Zusammenfassung des Urteils KV 2009/5: Versicherungsgericht
Zusammenfassung: Der Beschwerdeführer, ein Krankenpfleger, war bei der HOTELA Kranken- und Unfallkasse versichert. Nach verschiedenen medizinischen Diagnosen und Gutachten wurde er als arbeitsunfähig eingestuft, was zu Konflikten bezüglich seines Anspruchs auf Krankentaggeld führte. Es gab widersprüchliche Gutachten bezüglich seiner Arbeitsfähigkeit, insbesondere in Bezug auf psychische und somatische Gesundheitsprobleme wie eine frozen shoulder. Das Gericht entschied, dass die Beschwerdegegnerin den Sachverhalt nicht ausreichend abgeklärt hat und wies die Angelegenheit zur erneuten Abklärung zurück. Die Gerichtskosten wurden nicht erhoben, und die Beschwerdegegnerin wurde zur Zahlung einer Parteientschädigung von CHF 3'500.- verpflichtet.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | KV 2009/5 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | KV - Krankenversicherung |
Datum: | 09.11.2010 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 27 ATSG, Art. 72 KVG: Aufklärungspflicht der Versicherung bei "telefonischer Einsprache". Rückweisung zu weiteren psychischen und internistischen Abklärungen in Bezug auf den Zeitpunkt der Leistungseinstellung sowie auf Grund einer späteren Verschlechterung des Gesundheitszustands in somatischer Hinsicht (Verdacht auf frozen shoulder) (Entscheid der Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 9. November 2010, KV 2009/5). |
Schlagwörter: | Arbeit; Quot; Gutachten; Recht; Arbeitsunfähigkeit; Einsprache; Schmerz; Kranken; Beurteilung; Bericht; Schulter; Arbeitsfähigkeit; Abklärung; Verdacht; Taggeld; Verfügung; Hotela; Beruf; Beschwerdeführers; Einspracheentscheid; Akten; Sozialversicherung; Untersuchung; Gallen; önne |
Rechtsnorm: | Art. 27 ATSG ;Art. 6 ATSG ;Art. 61 ATSG ;Art. 72 KVG ; |
Referenz BGE: | 125 V 352; 125 V 353; 129 V 4; |
Kommentar: | Ueli Kieser, ATSG- 2. Aufl. Zürich, Art. 52 ATSG, 2009 |
Entscheid vom 9. November 2010
in Sachen M. ,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Werner Bodenmann, Waisenhausstrasse 17, Postfach, 9001 St. Gallen,
gegen
HOTELA Kranken- und Unfallkasse SHV, Rue de la Gare 18, Postfach 1251, 1820 Montreux,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Lorenz Fivian, Avenue de la Gare 1, Case postale 489, 1001 Lausanne,
betreffend Krankentaggeld Sachverhalt:
A.
Der 1950 geborene M. war im Wohn- und Pflegeheim A. als Krankenpfleger angestellt und dadurch bei der Hotela Kranken- und Unfallkasse SHV (nachfolgend: Hotela) in der kollektiven Krankentaggeldversicherung versichert (act. G 7.1/A3). Am
2. Februar 2007 musste er wegen starker vegetativer Symptome wie Schwitzen, Schwindel, Erbrechen und Blutdruckabfall notfallmässig das Spital Flawil aufsuchen (act. G 7.2/B7). Die Hotela erbrachte gestützt auf eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf der 30-tägigen Wartefrist, ab 4. März 2007, ein Krankentaggeld (act. G 7.1/A2).
Im Rahmen des Rehabilitationsaufenthalts in der Klinik Gais vom 30. April bis
26. Mai 2007 wurde eine mittelgradige depressive Episode und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Ergänzend zur komplexen Pharmakotherapie wurde dem Versicherten ein Antidepressivum verschrieben (IV- act. 15/7-10).
Am 13. September 2007 wurde der Versicherte im Auftrag der Hotela durch
Dr. med. B. , Psychiatrie/Psychotherapie FMH, begutachtet (act. G 7.1/B7). Dieser bestätigte im Gutachten vom 23. September 2007 die Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung im Rahmen diverser somatischer Grundleiden (metabolisches Syndrom, Vorhofflimmern) und einer Persönlichkeit mit anankastischen Merkmalen. Die Krankheitsentwicklung sei begünstigt worden durch Anpassungsprobleme bei Veränderung der Lebensumstände und durch Probleme in Verbindung mit der Berufstätigkeit. Differenzialdiagnostisch decke sich das aktuelle Zustandsbild weitgehend mit einem Erschöpfungssyndrom. Im angestammten Beruf
liege eine volle Arbeitsunfähigkeit vor und auch in einer angepassten Tätigkeit bestehe aktuell keine Arbeitsfähigkeit (act. G 7.2/B7 S. 11 ff.).
Die Arbeitgeberin löste das Arbeitsverhältnis mit dem Versicherten per
31. Oktober 2007 auf (act. G 7.1/A8). In der Folge trat er per 1. November 2007 von der Kollektiv- in die Einzeltaggeldversicherung über, bei einem versicherten Taggeld von Fr. 172.-- (act. G 7.1/A12).
Im Auftrag der IV-Stelle St. Gallen erfolgte am 1. November 2007 eine psychiatrische Begutachtung durch Dr. med. C. , Psychiatrie und Psychotherapie FMH. Dieser stellte die Verdachtsdiagnose einer undifferenzierten Somatisierungsstörung. Die im Austrittsbericht der Klinik Gais dokumentierte mittelgradige depressive Episode bestätigte er jedoch nicht, weil im Psychostatus keine depressiven Symptome beschrieben würden. Es sei eher von einer depressiven Anpassungsstörung auszugehen. Die gegenwärtig bestehende leichte, undifferenzierte Somatisierungsstörung habe keinen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit. Jedoch liege wegen der körperlichen Beschwerden eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit im angestammten Beruf vor; in einer körperlich leichten Tätigkeit sei der Versicherte dagegen voll arbeitsfähig (act. G 7.2/B8). Die IV-Stelle verneinte den Anspruch des Versicherten auf eine Invalidenrente gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 32% mit Verfügung vom 20. März 2009 (IV-act. 54). Während des Beschwerdeverfahrens vor dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen widerrief sie diese Verfügung jedoch durch Verfügung vom 17. Juni 2009 und kündigte weitere Abklärungen an (IV-act. 80, Präsidialentscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 10. Juli 2009, IV 2009/151).
Mit Schreiben vom 1. Februar 2008 teilte die Hotela dem Versicherten mit, dass gemäss Bestätigung ihres Vertrauensarztes im angestammten Beruf keine Arbeitsfähigkeit, in einer angepassten Tätigkeit laut medizinischem Dossier jedoch eine solche von 100% bestehe. Aus diesem Grund habe er sich nun aktiv um eine entsprechende Stelle zu bemühen. Bis zum allfälligen Stellenantritt, spätestens bis
30. April 2008 werde sie ein Übergangs-Taggeld leisten (act. G 7.1/A14). Nach Eingang des ärztlichen Zeugnisses von Dr. med. D. , Facharzt für Allgemeine Medizin FMH, der dem Versicherten eine "Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Gesetzes" von
mindestens 70% attestierte (act. G 7.1/A16, 7.2/B9), veranlasste die Hotela die Durchführung einer pluridisziplinären Begutachtung im Zentrum für Arbeitsmedizin, Ergonomie und Hygiene AG (AEH), Zürich (act. G 7.1/A17).
Im Teilgutachten vom 3. September 2008 hielt Dr. med. Dr. phil. E. , Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, Verhaltensneurologie SGVN, Versicherungspsychiatrie IMPE, aus psychiatrischer Sicht fest, beim Versicherten bestehe eine subklinische affektpathologische Zeichnung ohne Krankheitswert bei chronischer Schmerzproblematik, allenfalls im Sinn einer F45.4-Codierung (anhaltende somatoforme Schmerzstörung) bei primären und sekundären Kontextfaktoren. Es sei ihm normativ zumutbar, seiner angestammten Tätigkeit bzw. einer ausbildungsadäquaten und der körperlichen Problematik angepassten Verweistätigkeit im Umfang von 100% nachzugehen (act. G 7.2/B10). Im Gutachten des AEH vom
4. November 2008 nach Funktionsorientierter Medizinischer Abklärung (FOMA) wurde beim Versicherten nebst den bereits bekannten Herzbeschwerden mit diversen Risikofaktoren (u.a. Diabetes mellitus Typ II) ein chronisches generalisiertes Schmerzsyndrom diagnostiziert, bei Wirbelsäulenveränderungen (Kopfprotraktion, verstärkte BWS-Kyphose, abgeflachte LWS-Lordose; Zeichen der Haltungsinsuffizienz und Dekonditionierung), Fersensporn (aktuell ohne charakteristische Druckdolenzen), einer Periarthropathia-humeroscapularis-Komponente sowie aktuell einem vordergründig dysfunktionalen Schmerz- und Krankheitsverhalten/ Symptomausweitung. In Bezug auf die Zumutbarkeitsbeurteilung könne auf Grund der ausgeprägten Selbstlimitierung, einer erheblichen Symptomausweitung und Inkonsistenz in den Belastbarkeitstests auf die Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit (EFL) nicht abgestellt werden. Medizinisch-theoretisch sei dem Versicherten eine körperlich leichte Arbeit mit Wechselbelastung und entsprechenden Limiten aber ganztags zumutbar; die angestammte Tätigkeit als Krankenpfleger erachteten die Ärzte zu 50% (sechsstündiges Arbeitspensum mit Leistungsminderung) für zumutbar (act. G 7.2/B11).
Nach Einholung einer vertrauensärztlichen Beurteilung durch Dr. med. F. , FMH für Rechtsmedizin, (act. 7.1/A23), hielt die Hotela mit Verfügung vom 4. Februar 2009 an der Einstellung des Krankentaggelds am 30. April 2008 fest. Gestützt auf das AEH-
Gutachten sei dem Versicherten ab 1. Mai 2008 eine körperlich leichte, an seine Leiden
angepasste Tätigkeit ganztags zumutbar (act. G 7.1/A29). B.
Gegen diese Verfügung wehrte sich der Versicherte am 5. Februar 2009 telefonisch bei der Hotela (act. G 7.1/A30). Diese teilte ihm am 20. März 2009 mit, dass die Verfügung vom 4. Februar 2009 nun unangefochten in Rechtskraft erwachsen sei (act. G 7.1/A33). Mit Brief vom 23. März 2009 machte der Versicherte dagegen geltend, er sei rechtzeitig mündlich gegen die Verfügung vorgegangen. Ausserdem sei seine 100%ige Arbeitsunfähigkeit auch gemäss Beurteilung von Dr. med. G. , Oberarzt Orthopädie, ausgewiesen (act. G 7.1/A34). Mit Schreiben vom 2. April 2009 anerkannte die Hotela die Eingabe des Versicherten vom 23. März 2009 als Einsprache (act. G 7.1/ A35).
Mit Entscheid vom 24. April 2009 wies die Hotela die Einsprache des Versicherten mit der Begründung ab, dass vorliegend auf das AEH-Gutachten abzustellen sei. Demgegenüber komme den Berichten der Dres. D. und G. keine weitergehende Bedeutung zu, da sowohl die Schulterproblematik als auch die Fersenbeschwerden im AEH-Gutachten berücksichtigt worden seien. Zudem decke sich das AEH-Gutachten im Ergebnis mit den Gutachten von Dr. C. und Dr. B. (act. G 7.1/A36).
C.
Gegen diesen Einspracheentscheid richtet sich die von Rechtsanwalt lic. iur. Werner Bodenmann, St. Gallen, mit Eingabe vom 25. Mai 2009 für den Versicherten erhobene Beschwerde. Der Rechtsvertreter beantragt die Aufhebung des Einspracheentscheids sowie die Erbringung weiterer Krankentaggelder ab Mai 2008. Ausserdem sei dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Prozessführung unter Einsetzung des Unterzeichneten als Rechtsbeistand zu gewähren; unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (act. G 1). In der ergänzenden Begründung vom 16. Juni 2009 verwies er auf den Bericht von Dr. G. vom 6. Januar 2009, worin neu der dringende Verdacht auf eine "frozen shoulder" rechts geäussert worden sei. Diese Verschlechterung sei nach den medizinischen Untersuchungen durch das AEH
aufgetreten und darum im Gutachten nicht genügend berücksichtigt worden. Die Schulterbeschwerden hätten aber ohne Zweifel Auswirkungen auf die Leistungs- und Bewegungsfähigkeit des Beschwerdeführers gehabt, weshalb das Krankentaggeld über den 30. April 2008 hinaus zu leisten sei (act. G 3).
Mit Beschwerdeantwort vom 18. September 2009 beantragte der Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin, Rechtsanwalt Jean-Michel Duc, Lausanne, die Abweisung der Beschwerde. In verfahrensmässiger Hinsicht seien sämtliche Arzt- und Verlaufsberichte von Dr. G. zu edieren, eventualiter seien diese dem Zentrum für Arbeitsmedizin, Ergonomie und Hygiene AG (AEH) zur Beurteilung und Stellungnahme zu unterbreiten. Dem AEH-Gutachten komme in der vorliegenden Streitsache volle Beweiskraft zu; insbesondere seien die Schulterbeschwerden umfassend berücksichtigt worden. Betreffend den von Dr. G. gestellten Verdachtsdiagnosen einer Rotatorenmanschettenruptur und einer "frozen shoulder" sei der weitere Verlauf jedoch nicht erstellt, weshalb entsprechende Arztberichte einzufordern und allenfalls den AEH-Gutachtern zur Stellungnahme zu unterbreiten seien (act. G 7).
Mit Replik vom 12. Oktober 2009 hielt der Beschwerdeführer an seinen Rechtsbegehren fest. Entgegen den Vorbringen der Beschwerdegegnerin verlangte er die Rückweisung der Angelegenheit zu weiteren Abklärungen, da es nicht Sache des Gerichts, sondern der Beschwerdegegnerin sei, Gutachten einzuholen (act. G 9).
Am 20. Oktober 2009 bewilligte der Präsident des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen das Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung durch Rechtsanwalt Werner Bodenmann (act. G 13).
Die Beschwerdegegnerin hielt mit Duplik vom 21. Oktober 2009 an ihren
Rechtsbegehren fest (act. G 14).
Das Versicherungsgericht zog die Akten der Invalidenversicherung (IV-act.) betreffend den Beschwerdeführer bei (act. G 18). Mit Eingabe vom 8. September 2010 nahm Rechtsanwalt lic. iur. Lorenz Fivian, Lausanne, im Namen der Beschwerdegegnerin zu den Akten Stellung (act. G 22).
Auf die einzelnen Vorbringen in den Rechtsschriften und die medizinischen Akten
wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen. Erwägungen:
1.
Gemäss Art. 52 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) kann gegen Verfügungen innerhalb von 30 Tagen bei der verfügenden Stelle Einsprache erhoben werden. Art. 10 Abs. 3 der Verordnung über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSV; SR 830.11) konkretisiert, dass die Einsprache wahlweise schriftlich bei persönlicher Vorsprache mündlich erhoben werden kann. Wird die Einsprache mündlich vorgebracht, hat der Versicherungsträger sie zu protokollieren und das Protokoll dem Einsprecher bzw. seinem Rechtsvertreter zur Unterzeichnung vorzulegen (Art. 10 Abs. 4 ATSV). Die für den Einsprecher relevanten Anforderungen dieser Bestimmungen hat die Beschwerdegegnerin korrekt in der Rechtsmittelbelehrung auf Seite 3 der Verfügung vom 4. Februar 2009 wiedergegeben (act. G 7.1/A29). Dennoch nahm der Beschwerdeführer am 5. Februar 2009 (act. G 7.1/30) zuerst selber und am 10. März 2009 vertreten durch seinen Sohn (act. G 7.1/32) telefonisch mit der Beschwerdegegnerin Kontakt auf. Dabei machte er bereits im Telefongespräch vom 5. Februar 2009 geltend, dass er die Verfügung auf Grund seiner diversen Krankheitsbeschwerden nicht akzeptiere. Ausserdem sei ihm eine Arbeitstätigkeit unmöglich. Ob die verordnungsmässig festgelegten formellen Anforderungen an die mündliche Einsprache gesetzmässig sind (vgl. in diesem Zusammenhang: Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. Zürich 2009, N 20 zu Art. 52), kann hier offen bleiben.
Wären sie es, hätte es die Beschwerdegegnerin jedenfalls entgegen ihrer Aufklärungspflicht nach Art. 27 Abs. 1 ATSG unterlassen, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass eine telefonische "Einsprache" nicht genüge. Demzufolge durfte der Beschwerdeführer darauf vertrauen, dass seine Einsprache korrekt erfolgt und er zur Betätigung weiterer Schritte an keine Fristen mehr gebunden war. Mit dem Eintreten auf die schriftliche Einsprache vom 23. März 2009 ist die Pflichtverletzung der Beschwerdegegnerin jedoch als geheilt zu betrachten. Folglich ist auf die rechtzeitig
erfolgte Beschwerde vom 25. Mai 2009 gegen den Einspracheentscheid vom 24. April
2009 einzutreten.
2.
Nach der Rechtsprechung stellt das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung einer Streitsache auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheids (hier 24. April 2009) eingetretenen Sachverhalt ab (BGE 129 V 4
E. 1.2 und 129 V 169 E. 1, je mit Hinweis). Allfällige Veränderungen des Gesundheitszustands nach diesem Zeitpunkt sind im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht mehr zu berücksichtigen.
3.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegnerin einen Anspruch des Beschwerdeführers auf Krankentaggelder ab dem 1. Mai 2008 zu Recht abgelehnt hat.
Gemäss Art. 72 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) haben die Kassen im Rahmen der freiwilligen Taggeldversicherung für eine mehrere Erkrankungen während mindestens 720 Tagen innerhalb von 900 Tagen ein Taggeld zu leisten. Der Taggeldanspruch entsteht, wenn die versicherte Person mindestens zur Hälfte arbeitsunfähig ist (Art. 72 Abs. 2 KVG in Verbindung mit Art. 6 ATSG). Bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit wird ein entsprechend gekürztes Taggeld während der in Art. 72 Abs. 3 KVG vorgesehenen Dauer geleistet (Art. 72 Abs. 4 KVG). Das Reglement der Beschwerdegegnerin (Ausgabe 2005; act. G 17) gibt diese Bestimmungen in den Art. 18 und 19 wieder. Vertraglich wurde eine Wartefrist von 30 Tagen vereinbart (act. 7.1/A12). Nach Art. 6 ATSG wird der Begriff der Arbeitsunfähigkeit definiert als die durch eine Beeinträchtigung der körperlichen geistigen Gesundheit bedingte, volle teilweise Unfähigkeit, im bisherigen Beruf Aufgabenbereich zumutbare Arbeit zu leisten. Bei langer Dauer ist auch die zumutbare Tätigkeit in einem anderen Beruf Aufgabenbereich zu berücksichtigen (Satz 2). Dabei ist der versicherten Person eine angemessene Anpassungszeit von 3 bis 5 Monaten einzuräumen (Urteile des Eidgenössischen Versicherungsgerichts [EVG, seit
1. Januar 2007: Sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts] vom 14. Oktober
2004 i/S M. [K 10/04] E. 2.2 mit Hinweis, vom 11. Juli 2005 i/S R. [K 43/05] E. 1.3). Nach Ablauf dieser Anpassungszeit hängt der Taggeldanspruch sodann davon ab, ob und wie sich die Verwertung der Restarbeitsfähigkeit auf den krankheitsbedingten Erwerbsausfall im bisherigen Beruf und auf den damit zusammenhängenden Taggeldanspruch auswirkt (vgl. Urteil des EVG vom 11. Juli 2005 i/S R. [K 43/05] E. 1.3
i.V.m. Urteil des EVG vom 10. August 2004 i/S M. und S. [K121/03] E. 4.2.1).
Für das gesamte Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Danach haben Versicherungsträger und Sozialversicherungsgericht die Beweise frei, d.h. ohne Bindung an förmliche Beweisregeln, sowie umfassend und pflichtgemäss zu würdigen. Für das Beschwerdeverfahren bedeutet dies, dass das Sozialversicherungsgericht alle Beweismittel, unabhängig davon, von wem sie stammen, objektiv zu prüfen und danach zu entscheiden hat, ob die verfügbaren Unterlagen eine zuverlässige Beurteilung des streitigen Rechtsanspruchs gestatten. Insbesondere darf es bei einander widersprechenden medizinischen Berichten den Prozess nicht erledigen, ohne das gesamte Beweismaterial zu würdigen und die Gründe anzugeben, warum es auf die eine und nicht auf die andere medizinische These abstellt.
Hinsichtlich des Beweiswerts eines Arztberichts ist entscheidend, ob der Bericht für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen des Experten begründet sind. Ausschlaggebend für den Beweiswert ist grundsätzlich somit weder die Herkunft des Beweismittels noch die Bezeichnung der eingereichten in Auftrag gegebenen Stellungnahme als Bericht Gutachten (vgl. BGE 125 V 352 E. 3.a mit Hinweisen).
4.
Der Beschwerdeführer wurde durch drei grundsätzlich "versicherungs- und patientenunabhängige" externe Gutachter psychiatrisch abgeklärt. Dabei kam der erste Psychiater Dr. B. in seinem Gutachten vom 23. September 2007 zum Schluss, dass
der Beschwerdeführer gestützt auf die Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD-10: F45.4) im Rahmen diverser somatischer Grundleiden und auf dem Boden einer Persönlichkeit mit anankastischen Merkmalen als diplomierter Krankenpfleger zu 100% arbeitsunfähig und jegliche Erwerbstätigkeit vorderhand undenkbar sei. Zwar sei die Beschäftigung an einem geschützten Arbeitsplatz aus medizinischer Sicht sinnvoll, jedoch sei dazu eine längere psychotherapeutische Vorarbeit erforderlich (act. G 7.2/B7). Zur Frage, ob der Beschwerdeführer über ausreichende Ressourcen verfüge, die psychische Problematik letztlich zu überwinden, äussert sich das Gutachten aber nicht. Dr. C. dagegen ging in seinem Gutachten vom 26. November 2007 nicht davon aus, dass die Arbeitsfähigkeit aus psychiatrischen Gründen beeinträchtigt werde. Als Diagnose ohne Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit nannte er einen Verdacht auf leichte undifferenzierte Somatisierungsstörung (ICD10: F45.0). Der Beschwerdeführer habe sich nach dem Verlust der Tagesstruktur ab dem 2. Februar 2007 einerseits vermehrt auf seine körperlichen Symptome fixiert und andererseits sei es sehr glaubhaft zur Entwicklung einer depressiven Anpassungsstörung gekommen. Während seines stationären Aufenthalts im Spital Flawil vom 2. bis 8. Februar 2007 sei ein Verdacht auf anhaltende somatoforme Schmerzstörung gestellt worden, weil einerseits keine körperlichen Ursachen für den Schwächeanfall gefunden worden seien und sich der Beschwerdeführer andererseits über unklare Fersenschmerzen beidseits beschwert habe. Im Austrittsbericht der Klinik Gais über die Hospitalisation vom 30. April bis 26. Mai 2007 sei die gleiche Diagnose dokumentiert, wobei die Krankheitsentwicklung (er habe über körperliche Beschwerden, v.a. in Form von Schmerzen in den Beinen, die sich zunehmend generalisiert hätten, sowie begleitende vegetative Symptome geklagt) auch eher auf eine undifferenzierte Somatisierungsstörung hindeute. Da im Psychostatus keine depressiven Symptome beschrieben worden seien, könne die dort dokumentierte mittelgradige depressive Episode nicht bestätigt werden. Die beschriebene Psychopathologie rechtfertige eher die Diagnose einer depressiven Anpassungsstörung (ICD-10: F43.20). Während seiner Exploration am 1. November 2007 sei der Beschwerdeführer in psychopathologischer Hinsicht abgesehen von einer Einengung auf die diversen körperlichen Beschwerden ganz unauffällig gewesen. Er verneine anamnestisch auch selber eine Depression, Schlafstörungen soziale Isolation und könne problemlos Autofahren, was auf eine erhaltene Psychomotorik, die
Fähigkeit zum schnellen Handeln und normale mnestische Funktionen hindeute. Deswegen könne er gegenwärtig aus psychiatrischer Sicht nur eine leichte undifferenzierte Somatisierungsstörung diagnostizieren, die jedoch keine Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit habe. Die regelmässig eingenommene antidepressive Therapie mit täglich 20mg Cipralex sei als schmerzdistanzierend zu verstehen (act. G 7.2/B8). Da Dr. C. auf Grund der in seinem Bericht dokumentierten Aktenlage (vgl. act. G 7.2/B8
S. 2 f.) über das Gutachten von Dr. B. nicht informiert war, fehlt es in seinen Ausführungen auch an einer Auseinandersetzung mit dieser doch beträchtlich von seiner Stellungnahme abweichenden psychiatrischen Beurteilung. Eine diese Widersprüche erklärende Auslegung kann sodann auch dem Gutachten von Dr. E. nicht entnommen werden. Vielmehr weicht Dr. E. ebenfalls von den vorangehenden Beurteilungen ab (mit der Ausnahme, dass die Höhe der zumutbaren Arbeitsfähigkeit trotz Unkenntnis des Berichts von Dr. C. mit dessen Einschätzung übereinstimmt). Zudem bezeichnet er den Bericht der Klinik Gais vom Juni 2007 und denjenigen von Dr. B. vom September 2007 als "falsch" bzw. "nicht verwertbar". Zur Begründung verweist er hinsichtlich des Berichts der Klinik Gais auf dessen eigene psychopathologische Darstellung, welche allerhöchstens einer leichtgradigen dysthymen Beeinträchtigung entspreche. Der gutachterlichen Darstellung von Dr. B. hingegen fehle es an einer eingehenden, schlüssigen Psychopathologie in allen relevanten Modalitäten und einer nachfolgenden, plausiblen versicherungsmedizinischen Begründung und Auseinandersetzung mit dem Begriff der Arbeitsunfähigkeit bzw. der "Zumutbarkeit". Die von Dr. B. gezogenen Schlüsse seien objektiv nicht plausibel und a priori. Die beschriebene "leichte alexithyme Verarbeitung" könne zwar bestätigt werden, sie gelte aber weder als absolute Limitierung noch habe sie Krankheitswert (act. G 7.2/B10).
Gutachten sind so zu formulieren, dass sie für die rechtsanwendenden Stellen verständlich sind und eine nachvollziehbare Formulierung der medizinischen Überlegungen enthalten (Ueli Kieser, Die rechtliche Würdigung von medizinischen Gutachten, in: René Schaffhauser/ Franz Schlauri [Hrsg.], Rechtsfragen der medizinischen Begutachtung in der Sozialversicherung, St. Gallen 1997, S. 143 f.; Rudolf Rüedi, Erwartungen des Sozialversicherungsrichters an den Arzt, in: Gabriela Riemer Kafka, Medizinische Gutachten, 2005, S. 80). Die Beurteilung von Dr. E. liegt zwar angesichts seiner Untersuchungen vom 27. Mai 2008 am nächsten zum Zeitpunkt
der strittigen Taggeldeinstellung und es wäre auch hinsichtlich der Grundlagen sowie des Ausführungs- und Untersuchungsumfangs grundsätzlich auf sie abzustellen. Seine Ausführungen betreffend die Herleitung der Diagnosen sind jedoch in einer Sprache abgefasst, die es selbst für gestandene Sozialversicherungsrichterinnen und Sozialversicherungsrichter, die sich seit Jahren tagtäglich mit der Materie intensiv zu befassen haben und demzufolge nicht leichthin als psychiatrische Laien bezeichnet werden können, weitgehend verunmöglicht, deren Inhalt zu verstehen. Insbesondere führte Dr. E. zur medizinisch-theoretischen Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers aus, dass die heutige psychiatrische Exploration neben der klinisch blanden Momentaufnahme des Beschwerdeführers auch keine strukturtypischen Dispositionen pathologischen Ausmasses habe eruieren können, welche als relevante Limitierung für einen normtheoretischen Heilverlauf ("versicherungsmedizinisches Zumutbarkeitsparadigma im Sinn der Zumutbarkeit der Willensanstrengung zur Überwindung eines Leidens") aufzuführen wären: Die prämorbide Persönlichkeitsdisposition des Beschwerdeführers sei gemäss eigener Befundlage nicht vulnerabel, jedoch hinsichtlich Affektdifferenzierung- und -wahrnehmung (OPD-2) erheblich limitiert. Die nach versicherungsmedizinschen Kriterien geforderte klinisch- objektive Schweregradbeurteilung impliziere heute medizinisch-theoretisch bei höchstens milder, dysthymer Affektpathologie eine volle Berufsfähigkeit. Eine erheblich psychisch-psychiatrische Komorbidität zur vorliegenden, "weitgehend" glaubhaften Schmerzproblematik, wahlweise auch im Sinn einer F45.4-Codierung sei aktuell nicht eruierbar. Auch die kriterienlogische Beurteilung der medizinisch-psychiatrischen Arbeitsfähigkeit nach heute anerkannten Modellen (u.a. unter Berücksichtigung bzw. Ausschluss medizinalfremder Faktoren als exogene, sekundäre psychosoziale und normalpsychologische, reaktive Belastungsfaktoren, Dekonditionierungsmechanismen, sekundärer Krankheitsgewinn, Migrationsproblematik) ergebe eine 0%ige Arbeitsunfähigkeit: Die psychopathometrischen Befunde (Schweregrad der klinischen Psychopathologie) würden das vergleichbare Spektrum einer "subaffektiven Störung dysthymer Ausprägung" nicht übersteigen. Klinisch bestünden keine Hinweise für berufsrelevante psychopathologische Defizite. Auch aus verhaltensneurologischer Sicht sei (norm)theoretisch für ausbildungsadäquate Tätigkeiten von einer subklinischen Einschränkung ohne Berufsrelevanz auszugehen. Vor dem Hintergrund dieser gutachterlich festgestellten klinischen Schweregradbeurteilung sei es dem
Beschwerdeführer aus psychiatrischer Sicht normativ zumutbar, seiner angestammten Tätigkeit bzw. einer ausbildungsadäquaten und der körperlichen Problematik angepassten Verweistätigkeit im Umfang von 100% nachzugehen (act. G 7.2/B10, S. 9). Das psychiatrische Gutachten von Dr. E. enthält zwar zahlreiche theoretischen Ausführungen, beantwortet jedoch nicht, weshalb Dr. B. diametral dazu von einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit und Dr. C. wiederum ebenfalls, jedoch mit anderer Begründung von einer 0%igen Arbeitsunfähigkeit ausging. Demgegenüber äussert es sich zu Fragen, die grundsätzlich durch das Gericht und nicht durch den Psychiater zu beantworten wären (wie beispielsweise die Frage der Überwindbarkeit einer psychischen Störung nach den Vorgaben der höchstrichterlichen Praxis - vgl. act.
G 7.2/B10, S. 9). Damit ist das Gutachten von Dr. E. weder inhaltlich umfassend noch nachvollziehbar, weshalb nicht darauf abgestellt werden kann. Nachdem in der Folge auf Grund der widersprüchlichen übrigen Aktenlage nachvollziehbare Aussagen zum psychischen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers fehlen, ist die Sache zur erneuten Abklärung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.
5.
Im Bericht vom 11. Juli 2007 hielt der Hausarzt Dr. D. fest, dass ein metabolisches Syndrom und Hypertonie bei Adipositas, familiärer Belastung und Vorhofflimmern zu einer Belastungseinbusse geführt hätten. Im Rahmen des Diabetes mellitus komme es zu Schmerzen im Bereich beider Beine, im Rahmen der depressiven Episode zu einer somatoformen Schmerzstörung mit ungewissem Ausgang. In Bezug auf die Frage der zumutbaren Arbeitsfähigkeit befand Dr. D. , dass eine den Beschwerden angepasste Leistung im Pflegesektor zwar zuerst gefunden werden müsste, diese aber doch möglicherweise ganztags zu 100% ausgeübt werden könnte (Beilage zu act. G 7.2/B7). Beim AEH-Gutachten vom 4. November 2008 bezüglich der Untersuchungsergebnisse vom 10. und 11. April 2008 handelt es sich um eine Funktionsorientierte Medizinische Abklärung, welche ein strukturiertes Interview, eine klinische Untersuchung, eine angepasste Form der Evaluation der arbeitsbezogenen funktionellen Leistungsfähigkeit (EFL) sowie die Beurteilung der vorliegenden bildgebenden Untersuchungen und Akten umfasst. Die Gutachter hielten fest, dass auf Grund der ausgeprägten Selbstlimitierung des Beschwerdeführers und eines Abbruchs bei den meisten Tests keine Beobachtungen zu funktionellen körperlichen Limiten
hätten gemacht werden können. Sie attestierten daher relativ rudimentär und ohne Durchführung einer auf Grund der Herz- und Diabeteserkrankung ebenfalls erforderlichen internistischen Abklärung, lediglich aus medizinisch-theoretischer Sicht mit Hinweis auf eine Berücksichtigung der Komorbidität (Herzerkrankung), der Wirbelsäulenfehlform, der Schulterproblematik, der vermutlich unter Belastung wieder verstärkten Fussproblematik und der dort vorliegenden Dekonditionierung in der angestammten Tätigkeit als Krankenpfleger eine 50%ige Arbeitsunfähigkeit im Sinn eines auf sechs Stunden reduzierten Arbeitsumfangs und zusätzlicher Leistungsminderung v.a. beim Transfer von Patienten und bei der Fortbewegung. Eine körperlich leichte Tätigkeit mit der Möglichkeit der Wechselbelastung, der Einschränkung der maximal und selten zu hebenden Gewichte, seltenem vorgeneigtem Stehen (bis 30min während eines 8-Stunden-Arbeitstags) und seltenem Arbeiten über Kopf (bis 30min während eines 8-Stunden-Arbeitstags) sei dem Beschwerdeführer demgegenüber ganztags zumutbar (act. G 7.2/B11). Wie die neu auf 50% festgelegte Arbeitsfähigkeit im angestammten Beruf jedoch genau zu Stande gekommen ist, bleibt unklar. Demgegenüber war Dr. D. in seinem Schreiben vom 25. Februar 2008 (act. G 7.2/B9) noch zum Schluss gekommen, dass beim Beschwerdeführer von einer mindestens 70%igen Arbeitsunfähigkeit auszugehen sei, was jedoch eher ausser Acht gelassen werden kann, da es dieser Einschätzung einerseits an einer Begründung fehlt und andererseits auch der Tatsache Rechnung getragen werden sollte, dass Hausärzte mitunter im Hinblick auf ihre auftragsrechtliche Vertrauensstellung in Zweifelsfällen eher zu Gunsten ihrer Patienten aussagen (BGE 125 V 353 E. 3b/cc mit Hinweisen). Schliesslich ist aber festzuhalten, dass die IV-Stelle den Versuch zur beruflichen Wiedereingliederung nur aufgab, weil der Beschwerdeführer selbst die einfachsten Tätigkeiten wie die Verteilung von Medikamenten die Tätigkeit als Lieferwagenchauffeur für nicht mehr zumutbar bzw. möglich erachtete (IV-act. 28 und 29).
Wenn auch das Argument des Beschwerdeführers, Dr. G. habe Ende 2008 neu die Verdachtsdiagnose einer "frozen shoulder" erhoben, für sich allein die Beweiskraft des AEH-Gutachtens nicht in Frage stellt und diesbezüglich vielmehr nachfolgend zu prüfen bleibt, ob und seit wann allenfalls beim Beschwerdeführer eine
massgebliche Verschlechterung des somatischen Gesundheitszustands eingetreten ist, kann unter obigen Aspekten für den Zeitpunkt der Taggeldeinstellung nicht vom
Vorliegen umfassender, nachvollziehbarer und in sich schlüssiger Gutachtensergebnisse ausgegangen werden. Demzufolge ist auf das AEH-Gutachten ebenfalls nicht abzustellen.
Daraus ergibt sich, dass gestützt auf die vorliegenden medizinischen Akten die Höhe der Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit per 1. Mai 2008 nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nicht festgestellt werden kann. Folglich ist die Sache zur umfassenden psychischen und somatischen Abklärung sowie zur anschliessenden Neuverfügung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen (vgl. Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. Zürich 2009, N. 62 zu Art. 61 ATSG).
6.
In somatischer Hinsicht unterliegen schliesslich auch die Berichte der behandelnden Orthopäden, welche innerhalb des für das vorliegende Verfahren massgeblichen Zeitraums - das heisst bis zum Erlass des Einspracheentscheids am
24. April 2009 - eine Verschlechterung des Gesundheitszustands des Beschwerdeführers beschreiben, einer Prüfungspflicht (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 9. Oktober 2007 i/S M. [P 35/06] E. 2.3 mit Hinweisen).
Mit Bericht vom 16. Oktober 2008 äusserte Dr. G. den dringenden Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenruptur rechts (SSC und SSP) bei chronischem Impingement, symptomatischer AC-Gelenksarthrose und Bicepstendinopathie mit Verdacht auf Luxation der langen Bicepssehne (act. G 7.2/B12). Gestützt auf das MRI vom 30. Oktober 2008 (act. G 7.2/B13) hielt Dr. G. am 6. Januar 2009 erstmals den dringenden Verdacht auf eine frozen shoulder rechts fest (schmerzhafte Schultersteife, vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Frozen_Shoulder, Abfrage vom 25. August 2010). Im Weiteren bestätigte er seine früheren Diagnosen und führte aus, dass die zunehmende Einsteifung der Schulter vereinigt mit vermehrter Schmerzhaftigkeit auffallend sei. Im Fall einer sich verbessernden Beweglichkeit und einem Rückgang der Schmerzhaftigkeit sei eine operative Sanierung angezeigt. Seit der Erstkonsultation am
15. Oktober 2008 bestehe bis auf Weiteres eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit (act. G
7.2/B14).
Trotz dieses ärztlichen Berichts vom 16. Oktober 2008 stellt sich die Beschwerdegegnerin auf den Standpunkt, dass die Schulterproblematik im AEH- Gutachten bereits genügend berücksichtigt worden sei (act. G 1.1). Zudem habe sich der von Dr. G. geäusserte Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenruptur im Nachhinein wohl nicht erhärtet und es sei nicht bekannt, ob eine frozen shoulder bestätigt worden sei (act. G 7). Wie jedoch aus den IV-Akten hervorgeht, wurde der Verlauf in der Orthopädie des Spitals Wil laufend dokumentiert. So hielt auch Dr. med. I. , Oberärztin Orthopädie des Spitals Wil, nach Untersuchung vom 2. März 2009 mit Hinweis auf die Beurteilung von Dr. G. , fest, dass die weiterführenden starken Schmerzen mit Schultersteife dem dringenden Verdacht einer frozen shoulder rechts entspreche und weiterhin eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit bestehe (IV-act. 84/10 f.). Im Bericht vom 27. April 2009 bezüglich der Untersuchung vom 22. April 2009 ging die Orthopädin sodann auf Grund der sich bessernden Beweglichkeit von einer sich lösenden frozen shoulder aus. Dennoch empfahl sie weiterhin eine Schonung und Schmerzvermeidung und attestierte bis zur nächsten Konsultation in sechs bis acht Wochen eine volle Arbeitsunfähigkeit (IV-act. 84/8 f.).
Sowohl bei der Rotatorenmanschettenruptur als auch bei der frozen shoulder handelt es sich um degenerative Erkrankungen im Schulterbereich, die zu einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung führen und unter der Sammelbezeichnung Periarthropathia humeroscapularis zusammengefasst werden (Pschyrembel, 262. Aufl. Berlin 2010, Einträge zu "Rotatorenmanschettenruptur" S. 1814, "frozen shoulder" S. 695 und "Periarthropathia humeroscapularis" S. 1579). Eine "Periarthropathia- humeroscapularis-Komponente" wurde beim Beschwerdeführer zwar bereits im Rahmen der AEH-Begutachtung diagnostiziert und berücksichtigt (act. G 7.2/B11, S. 2), gemäss den Ausführungen von Dr. G. , dass die zunehmende Steifigkeit der Schulter vereinigt mit vermehrter Schmerzhaftigkeit auffallend sei (act. G 7.2/B14), ist jedoch von einem progredienten Krankheitsverlauf auszugehen. Dass sich der Zustand der rechten Schulter erheblich verändert hatte, lässt sich auch der Stellungnahme von Dr. H. vom RAD St. Gallen vom 16. Juni 2009 entnehmen (IV-act. 76). Dieser hielt fest, dass die Beweglichkeit der rechten Schulter bei einer glenohumeralen Abduktion von 45° im Januar 2009 im Vergleich zu früher - gemäss AEH-Gutachten vom 4.
November 2008 war das passive Bewegungsausmass im April 2008 noch
"normal" (act. G 7.2/B71 S. 6) - eine deutliche Verschlechterung erfahren hatte. Er ging
gestützt auf den Bericht von Dr. G. vom 6. Januar 2009 sowie die Tatsache, dass eine frozen shoulder retraktile Kapsulitis typischerweise bei Personen mit Diabetes vorkommen würden, zweifellos vom Eintritt der geäusserten Verdachtsdiagnose bzw. eines neuen medizinischen Problems aus. Damit ist vorliegend mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit von einer massgebenden Verschlechterung des somatischen Gesundheitszustands des Beschwerdeführers ab 15. Oktober 2008 bis sicher zum Zeitpunkt des Einspracheentscheids vom 24. April 2009 auszugehen. Den weiteren Verlauf hat die Beschwerdegegnerin auf Grund der ihr obliegenden Abklärungspflicht selbständig zu prüfen.
Aus den vorliegenden Akten geht schliesslich nicht hervor, ob sich die festgestellte 100%ige Arbeitsunfähigkeit nur auf die angestammte auch auf eine leidensangepasste Tätigkeit bezieht. Zur Abklärung der konkreten Höhe der Arbeitsunfähigkeit in angepasster Tätigkeit auf Grund der spätestens ab 15. Oktober 2008 eingetretenen Schulterbeschwerden ist die Sache daher ebenfalls an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Damit erübrigt sich der Antrag der Beschwerdegegnerin zur Edition weiterer Arzt- und Verlaufsberichte.
7.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Beschwerdegegnerin den Sachverhalt im Zeitpunkt der Leistungseinstellung nicht hinreichend abgeklärt hat. Die Einholung eines polydisziplinären Gutachtens, das u.a. auch eine internistische Beurteilung sowie eine klare und aussagekräftige psychiatrische Einschätzung beinhaltet hätte, wäre notwendig gewesen. Zudem ist beim Beschwerdeführer spätestens ab dem 15. Oktober 2008 eine Verschlechterung des somatischen Gesundheitszustands ausgewiesen. Wie hoch die Arbeitsunfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit zu diesem Zeitpunkt jedoch konkret war und wie lange sie dauerte, ist ebenfalls durch die Beschwerdegegnerin zu eruieren. Folglich ist der Einspracheentscheid vom 24. April 2009 in dem Sinn aufzuheben, dass die Angelegenheit zu weiteren Abklärungen und zur Neuverfügung über den Taggeldanspruch an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen ist.
Nach dem Gesagten wird die Beschwerde dahingehend gutgeheissen, dass der Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin vom 24. April 2009 aufzuheben und die Sache zur weiteren Abklärung im Sinn der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen ist. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG). Gemäss Art. 61 lit. g ATSG hat die obsiegende Beschwerde führende Partei hingegen Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Streitsache, der Schwierigkeit des Prozesses und der eingereichten Rechtsschriften rechtfertigt es sich, die Parteientschädigung auf pauschal Fr. 3'500.-- (inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer) festzulegen.
Demgemäss hat das Versicherungsgericht entschieden:
Die Beschwerde wird dahingehend gutgeheissen, dass der Einspracheentscheid vom 24. April 2009 aufgehoben und die Angelegenheit zu weiteren Abklärungen im Sinn der Erwägungen und neuer Verfügung an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen wird.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer mit Fr. 3'500.-- (inkl.
Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu entschädigen.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung wird als gegenstandslos
abgeschrieben.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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