerde teilweise gutzuheissen und die Sache zur weiteren Abklärung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | MV 2009/2 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | MV - Militärversicherung |
Datum: | 15.12.2009 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | EntscheidMilitärdienstes, die MV anerkannte ihre Leistungspflicht. Vier Jahre nach |
Schlagwörter: | Zahns; Kompositfüllung; Versorgung; Schneidezahn; Füllung; Überkronung; Vorschädigung; Einsprache; Urteil; Gericht; Abklärung; Ereignis; Behandlung; Veneer; Entscheid; Krone; Lösung; Kindheit; Akten; Beschwerdeführers; Erwägungen; Abklärungen; Einspracheentscheid; Versicherungsgericht; Verfahren; Einsetzen |
Rechtsnorm: | Art. 18a MVG; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Vizepräsident Joachim Huber, Versicherungsrichter Martin Rutishauser und Franz Schlauri; Gerichtsschreiberin Miriam Lendfers
Entscheid vom 15. Dezember 2009
in Sachen B. ,
Beschwerdeführer, gegen
Suva Militärversicherung, Schermenwaldstrasse 10, Postfach 8715, 3001 Bern,
Beschwerdegegnerin, betreffend
Versicherungsleistungen Sachverhalt:
A.
B. erlitt am 29. Juni 2002 während eines militärischen Wiederholungskurses beim Essen eine Fraktur des linken Schneidezahns. Nach Erstbehandlung durch den Notfallzahnarzt Dr. med. dent. A. übernahm Dr. med. et med. dent. C. ab 3. Juli 2002 die Weiterbehandlung. Am 12. Dezember 2002 erstellte Dr. C. eine Kompositfüllung an der frakturierten distalen Ecke des Schneidezahns. Die Behandlungen wurden von der Militärversicherung (MV) übernommen.
Die MV lehnte am 27. März 2006 ein Gesuch des Versicherten vom 8. März 2006 um Kostengutsprache für eine Metallkeramikkrone (VMK) am linken Schneidezahn ab (act. G 5.1.12), woran sie mit Schreiben vom 11. Mai 2006 (act. G 5.1.16) und Verfügung vom 19. Juni 2006 (act. G 5.1.20) festhielt. Die vom Versicherten am 21. Juni 2006 dagegen erhobene Einsprache (act. G 5.1.21) wies die MV mit Entscheid vom
12. Juli 2006 ab (act. G 5.1.24).
Gegen den Einspracheentscheid vom 12. Juli 2006 erhob der Versicherte am
4. Oktober 2006 Beschwerde beim Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen (act. G 5.1.25). Mit Urteil vom 14. März 2007 hiess das Gericht die Beschwerde
teilweise gut und wies die Sache zur weiteren Abklärung an die Beschwerdegegnerin zurück. Sie habe beim behandelnden Zahnarzt Dr. C. und bei Dr. med. dent. Dr. h.c. D. , der der MV am 13. März 2006 die Kostenofferte für die Keramikkrone eingereicht hatte (act. G 5.1.11), abzuklären, ob das Einsetzen der Krone eine definitive Versorgung des erst provisorisch versorgten Schneidezahns darstelle (Urteil MV 2006/3 vom
14. März 2007, Erw. 6c). B.
Mit Schreiben vom 10. Mai 2007 fragte die MV den erstbehandelnden
Dr. A. , ob der betroffene Zahn vor der Fraktur bereits eine Vorschädigung
aufgewiesen hatte (act. G 5.1.36). Gemäss Telefonnotiz vom 7. Juni 2007 gab Dr. A.
an, der Zahn habe am 29. Juni 2002 bereits eine ziemlich grosse Füllung aufgewiesen (act. G 5.1.40).
Am 10. Mai 2007 hatte die MV zudem Dr. D. gefragt, weshalb die VMK- Versorgung gemäss Kostenschätzung vom 13. März 2006 notwendig geworden sei (act. G 5.1.38). Gemäss Telefonnotiz vom 24. Mai 2007 bestätigte Dr. D. , dass nach dem Ereignis vom 29. Juli 2002 keine neuen Frakturen hinzugekommen seien. Der Zahn weise ein ausgedehntes Flickwerk auf, weshalb eine Überkronung sinnvoll sei (act. G 5.1.39).
In einem dritten Schreiben vom 10. Mai 2007 hatte die MV schliesslich Dr. C. gefragt, ob es sich bei der Kompositfüllung vom 2. Dezember 2002 um eine minimale provisorische Lösung gehandelt habe (act. G 5.1.37). Mit Schreiben vom 22. Mai 2007 gab Dr. C. an, für die Versorgung des Zahns sei die Kompositfüllung seines Erachtens eine einfache, wirtschaftliche und zweckmässige Versorgung gewesen, da zahnschonend und minimal invasiv (act. G 5.1.41).
Mit Vorbescheid vom 26. Juli 2007 stellte die MV dem Versicherten die Verweigerung der Kostengutsprache für die Krone in Aussicht. Der bereits vorgeschädigte Zahn habe während des Dienstes eine Verschlimmerung erfahren, die mit der Behandlung am 2. Dezember 2002 behoben worden sei. Der Status quo sine sei zu diesem Zeitpunkt erreicht worden (act. G 5.1.43). Trotz eines gegen dieses Ergebnis gerichteten Einwands der Rechtsschutzversicherung des Versicherten vom
8. August 2007 (act. G 5.1.44) verfügte die MV am 21. August 2007 gemäss Vorbescheid (act. G 5.1.45). Die Einsprache des Versicherten vom 20. September 2007 (act. G 5.1.49) wies sie mit Entscheid vom 20. März 2009 ab (act. G 1.1).
C.
Gegen diesen Einspracheentscheid richtet sich die Beschwerde des Versicherten vom 30. April 2009. Er beantragt unter Kosten- und Entschädigungsfolgen die Aufhebung des Entscheids und die Gewährung der Kostengutsprache für die Überkronung im Sinn des Gesuchs von Dr. D. vom 8. März 2006. Weder Dr. A. noch Dr. D. hätten die Frage des Versicherungsgerichts, ob die Krone eine definitive
Versorgung des Zahns darstelle, beantwortet. Eine Vorschädigung des Zahns sei zudem nicht belegt. Bei der Auslegung der Antwort von Dr. C. vom 10. Mai 2007 (richtig: 22. Mai 2007) seien seine Angaben im Schadenformular vom 2. Dezember 2002 zu berücksichtigen. Dort habe er darauf hingewiesen, dass die Versorgung mit Kompositfüllung noch keine definitive sei. Betreffend Vorschädigung weist der
Beschwerdeführer darauf hin, ihm sei in seiner frühen Kindheit am linken Schneidezahn ein Veneer angebracht worden. In den Akten fänden sich keinerlei Hinweise, wonach der Zahn dort gebrochen wäre, wo das Veneer ursprünglich angebracht gewesen sei. Von einer allgemeinen Schwächung des Zahns, wie dies bei krankheitsbedingter Schädigung zu erwarten wäre, könne keine Rede sein. Es gebe keine Indizien, wonach der Zahn ohne das Ereignis vom 29. Juni 2002 zu Schwierigkeiten geführt hätte
(act. G 1).
Da der Beschwerdeführer die Beschwerde nicht unterzeichnet hatte, eröffnete der zuständige Verfahrensleiter ihm mit Schreiben vom 13. Mai 2009 eine fünftägige Frist, um dies nachzuholen, andernfalls auf die Beschwerde nicht eingetreten werden könne (act. G 2). Der Beschwerdeführer reichte am 19. Mai 2009 die unterschriebene Beschwerde nochmals ein (act. G 3).
In der Beschwerdeantwort vom 18. Juni 2009 beantragt die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Beschwerde. Im gesamten bisherigen Verfahren habe der Beschwerdeführer wahrheitswidrig und wohl auch wider besseres Wissen wiederholt geltend gemacht, der Schneidezahn sei vor dem Ereignis vom 29. Juni 2002 völlig intakt gewesen. Bei der klaren Fragestellung an und der ebenso klaren Antwort von
Dr. C. bleibe für die Interpretation des Beschwerdeführers kein Raum. Hätte es sich um ein Provisorium gehandelt, hätte Dr. C. dies auch so bestätigt. Die am 6. März 2006 gemeldete erneute Kronenfraktur (gemeint wohl: Überkronung) stelle bei der gegebenen Aktenlage einen neuen Versicherungsfall dar, für den eine Leistungspflicht der MV nach Art. 18a MVG ohne weiteres zu verneinen sei (act. G 5).
Der Beschwerdeführer hält in der Replik vom 9. Juli 2009 an seinen Anträgen fest. Er betont erneut, das in seiner Kindheit eingesetzte Veneer habe zu keiner krankhaften Schwächung des Zahns geführt. Neue Argumente bringt er nicht vor (act. G 7).
Am 1. September 2009 hält auch die Beschwerdegegnerin an ihrem Antrag fest und verzichtet auf weitere inhaltliche Ausführungen (act. G 9).
Betreffend Sachverhalt wird im Übrigen auf die entsprechenden detaillierten Ausführungen im Urteil MV 2006/3 vom 14. März 2007 verwiesen. Auf weitere Vorbringen der Parteien wird – sofern entscheidwesentlich – im Rahmen der Erwägungen eingegangen.
Erwägungen:
1.
Das Gericht hat die massgebenden Rechtsgrundlagen und rechtlichen Ausführungen bereits im Urteil MV 2006/3 vom 14. März 2007 dargelegt. Darauf wird verwiesen. Gemäss Erw. 5 jenes Urteils kann das Einsetzen der Metallkeramikkrone aufgrund der über vierjährigen Behandlungspause nicht als Bestandteil der ursprünglichen Behandlung betrachtet werden. Damit liegt grundsätzlich ein Rückfall vor. Das Gericht hielt weiter fest, dass nicht von einem neuen, von der MV nicht zu übernehmenden Versicherungsfall auszugehen sei, wenn die am 2. Dezember 2002 eingesetzte Kompositfüllung nur eine provisorische Lösung dargestellt habe (Erw. 6a).
Dr. C. wies im Schreiben vom 4. Mai 2006 darauf hin, der Beschwerdeführer habe sich nach Dienstende mit dem im Dienst in einer anderen Praxis versorgten Zahn gezeigt, sodass keine weiteren therapeutischen Handlungen hätten unternommen werden müssen. In der Folge aber habe man die frakturierte distale Ecke des Zahns am
2. Dezember 2002 mit einer Kompositfüllung versorgen müssen, die laut dem Beschwerdeführer noch immer beschwerdefrei sei (act. G 5.1.15). Am 22. Mai 2007 wies Dr. C. darauf hin, die Versorgung des Zahns vom 2. Dezember 2002 sei einfach, wirtschaftlich und zweckmässig gewesen, da zahnschonend und minimal invasiv (act. G 5.1.41). Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin geht es nicht an, aufgrund dieser Aussage darauf zu schliessen, dass Dr. C. mit der Kompositfüllung eine definitive und keine provisorische Lösung wählte. Der Beschwerdeführer machte gegenüber der Beschwerdegegnerin bereits am 8. April
2006 geltend, man habe ihm nach dem Ereignis vom 29. Juni 2002 mitgeteilt, es solle
beim betroffenen Zahn ein Provisorium, ein Ansetzen des abgebrochenen Stücks, durchgeführt werden. Zu einem späteren Zeitpunkt werde dann eine "fixe" Krone ratsam (act. G 5.1.13). Dr. C. gab am 3. Juli 2002 und am 2. Dezember 2002 zudem an, je nach dem weiteren Verlauf müsse am betroffenen Zahn zu einem späteren Zeitpunkt mit weiteren Versorgungen gerechnet werden (act. G 5.1.3, 5.1.8). Wie bereits im Urteil MV 2006/3 festgehalten, spricht die Behandlungsfreiheit während vier Jahren nicht gegen die Annahme eines laufenden Versicherungsfalls. Es ist notorisch, dass Kompositfüllungen häufig provisorische (Langzeit-)Lösungen darstellen und entweder alle paar Jahre erneuert durch eine langfristig einsetzbare Überkronung ersetzt werden müssen. Beim noch jungen Beschwerdeführer wären mit hoher Wahrscheinlichkeit im Laufe seines Lebens mehrfache Erneuerungen der Kompositfüllung notwendig. Insofern kann mit Dr. D. davon ausgegangen werden, dass eine zwar einmalig teurere, langfristig aber problemlosere Überkronungslösung sinnvoll ist. Die Aktenlage und insbesondere das Schreiben von Dr. C. vom 22. Mai 2007 lassen jedenfalls den Schluss nicht zu, die Einsetzung der Kompositfüllung vom
2. Dezember 2002 habe eine definitive Versorgung des fraglichen Zahnschadens dargestellt.
2.
Im Gegensatz zum Verfahren MV 2006/3 ist unterdessen bekannt, dass auf dem linken Schneidezahn des Beschwerdeführers bereits vor dem Ereignis vom 29. Juni 2002 ein Veneer, also eine auf dem Zahn angebrachte Keramikschale, vorhanden war. Der Beschwerdeführer macht geltend, man habe dieses in seiner Kindheit zur Verschönerung der beim Spielen abgebrochenen Kante des Zahns angebracht.
Dr. A. soll gegenüber der Beschwerdegegnerin am 7. Juni 2007 telefonisch ausgesagt haben, der Zahn habe am 29. Juni 2002 bereits eine ziemlich grosse Füllung aufgewiesen (act. G 5.1.40). In beweisrechtlicher Hinsicht ist vorab festzuhalten, dass diese von Dr. A. nicht einmal unterschriftlich auf ihre Richtigkeit bestätigte Telefonnotiz bereits aus formellen Gründen nicht ausreicht, das Bestehen eines relevanten Vorzustands rechtsgenüglich zu beweisen. Materiell fällt zudem auf, dass Dr. A. von einer Füllung gesprochen haben soll, ein Veneer dagegen eine auf dem Zahn angebrachte Keramikschale und keine Füllung ist. Insofern steht seine angebliche Aussage in Widerspruch zu den Akten (vgl. act. G 5.1.3, Ziff. 4.5; 5.1.8, Ziff. 4.5). Die
Röntgenbilder und die übrigen Akten erlauben es dem Juristen als zahnmedizinischem Laien nicht, zu beurteilen, ob die ursprüngliche Zahnschädigung, die offenbar in der Kindheit des Beschwerdeführers entstanden war und zum Einsatz eines Veneers geführt hatte, mit der Schädigung vom 29. Juni 2002 einen Zusammenhang hat, diese allenfalls begünstigte. So ist unklar, ob dieselbe Stelle betroffen ist, und ob – sollte dies nicht der Fall sein – die Vorschädigung zu einer Schwächung des gesamten Zahns geführt haben kann, sodass es ohne die in der Kindheit abgeschlagene Zahnkante nicht zum Ereignis vom 29. Juni 2002 gekommen wäre. Ohne diesbezügliche weitere zahnmedizinische Abklärungen kann nicht beurteilt werden, ob ein relevanter Vorzustand zu einer Reduktion der Haftungsquote einer Unterbrechung des Kausalverlaufs zu führen hat.
3.
Gemäss den obigen Erwägungen ist die Beschwerde unter Aufhebung des angefochtenen Einspracheentscheids vom 20. März 2009 teilweise gutzuheissen und die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit diese im Sinn der Erwägungen weitere Abklärungen vornehme und anschliessend über den Leistungsanspruch des Beschwerdeführers neu verfüge. Sinnvollerweise gibt die Beschwerdegegnerin bei einem Sachverständigen ein Gutachten in Auftrag. Sollte die Vorschädigung nicht hinreichend aktenmässig belegbar sein (etwa mittels Beizugs der damaligen Behandlungsberichte und gegebenenfalls Röntgenbilder), so würde eine Begutachtung des Zahns allenfalls Klarheit verschaffen. Im Rahmen dieser Abklärungen ist auch die Vermutung zu verifizieren, dass die Kompositfüllung eine provisorische (Langzeit-)Lösung dargestellt habe. Erst im Anschluss an diese Abklärungen kann eine Beurteilung der Kausalität und nötigenfalls eine Festsetzung der Haftungsquote erfolgen.
Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).
Wie bereits im Verfahren MV 2006/3 beantragt der Beschwerdeführer auch vorliegend die Gutheissung unter Entschädigungsfolgen. Da er noch immer nicht anwaltlich vertreten ist, kommt die Zusprache einer Parteientschädigung auch vorliegend nicht in Frage (vgl. MV 2006/3, Erw. 8).
Demgemäss hat das Versicherungsgericht
im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG entschieden:
Die Beschwerde wird unter Aufhebung des angefochtenen Einspracheentscheids vom 20. März 2009 teilweise gutgeheissen und die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen, damit diese im Sinn der Erwägungen weitere Abklärungen vornehmen und anschliessend über den Leistungsanspruch des Beschwerdeführers neu verfüge.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
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