Zusammenfassung des Urteils KV 2018/6: Versicherungsgericht
Der Versicherte und seine Familie waren bei der Avenir Krankenversicherung AG versichert. Es gab Unstimmigkeiten bei den Versicherungsprämien und Kostenbeteiligungen für die Monate Januar bis Juni 2017. Der Versicherte erhielt Prämienverbilligungen für das Jahr 2017, die jedoch nicht korrekt verrechnet wurden. Trotz mehrerer Korrekturen und Mahnungen seitens der Versicherung wurden die offenen Forderungen nicht beglichen. Der Versicherte forderte die Verrechnung der Prämienverbilligungen mit den ausstehenden Beträgen. Das Gericht entschied, dass die offenen Forderungen durch die Prämienverbilligungen getilgt wurden und hob den Einspracheentscheid auf. Es wurden keine Gerichtskosten erhoben, und der Versicherte erhielt eine Parteientschädigung von Fr. 3‘000.-.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | KV 2018/6 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | KV - Krankenversicherung |
Datum: | 10.05.2019 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 64a Abs. 1, Art. 65 KVG und Art. 105b KVV. Prämienausstände. Tilgung der Ausstände durch die zugunsten des Versicherten an die Versicherung ausbezahlten Prämienverbilligungen (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 10. Mai 2019, KV 2018/6). Beim Bundesgericht angefochten. |
Schlagwörter: | Prämien; Versicherung; Prämienverbilligung; Recht; Prämienverbilligungen; Betreibung; Kostenbeteiligung; Familie; Versicherungsprämien; Rechnung; Einsprache; Verfügung; Zahlung; Forderung; Ehefrau; Tochter; Person; Einspracheentscheid; XXXXXX; Abrechnung; Betreibungs; Versicherer; Gericht; Bezug; Kanton; Höhe; Kostenbeteiligungen; Kostenbeteiligungs; Verrechnung |
Rechtsnorm: | Art. 166 ZGB ;Art. 26 ATSG ;Art. 277 ZGB ;Art. 54 ATSG ;Art. 62 KVG ;Art. 64 KVG ;Art. 64a KVG ;Art. 65 KVG ; |
Referenz BGE: | 112 V 356; 121 V 109; 125 V 276; 126 V 353; 128 V 323; 129 V 90; 130 III 321; |
Kommentar: | - |
Besetzung
Präsident Joachim Huber, Versicherungsrichterinnen Christiane
Gallati Schneider und Michaela Machleidt Lehmann; Gerichtsschreiber Markus Jakob
Geschäftsnr.
KV 2018/6
Parteien
,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Flurin Turnes, Anriststrasse 16, Postfach 19, 9423 Altenrhein,
gegen
Avenir Krankenversicherung AG, Rechtsdienst, Rue des Cèdres 5, 1920 Martigny,
Beschwerdegegnerin,
Gegenstand
Forderung
Sachverhalt
A.
Seit dem 1. September 2009 ist A. (nachfolgend: Versicherter) mit seiner Familie (Ehefrau B. und Tochter C. ) für die obligatorische Krankenpflegeversicherung bei der Avenir Krankenversicherung AG (nachfolgend: Versicherung) angeschlossen (act. G 4-2, G 4.1). Gemäss den Versicherungsausweisen 2017 wählten sie das Versicherungsmodell Basic Plus mit den Allgemeinen
Vertragsbedingungen "Ergänzende Ausführungsbestimmungen zur OPK gemäss KVG", Ausgabe: 1. April 2016 (nachfolgend: AVB; act. G 4.1).
Gemäss der Prämienabrechnung vom 21. November 2016 betrugen im Jahr 2017 die monatlichen KVG- und VVG-Prämien für den Versicherten Fr. 289.05, seine Ehefrau Fr. 358.35 und die Tochter Fr. 142.55 (act. G 4.4). Am 3. und 16. Januar 2017 erfolgten Rechnungskorrekturen bezüglich der VVG-Prämien für die Monate Januar bis März 2017. Die monatlichen Prämien der Familienmitglieder beliefen sich danach noch auf Fr. 289.05, Fr. 327.25 und Fr. 86.15, insgesamt Fr. 702.45 (act. G 4.5, G 4.7). Am 21.
Februar 2017 erfolgte eine erneute Prämienkorrektur. Der Gesamtrechnungsbetrag für die Monate Januar bis März 2017 betrug nun noch Fr. 2'046.75 (act. G 4.8). Am 6. März 2017 erfolgte die Rechnungsstellung für den Monat April 2017 in Höhe von Fr. 682.25 (Fr. 268.85, Fr. 327.25 und Fr. 86.15; act. G 4.9).
Mit Verfügung vom 31. März 2017 teilte die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen dem Versicherten mit, dass seine Familie für das Jahr 2017 Prämienverbilligungen von insgesamt Fr. 4'273.20 erhalte. Die Prämienverbilligungen würden direkt an die Versicherung überwiesen (act. G 1.5). Am 7. April 2017 verrechnete die Versicherung die zugesprochene Prämienverbilligung mit den noch nicht bezahlten Versicherungsprämien der Monate Januar bis Mai 2017 von Fr. 3'411.25 (Fr. 1'344.25, Fr. 1'636.25 und Fr. 430.75) sowie dem Monat Juni 2017 in der
Höhe von Fr. 682.25 (Fr. 268.85, Fr. 327.25 und Fr. 86.15). Die ausgewiesenen Rechnungssaldi betrugen jeweils Fr. 0.- (act. G 4.10).
Am 24. April 2017 stellte die Versicherung dem Versicherten Kostenbeteiligungen von insgesamt Fr. 44.95 für die von der Ehefrau (Fr. 39.55) und der Tochter bezogenen Leistungen (Fr. 5.42) in Rechnung (act. G 4.3).
Am 25. April 2017 annullierte die Versicherung ohne dies zu begründen die beiden Prämienrechnungen vom 7. April 2017. Bei der neuen Rechnung brachte sie von den geschuldeten Prämien für die Monate Januar bis Juni 2017 von Fr. 4'093.50 (Fr. 1'613.10, Fr. 1'963.50 und Fr. 516.90) nur noch Prämienverbilligungen im Umfang von
Fr. 2'136.60 in Abzug und wies infolgedessen einen Saldo zu ihren Gunsten von Fr. 1'956.90 aus. Zur Bezahlung setzte sie dem Versicherten eine Frist bis 31. Mai 2017 (act. G 4.11).
Mit Schreiben vom 20. Juni 2017 mahnte die Versicherung den Versicherten wegen der unbezahlten Kostenbeteiligungen von insgesamt Fr. 44.95 und erhob Mahnspesen von Fr. 10.- (act. G 4.3). Gleichentags mahnte sie die ausstehenden Versicherungsprämien von Fr. 1'956.90 und erhob ebenfalls Mahnspesen von Fr. 10.- (act. G 4.12).
Am 20. September 2017 setzte die Versicherung dem Versicherten eine Frist bis
20. Oktober 2017 zur Bezahlung der Kostenbeteiligung von Fr. 44.95 und erhob Mahnspesen von Fr. 30.- (act. G 4.3) sowie der Versicherungsprämien von Fr. 1'956.90 und erhob ebenfalls Mahnspesen von Fr. 30.- (act. G 4.13).
Am 6. November 2017 leitete die Versicherung die Betreibung gegen den Versicherten ein. Gemäss Zahlungsbefehl vom 7. November 2017, zugestellt am 10. November 2017, wurden in der Betreibung Nr. XXXXXX folgende Forderungspositionen geltend gemacht. 1. Beteiligungen KVG 02.2017: Fr. 44.95. 2. Prämien KVG 01.2017 -
06.2017: Fr. 1'956.90 nebst Zins zu 5% seit 06.11.2017. 3. Administrative Kosten: Fr.
180.-. 4. Fällige Zinsen: Fr. 42.65. Als Betreibungskosten wurden angeführt Fr. 73.30. Der Versicherte erhob Rechtsvorschlag (act. G 4.14).
Mit Verfügung vom 14. November 2017 beseitigte die Versicherung den Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. XXXXXX im Betrag von Fr. 2'181.85 (act. G 4.15).
Mit Schreiben vom 17. November 2017 informierte die Versicherung den Versicherten über die kürzlich von der kantonalen Behörde erhaltene Mitteilung, dass die Prämienverbilligung im Jahr 2017 statt wie bisher Fr. 156.55 neu Fr. 163.10 pro Monat betrage (act. G 4.16). In der Rechnung vom 17. November 2017 die Monate Januar bis Juni 2017 betreffend wurden dem Versicherten und seiner Ehefrau je Fr.
39.30 gutgeschrieben. Der ausgewiesene Gesamtsaldo zu Gunsten der Versicherung betrug damit noch Fr. 1'878.30 (act. G 4.16).
B.
In der Einsprache vom 13. Dezember 2017 beantragte der Versicherte, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Flurin Turnes, Altenrhein, die Aufhebung des Rechtsöffnungsentscheids bzw. der Verfügung betreffend Aufhebung des Rechtsvorschlages gegen den Zahlungsbefehl Nr. XXXXXX vom 14. November 2017 (act. G 1.3). Eingewendet wurde insbesondere, dass die Versicherung die erhaltenen kantonalen Prämienverbilligungen für die Familie des Versicherten nicht mit den Prämienforderungen verrechnet habe. Da die Versicherung keine Abrechnung erstellt habe, sei nicht klar, inwieweit die von der Versicherung geltend gemachten Forderungen durch die Prämienverbilligungen gedeckt seien. Gefordert wurde deshalb die Erstellung einer Gesamtabrechnung. Mit Schreiben vom 15. Januar 2018 forderte der Rechtsvertreter des Versicherten die Versicherung erneut auf, eine Gesamtabrechnung zu erstellen (act. G 1.7).
Mit Einspracheentscheid vom 20. März 2018 wies die Versicherung die vom Versicherten gegen die Verfügung erhobene Einsprache vom 13. Dezember 2017 ab und machte folgende Forderungspositionen geltend: KVG Prämien Januar bis Juni 2017: Fr. 1'956.90; KVG Kostenbeteiligung (Rechnungsnummer 370159819): Fr. 44.95; Aufforderungskosten: Fr. 90.-; Dossiereröffnungskosten: Fr. 60.-; Anzahlungen: Fr. 78.60; Total: Fr. 2'103.25 (act. G 1.1).
Mit Schreiben vom 17. April 2018 teilte die Versicherung dem Rechtsvertreter mit, dass sie sein Schreiben (Anm.: gemeint wohl dasjenige vom 15. Januar 2018, vgl. act. G 1.7) erst am 28. März 2018 erhalten habe. Ausgeführt wurde, dass sie dem Anliegen zum Erlass einer rekurrablen Verfügung nicht entsprechen könne, da keine Gründe vorlägen, die Verfügung zu wiedererwägen zu revidieren (act. G 1.6).
C.
Gegen den Einspracheentscheid der Versicherung (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) vom 20. März 2018 liess der Versicherte (nachfolgend: Beschwerdeführer) am 23. April 2018 durch seinen Rechtsvertreter Beschwerde erheben. Beantragt wurde: 1. Der Einspracheentscheid vom 20. März 2018 sei aufzuheben, 2. Es sei ein Entscheid im Sinn der Einsprache vom 12. Dezember 2017 zu erlassen. 3. Der Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zu gewähren. 4. Dem Beschwerdeführer sei die unentgeltliche Rechtspflege, sowie die unentgeltliche Rechtsverbeiständung, letzteres in der Person des unterzeichneten Anwalts, zu gewähren. 5. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge (act. G 1).
Am 24. Mai 2018 reichte die Beschwerdegegnerin die Vorakten sowie die Beschwerdeantwort ein mit dem Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen und der Einspracheentscheid vom 20. März 2018 sei zu bestätigen. Ferner beantragte sie, die Erteilung der Rechtsöffnung in der Betreibung Nr. XXXXXX (act. G 4).
Mit Schreiben vom 14. Juni 2018 teilte die Verfahrensleitung dem Versicherten mit, dass dem Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung nicht entsprochen werden könne, da es ihm aufgrund der Vermögenssituation zumutbar sei, die finanziellen Aufwendungen dieses Prozesses, bei dem bekanntlich keine Gerichtskosten anfallen, selbst zu bestreiten (act. G 6).
Mit Schreiben vom 4. Juli 2018 erläuterte der Rechtsvertreter die finanzielle Vermögenssituation des Beschwerdeführers. So handle es sich beim Vermögen des Beschwerdeführers u.a. um Guthaben auf Konten der Tochter sowie um Anlagen und Darlehen, welche in nächster Zeit nicht realisierbar seien (act. G 8; vgl. G 12: Mitteilung des Gerichts, dass der Entscheid hinsichtlich der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung zusammen mit der Hauptsache gefällt werde).
In der Replik vom 27. August 2018 hielt der Beschwerdeführer an seinen Anträgen gemäss Beschwerde vom 23. April 2018 fest (act. G 11). Gerügt wurde, dass die Beschwerdegegnerin bisher keine transparente Abrechnung erstellt habe, welche die geschuldeten Prämien, die geleisteten Zahlungen und die Prämienverbilligungen beinhalte (vgl. G 11.2 f.). Da keine gehörige Abrechnung erfolgt sei, schulde er auch keine Betreibungs- und Verfahrenskosten. Zur (früheren) Betreibung Nr. XXXXXX führte er aus, dass er die Ausstände von Fr. 2'012.35 am 23. Mai 2017 bezahlt habe (vgl. act. G 11.1). Somit seien die Prämienschulden bis August 2016 beglichen.
C.f In der Duplik vom 18. September 2018 hielt die Beschwerdegegnerin vollumfänglich an den Anträgen gemäss Beschwerdeantwort vom 25. Mai 2018 fest. Hinsichtlich des geforderten Kontoauszugs wurde auf die Replikbeilagen verwiesen. Im Weiteren wurde erklärt, dass der Streitgegenstand lediglich der mit Beschwerde angefochtene Einspracheentscheid sei. Dieser betreffe einzig die Prämienforderungen für die Familie des Versicherten von Januar bis Juni 2017 sowie eine Kostenbeteiligung (act. G 13).
C.g In der Eingabe vom 28. Februar 2019 teilte der Rechtsvertreter mit, dass die Beschwerdegegnerin weitere Konkursbegehren gegen den Beschwerdeführer gestellt habe (act. G 15).
Erwägungen
1.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sind Kostenbeteiligungs- und Prämienforderungen aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung die Monate Januar bis Juni 2017 betreffend.
Die Beschwerdegegnerin forderte ursprünglich gemäss Zahlungsbefehl vom 7.
November 2017 Fr. 2'224.50 (Fr. 44.95, Fr. 1'956.90 zuzüglich 5% Zins seit 6.
November 2017, Fr. 180.- und Fr. 42.65; vgl. act. G 4.14). Mit Verfügung vom 14. November 2017 hob die Beschwerdegegnerin den Rechtsvorschlag im Umfang von Fr. 2'181.95 auf (vgl. act. G 1.2). Mit Einspracheentscheid vom 20. März 2018 hielt die Beschwerdegegnerin an der Verfügung vom 14. November 2017 fest und forderte vom Beschwerdeführer noch die Bezahlung von Fr. 2'103.25 (Fr. 1'956.90 + Fr. 44.95 + Fr. 60.- + Fr. 120.- - Fr. 78.60) zuzüglich Verzinsung zu 5% p.a.; vgl. act. G 1.1). Der Beschwerdeführer wendete dagegen ein, dass es bedingt durch die zugesprochenen Prämienverbilligungen für das Jahr 2017 keine Ausstände im Zeitraum Januar bis Juni 2017 gebe (vgl. act. G 1, G 11).
2.
Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 1 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) legt der Versicherer die Prämien fest. Nach Art. 90 der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV; SR 832.102) sind die Prämien im Voraus und in der Regel monatlich zu bezahlen.
Die Versicherten haben sich sodann an den Kosten der für sie erbrachten Leistungen zu beteiligen. Diese Kostenbeteiligung besteht nebst dem festen Jahresbetrag (Franchise) aus 10 % der die Franchise übersteigenden Kosten (Selbstbehalt; vgl. Art. 64 Abs. 1 und 2 KVG).
Ausstehende Prämien und Kostenbeteiligungen sind gestützt auf Art. 64a Abs. 1 KVG und Art. 105b KVV zu mahnen und in Betreibung zu setzen. Dabei muss der Versicherer nach Art. 64a Abs. 1 KVG der versicherten Person, welche fällige Prämien nicht bezahlt, nach mindestens einer schriftlichen Mahnung, eine Zahlungsaufforderung zustellen, ihr eine Nachfrist von 30 Tagen einräumen und sie auf die Folgen des Zahlungsverzuges hinweisen. Bezahlt die versicherte Person trotz Zahlungsaufforderung nicht, so muss der Versicherer nach Art. 64a Abs. 2 KVG die Betreibung anheben.
Verschuldet die versicherte Person Aufwendungen, die bei rechtzeitiger Zahlung nicht entstanden wären, so kann der Versicherer angemessene Bearbeitungsgebühren erheben, sofern er in seinen allgemeinen Bestimmungen über die Rechte und Pflichten der Versicherten eine entsprechende Regelung vorsieht (Art. 105b Abs. 3 KVV). Für fällige Beitragsforderungen sind gemäss Art. 26 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) Verzugszinsen zu leisten. Der Satz für den Verzugszins auf fälligen Prämien nach Art. 26 Abs. 1 ATSG beträgt 5 Prozent im Jahr (Art. 105a KVV). Die Krankenversicherer haben die Befugnis, mit Verfügung über den Bestand ihrer Forderungen gegenüber versicherten Personen zu entscheiden und einen im Betreibungsverfahren erhobenen Rechtsvorschlag analog zu Art. 79 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG; SR 281.1) zu beseitigen (vgl. BGE 121 V 109; Art. 54 Abs. 2 ATSG).
Die Verwaltung als verfügende Instanz und - im Beschwerdefall - das Gericht
dürfen eine Tatsache nur dann als bewiesen annehmen, wenn sie von ihrem Bestehen
überzeugt sind. Im Sozialversicherungsrecht hat das Gericht seinen Entscheid, sofern das Gesetz nicht etwas Abweichendes vorsieht, nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu fällen. Die blosse Möglichkeit eines bestimmten Sachverhalts genügt den Beweisanforderungen nicht. Das Gericht folgt vielmehr jener Sachverhaltsdarstellung, die es von allen möglichen Geschehensabläufen als die wahrscheinlichste würdigt (BGE 126 V 353 E. 5b mit Hinweisen; vgl. BGE 130 III 321 E. 3.2 und 3.3).
3.
Die von der Beschwerdegegnerin in Betreibung gesetzte Forderung basiert einerseits auf der Prämienrechnung vom 25. April 2017 (bzw. der korrigierten Rechnung vom 17. November 2017) für den Versicherten, seine Ehefrau und seine Tochter für den Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2017 in der Höhe von Fr. 1'956.90 (act. G 4.11) bzw. Fr. 1'878.30 nach Abzug der zusätzlich zugesprochenen Prämienverbilligungen (vgl. act. G 4.16) und andererseits auf den beiden Kostenbeteiligungsrechnungen vom 24. April 2017 von insgesamt Fr. 44.95 (Ehefrau: Fr. 39.55, Tochter: Fr. 5.42; act. G 4.3).
Vorweg festzuhalten ist, dass vom Beschwerdeführer nicht bestritten wird, dass er und seine Familie im Zeitraum vom Januar bis Juni 2017 bei der Beschwerdegegnerin versichert waren. Die in diesem Zeitraum erhobenen Versicherungsprämien gemäss KVG von monatlich Fr. 682.25 (Beschwerdeführer Fr. 274.50, seine Ehefrau Fr. 332.90, seine Tochter Fr. 91.80, jeweils abzüglich Bundesabgaben von Fr. 5.65) und somit insgesamt Fr. 4'093.50 sind ausgewiesen und wurden vom Beschwerdeführer - im Gegensatz zu den anfänglich noch fälschlicherweise erhobenen Versicherungsprämien nach VVG - auch nie beanstandet (vgl. act. G 11). Ebenfalls unbestritten blieb der Bezug der Leistungen gemäss den beiden Kostenbeteiligungsrechnungen vom 24. April 2017 und die selbst zu tragenden Kostenanteile von insgesamt Fr. 44.95 (vgl. act. G 11). Ferner wird vom Beschwerdeführer weder behauptet noch finden sich in den
Akten Belege, dass die Versicherungsprämien für die Monate Januar bis Juni 2017 und die Kostenbeteiligungsrechnungen vom 24. April 2017 ganz zumindest teilweise bezahlt worden wären.
Auf dem Zahlungsbefehl ist als Schuldner einzig der Beschwerdeführer genannt (vgl. act. G 4.14). Die Forderungen betreffen jedoch auch die Ehefrau und die Tochter des Beschwerdeführers.
Nach Art. 163 Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB; SR 210) sorgen die Ehegatten gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie. Gemäss Art. 166 Abs. 1 ZGB vertritt jeder Ehegatte während des Zusammenlebens die eheliche Gemeinschaft für die laufenden Bedürfnisse der Familie. Art. 166 Abs. 3 ZGB bestimmt, dass sich jeder Ehegatte durch seine Handlungen persönlich verpflichtet und, soweit diese nicht für Dritte erkennbar über die Vertretungsbefugnis hinausgehen, solidarisch auch den anderen Ehegatten. Der Abschluss der Krankenpflegeversicherung und die entsprechenden Prämien gehören nach der Rechtsprechung zu den laufenden Bedürfnissen der Familie im Sinne von Art. 166 Abs. 1 ZGB (BGE 129 V 90 E. 2; Urteile des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts [EVG] vom 22. Juli 2005, K 114/03 E. 5.1, vom 10. Dezember
2003, K 89/02 E. 1.3, vom 23. Juni 2003, K 99/02, E. 4.2.2, und vom 18. Februar 2002,
K 132/01, E. 3b/bb). Für die Prämien haften die Ehegatten unabhängig vom Güterstand solidarisch (BGE 129 V 90 E. 2 f.; Urteil des EVG vom 10. Dezember 2003, K 89/02, E. 1.3). Erst mit der Aufhebung des gemeinsamen ehelichen Haushalts durch faktische richterliche Trennung endet die solidarische Haftung (Urteile des EVG vom 22. Juli 2005, K 114/03, E. 5.1, und vom 16. Dezember 2003, K 140/01, E. 3.2; Urteil des
Bundesgerichts vom 18. Januar 2017, 9C_756/2016, E. 2.1). Die Prämienzahlungspflicht der (unmündigen) Kinder ist im Rahmen der Unterhaltspflicht nach Art. 276 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 277 Abs. 1 ZGB von den Eltern wahrzunehmen. Die das obligatorische Krankenpflegeversicherungsverhältnis betreffenden Kinderprämien gehören daher ebenfalls zu den laufenden Bedürfnissen
der Familie im Sinne von Art. 166 ZGB, für welche die in gerichtlich ungetrennter Ehe lebenden Eltern solidarisch haften.
Folglich haftet der Beschwerdeführer solidarisch für die Krankenkassenprämien- und Kostenbeteiligungsforderungen, welche die Ehefrau und die minderjährige Tochter betreffen. Dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer für die unbezahlten Forderungen in Anspruch genommen hat, ist zulässig und daher nicht zu beanstanden.
4.
Nachfolgend ist zu prüfen, ob - wie vom Beschwerdeführer gelten gemacht (vgl. act. G 1, G 11) - die Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen durch Verrechnung mit den Prämienverbilligungen getilgt worden sind. Träfe dies zu, hätte die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer zu Unrecht gemahnt und betrieben.
Festzustellen ist, dass die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer bis März 2017 mehrere im Rechnungsbetrag jeweils reduzierte Abrechnungen zustellte. Die Korrekturen sind - wie von der Beschwerdegegnerin eingestanden - u.a. darauf zurückzuführen, dass selbst ein Jahr nach Kündigung der VVG-Zusatzversicherungen per 31. März 2016 dem Beschwerdeführer und seiner Familie weiterhin VVG- Versicherungsprämien in Rechnung gestellt worden waren (vgl. act. G 4-3, G 4.4 ff.).
Mit Verfügung vom 31. März 2017 wurde dem Beschwerdeführer und seiner Familie für das Jahr 2017 Prämienverbilligungen von insgesamt Fr. 4'273.20 zugesprochen (vgl. act. G 1.5). Aus den Akten ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Prämienverbilligungsverfügung nicht in Rechtskraft erwachsen wäre. In der
Folge stellte die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer am 7. April 2017 eine korrigierte Abrechnung zu. Gemäss dieser Abrechnung war der Prämiensaldo der Monate Januar bis Juni 2017 nach Verrechnung der zugesprochenen Prämienverbilligungen ausgeglichen bzw. betrug Fr. 0.- (vgl. act. G 4.10). Nur gerade zwei Wochen später stellte die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer am 25. April 2017 - ohne dies zu begründen - korrigierte Abrechnungen zu, in denen nur noch geringere Prämienverbilligungsabzüge berücksichtigt worden waren (vgl. act. G 4.11).
Gemäss Art. 65 Abs. 1 KVG gewähren die Kantone den Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligungen. Sie bezahlen den Beitrag für die Prämienverbilligung direkt an die Versicherer, bei denen diese Personen versichert sind.
Gemäss Art. 27 der kantonalen Verordnung zum Einführungsgesetz zur Bundesgesetzgebung über die Krankenversicherung (V-EG-KVG, sGS 331.111) wird die zugesprochene Prämienverbilligung den Versicherern für ein Bezugsjahr am 30. Juni am darauffolgenden Werktag ausbezahlt, wenn wie vorliegend die Prämienverbilligung vor dem 30. Juni beantragt wurde. Folglich war die Beschwerdegegnerin spätestens am 30. Juni 2017 im Besitz der zugesprochenen Prämienverbilligungen für das ganze Bezugsjahr 2017 in der Höhe von Fr. 4'273.20. Wie aus dem Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 7. November 2017 ersichtlich ist, wurde die Prämienverbilligung für das Jahr 2017 noch um Fr. 157.20 auf insgesamt Fr. 4’430.40 erhöht (vgl. act. G 4.16).
Die Prämienverbilligungen dienen somit der Bestreitung der in einem Jahr anfallenden Gesundheitskosten bzw. sie mindern die dafür aufzubringenden eigenen finanziellen Mittel. Zu den Aufwendungen der Versicherten gehören insbesondere die Versicherungsprämien, die Franchise und die Selbstbeteiligungen. Das Prämienverbilligung-System gewährt sowohl den anspruchsberechtigten Personen wie
auch den Kantonen Freiräume u.a. bei der Wahl des Versicherungsmodells den Auszahlungsmodalitäten der Prämienverbilligungen. So haben selbst Personen mit Prämienverbilligungsansprüchen das Recht, ein Versicherungsmodell zu wählen, bei dem sie sich gegen eine Prämienermässigung stärker an den Kosten gemäss Art. 64 KVG beteiligen (vgl. Art. 41 Abs. 4 und Art. 62 Abs. 1 KVG). Und die Kantone können im Rahmen der bundesrechtlichen Vorgaben die Auszahlung der Prämienverbilligungen unterschiedlich regeln (vgl. GEBHARD EUGSTER, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum KVG, Zürich 2018, Art. 65 Rz. 2 f.). Dass der Kanton St. Gallen die Prämienverbilligungen gesamthaft per Mitte eines Bezugsjahres ausbezahlt, ist vertretbar und daher nicht zu beanstanden. Dass Versicherungen die zugesprochenen Prämienverbilligungen anteilsmässig bei den monatlich erhobenen Versicherungsprämien in Abzug bringen erscheint - zumindest solange keine Ausstände vorliegen - zweckmässig, vertretbar und auch im Sinne des kantonalen Gesetzgebers zu sein. Sobald jedoch unbezahlte Prämienrechnungen Kostenbeteiligungen vorliegen, müssen die einem Versicherten in einem Bezugsjahr zugesprochenen und zu dessen Gunsten an den Versicherer überwiesenen Prämienverbilligungen gesamthaft, d.h. ohne anteilsmässige (monatliche) Beschränkung, von den Ausständen in Abzug gebracht werden, ansonsten der mit der Prämienverbilligung verfolgte Zweck - die finanzielle Entlastung von Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen - in unzulässiger Weise beschnitten bzw. beeinträchtigt würde. Dafür spricht auch die Erfahrungstatsache, dass zu Beginn eines Jahres die gesundheitsbedingten Aufwendungen der Versicherten wegen der selbst zu tragenden Franchise (Erwachsene mindestens Fr. 300.-) und des Selbstbehaltes (Erwachsene maximal Fr. 700.-, Kinder maximal Fr. 350.-; vgl. Art. 64 KVG, Art. 103 KVV) regelmässig höher sind.
Da die der Beschwerdegegnerin zugunsten des Beschwerdeführers und seiner Familie zugesprochenen Prämienverbilligungen in der Höhe von Fr. 4'273.20 spätestens per 30. Juni 2017 überwiesen worden waren - was durch die Beschwerdegegnerin denn auch nie bestritten wurde - und der Beschwerdeführer (wiederholt) die Verrechnung des Prämienverbilligungsguthabens mit den Ausständen forderte, wäre die Beschwerdegegnerin verpflichtet gewesen, eine entsprechende
Verrechnung vorzunehmen, zumal es weder im Bundesrecht noch im kantonalen Recht des Kantons St. Gallen eine Bestimmung gibt, die lediglich eine anteilsmässige Verrechnung der für ein Bezugsjahr zugesprochenen Prämienverbilligung mit den monatlich zu leistenden Versicherungsprämien zulassen würde.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass per 30. Juni 2017, dem Datum der Überweisung der Prämienverbilligung für das Bezugsjahr 2017 in der Höhe von Fr. 4'273.20, die Versicherungsprämien der Monate Januar bis Juni 2017 von Fr. 4'093.50 und die in Rechnung gestellten Kostenbeteiligungen vom 24. April 2017 von Fr. 44.95 durch Verrechnung mit den Prämienverbilligungen getilgt worden waren. Das gleiche trifft für die am 20. Juni 2017 erhobenen Mahngebühren von insgesamt Fr. 20.- zu (Fr. 10.- wegen der ausstehenden Versicherungsprämien und Fr. 10.- wegen der unbezahlten Kostenbeteiligungen). Anzumerken ist, dass die erhobenen Mahngebühren von jeweils Fr. 10.- zwar rechtens sind, da sie ihre Grundlage in Art. 3 Ziff. 1 AVB und den Ausführungsbestimmungen (vgl. act. G 4.3) haben (vgl. BGE 125 V 276). Sie sind jedoch insofern stossend, weil die Beschwerdegegnerin mit ihren zahlreichen Rechnungsstellungen und -korrekturen (vgl. Erwägung 4.2 und 4.3) nicht unwesentlich zur Unübersichtlichkeit der Lage beigetragen hat und die Mahngebührenerhebung nur wenige Tage vor dem voraussehbaren Überweisungstermin der vom Kanton zugesprochenen Prämienverbilligung erfolgte.
Da die Forderungen am 30. Juni 2017 somit getilgt waren, erfolgten die Zahlungsaufforderungen vom 20. September 2017 und die dabei erhoben Mahnspesen von insgesamt Fr. 60.- (vgl. act. G 4.3 und G 4.13) sowie die beim Betreibungsamt
D. am 6. November 2017 angehobene Betreibung (vgl. act. G 4.14) zu Unrecht. Demzufolge sind die in diesem Zusammenhang erhobenen (Mahn-, Verwaltungs- und Betreibungs-) Gebühren und Verzugszinsen nicht geschuldet.
5.
Bei dieser Ausgangslage ist die Beschwerde unter Aufhebung des angefochtenen Einspracheentscheids vom 20. März 2018 gutzuheissen und in der Betreibung Nr. XXXXXX9 des Betreibungsamtes D. ist keine Rechtsöffnung zu erteilen.
Gerichtskosten sind gemäss Art. 61 lit. a ATSG keine zu erheben.
Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 61 lit. g ATSG). Diese ist in Anbetracht des vollständigen Obsiegens auf pauschal Fr. 3‘000.- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) festzusetzen. Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung wird wegen Gegenstandslosigkeit abgeschrieben. Die Beschwerdegegnerin hat als mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraute Versicherung keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung soweit - wie vorliegend - die Prozessführung der Gegenpartei nicht als mutwillig leichtsinnig zu bezeichnen ist (vgl. BGE 128 V 323, 128 V 124 E. 5b, 126 V 143 E. 4b,118 V 150 E. 7, BGE 112 V 356).
Entscheid
im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP
1.
In Gutheissung der Beschwerde wird der Einspracheentscheid vom 20. März 2018 aufgehoben.
2.
In der Betreibung Nr. XXXXXX des Betreibungsamtes D. wird keine Rechtsöffnung erteilt.
3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4.
Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr.
3‘000.- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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