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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:KV-Z 2017/15
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:KV - Krankenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid KV-Z 2017/15 vom 02.12.2019 (SG)
Datum:02.12.2019
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Krankentaggeld. VVG-Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung. Befristeter Arbeitsvertrag bejaht, stillschweigende Weiterbeschäftigung verneint. Auftreten der Krankheit erst nach Ende des Versicherungsschutzes (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 2. Dezember 2019, KV-Z 2017/15).
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ; Art. 197 ZPO ; Art. 334 OR ;
Referenz BGE:137 III 47; 138 III 2; 138 III 564;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Entscheid vom 2. Dezember 2019

Besetzung

Versicherungsrichterin Miriam Lendfers (Vorsitz), Versicherungsrichter Joachim Huber und Versicherungsrichterin Christiane Gallati Schneider; Gerichtsschreiber Philipp Geertsen

Geschäftsnr. KV-Z 2017/15

Parteien

  1. ,

    Kläger,

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Jürg Jakob, rohner thurnherr wiget & partner,

    Rosenbergstrasse 42b, 9000 St. Gallen,

    gegen

    AXA Versicherungen AG, General-Guisan-Strasse 40, Postfach 357, 8401 Winterthur,

    Beklagte, Gegenstand Taggeldleistungen Sachverhalt

    A.

    1. A. (act. G 1.18), war ab dem 15. März 2016 bei der B. AG als Bauarbeiter ohne Fachkenntnisse angestellt (zum Arbeitsvertrag vom 15. März 2016 siehe act.

      G 1.3). Über die Arbeitgeberin war er bei der AXA Versicherungen AG krankentaggeldversichert (zur Police siehe act. G 1.1 und zu den allgemeinen Versicherungsbedingungen [nachfolgend: AVB] siehe act. G 1.2). Am 30. November 2016 erlitt A. beim Verschieben eines schweren Gegenstands mit dem Kran am linken Zeigefinger eine erstgradig offene Endgliedfraktur (siehe den Bericht des Spitals C. vom 1. Dezember 2016 zur Notfallkonsultation vom 30. November 2016, act.

      G 1.5). Die am Spital C. behandelnde D. , Assistenzärztin Chirurgie, bescheinigte eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit. Tätigkeiten im angestammten Beruf, die nur mit rechts durchgeführt werden könnten, seien erlaubt (act. G 1.6). Die Arbeitgeberin meldete den Unfall am 30. November 2016 der Suva (act. G 1.9). Diese erbrachte in der Folge Heilbehandlungs- und Taggeldleistungen (act. G 1.10 f.).

    2. Am 31. Januar 2017 wurde A. wegen einer am Anfang des Jahres 2017 aufgetretenen Schmerzzunahme zufolge Ischialgien im Bereich des linken Beins an einer grossen und nach kaudal sequestrierenden Diskushernie L5/S1 links operiert. Am

      3. Februar 2017 unterzog er sich einer Fenestration L5/S1 links mit Entfernung eines teilweise verwachsenen Sequesters in mikrochirurgischer Technik (siehe die Operationsberichte von Dr. med. E. , Facharzt für Neurochirurgie, vom 13. und

      16. Februar 2017, act. G 1.20; siehe hierzu sowie zur vom 27. Januar bis 7. März 2017 bescheinigten 100%igen Arbeitsunfähigkeit den Austrittsbericht der Klinik für Neurochirurgie am Kantonsspital St. Gallen [KSSG] vom 16. Februar 2017 betreffend

      die dort vom 27. Januar bis 15. Februar 2017 erfolgte Hospitalisation, act. G 1.21). Vom

      15. Februar bis 7. März 2017 befand sich A. zur stationären Rehabilitation in der Klinik F. (Austrittsbericht vom 6. März 2017, act. G 1.22). In der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 6. März 2017 führte die dort behandelnde med. pract. G. aus, die vorausgeübte Tätigkeit als Bauarbeiter werde als nicht leidensgerecht eingestuft. Künftig zumutbar seien leichte bis mittelschwere wechselbelastende Tätigkeiten ohne Heben und Tragen von Lasten über 15 kg. Nicht möglich seien Zwangshaltungen, Tätigkeiten mit dem Erfordernis der Rotation des Rumpfes gegen das fixierte Becken. Eine IV-Anmeldung sei erfolgt (act. G 1.24). In der Folge bescheinigten die Klinik für Neurochirurgie am KSSG (act. G 1.25) und der behandelnde Dr. med. H. , Facharzt für Allgemeine Medizin, fortlaufend eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit (act. G 1.26 ff.).

    3. Die Suva stellte die Taggeldleistungen per 8. März 2017 ein (Schreiben vom

      28. Juni 2017, act. G 1.17). Am 3. April 2017 meldeten A. und die B. AG die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit infolge der Diskushernie der AXA Versicherungen AG (act. G 1.18). Med. pract. I. , Arzt Orthopädie am Spital C. , schloss nach einer Untersuchung vom 6. April 2017 die Behandlung des linken Fingers ab. Diesbezüglich sei A. 100% arbeitsfähig (act. G 1.16). Mit Schreiben vom 25. April 2017 orientierte die AXA Versicherungen AG die B. AG über ihren Standpunkt, dass der Arbeitsvertrag mit A. auf die Dauer vom 15. März bis 30. November 2016 befristet gewesen sei. Das Arbeitsverhältnis sei nicht weitergeführt worden. Mit dem Ausscheiden von A. aus dem Kreis der versicherten Personen bestehe für die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ab dem 13. Februar 2017 keine Versicherungsdeckung. Deshalb werde kein Krankentaggeld erbracht (act. G 1.39).

    4. Die Ärzte der Klinik für Neurochirurgie am KSSG berichteten nach einer Untersuchung vom 2. Mai 2017, da nun eine spinale Ursache für die unverändert geklagten starken Schmerzen in beiden Beinen gestützt auf bildgebende Abklärungsergebnisse ausgeschlossen werden könne, würden sie die neurochirurgische Behandlung abschliessen. Die weitere Behandlung erfolge durch die Schmerzklinik (act. G 1.34).

    5. A. machte im Schreiben vom 22. Juni 2017 gegenüber der AXA Versicherungen

      AG geltend, der Arbeitsvertrag mit der B. AG sei nicht befristet gewesen (act.

      G 9.16). Die AXA Versicherungen AG hielt an ihrer Betrachtungsweise fest, dass das Arbeitsverhältnis befristet gewesen sei und am 30. November 2016 geendet habe, weshalb keine Versicherungsdeckung für die Folgen des Rückenleidens bestehe (act. G 1.40).

    6. Dr. H. bescheinigte A. am 4. September 2017 aufgrund des Rückenleidens weiterhin eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit (act. G 9.18). Am 29. September 2017 unterzog sich A. einer von Prof. Dr. med. J. , Facharzt für Neurochirurgie, durchgeführten transforaminalen Nervenwurzelnblockade S1 links (Operationsbericht vom 2. Oktober 2017, act. G 1.37).

B.

    1. Am 4. Dezember 2017 erhob A. Klage gegen die AXA Versicherungen AG. Er beantragte, die Beklagte sei zu verpflichten, ihm Fr. 48'617.40 nebst Zins zu 5% seit dem 4. Dezember 2017 zu bezahlen; unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Zur Begründung brachte er im Wesentlichen vor, zwischen ihm und der B. AG habe ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden. Die Versicherungsdeckung sei gegeben. Des Weiteren liege eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit vor. Zur Bestimmung des versicherten Lohns sei auf einen angemessenen Durchschnitt abzustellen (act. G 1).

    2. In der Klageantwort vom 26. April 2018 beantragte die Beklagte, die Klage sei vollumfänglich abzuweisen; unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Sie hielt daran fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der B. AG befristet gewesen sei und keine Versicherungsdeckung bezüglich der vom Kläger geltend gemachten Taggeldansprüche bestehe. Selbst wenn - was bestritten werde - eine Versicherungsdeckung bejaht würde, wäre eine Arbeitsunfähigkeit längstens bis Anfang April 2017 ausgewiesen, wie der beratende Arzt der Beklagten, Dr. med. K. , in der Stellungnahme vom 13. April 2018 (siehe hierzu act. G 9.21) dargelegt habe (act. G 9).

    3. Die Parteien verzichteten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung

      zugunsten eines zweiten Schriftenwechsels (act. G 14).

    4. In der Replik vom 1. Oktober 2018 änderte der Kläger sein Rechtsbegehren insoweit, dass die Beklagte zu verpflichten sei, ihm Fr. 50'216.30 nebst Zins zu 5% seit dem 4. Dezember 2017 zu bezahlen. Die Beurteilung durch Dr. K. hielt er nicht für beweiskräftig (act. G 19).

    5. Die Beklagte hielt in der Duplik vom 13. Dezember 2018 unverändert an der beantragten Klageabweisung fest (act. G 27).

    6. Hierzu äusserte sich der Kläger in der Eingabe vom 9. Januar 2019 (act. G 31). Gleichentags reichte dessen Rechtsvertreter eine Honorarnote ein (act. G 32).

    7. Zur Eingabe des Klägers vom 9. Januar 2019 äusserte sich die Beklagte am

31. Januar 2019 (act. G 34).

Erwägungen 1.

Der Kläger beantragt Taggeldleistungen aus einer kollektiven Krankentaggeldversicherung.

    1. Gemäss Art. J 1 Abs. 2 der unbestrittenermassen anwendbaren AVB (Stand: 07.2010) kann der Versicherungsnehmer bzw. der Anspruchsberechtigte wahlweise an folgenden Orten Klage gegen die Beklagte erheben: an seinem schweizerischen Wohnort, an seinem schweizerischen Arbeitsort oder in Winterthur. Der Kläger rief das Gericht am Arbeitsort bzw. Wohnort an. Die örtliche Zuständigkeit des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen ist damit gegeben.

    2. Das Versicherungsgericht entscheidet gemäss Art. 9 des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (EGZPO; sGS 961.2) in Verbindung mit Art. 7 der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO; SR 272) als einzige kantonale Instanz über Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung nach dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10). Darunter werden praxisgemäss auch Zusatzversicherungen wie die vorliegend zu beurteilende Kollektivtaggeldversicherung subsumiert, auf die das Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG; SR 221.229.1) zur Anwendung gelangt (vgl. etwa BGE 138 III 2 E. 1.1). Damit sind vorliegend auch die Voraussetzungen der sachlichen und funktionellen Zuständigkeit des Versicherungsgerichts erfüllt.

    3. Vor der Klageanhebung beim Versicherungsgericht ist kein Schlichtungsverfahren

gemäss Art. 197 ff. ZPO durchzuführen (vgl. BGE 138 III 564 E. 4.6).

2.

Zwischen den Parteien ist zunächst die Frage der Versicherungsdeckung umstritten. Währenddem die Beklagte davon ausgeht, der Arbeitsvertrag zwischen der B. AG und dem Kläger habe infolge Befristung am 30. November 2017 geendet (act. G 9, Ziffer 3.3 ff.), vertritt letzterer den Standpunkt, das Anstellungsverhältnis sei unbefristet gewesen (act. G 1, Rz 15 ff.).

    1. Gemäss Art. E 3 Abs. 2 AVB erlischt der Versicherungsschutz für den einzelnen

      Versicherten u.a. mit seinem Ausscheiden aus dem Kreis der versicherten Personen.

    2. Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen (Art. 18 Abs. 1 des Obligationenrechts [OR; SR 220]).

    3. Im Arbeitsvertrag von 15. März 2016 vereinbarten die nicht rechtskundigen Vertragsparteien ausdrücklich eine Vertragsdauer vom «15. März 2016 bis 30.11.2016» (act. G 1.3, S. 1). Damit brachten sie mit aller Deutlichkeit den befristeten Charakter der Vereinbarung zum Ausdruck bzw. dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf

      der Befristung von selbst endet. Die gewählte Formulierung entspricht denn auch einer direkten Bestimmung einer befristeten Dauer, wie sie in den Gesetzesmaterialen aufgeführt wurde (siehe hierzu die Botschaft zur Volksinitiative «betreffend Kündigungsschutz im Arbeitsvertragsrecht» und zur Revision der Bestimmungen über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Obligationenrecht vom 9. Mai 1984, BBl 1984 II 592). Für die Befristung spricht auch die formell-systematische Stellung der vereinbarten Vertragsdauer, die unter einem den zeitlichen Rahmen regelnden Vertragsabschnitt aufgeführt wird («Beginn des Arbeitsverhältnisses», act. G 1.3, S. 1). Mit Blick darauf, dass die Auftragslage in der Baubranche, vor allem auch im Segment, in dem die B. AG tätig ist («Erbringung von Tiefbauarbeiten, insbesondere Kanal- und Werkleitungsbau, Strassenbauarbeiten, Kanaldeckelaufhebung, Pflästerung, Baggerarbeiten und Umgebungsarbeiten»; siehe hierzu den im Handelsregister eingetragenen statutarischen Zweck), im Winter gerichtsnotorisch schlechter ist als im Sommerhalbjahr, ist die Befristung auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht inhaltlich ohne weiteres nachvollziehbar und aus der Optik der Vertragsparteien verständlich.

      Dass die rechtsunkundigen Parteien in der Überschrift lediglich den «Beginn» und nicht auch das «Ende» ausdrücklich erwähnten, erscheint vor dem dargestellten Hintergrund entgegen der Betrachtungsweise des Klägers (act. G 19, Rz 25) als rein redaktionelles Versehen der schlecht Deutsch sprechenden Vertragsparteien (act. G 1.41), das zu keinem anderen Auslegungsergebnis führt.

    4. Aufgrund der freien Vertragsgestaltung können die Parteien eines Arbeitsvertrags auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen Kündigungsmodalitäten vereinbaren. So können sie das Arbeitsverhältnis innerhalb dieser Dauer unter Einhaltung der vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsfristen und -termine auflösen; erfolgt keine Kündigung, endet das Verhältnis von selbst mit dem Ablauf der vereinbarten

      (Maximal-)Dauer (BBl 1985 II 593). Dass der redaktionell wenig sorgfältig ausgearbeitete Arbeitsvertrag von den rechtsunkundigen Parteien auch eine Standardformulierung bezüglich Kündigungsmodalitäten enthält (act. G 1.3, S. 2), spricht demnach nicht gegen die von den Vertragsparteien ausdrücklich vereinbarte Befristung. Daraus sowie aus dem vom Kläger angeführten Urteil des Bundesgerichts vom 4. Februar 2009, 4A_531/2008 (act. G 1, Rz 20), lässt sich nichts zu seinen Gunsten ableiten (vgl. auch die klägerische Ausführung in act. G 19, Rz 25). Einerseits war vom Bundesgericht gerade keine ausdrücklich schriftlich vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses zu beurteilen, sondern eine zwischen den Parteien umstrittene mündliche Absprache, an der auch kein Zeuge («témoin neutre») beteiligt war. Hinzu kommt, dass es um die Verlängerung eines ehemals für den Zeitraum vom 25. Juli bis

      12. August 2005 befristeten Arbeitsverhältnisses ging, dem eine tatsächliche Weiterbeschäftigung folgte (siehe lit. A des Urteils), was zur Vermutung eines (nachträglich) unbefristeten Arbeitsverhältnisses führt (Art. 334 Abs. 2 OR). Das Urteil ist damit für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Andererseits wies das Bundesgericht ausdrücklich darauf hin, dass eine ausgesprochene Kündigung der Annahme eines befristeten Arbeitsverhältnisses für sich allein nicht im Weg steht («Que l'employeur ait donné un congé [ce qui n'est certes pas exclu pour un contrat de durée déterminée {…}]»; E. 2.1).

    5. Zwar kreuzte die B. AG in der (nicht unterzeichneten) Schadenmeldung UVG

      (Erstellung Dokument am 30. November 2016; Dokumenteingang bei der Suva am

      5. Januar 2017) ein unbefristetes Anstellungsverhältnis an (act. G 1.9). Dies entkräftet die ein halbes Jahr zuvor am 15. März 2016 ausdrücklich vereinbarte Befristung und deren Wirkung aber nicht. So brachte der Geschäftsführer der B. AG gegenüber der Beklagten am 25. April 2017 und 20. April 2018 plausibel zum Ausdruck (act. G 9.24 f.), dass die Angabe eines unbefristeten Verhältnisses nicht der Vereinbarung entsprach,

      sondern auf dem Irrtum beruhte, der Wirkung der vereinbarten Befristung stehe nachträglich der zeitliche Kündigungsschutz (Art. 336 Abs. 1 lit. b OR) entgegen. Dieser Irrtum bildete auch Anlass für die später erfolgte Kündigungserklärung (siehe zur Kündigung vom 8. März 2017, act. G 9.10). Der vom Geschäftsführer dargelegte Irrtum wird durch seine Aussage gegenüber der Suva vom 10. Februar 2017 bestätigt, wonach er von der Geltung des zeitlichen Kündigungsschutzes ausging (act. G 1.41).

    6. Nachdem davon auszugehen ist, dass der Arbeitsvertrag vom 15. März 2016 eine befristete Anstellung zum Inhalt hat, bleibt zu prüfen, ob das Arbeitsverhältnis im Sinn von Art. 334 Abs. 2 OR stillschweigend verlängert wurde.

      1. Art. 334 Abs. 2 OR bestimmt, dass ein befristetes Arbeitsverhältnis als unbefristetes gilt, wenn es nach dem Ablauf der vereinbarten Dauer stillschweigend fortgesetzt wird. Eine stillschweigende Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bzw. die damit verbundene Vermutung setzt voraus, dass die Arbeitsleistung erbracht und akzeptiert wird. Dadurch bekunden die Parteien ihren Willen, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen (vgl. hierzu den Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats vom 4. Juli 2019 zur parlamentarischen Initiative

        «Stillschweigende Verlängerung von Dienstleistungsverträgen», BBl 2019 6834). Vorliegend ergibt sich weder aus den Vorbringen des Klägers noch aus den Akten - und das ist entscheidend -, dass die Parteien des Arbeitsvertrags entgegen der ursprünglichen Vereinbarung eine tatsächliche Weiterbeschäftigung des Klägers in Betracht zogen, zumal diese in eine für die Tiefbaubranche ungünstige Jahreszeit gefallen wäre (vgl. hierzu vorstehende E. 2.3). Obschon dem Kläger im ärztlichen Zeugnis vom 30. November 2016 (act. G 1.6) bezogen auf die angestammte Tätigkeit Arbeiten, die nur mit der rechten oberen Extremität durchgeführt werden könnten, für (uneingeschränkt) zumutbar gehalten wurden, macht er weder geltend noch ist ersichtlich, dass er die ihm verbliebene Arbeitskraft der B. AG ab dem 1. Dezember 2016 ganz oder zumindest teilweise jemals angeboten hätte. Vielmehr war sich der Kläger offenbar bereits im November 2016 bewusst, dass nach Ablauf der Befristung keine Weiterbeschäftigung folgen würde, wie sich ferner aus seiner Aussage anlässlich der psychologischen Abklärung vom 21. November 2017 ergibt («Er habe 100 % im Strassenbau gearbeitet und sei November 2016 gekündigt worden» [sic]; Bericht zur psychologischen Abklärung des Schmerzzentrums am KSSG vom 22. Dezember 2017, act. G 27.1, S. 2).

      2. Auch aufgrund des Umstandes, dass die Unfalltaggelder für den während des befristeten Arbeitsverhältnisses eingetretenen Unfall im Dezember 2016 und Januar

        2017 weiterhin an die (ehemalige) Arbeitgeberin ausbezahlt und Sozialversicherungsbeiträge geleistet wurden, kann für sich allein und im Licht der vorstehend dargestellten Verhältnisse nicht auf einen Weiterbeschäftigungswillen im Sinn von Art. 334 Abs. 2 OR geschlossen werden, was der rechtskundig vertretene Kläger im Übrigen selbst einräumt (act. G 19, Rz 57). Diese administrative Abwicklung der Taggeldleistungen und Beitragsentrichtung lag ebenfalls allein im Irrtum begründet, dass der zeitliche Kündigungsschutz der Wirkung der vereinbarten Befristung entgegenstehe, was gerade nicht zutrifft. Schliesslich gilt es zu beachten, dass gemäss Art. 65 Abs. 1 des Landesmantelvertrags für das schweizerische Bauhauptgewerbe, Stand: 1. Juli 2016, bei Unfall von Arbeitnehmenden der Betrieb keine Leistungen zu entrichten hat, solange die von der Suva geschuldeten Versicherungsleistungen 80% des versicherten Verdienstes decken (Satz 1). Die Suva-Karenztage (siehe zur dreitägigen Karenzfrist Art. 16 Abs. 2 Satz 1 des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung [UVG; SR 832.20]) sind vom Arbeitgeber zu 80% des versicherten Verdienstes zu bezahlen (Satz 2). Damit ist die Lohnfortzahlung nach Art. 324a

        und 324b OR des Betriebs vollumfänglich abgegolten (Satz 3). Der Lohnabrechnung für Dezember 2016 ist zu entnehmen, dass die B. AG keine Lohnfortzahlung für die in den Dezember 2016 fallenden Karenztage erbrachte und in der Folge ausschliesslich das Suva-Taggeld, von dem - abgesehen von berufsvorsorgerechtlichen Beiträgen - keine Sozialversicherungsabzüge vorgenommen wurden, weiterleitete (act. G 1.4) und einen Lohnanspruch insbesondere für die Karenztage offenbar nicht anerkannte, was gegen eine Weiterbeschäftigung des Klägers bzw. stillschweigende Fortführung des Beschäftigungsverhältnisses spricht. Gegen die fehlende Auszahlung von Lohnfortzahlungsleistungen für die Karenztage opponierte der Kläger offenbar nicht, was er aber wohl getan hätte, wäre er in diesem Zeitpunkt vom Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses ausgegangen.

    7. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der B. AG aufgrund der ausdrücklich vereinbarten Befristung am

30. November 2016 endete. Dass die ehemalige Arbeitgeberin in der Folge einem Irrtum bezüglich der Wirkungen des zeitlichen Kündigungsschutzes unterlag, vermag daran nichts zu ändern und auch keine Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu begründen. Das gesundheitliche Leiden, das dem vom Kläger geltend gemachten Taggeldanspruch zugrunde liegt, trat erst im Januar 2017 («Anfang Jahr», act. G 1.20) auf. Zu diesem Zeitpunkt bestand gemäss Art. E 3 Abs. 2 AVB kein Versicherungsschutz bei der Klägerin mehr. Die Krankenmeldung an die Beklagte wurde erst am 3. April 2017 vorgenommen (act. G 1.18). Da ein Übertrittsrecht in die Einzelversicherung innerhalb von 3 Monaten nach Ausscheiden aus dem versicherten

Betrieb geltend zu machen ist (Art. E 10 Abs. 3 Satz 1 AVB), kann offenbleiben, ob die Krankmeldung als Ausübung des Übertrittsrechts im Sinn von Art. E 10 AVB

(um-)interpretiert werden könnte, weil sie ohnehin verspätet wäre.

3.

    1. Nach dem Gesagten ist die Klage vollumfänglich abzuweisen.

    2. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 114 lit. e ZPO).

    3. Der unterliegende Kläger hat ausgangsgemäss keinen Anspruch auf eine

      Parteientschädigung (Art. 106 Abs. 1 ZPO).

    4. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts hat im Bereich der Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung der obsiegende Versicherungsträger Anspruch auf eine Parteientschädigung, falls er durch einen externen Anwalt vertreten ist (Urteil des Bundesgerichtes vom 17. November 2010, 4A_194/2010, E. 2.2.1, nicht publiziert in: BGE 137 III 47; Urteil des Bundesgerichts vom 9. Januar 2001, 5C.244/2000, E. 5 mit Hinweisen). Dies ist vorliegend nicht der Fall, weshalb die Beklagte keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung hat.

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 14 des sankt-gallischen Reglements über Organisation und Geschäftsgang des Versicherungsgerichtes (OrgR; sGS 941.114)

1.

Die Klage wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.

Die Anträge der Parteien auf eine Parteientschädigung werden abgewiesen.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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