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Urteil Versicherungsgericht (SG - KV 2017/22)

Zusammenfassung des Urteils KV 2017/22: Versicherungsgericht

A. ist bei der KPT Krankenkasse AG versichert und hat einen Einspracheentscheid erhalten, der ihn zur Zahlung von Spitalbeiträgen verpflichtet. A. legte Beschwerde ein, da er angab, die Frist sei aufgrund verspäteter Zustellung des Entscheids nicht eingehalten worden. Die KPT argumentierte, die Beschwerde sei verspätet und beantragte, nicht auf die Beschwerde einzutreten. Das Gericht entschied, dass die Beschwerdefrist aufgrund der ordnungsgemässen Zustellung des Einspracheentscheids eingehalten wurde und trat nicht auf die Beschwerde ein. Der Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts KV 2017/22

Kanton:SG
Fallnummer:KV 2017/22
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:KV - Krankenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid KV 2017/22 vom 19.03.2018 (SG)
Datum:19.03.2018
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 38 f. und Art. 60 ATSG. Nichteintreten wegen verspäteter Beschwerdeerhebung bei Versand des Einspracheentscheides mit der Zustellart A-Post Plus (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 19. März 2018, KV 2017/22).
Schlagwörter: Zustellung; Recht; Einspracheentscheid; A-Post; Bundes; Eröffnung; Postfach; Verfügung; Sendung; Brief; Entscheid; Bundesgericht; Verfügungen; Frist; Urteil; Parteien; Versicherungsgericht; Beschwerdeführers; Adressat; Bundesgerichts; Empfänger; Verfahren; Krankenkasse; Sendungsverfolgung; Rechtsmittelfrist; Datum; Verfahrens; Versicherungsträger
Rechtsnorm: Art. 18 Or;Art. 34 VwVG ;Art. 38 ATSG ;Art. 39 ATSG ;Art. 55 ATSG ;Art. 60 ATSG ;
Referenz BGE:122 I 139; 122 I 97; 142 III 599;
Kommentar:
-, ATSG- 3. Aufl. Zürich, Basel, Genf, Art. 61 ATSG, 2015

Entscheid des Verwaltungsgerichts KV 2017/22

Entscheid vom 19. März 2018

Besetzung

Einzelrichter Joachim Huber; Gerichtsschreiberin Katja Meili Geschäftsnr.

KV 2017/22

Parteien

A. ,

Beschwerdeführer,

gegen

KPT Krankenkasse AG, Rechtsdienst, Postfach, 3001 Bern,

Beschwerdegegnerin,

Gegenstand Forderung Sachverhalt A.

A. ist bei der KPT Krankenkasse AG obligatorisch krankenpflegeversichert. Diese erliess am 7. November 2017 einen abweisenden Einspracheentscheid und verpflichtete den Versicherten zur Entrichtung von Spitalbeiträgen (act. G1.1).

B.

B.a Gegen den Einspracheentscheid vom 7. November 2017 richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 9. Dezember 2017 (Postaufgabe am 11. Dezember 2017). Der Versicherte (nachfolgend: Beschwerdeführer) beantragte darin dessen Aufhebung (act. G1).

    1. Mit Schreiben vom 27. Dezember 2017 teilte die Verfahrensleitung dem Beschwerdeführer mit, gemäss beigezogener Sendungsverfolgung sei der mit A-Post Plus versandte Einspracheentscheid am 8. November 2017 durch Ablage in sein Postfach zugestellt worden. Seine Beschwerde scheine verspätet erhoben worden zu sein (act. G2).

    2. In seiner Stellungnahme vom 15. Februar 2017 beantragte der Beschwerdeführer, es sei zu erkennen, dass die Beschwerdeschrift rechtzeitig eingegangen sei und das Versicherungsgericht deshalb grundsätzlich auf die Beschwerde einzutreten habe. Er machte geltend, der Einspracheentscheid sei ihm am 8. November 2017 mit A-Post Plus in sein Postfach zugestellt worden, entgegengenommen habe er ihn aber erst am

      10. November 2017. Die Rechtsmittelfrist habe am Folgetag zu laufen begonnen und am Tag der Postaufgabe seiner Beschwerde vom 11. Dezember 2017 geendet (act. G7).

    3. Die KPT (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) reichte am 12. März 2018 eine Stellungnahme ein und beantragte das Nichteintreten auf die Beschwerde; unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Sie brachte vor, massgebend für die ordnungsgemässe Eröffnung des Entscheides sei das Datum der Zustellung. Die Versandart A-Post Plus sei bei behördlichen Verfügungen und Einspracheentscheiden zulässig und die vorliegende Beschwerde verspätet erhoben worden (act. G9).

Erwägungen

1.

Streitig ist vorliegend einzig die Frage der Rechtzeitigkeit der unbestritten am 11. Dezember 2017 der Schweizerischen Post übergebenen Beschwerde. Zu prüfen ist, wann der Einspracheentscheid vom 7. November 2017 dem Beschwerdeführer rechtsgültig und damit fristauslösend eröffnet wurde. Nicht Gegenstand dieses Verfahrens sind hingegen die Leistungspflicht des Beschwerdeführers gegenüber der Beschwerdegegnerin sowie die weiteren vom Beschwerdeführer geltend gemachten formellen und materiellen Mängel des Einspracheentscheids (vgl. act. G1, G7).

2.

    1. Gemäss Art. 49 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) erlässt der Versicherungsträger seine Verfügungen schriftlich. Aus einer mangelhaften Eröffnung einer Verfügung darf der betroffenen Person kein Nachteil erwachsen (Art. 49 Abs. 3 Satz 2 ATSG). Art. 60 Abs. 1 ATSG zufolge ist die Beschwerde gegen einen Einspracheentscheid innerhalb von 30 Tagen nach der Eröffnung einzureichen, wobei die Frist am Tag nach der Zustellung zu laufen beginnt (Art. 60 Abs. 2 i.V.m. Art. 38 Abs. 1 ATSG). Eine Mitteilung, die nur gegen Unterschrift des Empfängers einer anderen berechtigten Person überbracht wird, gilt spätestens am siebenten Tag nach dem ersten erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt (Art. 38 Abs. 2bis ATSG). Die Rechtsmittelfrist ist gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist dem Versicherungsgericht eingereicht zu dessen Handen der Schweizerischen Post einer schweizerischen diplomatischen konsularischen Vertretung übergeben

      wird (Art. 60 Abs. 2 i.V.m. Art. 39 Abs. 1 ATSG). Ist der letzte Tag der Frist ein Samstag, ein Sonntag ein vom Bundesrecht vom kantonalen Recht anerkannter Feiertag, so endet sie am nächstfolgenden Werktag, wobei das Recht des Kantons massgebend ist, in dem die Partei ihre Vertretung Wohnsitz Sitz hat (Art. 38 Abs. 3 ATSG).

    2. Die Beschwerdegegnerin verschickte den Einspracheentscheid vom 7. November 2017 gleichentags per A-Post Plus. Am Mittwoch, 8. November 2017 wurde der Einspracheentscheid gemäss Sendungsverfolgung durch die Schweizerische Post in das Postfach des Beschwerdeführers gelegt (act. G1.1, G2). Soweit der Beschwerdeführer sinngemäss geltend macht, durch eine Umstrukturierung der Poststelle an seinem Wohnort könne es allenfalls sein, dass die Sendung trotz Scan durch die Post (um 06:33 Uhr, vgl. act. G2) nicht am gleichen Morgen in sein Postfach gelegt worden sei, ist dies nicht nachgewiesen.

    3. Das ATSG schreibt den Versicherungsträgern für die Eröffnung von Verfügungen nebst der Formvorschrift der Schriftlichkeit keine bestimmte Zustellart vor. Auch die Spezialgesetzgebung zu den Krankenversicherungen und das gemäss Art. 55 Abs. 1 ATSG subsidiär anwendbare Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVG; SR 172.021) enthalten keine weitergehenden Bestimmungen (vgl. Art. 34 ff. VwVG). Aus dem Schweigen des Gesetzes leitet das Bundesgericht grundsätzlich ab, dass es den Behörden freigestellt ist, auf welche Art sie ihre Verfügungen versenden (BGE 142 III 599). Die Beschwerdegegnerin hat damit die Wahl, ihre Verfügungen mit eingeschriebenem Brief, gewöhnlicher (A- B-)Post mit der hier gewählten Zustellungsart A-Post Plus zuzustellen. Für den ersten Fall besteht mit der Zustellungsfiktion gemäss Art. 38 Abs. 2bis ATSG eine klare Regelung, wann eine Postsendung spätestens als zugegangen gilt. Bei den beiden anderen Zustellungsarten wird die Briefpost bereits dadurch zugestellt, dass sie direkt in den Briefkasten ins Postfach des Adressaten eingelegt wird und damit in den Verfügungs- und Machtbereich des Empfängers gelangt. Die Verfügung gilt als eröffnet, wenn sie ordnungsgemäss zugestellt ist und der Adressat davon Kenntnis nehmen kann; dass er davon tatsächlich Kenntnis nimmt, ist nicht erforderlich (BGE 122 I 139 E. 1; 113 Ib 296

      E. 2a; für A-Post Plus: BGE 142 III 599, E. 2.1 und Urteil des Bundesgerichts vom 14. Januar 2010, 2C_430/2009, E. 2.4). Dies hat zur Konsequenz, dass Fristen bereits im

      Zeitpunkt der ordnungsgemässen Zustellung und nicht erst bei tatsächlicher Kenntnisnahme durch den Adressaten zu laufen beginnen (Urteil des Bundesgerichts vom 14. Januar 2010, 2C_430/2009, E. 2.4, mit Literaturhinweisen). Allerdings obliegt es in diesen Fällen der Behörde, den Nachweis zu erbringen, dass und an welchem Tag die Verfügung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zugestellt worden ist (vgl. BGE 122 I 97 E. 3b; 114 III 51 E. 3c und 4; UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 3. Aufl.

      Bern/St. Gallen/Zürich 2015, N 14 zu Art. 38). Im Unterschied zu herkömmlichen Postsendungen und ähnlich wie eingeschriebene Briefe sind A-Post Plus-Sendungen mit einer Nummer versehen. Anders als bei eingeschriebenen Briefpostsendungen wird aber der Empfang durch den Empfänger nicht quittiert (vgl. auch https://www.post.ch/ de/geschaeftlich/versenden-und-transportieren/briefe-inland/a-post-plus, abgerufen am 16. März 2018). Die fehlende Quittierung vermag der ordnungsgemässen Zustellung aber nicht zu schaden, da mittels elektronischer Sendungsverfolgung im Internet ("Track & Trace") die Zustellung in den Briefkasten das Postfach und damit in den Machtbereich des Adressaten nachgewiesen werden kann (Bundesgerichtsentscheide vom 14. Januar 2010, 2C_430/2009, E. 2, vom 24. Januar

      2012, 2C_570/2011 und 2C_577/2011, E. 4 und vom 13. Februar 2014, 2C_68/2014, E. 2.2). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist das elektronisch festgelegte Datum der Einlage einer A-Post-Plus-Sendung in einen Briefkasten ein Postfach für die Auslösung einer Rechtsmittelfrist verbindlich (Urteil des Bundesgerichts vom 30. April 2015, 8C_198/2015, E. 3.2 mit weiteren Hinweisen).

    4. Im angefochtenen Einspracheentscheid vom 7. November 2017 findet sich die Rechtsmittelbelehrung „Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Eröffnung beim zuständigen kantonalen Versicherungsgericht schriftlich Beschwerde eingereicht werden“ (act. G1.1). Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, diese sei unrichtig, wenn bei einer A-Post-Plus-Sendung die Frist am Folgetag der Zustellung und nicht der Eröffnung zu laufen beginne. Zustellung und Eröffnung seien nicht das Gleiche (act. G7). Wie die Beschwerdegegnerin zu Recht vorbringt (vgl. act. G9), ist für die ordnungsgemässe Eröffnung das Datum der Zustellung massgebend. Der Vorgang der Zustellung ist eine Teilhandlung des Eröffnungsvorgangs. Für die Zustellung ist – wie bereits erwähnt (vgl. E. 2.3) - eine effektive Kenntnisnahme durch den Empfänger nicht vorausgesetzt (vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgericht vom 4. März 2015, C-5306/2013, E. 4.2 und vom 9. Oktober 2014, C-1097/2014, E. 3.2). Bei

      einer Post-Sendung, insbesondere per A-Post Plus, fallen damit die Zeitpunkte der Zustellung und der Eröffnung faktisch zusammen. Die Rechtsmittelbelehrung im vorliegend angefochtenen Einspracheentscheid, welche sich an Art. 60 Abs. 1 ATSG orientiert und einer im Sozialversicherungsrecht üblichen Rechtsmittelbelehrung entspricht, ist damit weder fehlerhaft noch irreführend.

    5. Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, vorliegend gehe es um eine Geldforderung der Beschwerdegegnerin, was letztendlich in einem Rechtsöffnungsverfahren enden könne. Ein vollstreckungsfähiger Entscheid nach Art. 81 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG; SR 281.1) unterliege der eingeschränkten Empfangstheorie und sei somit mitteilungs- und empfangsbedürftig. Im Forderungsfall hätten Krankenkassen keine Wahlfreiheit der Zustellungsart (act. G7). Dem ist entgegenzuhalten, dass die Beschwerdegegnerin im angefochtenen Einspracheentscheid erst über die Pflicht des Beschwerdeführers zur Entrichtung von Spitalbeiträgen entschieden hat (act. G1.1). Die blosse Möglichkeit, dass es im weiteren Verlauf allenfalls zu einem Betreibungsverfahren hätte kommen können, bedeutet nicht, dass bei der Zustellung des Einspracheentscheids Bestimmungen des SchKG die Zustellungsvorschriften der schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO; SR 272) anwendbar gewesen wären. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesgericht selbst bei Rechtsöffnungsentscheiden durch eine Krankenversicherung entschieden hat, die sozialversicherungsrechtlichen Verfahrensregeln seien anwendbar und eine Zustellung per A-Post Plus daher zulässig (BGE 142 III 599). An dieser Rechtslage ändert auch der vom Beschwerdeführer eingereichte Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 22. Mai 2015, 93/2013/20, nichts (vgl. act. G7.2). Das später in Kenntnis der unterschiedlichen kantonalen Praxis ergangene bundesgerichtliche Urteil BGE 142 III 599 geht diesem vor (vgl. E. 2.3).

3.

    1. Der Einspracheentscheid vom 7. November 2017 wurde somit durch Ablage im Postfach des Beschwerdeführers am Mittwoch, 8. November 2017 eröffnet. Die 30- tägige Beschwerdefrist begann am 9. November 2017 und lief bis am Freitag, 8. Dezember 2017. Damit ist auf die am 11. Dezember 2017 der Post übergebene

      Beschwerde mangels Rechtzeitigkeit nicht einzutreten. Angesichts des klaren Sachverhalts und der eindeutigen Rechtslage ist von einem einfachen Fall auszugehen, der einzelrichterlich beurteilt werden kann (Art. 17 Abs. 2 Satz 4 des Gerichtsgesetzes [sGS 941.1] i.V.m. Art. 10 Abs. 2 und Art. 18 des Reglements über die Organisation und den Geschäftsgang des Versicherungsgerichts [OrgR; sGS 941.114]).

    2. Gerichtskosten sind gemäss Art. 61 lit. a ATSG keine zu erheben.

    3. Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung. Als Versicherungsträger hat die obsiegende Beschwerdegegnerin praxisgemäss keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung, da vorliegend die Prozessführung der Gegenpartei nicht als mutwillig leichtsinnig zu bezeichnen ist (vgl. UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. Zürich/Basel/Genf 2015, N 199 zu Art. 61). Ihr Antrag (act. G9) ist daher abzuweisen.

Entscheid

im Verfahren gemäss Art. 18 OrgR

1.

Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.

Der Antrag der Beschwerdegegnerin auf Ausrichtung einer Parteientschädigung wird abgewiesen.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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