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Urteil Verwaltungsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:K 2004/4
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid K 2004/4 vom 22.03.2005 (SG)
Datum:22.03.2005
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Oeffentliches Dienstverhältnis, Art. 80 VRP (sGS 951.1), Art. 82 Abs. 2 und Art. 83 StVG (sGS 140.1). Art. 80 VRP sieht für das Klageverfahren die sachgemässe Anwendung der Bestimmungen über die Beschwerde vor. Wo diese keine spezifischen Normen enthalten und es im öffentlich-rechtlichen Klageverfahren als typischem Zweiparteienverfahren angezeigt ist, sind die zivilprozessualen Normen sachgemäss anzuwenden. Ein Parteiwechsel ist im öffentlich-rechtlichen Klageverfahren grundsätzlich zulässig. Der zu Unrecht entlassene Mitarbeiter ist wieder in seine Funktion einzusetzen. Er hat die Möglichkeit, bei einer rechtswidrigen Kündigung auf dem Anfechtungsweg die Wiederbeschäftigung zu erstreiten oder eine Entschädigung geltend zu machen.Im öffentlichen Dienstrecht ist eine Verlängerung der Probezeit unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes zulässig (Verwaltungsgericht, K 2004/4)
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 335 OR ; Art. 335b OR ; Art. 336 OR ; Art. 336a OR ; Art. 336c OR ; Art. 342 OR ; Art. 343 OR ;
Referenz BGE:109 II 449;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Oeffentliches Dienstverhältnis, Art. 80 Abs. 1 VRP (sGS 951.1), Art. 82 Abs. 2 und Art. 83 StVG (sGS 140.1). Art. 80 Abs. 1 VRP sieht für das Klageverfahren die sachgemässe Anwendung der Bestimmungen über die Beschwerde vor. Wo diese keine spezifischen Normen enthalten und es im öffentlich-rechtlichen Klageverfahren als typischem Zweiparteienverfahren angezeigt ist, sind die zivilprozessualen Normen sachgemäss anzuwenden. Ein Parteiwechsel ist im öffentlich-rechtlichen Klageverfahren grundsätzlich zulässig.

Der zu Unrecht entlassene Mitarbeiter ist wieder in seine Funktion einzusetzen. Er hat die Möglichkeit, bei einer rechtswidrigen Kündigung auf dem Anfechtungsweg die Wiederbeschäftigung zu erstreiten oder eine Entschädigung geltend zu machen.

Im öffentlichen Dienstrecht ist eine Verlängerung der Probezeit unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes zulässig (Verwaltungsgericht, K 2004/4)

Urteil vom 22. März 2005

Anwesend: Vizepräsidentin Dr. E. Oesch-Frischkopf; Verwaltungsrichter Dr. B. Heer, lic. iur. A. Rufener; Ersatzrichter lic. iur. J. Diggelmann; lic. iur. D. Gmünder Perrig; Gerichtsschreiber lic. iur. Th. Vögeli

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In Sachen

S. H.,

Klägerin,

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X. und

Kantonale Arbeitslosenkasse, Davidstrasse 21, 9001 St. Gallen,

Hauptbeteiligte, gegen

Spitalregion Linth, Spital Linth, 8730 Uznach, Beklagte,

betreffend

Forderung aus öffentlich-rechtlichem Angestelltenverhältnis hat das Verwaltungsgericht festgestellt:

  1. ./ S. H. wurde per 1. April 2004 vom Spital Linth als Mitarbeiterin im Reinigungsdienst eingestellt. Die Einzelheiten der Anstellung ergeben sich aus zwei Anstellungsbestätigungen des Spitals Linth vom 8. März und vom 26. April 2004. Als Lohn wurde eine Einstufung in die Klasse 4 / Stufe 4 gemäss den kantonalen Dienst- und Besoldungsvorschriften festgelegt (Jahresbesoldung Fr. 39'618.80 inkl. 13. Monatsgehalt, ohne allfällige Zulagen). Der Beschäftigungsgrad betrug gemäss der Anstellungsbestätigung vom 8. März 2004 90 % und gemäss jener vom 26. April 2004 100 %. Die ersten drei Monate galten als Probezeit. In dieser konnte das Anstellungsverhältnis gegenseitig unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 14 Tagen jederzeit aufgelöst werden. Nach Ablauf der Probezeit sollte die Kündigungsfrist drei Monate betragen.

    Da die Arbeitgeberin mit der Qualität der Arbeit von S. H. nicht zufrieden war und diese zudem Mühe bekundete, sich in die Gruppe der anderen Reinigungsmitarbeiter zu integrieren, lud sie sie am 29. Juni 2004 zu einem klärenden Gespräch ein, dessen Inhalt in einem von den Beteiligten unterzeichneten Schreiben festgehalten wurde. Dabei vereinbarten die Parteien die Verlängerung der Probezeit um drei Monate bis 30. September 2004. S. H. wurde zudem darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Qualität ihrer Arbeit verbessern muss und dass sie sich besser in die Gruppe zu integrieren hat.

    Mit Verfügung vom 15. September 2004 löste das Spital Linth das Anstellungsverhältnis mit S. H. per 30. September 2004 auf. Zur Begründung machte die Arbeitgeberin geltend, trotz wiederholten Gesprächen und der Verlängerung der Probezeit erfülle S. H. die an sie gestellten Anforderungen nicht. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

  2. ./ Am 5. November 2004 reichte S. H. durch ihren Rechtsanwalt Teilklage gegen das Spital Linth ein. Sie beantragt, die Beklagte sei zu verpflichten, ihr den Oktoberlohn von

    Fr. 3047.60 abzüglich Sozialabzüge von Fr. 226.35, vorerst Fr. 2821.25, zu bezahlen. Die Beklagte sei zudem zu verpflichten, ihr eine Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung von vorläufig mindestens zwei Monatslöhnen zu bezahlen, und das Nachklagerecht sei vorbehalten; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Beklagten. Zur Begründung brachte die Klägerin vor, die Verlängerung der Probezeit vom 30. Juni 2004 um drei Monate sei unzulässig und somit widerrechtlich. Im Zeitpunkt der Kündigung sei sie schwanger gewesen, weshalb die Kündigung nichtig sei. Die Kündigung sei zudem missbräuchlich, da sie allein dazu diene, ihre Lohnansprüche zu vereiteln.

    Am 18. November 2004 reichte das Spital Linth seine Klageantwort ein. Es beantragte, die Klage sei abzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Es machte im wesentlichen geltend, die Klage sei bereits deshalb abzuweisen, weil die Klägerin von der Möglichkeit, die Auflösungsverfügung vom 15. September mittels Rekurs anzufechten, keinen Gebrauch gemacht habe. Im Rahmen öffentlicher Anstellungsverhältnisse sei das Verbot, Probeanstellungen über drei Monate zu verlängern, nicht anwendbar. Die Parteien hätten sich zudem einvernehmlich über die Verlängerung der Probezeit geeinigt. Hätte die Probezeit nicht verlängert werden können, so hätte das Spital der Klägerin gekündigt. Es sei rechtsmissbräuchlich, sich nun auf die Unzulässigkeit der Vereinbarung zu berufen. Da die Probezeit im Zeitpunkt der Kündigung noch gelaufen sei, sei die Kündigung trotz Schwangerschaft zulässig gewesen.

    Mit Schreiben vom 18. November 2004 teilte die Kantonale Arbeitslosenkasse mit, dass sie sich am Prozess als Hauptpartei beteiligen werde. Zur Begründung führte sie aus, sie werde der Klägerin Leistungen erbringen und damit in Anwendung von Art. 29 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (SR 837.0, abgekürzt AVIG) in die strittige Lohnforderung eintreten. Über die genaue Höhe der Arbeitslosenentschädigung werde sie das Gericht vor einem allfälligen Gerichtstermin informieren.

    In ihrer Replik vom 30. November 2004 hielt die Klägerin an ihrem Rechtsbegehren fest. Sie betonte nochmals, die Probezeit hätte nicht verlängert werden dürfen. Sie dürfe nicht schlechter gestellt werden als privatrechtlich angestellte Personen, zumal sie als Mitarbeiterin der Reinigungsdienste keine hoheitliche Funktion ausgeübt habe.

    Die Arbeitslosenkasse reichte keine Replik ein.

    Das Spital Linth verzichtete mit Schreiben vom 13. Januar 2005 auf eine Duplik. Darüber wird in Erwägung gezogen:

    1. ./ a) Das Verwaltungsgericht prüft die Sachurteilsvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 80 Abs. 1 und Art. 64 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1, abgekürzt VRP).

      1. Bei der Kündigung von öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen besteht ein Dualismus von Anfechtungs- und Klageverfahren. Während die Rechtmässigkeit der Kündigung grundsätzlich im Anfechtungsverfahren zu prüfen ist, steht für die vermögensrechtlichen Aspekte der Kündigung das Klageverfahren zur Verfügung (vgl. Art. 79bis VRP;

        Cavelti/Vögeli, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen, St. Gallen 2003, Rz. 1147 ff.; GVP 1995 Nr. 3).

        Das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien ist öffentlich-rechtlicher Natur. Das Spital Linth in Uznach ist gemäss Art. 1 Abs. 2 lit. c des Grossratsbeschlusses über die Schaffung von Spitalverbunden (sGS 320.20) das einzige Spital eines der vier kantonalen Spitalverbunde. Diese sind selbständige öffentlich-rechtliche Anstalten (Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Spitalverbunde, sGS 320.2). Beim Begehren der Klägerin um Bezahlung des Lohnes für den Monat Oktober 2004 sowie einer Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung handelt es sich um eine vermögensrechtliche Forderung. Das Verwaltungsgericht ist somit zur Beurteilung der Klage grundsätzlich zuständig.

      2. Die Klageschrift entspricht im weiteren den gesetzlichen Anforderungen (Art. 80 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 64 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 1 VRP).

    2. ./ Mit Schreiben vom 18. November 2004 teilte die Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen mit, sie beteilige sich in Anwendung von Art. 53 Abs. 2 des Zivilprozessgesetzes (sGS 961.2, abgekürzt ZPG) als Hauptpartei am Prozess. Sie sei gemäss Art. 29 AVIG

      in die strittige Lohnforderung eingetreten und werde der Klägerin unter diesem Titel Leistungenerbringen.

      1. Gemäss Art. 53 Abs. 2 ZPG ist ein Parteiwechsel ohne Einvernehmen der Parteien zulässig, wenn der Streitgegenstand während des Prozesses veräussert wird und der Erwerber in den Prozess eintritt. Unter Veräusserung ist nicht nur die rechtsgeschäftliche Übertragung des Streitgegenstandes (z.B. durch Verkauf, Schenkung, Zession) zu verstehen, sondern auch ein Übergang auf dem Weg der Legalzession (Leuenberger/Uffer-Tobler, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, Bern 1999, Art. 53 N 4; GVP 1994 Nr. 52).

      2. Art. 80 VRP verweist bezüglich der anwendbaren Verfahrensnormen auf die Beschwerde. Beim Beschwerdeverfahren handelt es sich jedoch um ein Anfechtungsverfahren. Deshalb sind auch die zivilprozessualen Verfahrensbestimmungen sachgemäss anzuwenden, wo dies im öffentlich-rechtlichen Klageverfahren als typischem Zweiparteienverfahren angezeigt ist und das Beschwerdeverfahren keine spezifischen Normen enthält. Nachdem die Vorschriften über die Beschwerde keine Bestimmungen über den Parteiwechsel enthalten, ist Art. 53 ZPG analog anzuwenden.

      3. Gemäss Art. 29 Abs. 2 AVIG tritt die Arbeitslosenkasse mit der Zahlung von Arbeitslosenentschädigung in die Lohn- und Entschädigungsansprüche ein, die dem Arbeitnehmer gemäss Art. 11 Abs. 3 AVIG gegenüber dem Arbeitgeber zustehen. Es handelt sich um eine Legalzession, die sich auf allfällige Lohnansprüche oder auf Entschädigungsansprüche wegen vorzeitiger Kündigung des Arbeitsverhältnisses bezieht (vgl. Art. 11 Abs. 3 AVIG). Soweit die Kantonale Arbeitslosenkasse der Klägerin Leistungen als Ersatz für den strittigen Oktoberlohn erbracht hat, ist sie damit als Hauptpartei anstelle der Klägerin in den Prozess eingetreten. Nicht als Partei zu behandeln ist sie jedoch in Bezug auf das Rechtsbegehren um Zusprechung einer Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung. Eine derartige Entschädigung hat primär pönalen Charakter und soll den missbräuchlich entlassenen Arbeitnehmer für die erlittene Ungerechtigkeit, nicht aber für den Arbeitsausfall entschädigen. Die Kantonale Arbeitslosenkasse kann deshalb in eine allfällige, der Klägerin zustehende

        Entschädigungsforderung im Sinne von Art. 336a Abs. 1 des Schweizerischen Obligationenrechts (SR 220, abgekürzt OR) nicht eintreten.

      4. Die Kantonale Arbeitslosenkasse hat entgegen ihren Ausführungen keine Angaben über allfällig erbrachte Leistungen gemacht. Auch hat sie nach der Erklärung über ihre Beteiligung am Prozess auf eine Replik verzichtet. Fehlt der Nachweis über erbrachte Leistungen, so erweist sich ihre Klage als unbegründet.

    3. ./ Die Beklagte erachtet das Begehren der Klägerin als unzulässig, weil sie es unterlassen habe, gegen die Auflösung des Angestelltenverhältnisses zu rekurrieren.

      1. Unbestritten ist, dass die Klägerin gegen die Auflösung des Angestelltenverhältnisses nicht rekurriert hat. Sie äusserte zwar wiederholt ihre Bereitschaft zur Weiterführung der Arbeit, liess aber die gesetzliche Rekursfrist ungenutzt verstreichen.

      2. Gemäss Art. 342 OR bleiben die Vorschriften des Bundes, der Kantone und Gemeinden über das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis vorbehalten. Die Bestimmungen des OR sind damit grundsätzlich auf öffentlich-rechtliche Angestelltenverhältnisse wie dasjenige zwischen Klägerin und Beklagter nicht anwendbar. Indessen ist es möglich, dass die Normen des OR kraft statischer oder dynamischer Verweisung in einem öffentlich-rechtlichen Erlass zu öffentlichem Recht des betreffenden Gemeinwesens werden. Wo solche Verweise fehlen und das öffentliche Recht eine Lücke aufweist, die nicht durch analoge Anwendung anderer öffentlich-rechtlicher Normen gefüllt werden kann, ist die analoge Anwendung der Vorschriften des OR in Betracht zu ziehen. Darüber hinaus werden die Normen des OR zuweilen als Minimal Standards verstanden, als minimale Schutzvorschriften, die vom öffentlichen Dienstrecht nicht unterschritten werden dürfen (vgl. M. Bertschi, Auf der Suche nach dem einschlägigen Recht im öffentlichen Personalrecht. Das Heranziehen ergänzend anwendbarer Normen, besonders des Obligationenrechts, in: ZBl 105/2004,

        S. 617 ff. mit zahlreichen Hinweisen).

        Die in einem öffentlich-rechtlichen Erlass vorgenommene Verweisung auf Bundeszivilrecht macht dieses zum öffentlichen Recht des betreffenden

        Gemeinwesens und ist nach dessen Regeln anzuwenden und auszulegen (T. Poledna, Annäherungen ans Obligationenrecht, in: Personalrecht des öffentlichen Dienstes, Bern 1999, S. 213). Allerdings ist das Gemeinwesen auch dann nicht im selben Mass frei wie ein Privater. Insbesondere ist der Staat selbst dort, wo er im Rahmen seiner öffentlichen Aufgaben privatrechtlich auftritt, an die verfassungsmässigen Grundrechte gebunden. Somit kann die Verweisung eines öffentlich-rechtlichen Erlasses auf das Einzelarbeitsvertragsrecht zum vornherein nur dazu führen, dass dieses in modifizierter Form zur Anwendung gelangt. Dabei geht es darum, dass insbesondere die Grundsätze der Gesetzmässigkeit, des öffentlichen Interesses, der Verhältnismässigkeit, der Rechtsgleichheit, des Willkürverbotes und des Vertrauensschutzes bei der Anwendung einzelarbeitsvertraglicher Bestimmungen beachtet werden müssen (Poledna, a.a.O., S. 220).

      3. Grundsätzlich ist ein zu Unrecht entlassener Mitarbeiter wieder in seine Funktion einzusetzen. Eine ausdrückliche Bestimmung, wonach einem zu Unrecht Entlassenen anstelle der Weiterbeschäftigung lediglich eine Abgangsentschädigung zu leisten ist, kennt die st. gallische Gesetzgebung auch nach dem Erlass des Staatsverwaltungsgesetzes (sGS 140.1, abgekürzt StVG) nicht (vgl. GVP 1995 Nr. 3 bezüglich der früheren Ordnung). Indes bestimmt Art. 83 StVG, dass bei der Auflösung von Angestelltenverhältnissen die obligationenrechtlichen Bestimmungen sachgemäss angewendet werden, soweit durch Verordnung keine weitergehenden Kündigungsschutzbestimmungen vorgesehen sind.

      4. Die Regelung, wonach ein zu Unrecht Entlassener wieder in seine Funktion einzusetzen ist, erweist sich in der Praxis häufig als problematisch. Zum einen ist das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Zuge der Auseinandersetzungen oftmals derart gestört, dass eine weitere Zusammenarbeit mit Blick auf das öffentliche Interesse am Funktionieren der Verwaltung wenig sinnvoll und den Beteiligten auch kaum zumutbar ist. Ein Einsatz an einem anderen Ort in der Verwaltung ist nur selten möglich (Poledna, a.a.O., S. 230). Es wird deshalb häufig im Interesse des Arbeitnehmers liegen, nicht die Weiterbeschäftigung, sondern lediglich die Bezahlung einer Entschädigung anzustreben, was auch der vorliegende Fall zeigt.

        Aufgrund dieser Überlegungen entschied das Verwaltungsgericht, dass Art. 336a OR kraft des Verweises von Art. 83 StVG im öffentlichen Dienstrecht insofern analog anzuwenden ist, als der Arbeitnehmer unter Berufung auf eine missbräuchliche Kündigung grundsätzlich die Wahl hat, auf dem Anfechtungsweg die Weiterbeschäftigung zu erstreiten oder eine Entschädigung von maximal sechs Monatslöhnen geltend zu machen (VerwGE vom 26. August 2003 i.S. E.Z.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Verzicht des Arbeitnehmers auf die Anfechtung der Kündigung und die Rechtskraft der entsprechenden Verfügung der Beschreitung des Klagewegs und Geltendmachung einer Entschädigung unter Berufung auf die Missbräuchlichkeit der Kündigung nicht entgegenstehen. Der betroffene Arbeitnehmer kann auch unter Verzicht auf eine Anfechtung direkt den Klageweg beschreiten (vgl. E.

        M. Jud, Besonderheiten öffentlichrechtlicher Dienstverhältnisse nach schweizerischem Recht, insbesondere deren Beendigung aus nichtdisziplinarischen Gründen, Diss. St. Gallen 1975, S. 294 f.). Im weiteren ist klar, dass das Gemeinwesen sich nicht wie ein privater Arbeitgeber durch Zahlung einer Entschädigung eines Arbeitnehmers entledigen kann, wenn hierfür keine sachlichen Gründe vorliegen. Insbesondere ist der öffentliche Arbeitgeber bei der Auflösung des Dienstverhältnisses an die allgemeinen verfassungsrechtlichen Prinzipien gebunden (VerwGE vom 23. August 2003 i.S. E.Z. mit Hinweis auf Poledna, a.a.O., S. 230; P. Richli, Öffentliches Dienstrecht im Zeichen des New Public Management, Bern 1996, S. 101 ff.).

      5. Somit ist festzuhalten, dass sich die Klägerin hinsichtlich der geltend gemachten Missbräuchlichkeit der Kündigung analog auf die Tatbestände von Art. 336 OR berufen kann. Sollte sich ergeben, dass die Kündigung den vorstehend beschriebenen Anforderungen nicht genügt, kann sie in sachgemässer Anwendung von Art. 336a OR zudem eine Entschädigung beanspruchen. Im folgenden ist deshalb die Rechtmässigkeit der ausgesprochenen Kündigung zu prüfen.

    4. ./ Die Klägerin macht geltend, die Verlängerung der Probezeit sei unzulässig gewesen, weshalb die Kündigung rechtswidrig gewesen sei.

      1. Gemäss Art. 82 StVG kann das Angestelltenverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten auf das Ende eines Kalendermonates gekündigt werden. Vorbehalten bleibt die Kündigung aus wichtigem Grund (Abs. 1). Während der

        Probezeit beträgt die Kündigungsfrist vierzehn Tage (Abs. 2). Art. 83 StVG bestimmt sodann, dass betreffend den Kündigungsschutz die Bestimmungen des OR sachgemäss angewendet werden, soweit durch Verordnung keine weitergehenden Kündigungsschutzbestimmungen vorgesehen sind.

      2. Der privatrechtliche Kündigungsschutz schützt Arbeitnehmer und Arbeitgeber einerseits vor missbräuchlich ausgesprochener Kündigung durch die jeweils andere Partei (Art. 336 - 336b OR), sowie - nach Ablauf einer allfälligen Probezeit - vor einer Kündigung zur Unzeit (Art. 336c - 336d OR). Während die Rechtsfolge einer missbräuchlichen Kündigung grundsätzlich ein Anspruch auf eine durch den Richter unter Würdigung aller Umstände festzusetzende Entschädigung ist (Art. 336a OR), ist eine zur Unzeit ausgesprochene Kündigung nichtig und entfaltet damit keinerlei Wirkung (Art. 336c Abs. 2 OR).

      3. Die Kündigung während der Probezeit ist insofern erleichtert, als - wie oben bereits erwähnt - die Bestimmungen über den Schutz vor Kündigung zur Unzeit keine Anwendung finden. Um eine Umgehung der Kündigungsschutzbestimmungen zu verhindern, verbietet Art. 335b Abs. 2 OR die Vereinbarung bzw. nachträgliche Verlängerung der Probezeit auf mehr als drei Monate. Das Einverständnis des Arbeitnehmers mit einer mehr als drei Monate betragenden Probezeit hindert ihn nicht, diese später anzufechten (BGE 109 II 449).

      4. Die Klägerin macht geltend, Art. 335b Abs. 2 OR, wonach für Probezeiten eine Höchstdauer von drei Monaten seit Stellenantritt gilt, finde auch auf ihr Anstellungsverhältnis Anwendung, weshalb die Probezeit Ende Juni 2004 ausgelaufen, deren Verlängerung unzulässig und somit widerrechtlich sei.

        Aus der Fussnote zu Art. 83 StVG geht hervor, dass sich der Verweis auf die Art. 336 ff. OR bezieht, also auf die unter dem Titel "Kündigungsschutz" zusammengefassten Bestimmungen von Art. 336 - 336d OR. Sachgemäss anwendbar in öffentlich- rechtlichen Dienstverhältnissen sind damit in jedem Fall die Vorschriften über den Schutz vor missbräuchlicher Kündigung sowie, unter dem Vorbehalt, dass sich das Angestelltenverhältnis nicht mehr in einer Probezeit befindet, die Vorschriften über den Schutz vor Kündigung zur Unzeit. Nicht unmittelbar anwendbar auf öffentlich-rechtliche

        Angestelltenverhältnisse sind jedoch mangels Verweises die Vorschriften, welche die Probezeit betreffen (insbesondere Art. 335b OR).

        Das kantonale Recht enthält keine ausdrückliche Regelung über die Verlängerung der Probezeit. Zu prüfen ist daher, ob Art. 335b Abs. 2 OR, der die Probezeit auf maximal drei Monate begrenzt und eine Verlängerung ausschliesst, analog anzuwenden ist.

        Die privatrechtliche Regelung findet ihre Begründung darin, dass es insbesondere dem Arbeitgeber nicht möglich sein soll, auf dem Umweg einer langen Probezeit die Bestimmungen über den Kündigungsschutz, insbesondere über den Schutz vor Kündigung zur Unzeit (Art. 336c f. OR), zu umgehen (vgl. M. Rehbinder, Berner Kommentar, Bern 1992, Art. 335b N 2; ders., Basler Kommentar, Basel 1996, Art. 335b N 1).

        Die Verlängerung der Probezeit kann indes auch im Interesse des Arbeitnehmers liegen, dies insbesondere dann, wenn seine bisherigen Arbeitsleistungen objektiv den Anforderungen nicht genügten. Art. 86 Abs. 1 StVG sieht im übrigen vor, dass durch Vertrag eine von den allgemeinen Regeln abweichende Regel getroffen werden kann, wenn die Umstände es rechtfertigen. Aufgrund des Verhältnismässigkeitsprinzips kann bei Dienstverhältnissen anstelle der Entlassung als mildere Massnahme die Verlängerung der Probezeit zweckmässig sein und auch im Interesse des Angestellten liegen. Die Verlängerung der Probezeit gilt im öffentlichen Dienst-recht im übrigen als allgemein geübte Praxis (vgl. ZBl 91/1990 S. 229 mit Hinweis). Unter diesen Umständen rechtfertigt sich eine analoge Anwendung von Art. 335 OR nicht.

      5. Entscheidend fällt in Betracht, dass die Klägerin die an sie gestellten Anforderungen nicht erfüllt hat. Aus der von der Klägerin mitunterzeichneten Zusammenfassung des Mitarbeitergesprächs vom 29. Juni 2004 geht hervor, dass ihre Arbeitsleistung bezüglich der Qualität schwere Mängel aufwies, dass sie sich insbesondere nicht immer an den Reinigungsplan hielt, gewisse Reinigungsarbeiten nur widerwillig ausführte und auch nach Monaten mit den Reinigungsabläufen nicht vertraut geworden war. Zudem trug ihr Verhalten in der Gruppe zu Schwierigkeiten mit den anderen Mitarbeitern bei. Diese Mängel werden von der Klägerin denn auch nicht bestritten.

        Es ist nachvollziehbar, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis nur unter der Voraussetzung einer verlängerten Probezeit weiterführen wollte. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Beklagte die Probezeit in irgend einer Weise missbräuchlich, allein unter Ausnutzung der Tatsache, dass sich die Klägerin in der wirtschaftlich schwächeren Position befand, verlängerte. Die Verlängerung der Probezeit war vielmehr allein in der mangelhaften Arbeitsleistung der Klägerin begründet. Zudem hat sich die Beklagte mehrfach bemüht, die Klägerin auf die Unzulänglichkeiten ihrer Arbeitsleistung hinzuweisen und ihr unmissverständlich erklärt, welche Verhaltensänderungen sie von ihr erwartet. Das Vorgehen der Beklagten ist unter diesen Umständen als Entgegenkommen zu werten. Sie hat sich im Sinne des Verhältnismässigkeitsprinzips für eine mildere Massnahme als die Kündigung entschieden, obwohl eine solche unzweifelhaft ebenfalls rechtmässig gewesen wäre. Die einmalige, im Einverständnis mit der Klägerin vereinbarte Verlängerung der Probezeit war unter diesen Umständen zulässig.

      6. Ist somit davon auszugehen, dass die Verlängerung der Probezeit zulässig war und sich das Anstellungsverhältnis damit im Zeitpunkt der Kündigung in der Probezeit befand, so gelangen die Vorschriften von Art. 336c f. OR über den Schutz vor Kündigung zur Unzeit zum Vornherein nicht zur Anwendung. Die Kündigung war damit trotz bestehender Schwangerschaft der Klägerin zulässig. Da die Kündigungsfrist während laufender Probezeit lediglich 14 Tage betrug (Art. 82 Abs. 2 StVG), ist die am

      15. September 2004 per Ende September ausgesprochene Kündigung wirksam geworden.

    5. ./ Zu prüfen bleibt im folgenden, ob für die Auflösung des Angestelltenverhältnisses ein sachlicher Grund vorlag.

      1. Das st. gallische Recht enthält keine Regelung über die materiellen Anforderungen an

        eine Kündigung. Indes ist in Lehre und Rechtsprechung unbestritten, dass Kündigungen, welche gemäss Obligationenrecht missbräuchlich wären, im öffentlichen Dienstrecht als willkürlich im Sinne von Art. 9 der Bundesverfassung (SR 101) zu gelten haben (M. Michel, Beamtenstatus im Wandel, Diss. Zürich 1998, S. 299; ZBl 96/1995,

        S. 384 f.). Gestützt auf den Verweis von Art. 83 StVG ist Art. 336 OR sachgemäss anwendbar. Die Gründe, die zur Kündigung Anlass geben, müssen von einem gewissen Gewicht sein. Allerdings ist nicht erforderlich, dass sie die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als unzumutbar erscheinen lassen; es reicht aus, wenn die Weiterbeschäftigung des betreffenden Arbeitnehmers dem öffentlichen Interesse, insbesondere demjenigen an einer gut funktionierenden Verwaltung widerspricht (Michel, a.a.O.). Es müssen sachliche, vertretbare Gründe sein, so dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht als Willkürakt erscheint. Den Verwaltungsbehörden steht beim Entscheid über die Kündigung ein grosser

        Ermessens- und Beurteilungsspielraum zu (vgl. anstelle vieler GVP 1995 Nr. 3; Michel, a.a.O., S. 342 f.; ZBl 104/2003, S. 202).

      2. Wie erwähnt, hat die Klägerin die an sie gestellten Anforderungen nicht erfüllt (vgl. oben Erw. 4 e). Diesbezüglich kann auf jene Ausführungen verwiesen werden. Nachdem die Klägerin auch in der verlängerten Probezeit ihre Leistung nicht wesentlich verbesserte, erweist sich die Kündigung als sachlich begründet. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass die Beklagte die Kündigung allein deshalb aussprach, um die Entstehung von Ansprüchen der Klägerin zu vereiteln. Da ein sachlicher Grund vorlag, ist der Einwand der Missbräuchlichkeit der Kündigung haltlos.

    6. ./ Soweit die Klägerin einen Lohnanspruch aus einem bestehenden Angestelltenverhältnis und aus unrechtmässiger Kündigung geltend macht, ist die Klage aufgrund der vorstehenden Ausführungen abzuweisen.

Gemäss Art. 97bis Abs. 1 lit. b VRP werden im Beschwerdeverfahren betreffend das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis in sachgemässer Anwendung von Art. 343 Abs. 3 OR keine amtlichen Kosten erhoben. Diese Bestimmung ist analog auch auf das Klageverfahren anzuwenden (GVP 2001 Nr. 57). Im vorliegenden Fall ist die Streitwertgrenze von Fr. 30'000.-- gemäss Art. 343 Abs. 2 OR nicht erreicht, weshalb keine amtlichen Kosten zu erheben sind.

Die Beklagte stellt ein Begehren um ausseramtliche Entschädigung. Gemäss Art. 98ter VRP in Verbindung mit Art. 269 lit. b ZPG kann bei Streitigkeiten aus Kündigungsschutz

im öffentlichen Angestelltenverhältnis die Entschädigung auf erhebliche Reiseauslagen einer Partei oder ihres Vertreters beschränkt werden (vgl. R. Hirt, Die Regelung der Kosten nach st. gallischem Verwaltungsrechtspflegegesetz, Diss. St. Gallen 2004, S. 177 f.). Solche Aufwendungen fielen im vorliegenden Fall nicht an, weshalb keine Entschädigungen zuzusprechen sind.

Demnach hat das Verwaltungsgericht zu Recht erkannt: 1./ Die Klage von S. H. wird abgewiesen.

2./ Die Klage der Kantonalen Arbeitslosenkasse wird abgewiesen. 3./ Es werden keine amtlichen Kosten erhoben.

4./ Ausseramtliche Kosten werden nicht entschädigt.

V. R. W.

Die Vizepräsidentin: Der Gerichtsschreiber: Zustellung dieses Entscheides an:

  • die Klägerin (durch Rechtsanwalt lic. iur. X.)

  • die Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen

  • die Beklagte

am:

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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