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Urteil Verwaltungsrekurskommission (SG - IV-2019/177)

Zusammenfassung des Urteils IV-2019/177: Verwaltungsrekurskommission

Ein Rekurrent hat beim Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen ein Gesuch um Erteilung eines Lernfahrausweises gestellt, woraufhin das Amt Zweifel an seiner Fahreignung aufgrund von Suchtproblemen äusserte und eine verkehrsmedizinische Untersuchung anordnete. Der Rekurrent legte daraufhin Rekurs bei der Verwaltungsrekurskommission ein. Diese entschied, dass die Untersuchung gerechtfertigt sei, da der Nachweis einer Überwindung der Sucht noch nicht erbracht wurde. Der Rekurs wurde abgewiesen, und der Rekurrent muss die Gerichtskosten von CHF 800 tragen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts IV-2019/177

Kanton:SG
Fallnummer:IV-2019/177
Instanz:Verwaltungsrekurskommission
Abteilung:Verkehr
Verwaltungsrekurskommission Entscheid IV-2019/177 vom 26.03.2020 (SG)
Datum:26.03.2020
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:EntscheidStrassenverkehrsamt zu Recht eine verkehrsmedizinische Untersuchung an.
Schlagwörter: Rekurrent; Fahreignung; Alkohol; Untersuchung; Rekurrenten; Lernfahrausweis; Rekurs; Sucht; Strassenverkehrs; Gallen; Vorinstanz; Lernfahrausweises; Kategorie; Klinik; Verfügung; Recht; Abhängigkeit; Cannabinoide; Zweifel; Abhängigkeitserkrankung; Drogen; Verwaltungsrekurskommission; Gesuch; Erteilung; Kantons; üglich
Rechtsnorm: Art. 14 SVG ;Art. 14a SVG ;Art. 15d SVG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Weissenberger, Kommentar SVG und OBG, Art. 14 OBG SVG, 2015

Entscheid des Verwaltungsgerichts IV-2019/177

Denn bis vor Kurzem bestanden noch eine langjährige Abhängigkeitserkrankung (Alkohol, Drogen) und eine psychische Erkrankung; Zweifel an der Fahreignung sind damit gegeben (Verwaltungsrekurskommission, Abteilung IV, 26. März 2020, IV-2019/177).

Präsident Urs Gmünder, hauptamtlicher Richter Thomas Vögeli und Richter Urs Früh, Gerichtsschreiber Daniel Furrer

X, Rekurrent, gegen

Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt, Abteilung Administrativmassnahmen,

Frongartenstrasse 5, 9001 St. Gallen, Vorinstanz,

betreffend

verkehrsmedizinische Untersuchung

Sachverhalt:

A.- X reichte am 24. September 2019 ein Gesuch um Erteilung eines Lernfahrausweises der Kategorie B beim Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen

ein. Diesem Gesuch legte er ein ärztliches Zeugnis bezüglich seiner Fahrtauglichkeit vom 17. September 2019 und den Austrittsbericht der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen vom 18. Juni 2019 bezüglich seines Aufenthalts vom 5. Januar bis

18. Juni 2019 bei. Mit Schreiben vom 25. September 2019 führte das Strassenverkehrsamt aus, es würden Zweifel an seiner Fahreignung bestehen, da bis vor kurzem noch eine langjährige Abhängigkeitserkrankung (Alkohol, Drogen) sowie eine psychische Erkrankung durch den Suchmittelmissbrauch vorgelegen habe. Deshalb sei eine verkehrsmedizinische Untersuchung beim Institut für Rechtsmedizin am Kantonsspital St. Gallen (IRM) vorgesehen. Es wurde ihm das rechtliche Gehör gewährt, von welchem X mit Eingabe vom 2. Oktober 2019 Gebrauch machte. Mit Verfügung vom 15. Oktober 2019 hielt das Strassenverkehrsamt an der Durchführung der verkehrsmedizinischen Untersuchung fest und ordnete diese an.

B.- Dagegen erhob X mit Eingabe vom 19. Oktober 2019 Rekurs bei der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen (VRK). Er beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Ausstellung des Lernfahrausweises für die Kategorie B. Auf seine Ausführungen wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen. Das Strassenverkehrsamt verzichtete am 20. November 2019 auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.- Die Eintretensvoraussetzungen sind von Amtes wegen zu prüfen. Die VRK ist zum Sach-entscheid zuständig. Die Befugnis zur Rekurserhebung ist gegeben. Der Rekurs vom 19. Oktober 2019 ist rechtzeitig eingereicht worden und erfüllt in formeller und inhaltlicher Hinsicht die gesetzlichen Anforderungen (Art. 41 lit. gbis, 45, 47 und 48 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1, abgekürzt: VRP). Auf den Rekurs ist einzutreten.

2.- a) Im Rekurs ist umstritten, ob die Vorinstanz zu Recht an der Fahreignung des Rekurrenten zweifelte und mit der angefochtenen Verfügung eine verkehrsmedizinische Untersuchung anordnete. Die Frage, ob dem Rekurrenten ein Lernfahrausweis der Kategorie B ausgestellt werden könne, war nicht Gegenstand der angefochtenen Verfügung und somit in diesem Verfahren nicht Streitgegenstand. Auf den Antrag, ihm

sei der Lernfahrausweis für die Kategorie B auszustellen, kann somit nicht eingetreten

werden.

b) Motorfahrzeugführer müssen über Fahreignung und Fahrkompetenz verfügen (Art. 14 Abs. 1 des Strassenverkehrsgesetzes, SR 741.01, abgekürzt: SVG). Gemäss Art. 14 Abs. 2 verfügt über Fahreignung, wer das Mindestalter erreicht hat (lit. a), die

erforderliche körperliche und psychische Leistungsfähigkeit zum sicheren Führen von Motorfahrzeugen hat (lit. b), frei von einer Sucht ist, die das sichere Führen von Motorfahrzeugen beeinträchtigt (lit. c) und nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr bietet, als Motorfahrzeugführer die Vorschriften zu beachten und auf die Mitmenschen Rücksicht zu nehmen (lit. d). Bestehen Zweifel an der Fahreignung einer Person, so wird diese einer Fahreignungsuntersuchung unterzogen (Art. 15d Abs. 1 SVG). Der Nachweis, dass der Bewerber über die erforderliche körperliche und psychische Leistungsfähigkeit zum sicheren Führen von Motorfahrzeugen verfügt, ist gemäss

Art. 14a Abs. 1 lit. b SVG Voraussetzung zur Erteilung des Lernfahrausweises. Auch bei

dieser Bestimmung geht es um den Nachweis der Fahreignung, sie deckt sich mit

Art. 14 Abs. 2 SVG (vgl. Ph. Weissenberger, Kommentar SVG und OBG, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2015, Art. 14a SVG N 4). Die medizinischen Mindestanforderungen für den Erwerb eines Lernfahrausweises sind in Art. 7 Abs. 1 der Verkehrszulassungsverordnung (SR 741.51, abgekürzt: VZV) bzw. im Anhang 1 zur VZV geregelt. Unter Ziffer 3 des Anhangs 1 ist festgehalten, dass keine Abhängigkeit und kein verkehrsrelevanter Missbrauch von Alkohol, Betäubungsmitteln und psychotrop wirksamen Medikamenten vorliegen dürfe. Eine verkehrsmedizinische Untersuchung dient unter anderem der Abklärung, ob die medizinischen Mindestanforderungen erfüllt sind. Ein verkehrsmedizinisches Gutachten drängt sich immer dann auf, wenn die konkreten Umstände hinreichend verdichtete Hinweise darauf liefern, dass die betroffene Person von einer die Fahrfähigkeit beeinträchtigenden Substanz abhängig sein könnte (Urteil des Bundesgerichts [BGer] 1C_282/2007 vom 13. Februar 2008

E. 2.3).

3.- a) Die Vorinstanz begründet die Anordnung der verkehrsmedizinischen Untersuchung in der angefochtenen Verfügung damit, dass beim Rekurrenten bis vor kurzem eine langjährige Abhängigkeitserkrankung (Alkohol, Drogen) sowie eine psychische Erkrankung durch den Suchtmittelmissbrauch vorgelegen habe. Der

Rekurrent wendet dagegen ein, dass die einzelnen Tatbestände von Art. 15d Abs. 1 lit. a bis e SVG nicht vorliegen würden. Die von ihm eingereichten ärztlichen Berichte

würden zudem keine Hinweise auf eine Einschränkung der körperlichen geistigen Leistungsfähigkeit liefern, was gegen die Anwendung der Generalklausel von Art. 15d Abs. 1 SVG sprechen würde.

  1. Der Rekurrent reichte mit dem Gesuch um Erteilung eines Lernfahrausweises der Kategorie B unter anderem den Austrittsbericht der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen vom 18. Juni 2019 ein. Danach war er dort vom 5. Januar bis 18. Juni 2019 hospitalisiert. Als Diagnosen wurden eine mittelgradige depressive Episode, eine psychische und Verhaltensstörung durch Alkohol (schädlicher Gebrauch) sowie psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide (Abhängigkeitssyndrom) gestellt. Grund für den freiwilligen Eintritt in die Klinik sei ein krisenhafter depressiver Stimmungseinbruch mit starken Suizidgedanken bei bestehender langjähriger Suchterkrankung auf Alkohol und Cannabinoide gewesen. Auslöser des krisenhaften Stimmungseinbruchs sei der Vorabend der Aufnahme in die Klinik gewesen, als er Benzodiazepine und Alkohol konsumiert habe.

  2. Gestützt auf die medizinischen Unterlagen ist erstellt, dass beim Rekurrenten eine langjährige Suchterkrankung auf Alkohol und Cannabinoide vorlag. Hinzu kommt auch der Konsum von Benzodiazepinen. Nach der stationären Behandlung in der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen wird bezüglich Alkohol und Cannabinoide von einer Abstinenz im geschützten Rahmen berichtet. Der Hausarzt wies am

    17. September 2019 auf eine sehr gute Stabilisierung hin. Nach eigenen Angaben ist der Rekurrent seit sieben Monaten trocken. Hierbei ist jedoch festzuhalten, dass der grösste Teil dieser sieben Monate auf die Zeit der stationären Hospitalisation und somit während eines geschützten Rahmens fällt. Nach der Rechtsprechung kann der Nachweis, dass eine Sucht überwunden ist, nur durch Einhaltung einer mindestens einjährigen kontrollierten Totalabstinenz erbracht werden. Liegt ein solcher Nachweis nicht vor, ist eine Suchtgefährdung zu bejahen (vgl. BGer 1C_147/2017 vom 22. Juni 2017 E. 3.5 und 6A.66/2004 vom 7. Dezember 2004 E. 3.2). Auch wenn sich der Rekurrent gestützt auf die Arztberichte erfreulich entwickelt hat, bedarf es noch einer Kontrolle durch verkehrsmedizinische Experten, um eine Suchtgefährdung ausschliessen zu können. Dies ist nicht nur im Interesse der Verkehrssicherheit,

    sondern auch im eigenen wohlverstandenen Interesse des Rekurrenten. Demnach durfte die Vorinstanz zu Recht darauf bestehen, dass die Fahreignung des Rekurrenten vorab verkehrsmedizinisch abzuklären sei.

  3. Entgegen der Ansicht des Rekurrenten stellt die Anordnung einer verkehrsmedizinischen Untersuchung mit der Durchführung einer Haaranalyse keinen empfindlichen Eingriff in eine Grundrechtsposition des Betroffenen dar. Angesichts der erheblichen Gefahr, die von einem ungeeigneten Fahrzeugführer für andere Verkehrsteilnehmer ausgeht, überwiegt in einem solchen Fall das Interesse der Verkehrssicherheit. Nach dem Verursacherprinzip hat er die Kosten der verkehrsmedizinischen Untersuchung zu bezahlen (vgl. BGer 1C_163/2007 vom 4. Juli 2007 E. 4). Sollte die Fahreignung aus verkehrsmedizinischer Sicht bejaht werden und sind die übrigen Voraussetzungen erfüllt, kann der Lernfahrausweis erteilt werden. Soweit der Rekurrent geltend macht, beruflich auf den Lernfahrausweis angewiesen zu sein, kann er nichts zu seinen Gunsten ableiten, da auch in einem solchen Fall die Fahreignung vorausgesetzt ist.

  4. Zusammenfassend ist beim Rekurrenten der Nachweis einer Überwindung der ärztlich dokumentierten Sucht auf Alkohol und Cannabinoide zufolge ausstehender verkehrsmedizinischer Untersuchung noch nicht erbracht. Somit bestehen gestützt auf Art. 15d Abs. 1 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 2 lit. c SVG Zweifel an der Fahreignung. Die Vorinstanz hat somit zu Recht eine verkehrsmedizinische Untersuchung angeordnet. Der Rekurs erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

4.- Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die amtlichen Kosten vom Rekurrenten zu bezahlen (Art. 95 Abs. 1 VRP). Eine Entscheidgebühr von Fr. 800.– erscheint angemessen (vgl. Art. 7 Ziff. 122 der Gerichtskostenverordnung, sGS 941.12). Der Kostenvorschuss von Fr. 1'200.– ist damit zu verrechnen und im Restbetrag von

Fr. 400.– zurückzuerstatten. Zufolge Abweisung des Rekurses sind keine ausseramtlichen Kosten zu entschädigen (Art. 98bis VRP).

Entscheid auf dem Zirkulationsweg (Art. 58 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 3 VRP und Art. 8bis Abs. 1 lit. b des Reglements über den Geschäftsgang der Verwaltungsrekurskommission, sGS 941.223):

  1. Der Rekurs wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

  2. Der Rekurrent hat die amtlichen Kosten von Fr. 800.– zu bezahlen. Der Kosten- vorschuss von Fr. 1'200.– wird damit verrechnet und im Restbetrag von Fr. 400.– zurückerstattet.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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