Zusammenfassung des Urteils IV 2018/166, IV 2018/167: Versicherungsgericht
Der Text handelt von einem Gerichtsverfahren bezüglich einer Hilflosenentschädigung und medizinischer Massnahmen für eine minderjährige Person mit schwerem Herzfehler. Es wird diskutiert, ob die Person einen Intensivpflegezuschlag benötigt und ob die medizinische Überwachung durch die Eltern oder die Kinderspitex erfolgen sollte. Letztendlich wird entschieden, dass keine besonders intensive Überwachung notwendig war und die Beschwerden abgewiesen werden. Die Gerichtskosten betragen CHF 800, die der Beschwerdeführerin auferlegt werden.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | IV 2018/166, IV 2018/167 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | IV - Invalidenversicherung |
Datum: | 22.01.2019 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 13 IVG, Art. 42ter Abs. 3 IVG, Art. 39 Abs. 3 IVV. Medizinische Massnahmen, Spitexleistungen. Intensivpflegezuschlag. Keine besonders intensive, dauernde behinderungsbedingte Überwachung ausgewiesen. Abweisung (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 22. Januar 2019, IV 2018/166 und IV 2018/167). |
Schlagwörter: | Kinder; Pflege; Überwachung; IV-act; Intensivpflegezuschlag; Kinderspitex; Abklärung; Spitex; Betreuung; Eltern; Massnahmen; Dauerüberwachung; Verfahren; IV-Stelle; Spitexleistungen; Behandlung; Hilflosenentschädigung; Anspruch; Monitor; Stunden; Verein; Wesentlichen; Verfügung; Grund; üssen |
Rechtsnorm: | Art. 3 ATSG ;Art. 32 KVG ;Art. 34 AHVG ; |
Referenz BGE: | 136 V 209; |
Kommentar: | - |
Besetzung
Präsident Ralph Jöhl, Versicherungsrichterinnen Monika Gehrer-Hug und Karin Huber- Studerus; Gerichtsschreiberin Annina Janett
Geschäftsnr.
IV 2018/166, IV 2018/167
Parteien
A. ,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch den Schweizerischen Kinderspitex Verein, Bahnhofstrasse 17, 9326 Horn,
gegen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin,
Gegenstand
Hilflosenentschädigung (Intensivpflegezuschlag für Minderjährige) und medizinische Massnahmen (Spitexleistungen)
Sachverhalt
A.
A. wurde im September 2015 unter Hinweis auf einen schweren Herzfehler bei der IV-Stelle des Kantons St. Gallen für medizinische Massnahmen angemeldet (IV-act. 1). Am 19. November 2015 teilte die IV-Stelle den Eltern der Versicherten mit, dass sie ab dem 16. September 2015 bis zum 30. September 2025 die für die Behandlung des Geburtsgebrechens Ziff. 313 Anh. GgV anfallenden Kosten übernehme (IV-act. 10).
Am 22. Dezember 2015 reichte der Kinderspitex Verein der IV-Stelle eine Verordnung über Spitexleistungen ein (IV-act. 13 f.). Am 9. Juni 2016 teilte die IV-Stelle den Eltern mit, dass sie in Ergänzung zur Mitteilung vom 19. November 2015 die Kosten der Kinderspitexleistungen vom 15. Oktober 2015 bis 20. Januar 2016 im Umfang von durchschnittlich vier Einsätzen pro Woche für die Beurteilung des Allgemeinzustandes und die Verabreichung der Medikamente (max. 45min ohne bzw. max. 60min mit Wechsel Insuflon pro Einsatz) sowie max. 5h für die Erstbeurteilung und max. 12h für die weitere Abklärung und Beratung im Verlauf vergüte (IV-act. 31).
Im Juni 2017 meldeten die Eltern die Versicherte zum Bezug einer Hilflosenentschädigung an. Sie gaben an, dass die Versicherte beim An- und Auskleiden, beim Aufstehen/Absitzen/Abliegen, beim Essen, bei der Körperpflege, beim Verrichten der Notdurft sowie bei der Fortbewegung bzw. bei der Pflege gesellschaftlicher Kontakte regelmässig in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen sei. Die Versicherte sei auf dauernde Hilfe angewiesen und müsse zudem persönlich überwacht werden (IV-act. 74, vgl. auch IV-act. 51, 56).
Vom 19. Dezember 2016 bis zum 10. April 2017 war die Versicherte im Universitäts-Kinderspital Zürich hospitalisiert gewesen. Die behandelnden Ärzte hatten am 10. April 2017 berichtet, bei der Versicherten bestehe im Wesentlichen eine terminale Herzinsuffizienz mit Herztransplantation am 19. Dezember 2016, eine multifaktoriell bedingte, chronische respiratorische Insuffizienz, eine dialysepflichtige Niereninsuffizienz unklarer Ätiologie sowie eine unklare Hepatopathie (IV-act. 79). Vom
15. bis 17. Juni 2017 war die Versicherte zur Einsetzung eines diagnostischen Herzkatheters erneut im Kinderspital hospitalisiert (vgl. IV-act. 82-5 ff.).
Die Kinderärztin berichtete der IV-Stelle am 6. Juli 2017, dass der Gesundheitszustand der Versicherten besserungsfähig sei. Diese habe schon riesige Fortschritte gemacht. Sie entwickle sich rein somatisch im unteren Bereich der Perzentile und zeige einen psychosomatischen Entwicklungsrückstand. Das Entwicklungsalter entspreche aktuell 6-9 Monaten bei einem Alter von 18 Monaten. Die Kinderärztin gab an, dass die Angaben der Mutter über die Hilflosigkeit mit ihren Feststellungen übereinstimmten (IV-act. 82-1 ff.).
Am 7. August 2017 reichte der Kinderspitex Verein der IV-Stelle eine weitere Verordnung für Spitexleistungen ein (IV-act. 95 ff.). Daraufhin teilte die IV-Stelle der Kinderspitex mit, dass sie das Gesuch zusammen mit dem Anspruch auf Hilflosenentschädigung und
Intensivpflegezuschlag anlässlich einer Abklärung vor Ort prüfen werde (IV-act. 99).
Am 25. Oktober 2017 führte die Spitex eine Bedarfsabklärung durch, welche einen
zeitlichen Pflegebedarf von insgesamt 993min pro Tag ergab (IV-act. 180-13 ff.).
Am 26. Oktober 2017 fand eine Abklärung an Ort und Stelle statt. Die Eltern der Versicherten sowie der Kinderspitex Verein brachten am 29. November 2017 Ergänzungen zum (vorläufigen) Abklärungsbericht an. Sie machten im Wesentlichen geltend, dass bei der Versicherten bis Ende September 2017 wegen des häufigen Erbrechens, der Sauerstoffverabreichung mit Sättigungskontrolle und der Monitorüberwachung im Schlaf eine Dauerüberwachung mit Interventionsbereitschaft habe durchgeführt werden müssen (IV-act. 115-1, 117-12).
Die zuständige Abklärungsperson notierte im (definitiven) Abklärungsbericht vom
29. Dezember 2017, dass die Versicherte einen deutlichen Entwicklungsrückstand aufweise. Seit dem Spitalaustritt im April 2017 könne sie sich endlich entwickeln; bisher sei der Verlauf nach der Herztransplantation gut. Die Versicherte benötige nach wie vor viel Behandlung und sie werde überwiegend per Sonde ernährt. Seit August 2017 sei der Zustand abgesehen von ca. einmal monatlich auftretenden Infekten gut. Die Angaben der Mutter der Versicherten sowie die Ergänzungen der Einsatzleiterin des Kinderspitex Vereins seien gut nachvollziehbar und absolut glaubwürdig. Der Betreuungsaufwand pro Tag sei nach wie vor gross. Seit September 2017 hätten die Spitex-Einsätze auf durchschnittlich 2x pro Woche à je 3.5 Std. reduziert werden können. Die Abklärungsperson hielt weiter fest, dass in den von den Eltern sowie vom Kinderspitex Verein eingereichten Ergänzungen zum Abklärungsbericht darum ersucht worden sei, eine medizinische Dauerüberwachung mit Interventionsbereitschaft bis Ende September 2017 zu berücksichtigten, da eine solche bei gesunden Kindern nicht notwendig sei. Dem sei entgegen zu halten, dass eine intensive Überwachung bei Kindern bis zum Alter von vier Jahren durchaus altersentsprechend sei. Die Überwachung erfolge bei der Versicherten über einen Monitor, weshalb nicht die gesamte Zeit berücksichtigt werden könne. Die zuständige Abklärungsperson hielt zusammenfassend fest, dass bei der Versicherten die Verrichtungen Essen, Fortbewegung sowie Aufstehen/Absitzen/Abliegen zu berücksichtigen seien. Dabei ergebe sich ab Spitalaustritt, d.h. ab dem 10. April 2017, eine Hilflosenentschädigung basierend auf einer Hilflosigkeit leichten Grades. Hinsichtlich des Intensivpflegezuschlages sei gemäss der Zusammenstellung und nach Abzug der Spitexleistungen durchgehend ab Spitalaustritt ein täglicher zeitlicher Mehraufwand von 8 Stunden von April bis August 2017 und von 6 Stunden ab September 2017 ausgewiesen. Zu den Spitexleistungen hielt die Abklärungsperson fest, dass ab Beginn der Spitexeinsätze im April pro Einsatz von 8.00 bis 11.30 Uhr 137.5 Min. für die Behandlungspflege übernommen würden. Zusätzlich könnten, falls effektiv durchgeführt und belegt, 45 Min. für das Inhalieren, das neu legen der Sonde sowie die Blutdruckmessungen übernommen werden (IV-act. 117-13 ff.).
Der RAD-Arzt Dr. B. , Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, notierte am 8. Januar 2018, dass der ermittelte Bedarf an Behandlungspflege mit total maximal 3 Std. und 3 Min. nachvollziehbar sei. Die Leistungen würden in der Regel 2-3x wöchentlich
erbracht. Aus der Arbeitszeitstatistik gingen überwiegend Einsatzdauerzeiten von 3.5 Std. und vereinzelt 1-2 Std. hervor. Einige medizinische Pflegemassnahmen, wie z.B. das Richten der Medikation, seien sicherlich seitens der Spitex zu hoch eingeschätzt und deshalb entsprechend korrigiert worden (IV-act. 118).
B.
Mit einem Vorbescheid vom 8. Januar 2018 teilte die IV-Stelle den Eltern der Versicherten mit, dass diese ab dem 10. April 2017 bis zum 31. August 2018 einen Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung basierend auf einer Hilflosigkeit leichten Grades sowie auf einen Anspruch auf einen Intensivpflegezuschlag für den pflegerischen Mehraufwand von mindestens 8 Std. pro Tag habe. Ab dem 1. September 2017 bestehe ein Anspruch auf einen Intensivpflegezuschlag für den pflegerischen Mehraufwand von mindestens 6 Std. pro Tag. Hinsichtlich der beantragten Dauerüberwachung hielt sie fest, dass eine intensive Überwachung bei Kindern bis vier Jahre durchaus altersentsprechend sei und die Überwachung bei der Versicherten über den Monitor erfolge, weshalb keine Überwachungspauschale berücksichtigt werden könne. Hingegen könne die volle Zeit während des Sondierens angerechnet werden. Die restlichen Punkte seien bei der Berechnung der Zeiten vollumfänglich zusätzlich berücksichtigt worden (IV-act. 120).
Mit einem weiteren Vorbescheid vom 11. Januar 2018 stellte die IV-Stelle den Eltern der Versicherten die Übernahme der Kosten für die Kinderspitex-Leistungen ab dem 10. April 2017 bis 31. Dezember 2018 von total 137.5 Min. für die Behandlungspflege bzw. von total 182.5 Min. pro Tag bei zusätzlichem Inhalieren, Blutdruck messen und Sonde neu legen in Aussicht. Zusätzlich könnten einmalig für die Abklärung und die Dokumentation des Pflegeaufwandes maximal 5 Std. sowie für die Beratung und Dokumentation maximal 3 Std. pro Monat verrechnet werden (IV-act. 122).
Am 7. Februar 2018 erhob der Kinderspitex Verein im Namen der Versicherten einen Einwand gegen die Vorbescheide. Er rügte im Wesentlichen, dass keine Überwachungspauschale berücksichtigt worden sei. Ausserdem sei der Intensivpflegezuschlag weiterhin auf der Grundlage von 8 Std. auszurichten, da ab dem
1. Oktober 2017 im Zuge der Einstellung der Dauerüberwachung die Spitexleistungen reduziert worden seien, wodurch der Elternteil wiederum auf über 8 Std. gestiegen sei (IV-act. 123).
Der RAD-Arzt. Dr. B. hielt in seiner Stellungnahme vom 26. März 2018 fest, es könne versicherungsmedizinisch nicht nachvollzogen werden, dass die Versicherte vom Spitalaustritt im April 2017 bis Ende September 2017 über einen Zeitraum von über fünf Monaten jede Nacht durch eine Spitexfachperson habe überwacht werden müssen. Wäre dies der Fall gewesen, hätte aus medizinischer Sicht am 10. April 2017 kein Spitalaustritt erfolgen dürfen und können. Die Monitorüberwachung in der Nacht sei als ausreichend anzusehen. Die Anwesenheit einer Pflegefachperson über 24 Stunden täglich sei medizinisch nicht indiziert gewesen (IV-act. 131).
Am 27. März 2018 verfügte die IV-Stelle gemäss ihren Vorbescheiden vom 8. und
11. Januar 2018. Hinsichtlich der Einwände verwies sie im Wesentlichen auf die Ausführungen des RAD (IV-act. 133, 134).
C.
Gegen die Verfügung vom 27. März 2018 betreffend Hilflosenentschädigung und Intensivpflegezuschlag erhob der Kinderspitex Verein für die Versicherte am 8. Mai 2018 Beschwerde. Er stellte den Antrag, "die Verfügung vom 27. März 2018 sei aufzuheben und es sei festzustellen und die IV anzuweisen, den Intensivpflegezuschlag von > 8 Std. bis am 30.09.2017 und nicht bis am 31.08.2017 zu vergüten und ab dem 01.10.2017 weiterhin bei > 8 Std. zu belassen. Eventualiter sei die Beschwerdegegnerin anzuweisen, den Pflegebedarf vor Ort ab 01.10.2017 durch eine Fachperson mit medizinischer Qualifikation durch die Prüfung jeder einzelnen Vorkehr abzuklären und divergierende Meinungen zum Abklärungsbericht der Kinderspitex zu begründen und entsprechend neu zu verfügen". Er begründete dies im Wesentlichen damit, dass die ärztliche Dauerüberwachung zu Recht per 30. September 2017 aufgehoben worden sei. Gemäss der Logik der Beschwerdegegnerin hätte der Intensivpflegezuschlag von über 8 Std. jedoch bis zur Aufhebung der Dauerüberwachung und nicht nur bis zum 31. August 2017 ausgerichtet werden müssen. Die Reduktion des Intensivpflegezuschlages nach der Aufhebung der Dauerüberwachung könne jedoch
weder per 1. noch per 30. September 2017 akzeptiert werden, da der durch die Eltern ab Oktober 2017 erhöhte freiwillig geleistete Pflegeaufwand im Sinne von Art. 13 IVG als Mehraufwand zur Intensivpflegezuschlag-Ermittlung von der Beschwerdegegnerin nicht im Sinne der Gesetzgebung abgeklärt und gewürdigt worden sei. Die Abklärung für Pflegevorkehren gemäss Art. 13 IVG habe durch eine medizinisch ausgebildete Fachkraft unter Beizug der an der Pflege beteiligten Pflegefachfrauen zu erfolgen. Divergierende Meinungen seien im Bericht festzuhalten und zu begründen. Ab Oktober 2017 habe sich der Pflegeanteil der Eltern erhöht und dieser Mehraufwand müsse bei der Anrechnung des Intensivpflegezuschlages berücksichtigt werden. Der pflegerische Mehraufwand belaufe sich auf 16 Std. (962 Min.) pro Tag bei total 993 Min. Pflegeleistungen abzüglich 31 Min. Kinderspitexleistungen (IV 2018/166 act. G 1).
Am 8. Mai 2018 erhob der Kinderspitex Verein zudem Beschwerde gegen die Verfügung vom 27. März 2018 betreffend medizinische Massnahmen (Spitexleistungen). Sie beantragte, "die Verfügung vom 27.03.2018 sei aufzuheben und die IV anzuweisen, die gesamten vom 10.04.2017 bis 30.09.2017 geleisteten Pflegeleistungen zu vergüten, sowie ab dem 01.10.2017 eine neue Abklärung vor Ort zu veranlassen, um ab dem 01.10.2017 eine neue Verfügung zu erlassen, die prospektiv dem effektiv ermittelten Pflegeaufwand als Kostendach entspricht und nicht nur die retrospektiv ermittelten Pflegestunden umfasst". Er begründete dieses Begehren im Wesentlichen mit denselben Argumenten wie in der Beschwerde betreffend Hilflosenentschädigung und Intensivpflegezuschlag. Darüber hinaus führte er an, dass die medizinische Dauerüberwachung mit Interventionsbereitschaft in der Verordnung für Spitexleistungen explizit ärztlich angeordnet worden sei. Bei der Monitorüberwachung für lebenswichtige Funktionen handle um eine KLV- Pflichtleistung, welche bei Ausfall der Eltern nur durch ausgebildetes Pflegepersonal übernommen werden könne. Die gegenteilige Auffassung des RAD müsse in diesem Zusammenhang angezweifelt werden. Zumindest hätte der RAD Rücksprache mit dem verordnenden Arzt nehmen müssen, was offensichtlich unterlassen worden sei. Auf den 1. Oktober 2017 habe die Dauerüberwachung aufgrund der ärztlichen Anordnung aufgehoben werden können. Mit dem Wegfall der Dauerüberwachung und der Erhöhung des freiwilligen Pflegeanteils der Eltern werde eine neue Abklärung vor Ort notwendig. Die Bedarfsabklärung sei am 25. Oktober 2017 durch das Pflegefachpersonal seitens der Kinderspitex erfolgt. Diese habe einen Pflegeaufwand
von total 993 Min. am Tag ergeben. Die Beschwerdegegnerin müsse die einzelnen Vorkehren auf die korrekte Pflegezeit prüfen und die Angaben der Pflegefachpersonen berücksichtigen (IV 2018/167 act. G 1).
Der zuständige Fachbereich der Beschwerdegegnerin notierte in seiner Stellungnahme vom 12. Juni 2018, dass nicht die gesamten geleisteten Pflegestunden bis zum 30. September 2017 vergütet werden könnten, da die medizinische Dauerüberwachung nicht berücksichtigt werden könne. Neuerliche Abklärungen für die Leistungsfestsetzung ab Oktober 2017 seien nicht notwendig, da anlässlich der Abklärung vor Ort vom 26. Oktober 2017 der damals aktuelle Pflegebedarf der Beschwerdeführerin ab Oktober 2017 ebenfalls abgeklärt worden sei (IV-act. 185).
Die Beschwerdegegnerin beantragte am 15. Juni 2018 die Abweisung der Beschwerden. Im Verfahren IV 2018/166 betreffend den Intensivpflegezuschlag führte sie zur Begründung im Wesentlichen aus, es gebe keine Hinweise darauf, dass die Abklärung bei der Beschwerdeführerin zu Hause nicht umfassend und kompetent durchgeführt worden wäre. Zudem sei der RAD in das Abklärungsverfahren miteinbezogen worden. Dessen Stellungnahme vom 26. März 2018 bezüglich des strittigen Punktes der geltend gemachten Dauerüberwachung sei schlüssig und werde durch die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar widerlegt. Die Berechnung des behinderungsbedingten Mehraufwandes sei gemäss der Stellungnahme des Fachbereichs vom 12. Juni 2018 korrekt erfolgt und die Herabsetzung des Intensivpflegezuschlages sei erfolgt, weil weniger Grund- und Behandlungspflege angefallen sei. Auf die fundierten Ausführungen des Fachbereichs sei abzustellen (IV 2018/166 act. G 4). Im Zusammenhang mit der Beschwerde betreffend Kinderspitexleistungen verwies die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen auf die Ausführungen in der Beschwerdeantwort im Verfahren IV 2018/166 (IV 2018/167 act. G 4).
Am 20. August 2018 hielt die Beschwerdeführerin an ihren jeweiligen Standpunkten fest (act. G 6 in beiden Verfahren).
C.f Die Beschwerdegegnerin verzichtete in beiden Verfahren auf die Einreichung einer
Duplik (vgl. act. G 8 in beiden Verfahren).
Erwägungen
1.
Gemäss Art. 13 IVG haben versicherte Personen bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf die zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG) notwendigen medizinische Massnahmen. Die von der IV anerkannten Geburtsgebrechen sind im Anhang der Verordnung über Geburtsgebrechen aufgelistet (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 GgV). Der Leistungsanspruch beschränkt sich dabei gemäss Art. 2 Abs. 3 GgV auf diejenigen Vorkehren, die nach der bewährten Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft angezeigt sind und die den therapeutischen Erfolg in einer einfachen und zweckmässigen Weise anstreben. Damit gelten dieselben Grundsätze wie in der Krankenpflegeversicherung gemäss KVG (vgl. Art. 32 Abs. 1 KVG; vgl. auch Rz. 6 des Kreisschreibens über die medizinischen Massnahmen). Medizinische Massnahmen sind dabei im Rahmen des konkreten Einzelfalles zu prüfen. Die bei Geburtsgebrechen notwendigen medizinischen Massnahmen nach Art. 13 Abs. 1 IVG umfassen insbesondere die von einem Arzt auf dessen Anordnung hin durch medizinische Hilfspersonen in der Haus- Anstaltspflege vorgenommenen Behandlungen (Art. 14 Abs. 1 IVG). Neben den medizinischen Massnahmen nach Art. 13 f. IVG sieht die IV die Hilflosenentschädigung (Art. 42 IVG) vor, welche bei Minderjährigen, die zusätzlich eine intensive Betreuung benötigen, um einen Intensivpflegezuschlag erhöht wird. Beim Intensivpflegezuschlag ist der Mehrbedarf an Behandlungs- und Grundpflege im Vergleich zu nicht behinderten Minderjährigen gleichen Alters als Betreuung anrechenbar (Art. 42ter Abs. 3 IVG).
Diese von der Invalidenversicherung vorgesehenen beiden Leistungsarten unterscheiden sich im Wesentlichen dadurch, dass als medizinische Massnahmen nach Art. 13 f. IVG nur Leistungen in Betracht fallen, die eine medizinische Qualität aufweisen und zwingend von medizinisch ausgebildeten Fachpersonen erbracht werden müssen (sog. medizinische Pflegemassnahmen; vgl. Art. 14 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art 39 Abs. 2 Satz 2 IVV). Dagegen setzt die in den Anwendungsbereich der Hilflosenentschädigung fallende Grundpflege, also die sogenannten nicht medizinischen Pflege- und Betreuungsmassnahmen, keine medizinische Berufsqualifikation voraus und kann demnach auch von Personen ohne medizinische
Fachkenntnisse erbracht werden (vgl. auch das IV-Rundschreiben Nr. 362 vom 23. März 2017 mit Verweis auf BGE 136 V 209 E. 7, E. 10).
Die Beschwerdeführerin leidet an einem Geburtsgebrechen nach Art. 13 IVG. Zu dessen Behandlung benötigt sie u.a. medizinische Pflegeleistungen, die durch die Kinderspitex erbracht werden. Strittig ist im Beschwerdeverfahren IV 2018/167 nicht der Anspruch auf Spitexleistungen an sich, sondern nur die Frage, ob die Beschwerdeführerin ab dem 1. April 2017 eine medizinische Dauerüberwachung benötigt hat, die nur durch die Kinderspitex hätte übernommen werden dürfen, so dass der Anspruch der Beschwerdeführerin auf medizinische Pflegeleistungen der Spitex höher als verfügt hätte ausfallen müssen. Im Beschwerdeverfahren IV 2018/166 ist ebenfalls nur um die Frage der Intensität der Überwachung, hier allerdings in der Form der Grundpflege durch die Eltern, zu beantworten. Das ausschlaggebende Sachverhaltselement ist also in beiden Beschwerdeverfahren die Überwachung der Beschwerdeführerin. Da der massgebliche Sachverhalt der beiden Verfahren damit weitgehend übereinstimmt und sich teilweise dieselben Rechtsfragen stellen, sind die Verfahren aus verfahrensökonomischen Gründen in einem Urteil zu erledigen.
Sollte ein Bedarf nach einer besonders intensiven medizinischen Pflege bestanden haben, so können daraus nicht ein Anspruch auf Spitexleistungen und gleichzeitig ein Anspruch auf einen Intensivpflegezuschlag abgeleitet werden (vgl. das IV- Rundschreiben Nr. 362, S. 4). Entweder käme es zu einer Erhöhung des Intensivpflegezuschlags aber zur Erhöhung der Kosten für die von der Kinderspitex effektiv erbrachten Überwachungsleistungen, je nachdem ob die Überwachung durch die Eltern der Beschwerdeführerin durch eine medizinisch ausgebildete Fachperson der Spitex durchgeführt worden wäre (vgl. nachfolgend E. 2.1).
2.
Der monatliche Intensivpflegezuschlag beträgt bei einem Betreuungsaufwand von mindestens acht Stunden pro Tag 60%, bei einem solchen von mindestens sechs Stunden pro Tag 40% und bei einem solchen von mindestens vier Stunden pro Tag 20% des Höchstbetrages der Altersrente nach Art. 34 Abs. 3 und 5 AHVG. Der
Zuschlag berechnet sich pro Tag (Art. 42ter Abs. 3 IVG). Eine intensive Betreuung liegt bei Minderjährigen vor, wenn diese im Tagesdurchschnitt infolge der Beeinträchtigung der Gesundheit zusätzliche Betreuung von mindestens vier Stunden benötigen (Art. 39 Abs. 1 IVV). Anrechenbar als Betreuung ist der Mehrbedarf an Behandlungs- und Grundpflege im Vergleich zu nicht behinderten Minderjährigen gleichen Alters. Nicht anrechenbar ist der Zeitaufwand für ärztlich verordnete medizinische Massnahmen, welche durch medizinische Hilfspersonen vorgenommen werden, sowie für pädagogisch-therapeutische Massnahmen (Art. 39 Abs. 2 IVV). Bedarf eine minderjährige Person infolge einer Beeinträchtigung der Gesundheit zusätzlich einer andauernden Überwachung, so kann diese als Betreuung von zwei Stunden angerechnet werden. Eine besonders intensive behinderungsbedingte Überwachung ist als Betreuung von vier Stunden anrechenbar (Art. 39 Abs. 3 IVV).
Eine besonders intensive dauernde Überwachung nach Art. 39 Abs. 3 Satz 2 IVV liegt vor, wenn von der Betreuungsperson eine überdurchschnittlich hohe Aufmerksamkeit und eine ständige Interventionsbereitschaft gefordert werden. Dies bedeutet, dass sich die Betreuungsperson permanent in unmittelbarer Nähe der versicherten Person aufhalten muss, da eine kurze Unachtsamkeit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit lebensbedrohliche Folgen hätte zu einer massiven Schädigung von Personen und Gegenständen führen würde. Aufgrund der geforderten 1:1- Überwachung/Betreuung kann sich die Betreuungsperson nicht gleichzeitig anderen Aktivitäten widmen. Zudem müssen zum Schutz der versicherten Person und ihrer Umgebung bereits geeignete Massnahmen zur Schadenminderung getroffen worden sein, wobei es diesbezüglich nicht zu einer unzumutbaren Situation der Umgebung kommen darf. Können Überwachungsinstrumente (Monitor, Alarm) eingesetzt werden, ist nicht per se von einer besonders intensiven Überwachung auszugehen (vgl. das Kreisschreiben über Invalidität und Hilflosigkeit in der IV, KSIH, Rz. 8079). Eine besonders intensive dauernde Überwachung mit ständiger Interventionsbereitschaft ist im Falle der Beschwerdeführerin aufgrund der vorliegenden Akten als nicht überwiegend wahrscheinlich ausgewiesen zu erachten. Zwar ist die Beschwerdeführerin in der Nacht mittels eines Monitors überwacht worden. Allerdings ist aufgrund der vorliegenden Akten davon auszugehen, dass es sich dabei um eine reine Videoüberwachung (ohne zusätzliche Überwachung der Sauerstoffsättigung o. ä.) gehandelt hat. Der RAD-Arzt Dr. B. hat diese Monitorüberwachung in seiner
medizinischen Stellungnahme vom 26. März 2018 als ausreichend angesehen und nachvollziehbar festgehalten, dass die Anwesenheit einer Überwachungsperson über 24 Stunden täglich zusätzlich zur nächtlichen Monitorüberwachung medizinisch nicht indiziert gewesen sei (vgl. IV-act. 131). Im Weiteren überzeugt auch die Beurteilung des RAD-Arztes, dass beim Erfordernis einer besonders intensiven Überwachung, wie sie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht wird, aus medizinischer Sicht kein Spitalaustritt hätte erfolgen können. Demnach hat die Beschwerdegegnerin zu Recht einen Bedarf nach einer besonders intensiven dauernden Überwachung im Sinne von Art. 39 Abs. 3 Satz 2 IVV verneint. Tatsächlich hat die Beschwerdegegnerin überhaupt keinen Überwachungsbedarf berücksichtigen können, weil dieser bei der Beschwerdeführerin trotz der Monitorüberwachung nicht höher gewesen ist als bei einem gesunden zweijährigen Kind, m.a.W. weil der Überwachungsbedarf rein juristisch betrachtet nicht krankheits-, sondern altersbedingt gewesen ist. Die Verfügung vom 27. März 2018 (IV-act. 134) erweist sich somit in ihrem angefochtenen, den Intensivpflegezuschlag regelnden Teil als korrekt.
3.
Kann die Überwachung der Beschwerdeführerin ihrer Qualität nach als Betreuungs- bzw. Grundpflegebedarf qualifiziert werden, der bei zweijährigen Kindern als entwicklungsbedingt notwendig zu betrachten ist, so kann offensichtlich keine medizinische, d.h. nur durch die Kinderspitex durchzuführende Überwachung nötig gewesen sein. Die Beschwerdegegnerin hat deshalb zu Recht das entsprechende Vergütungsbegehren abgewiesen. Auch die Verfügung vom 27. März 2018 betreffend die Kostengutsprache für die Leistungen der Kinderspitex (vgl. IV-act. 133) erweist sich somit als korrekt.
4.
Die Beschwerde sind somit abzuweisen. Das Beschwerdeverfahren ist kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von Fr. 200.-- bis Fr. 1'000.-- festgelegt (Art. 69 Abs. 1bis IVG). Aufgrund des annähernd gleichen Beurteilungsaufwandes der beiden Beschwerdeverfahren bei einem weitgehend identischen Sachverhalt mit einer jeweils
deutlich unterdurchschnittlichen Zahl relevanter Akten erscheint eine Gerichtsgebühr von je Fr. 400.-- als angemessen. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind beide Gerichtsgebühren (zusammen Fr. 800.--) vollumfänglich der Beschwerdeführerin aufzuerlegen. Sie sind durch die beiden von der Beschwerdeführerin geleisteten Kostenvorschüsse von je Fr. 400.-- gedeckt. Ausgangsgemäss hat die Beschwerdeführerin in beiden Beschwerdeverfahren keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung.
Da die Gerichtsschreiberin verhindert ist, das Urteil zu unterzeichnen, wird die zweite Unterschrift von einer am Entscheid mitwirkenden Richterin geleistet (Art. 39ter Abs. 2 VRP).
Entscheid
im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP
1.
Die Beschwerde im Verfahren IV 2018/166 gegen die Verfügung vom 27. März 2018 betreffend Intensivpflegezuschlag zur Hilflosenentschädigung wird abgewiesen.
2.
Die Beschwerde im Verfahren IV 2018/167 gegen die Verfügung vom 27. März 2018 betreffend medizinische Massnahmen (Spitexleistungen) wird abgewiesen.
3.
Die Beschwerdeführerin hat für das Verfahren IV 2018/166 eine Gerichtsgebühr in Höhe von Fr. 400.-- zu bezahlen; diese Gebühr ist durch den in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss gedeckt.
4.
Die Beschwerdeführerin hat für das Verfahren IV 2018/167 eine Gerichtsgebühr in Höhe von Fr. 400.-- zu bezahlen; diese Gebühr ist durch den in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss gedeckt.
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