Zusammenfassung des Urteils IV 2014/391: Versicherungsgericht
Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen hat dem Beschwerdeführer A. und seinen Kindern B., C., D. und E. Invalidenrenten sowie Kinderrenten zugesprochen. Es kam zu Rückforderungen, da die Ausbildungsenden der Kinder verspätet gemeldet wurden. Der Beschwerdeführer hat die Rückforderung angefochten, da er die Schreiben nicht verstanden habe und die Kinderrente nicht gekannt habe. Das Versicherungsgericht entschied, dass die Rückforderung rechtens ist, da die Meldepflicht verletzt wurde. Die Kinderrente für das Kind E. wurde rückwirkend eingestellt, da die Ausbildung bereits im Juli 2012 abgeschlossen wurde. Der Beschwerdeführer muss die Gerichtskosten von 400 CHF tragen.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | IV 2014/391 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | IV - Invalidenversicherung |
Datum: | 18.06.2015 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 35 Abs. 1 IVG i.V.m. Art. 25 Abs. 1, 4 und 5 AHVG, Art. 17 ATSG, Art. 25 |
Schlagwörter: | Kinder; Kinderrente; Verfügung; Ausbildung; Sachverhalt; IV-act; Rückforderung; Sachverhalts; IV-Stelle; Invalidenrente; Kinderrenten; Altersjahr; Leistung; Anspruch; Recht; Wiedererwägung; Sachverhaltsveränderung; Wortlaut; Veränderung; Dauerleistung; Revision; Meldepflicht; Tatbestandselement; Wirksamkeit; Kinderrentenanspruch; Ausbildungsende |
Rechtsnorm: | Art. 17 ATSG ;Art. 19 Or;Art. 25 AHVG ;Art. 270 ZGB ;Art. 49 ATSG ;Art. 53 ATSG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Entscheid Versicherungsgericht, 18.06.2015 Der Vizepräsident
hat
am 18. Juni 2015 in Sachen
A. ,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin,
betreffend
Rückforderung (Kinderrente) in Erwägung gezogen: Sachverhalt
A.
Die IV-Stelle sprach A. am 23. September 1999 eine ganze Invalidenrente sowie entsprechende Kinderrenten für B. (Jg. 1982), C. (Jg. 1984), D. (Jg. 1986) und E. (Jg. 1990) zu (IV-act. 136–4). Am 5. September 2006 forderte sie den Versicherten auf, eine Ausbildungsbestätigung für C. einzureichen (IV-act. 82). Die entsprechende Lehranstalt bestätigte am 10. Oktober 2006, dass C. für das Schuljahr 2006/07 eingeschrieben sei (IV-act. 77). Dementsprechend wurde die Kinderrente für C. weiter ausgerichtet. Am 24. September 2007 teilte die UNIA der IV-Stelle mit, C. habe am 30. Juni 2007 die Schule beendet. Man möge die verspätete Meldung entschuldigen (IV-act. 64–1). Mit einer Verfügung vom 5. Oktober 2007 forderte die IV-Stelle die für Juli bis Oktober 2007 ausgerichtete Kinderrente für C. zurück (IV-act. 62).
Am 5. September 2008 forderte die IV-Stelle den Versicherten auf, eine Ausbildungsbestätigung für die bald das 18. Altersjahr absolvierende E. einzureichen (IV-act. 52). Sie wies den Versicherten darauf hin, dass sie die entsprechende Kinderrente einstellen müsse, falls sie keine Ausbildungsbestätigung erhalte. Der Versicherte reichte eine Schulbestätigung für das Schuljahr 2008/09 ein (IV-act. 50). Dementsprechend wurde die Kinderrente für E. über deren 18. Altersjahr hinaus ausgerichtet (IV-act. 48). Am 3. September 2009 forderte die IV-Stelle beim Versicherten erneut eine Schulbestätigung für E. an (IV-act. 40). Die Lehranstalt bestätigte am 15. September 2009, dass E. das erste Semester der Ausbildung zur Physiotherapeutin absolviere. Sie gab an, das Studium dauere drei Jahre (IV-act. 39). Die IV-Stelle richtete die Kinderrente weiter aus. Im September 2010
forderte sie beim Versicherten wieder eine Ausbildungsbestätigung für E. an (IV-act. 31). Die Lehranstalt gab am 28. Oktober 2010 an (IV-act. 29), E. besuche das dritte Semester (Schuljahr 2010/11). Diesmal beschränkte sich die IV-Stelle nicht darauf,
einfach die Kinderrente weiter auszurichten. Sie erliess vielmehr eine Verfügung, mit der sie dem Versicherten für die Zeit ab 1. November 2010 eine Kinderrente für E. zusprach (IV-act. 27). Am 1. September 2011 forderte die IV-Stelle beim Versicherten wieder einen Ausbildungsnachweis für E. an (IV-act. 20). Sie bat darum, bei einer Änderung der Ausbildungssituation eine schriftliche Mitteilung zu machen. Die Lehranstalt bestätigte am 4. November 2011 (IV-act. 17), dass E. das 5. Semester absolviere (Schuljahr 2011/12). Wieder erliess die IV-Stelle eine Verfügung, mit der sie dem Versicherten am 21. November 2011 ab 1. November 2011 eine Kinderrente für
E. zusprach (IV-act. 15). Diese Verfügung enthielt einen Hinweis auf die Meldepflicht bei Veränderungen des leistungserheblichen Sachverhalts, wobei die Beendigung der Ausbildung bei Kindern in der Liste der Beispiele für meldepflichtige Änderungen ausdrücklich aufgeführt wurde. In der Folge forderte die IV-Stelle den Versicherten nicht mehr auf, einen Ausbildungsnachweis für E. einzureichen.
Erst am 7. Juli 2014 wurde die IV-Stelle auf diesen Umstand aufmerksam (IV-
act. 8). Am 25. Juli 2014 forderte sie den Versicherten auf, einen Ausbildungsnachweis einzureichen (IV-act. 7). Dieser teilte am 5. August 2014 telephonisch mit, dass E. ihre Ausbildung bereits im Juli 2012 abgeschlossen habe (IV-act. 6). Mit einer Verfügung vom 14. August 2014 forderte die IV-Stelle vom Versicherten die zwischen August 2012 und August 2014 für E. ausgerichteten Kinderrentenleistungen im Gesamtbetrag von 11’680 Franken zurück (IV-act. 4).
B.
Der Versicherte (nachfolgend: der Beschwerdeführer) erhob am 6. September 2014 (Datum der Postaufgabe) Beschwerde gegen diese Verfügung (act. G 1). Er beantragte die Aufhebung der Rückforderungsverfügung und eventualiter den Erlass des gesamtes Rückforderungsbetrages. Er begründete dies damit, dass er schlecht
Deutsch spreche und deshalb die Schreiben der Beschwerdegegnerin nicht verstanden habe. Seiner Ansicht nach sei der jeweils ausbezahlte Totalbetrag die „ihm persönlich zugehörige Rente“ gewesen, denn er habe gar nicht gewusst, dass es eine Kinderrente gebe. Im Übrigen sei er gar nicht in der Lage, die Rückforderung zu begleichen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte am 2. Oktober 2014 die Abweisung der Beschwerde (act. G 3). Sie wies zur Begründung darauf hin, dass der Erlass der Rückforderung erst geprüft werden könne, wenn über den Bestand der Rückforderung rechtskräftig entschieden sei. Sie könne deshalb erst über das Erlassgesuch befinden, wenn das Gerichtsurteil betreffend die Rückforderung rechtskräftig sei. Der Anspruch auf eine Kinderrente für E. sei per Ende Juli 2012 weggefallen. Die Verfügung vom
21. November 2011, mit der die Ausrichtung der Kinderrente ab 1. November 2011 festgelegt worden sei, sei für die Zeit ab 1. August 2012 zweifellos unrichtig gewesen. Der Beschwerdeführer habe seine Meldepflicht verletzt. Allerdings bestehe die Rückforderung unabhängig von einer Meldepflichtverletzung. Die angefochtene Verfügung sei rechtzeitig innerhalb der relativen einjährigen Verwirkungsfrist ergangen.
Erwägungen:
Gemäss Art. 35 Abs. 1 IVG i.V.m. Art. 25 Abs. 1 und 4 AHVG besteht ein Anspruch auf eine Kinderrente, wenn der Versicherte einen Anspruch auf eine Invalidenrente hat, wenn zwischen ihm und dem Kind ein Kindesverhältnis gemäss Art. 270 ff. ZGB besteht und wenn das Kind das 18. Altersjahr noch nicht vollendet hat. Im vorliegenden Fall hat der Sachverhalt ab 1997 diesen aus drei Elementen zusammengesetzten Gesetzestatbestand erfüllt, weshalb die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer am 23. September 1999 eine Kinderrente für E. zugesprochen hat. Da das dritte Tatbestandselement, die Beschränkung auf Kinder unter 18 Jahren, den Rentenanspruch zeitlich beschränkt, müsste die Wirksamkeit jeder Kinderrentenverfügung an sich ausdrücklich auf die Zeit bis zum Ende jenes Monats befristet werden, in dem das Kind das 18. Altersjahr vollenden wird. Dasselbe Problem stellt sich bei der IV-Hauptrente: Sie ist befristet auf die Zeit bis zur Entstehung eines Altersrentenanspruchs nach AHVG. Für dieses Problem enthält Art. 30 IVG eine Regelung: Der Rentenanspruch „erlischt“ mit der Entstehung des Anspruchs auf eine Altersrente der AHV, was verfahrensrechtlich betrachtet nur heissen kann, dass die Verbindlichkeit bzw. Wirksamkeit der Invalidenrentenverfügung immer befristet sein muss, auch wenn der Verfügungswortlaut dies nicht ausdrücklich vorsieht. Art. 35 Abs. 1 IVG i.V.m. Art. 25 Abs. 4 Satz 2 IVG enthält eine parallele Regelung: Der Kinderrentenanspruch erlischt mit der Vollendung des 18. Altersjahres. Das bedeutet, dass die Verbindlichkeit bzw. Wirksamkeit der Verfügung vom 23. September 1999
betreffend den Kinderrentenanspruch für E. notwendigerweise bis 31. Oktober 2008 befristet gewesen sein muss, weil E. im Oktober 2008 das 18. Altersjahr vollendet hat. Ab dem 1. November 2008 kann die Kinderrente für E. also nicht mehr gestützt auf die Verfügung vom 23. September 1999 ausgerichtet worden sein. Der Art. 35 Abs. 1 IVG i.V.m. Art. 25 Abs. 5 AHVG (Anspruch auf eine Kinderrente für ein in Ausbildung befindliches, über 18 Jahre altes Kind) kann nämlich nicht so interpretiert werden, dass die vom materiellen Recht erzwungene Befristung der Wirksamkeit einer Kinderrentenverfügung auf die Zeit bis zur Vollendung des 18. Altersjahres nicht wirksam werde, falls das Kind zu diesem Zeitpunkt noch in Ausbildung sei. Andernfalls würde nämlich ignoriert, dass der Kinderrentenanspruch für ein über 18 Jahre altes, in Ausbildung befindliches Kind auf einem anderen zusammengesetzten Ge setzestatbestand als der Kinderrentenanspruch für ein noch nicht 18 Jahre altes Kind beruht. Die ersten beiden Tatbestandselemente, der Anspruch auf eine Invalidenrente und das Bestehen eines Kindesverhältnisses gemäss Art. 270 ff. ZGB, sind zwar die selben. Das dritte Tatbestandselement, nämlich dass das Kind das 18. Altersjahr noch nicht erfüllt haben darf, wird aber ersetzt durch das Tatbestandselement, dass das Kind in Ausbildung sein müsse und das 25. Altersjahr noch nicht erfüllt haben dürfe. Ein neues Tatbestandselement erfordert notwendigerweise eine „neue“ Sachverhaltsermittlung, denn das betreffende Sachverhaltselement hat ja bisher noch nicht Gegenstand der Rechtsanwendung gebildet. Das Ergebnis dieser „neuen“ Sachverhaltsermittlung hätte im vorliegenden Fall unbedingt Gegenstand einer anfechtbaren Verfügung (bzw. einer Mitteilung gemäss Art. 49 Abs. 1 ATSG) bilden müssen, was sich insbesondere daraus ergibt, dass eine allfällige Verneinung einer Ausbildungssituation der über 18 Jahre alten E. einer gerichtlichen Überprüfung hätte zugänglich sein müssen. Beim Schreiben der Beschwerdegegnerin an den Beschwerdeführer vom 17. November 2008 handelt es sich deshalb um eine zwar formwidrige, aber inzwischen verbindlich gewordene Verfügung, mit der dem Beschwerdeführer mit Wirkung ab 1. November 2008 eine Kinderrente für die in Ausbildung befindliche, noch nicht 25 Jahre alte E. zugesprochen worden ist. Auch diese – formwidrige – Verfügung ist notwendigerweise in ihrer Verbindlichkeit bzw. Wirksamkeit befristet gewesen, nämlich bis zum 31. Oktober 2015 (Vollendung des 25. Altersjahres). Die Verfügungen vom 30. November 2010 und vom 21. November 2011 haben die – formwidrige – Verfügung vom 17. November 2008 nicht ersetzt. Ihr Inhalt
hat sich darauf beschränkt, ein Verwaltungsverfahren abzuschliessen, das der Beantwortung der Frage gedient hat, ob E. immer noch in Ausbildung sei.
Ihrem Wortlaut gemäss ordnet die angefochtene Verfügung vom 14. August 2014 nur die Rückerstattung der zwischen August 2012 und August 2014 für E. ausgerichteten Kinderrentenleistungen an. Würde man ihren Wortlaut ernst nehmen, wäre die Verfügung vom 14. August 2014 rechtswidrig, da sie der – formwidrigen, aber verbindlichen bzw. wirksamen – Verfügung vom 17. November 2008 widersprechen würde, mit der dem Beschwerdeführer auch für den fraglichen Zeitraum (August 2012 bis August 2014) eine Kinderrente für E. zugesprochen worden ist, so dass kein unrechtmässiger Leistungsbezug vorliegen und damit keine Rückerstattungspflicht bestehen könnte. In ihrer Beschwerdeantwort hat die Beschwerdegegnerin deshalb (sinngemäss) geltend gemacht, der Wortlaut der angefochtenen Verfügung vom 14. August 2014 sei unvollständig. Mit dieser Verfügung habe, dem Sinn und Zweck entsprechend, die – formwidrige – Verfügung vom 17. November 2008 mit Wirkung per
1. August 2012 aufgehoben und durch die Verneinung eines Kinderrentenanspruchs für E. ersetzt werden sollen. Bei richtiger Interpretation liege also für die Zeit ab 1. August 2012 bis 31. August 2014 ein unrechtmässiger Leistungsbezug im Sinne von Art. 25 Abs. 1 Satz 1 ATSG vor, so dass der Beschwerdeführer rückerstattungspflichtig sei. Diese Argumentation entspricht einer langjährigen Rechtsprechung des Versicherungsgerichtes insbesondere im Bereich der Rückforderung von Ergänzungsleistungen. Die angefochtene Verfügung vom 14. August 2014 enthält also auch eine Korrektur der – formwidrigen – Verfügung vom 17. November 2008. Als Instrument der Korrektur hat die Beschwerdegegnerin in ihrer Beschwerdeantwort die Wiedererwägung gemäss Art. 53 Abs. 2 ATSG angegeben; die – formwidrige – Verfügung vom 17. November 2008 sei nämlich ab dem 1. August 2012 zweifellos unrichtig gewesen, weil E. im Juli 2012 ihre Ausbildung abgeschlossen habe, ab dem 1. August 2012 also nicht mehr in Ausbildung gewesen sei. Tatsächlich hat der anspruchserhebliche Sachverhalt ab August 2012 nicht mehr mit dem Sachverhalt übereingestimmt, welcher der – formwidrigen – Verfügung vom 17. November 2008 bei ihrer Ausfertigung zugrunde gelegt worden war. Die nachträgliche Veränderung des anspruchserheblichen Sachverhalts fällt aber nicht in das Anwendungsgebiet der Wiedererwägung, sondern vielmehr in dasjenige der Revision (Art. 17 ATSG). Die Wiedererwägung setzt nämlich zwingend die ursprüngliche zweifellose Unrichtigkeit
einer Verfügung voraus (vgl. Ralph Jöhl, Zur Praxis der substituierten Begründung der Wiedererwägung bei zu Unrecht ergangenen Anpassungsverfügungen, AJP 2004, S. 1001 ff., 1003). Wäre einer nachträglichen Veränderung des anspruchserheblichen Sachverhalts, die von der Verwaltung verspätet festgestellt wird, mit einer Wiedererwägung ab dem Zeitpunkt des Eintritts dieser Veränderung Rechnung zu tragen, würde Art. 17 ATSG weitgehend überflüssig, denn ein grosser Teil der Sachverhaltsveränderungen werden verspätet (oder gar nicht) gemeldet. Weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte, die systematische Stellung der Sinn und Zweck des Art. 17 ATSG schliessen eine rückwirkende revisionsweise Anpassung der Leistung an einer Sachverhaltsveränderung aus. Der Ersatz der rückwirkenden Revision durch eine (Teil-) Wiedererwägung zufolge nachträglicher Veränderung des anspruchserheblichen Sachverhalts hätte zudem zur Folge, dass nur noch jenen Sachverhaltsveränderungen Rechnung getragen werden könnte, welche die ursprüngliche Verfügung als zweifellos unrichtig erscheinen liessen. Damit bleibt es bei der Anwendung des Art. 17 ATSG auch auf verspätet gemeldete Sachverhaltsveränderungen, d.h. Art. 17 ATSG bleibt eines jener Korrekturinstrumente, die geeignet sind, einen unrechtmässigen Leistungsbezug gemäss Art. 25 Abs. 1 Satz 1 ATSG und damit eine Rückerstattungspflicht des Leistungsbezügers zu begründen. Die – formwidrige – Verfügung vom 17. November 2008 ist zum Zeitpunkt ihrer Ausfertigung gesetzmässig gewesen, da sich E. damals noch in Ausbildung befunden hat. Dies schliesst eine Wiedererwägung dieser – formwidrigen – Verfügung aus. Das Verfahrensinstrument, das eingesetzt worden ist, um die – formwidrige – Verfügung vom 17. November 2008 mit Wirkung ab 1. August 2012 dahingehend zu korrigieren, dass kein Anspruch auf eine Kinderrente bestanden hat, kann also nur die Revision nach Art. 17 ATSG sein.
3.
Gemäss Art. 17 Abs. 1 ATSG wird eine Invalidenrente erhöht, herabgesetzt aufgehoben, wenn sich der Invaliditätsgrad des Rentenbezügers erheblich ändert. Im vorliegenden Fall besteht die Sachverhaltsveränderung nicht in einer Verminderung des Invaliditätsgrades des Beschwerdeführers, sondern im Abschluss der Ausbildung von E. . Nimmt man den Wortlaut des Art. 17 Abs. 1 ATSG ernst, kann diese Bestimmung nicht die gesetzliche Grundlage für die Aufhebung der Kinderrente per 31.
Juli 2012 sein. Gemäss Art. 17 Abs. 2 ATSG muss auch jede andere Dauerleistung aufgehoben werden, wenn sich der ihr zugrunde liegende Sachverhalt nachträglich erheblich verändert hat. Diese Bestimmung bezieht sich auf Art. 17 Abs. 1 ATSG, d.h. sie betrifft alle Dauerleistungen mit Ausnahme der Invalidenrenten. Da die Kinderrente ihrem Sinn und Zweck nach nur ein Zuschlag zur Invalidenrente ist, kann sie nicht unter den Begriff der anderen Dauerleistung subsumiert werden. Art. 17 Abs. 2 ATSG ist also auf den vorliegenden Sachverhalt ebenfalls nicht anwendbar. Die – gesetzgebungstechnisch unsinnige – Aufteilung des Revisionstatbestandes auf die Invalidenrente auf der einen Seite und alle anderen Dauerleistungen auf der anderen Seite hat also dazu geführt, dass der Wortlaut des Art. 17 Abs. 1 und 2 ATSG nicht alle revisionsrechtlich relevanten Sachverhaltsveränderungen abdeckt. Da dies ganz offenkundig nicht die Absicht des historischen Gesetzgebers gewesen ist , da sich die Nichtrevidierbarkeit einer einzelnen Art von Dauerleistung, nämlich der Kinderrente zur Invalidenrente, im bestehenden verwaltungsverfahrensrechtlichen System nicht rechtfertigen lässt, da der Sinn und Zweck des Art. 17 ATSG darin besteht sicherzustellen, dass jede laufende Dauerleistung jederzeit den materiellrechtlichen Vorgaben entspricht und da sich ein Ausschluss der Kinderrente von der Revidierbarkeit vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht rechtfertigen liesse, kann die richtige Interpretation des Art. 17 Abs. 1 ATSG nur darin bestehen, dass auch die Kinderrente zur Invalidenrente revidierbar ist, wenn sich der anspruchsbegründende Sachverhalt massgebend ändert. Da E. unbestrittenermassen im Juli 2012 ihre Ausbildung beendet hat, hat die Beschwerdegegnerin die laufende Kinderrente also zu Recht eingestellt.
Zu prüfen bleibt, ob die Beschwerdegegnerin die Kinderrente für E. zu Recht rückwirkend eingestellt hat. Gemäss Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV erfolgt die Einstellung nämlich auf den ersten Tag des zweiten auf die Verfügung folgenden Monats. Das wäre im vorliegenden Fall auf den 1. September 2014 gewesen. Eine auf den (in der Ver gangenheit liegenden) Eintritt der anspruchserheblichen Sachverhaltsveränderung erfolgende und damit rückwirkende Aufhebung ist gemäss Art. 88bis Abs. 2 lit. b IVV nur möglich, wenn der Leistungsbezüger seiner zumutbaren Meldepflicht nicht nachgekommen ist. Gemäss Art. 77 IVV ist jede für den Leistungsanspruch wesentliche Änderung unverzüglich zu melden. Die Beendigung der Ausbildung von E. war eine leistungserhebliche Veränderung und unterlag somit der Pflicht zur unverzüglichen
Meldung. Der Beschwerdeführer hat sinngemäss geltend gemacht, dass er nicht in der Lage gewesen sei, seine Meldepflicht zu erfüllen, weil er mangels ausreichender Deutschkenntnisse nicht um die Natur der Kinderrente und damit auch nicht um die Anspruchsrelevanz der Ausbildung von E. bzw. des Ausbildungsendes habe wissen können. Selbst wenn der Beschwerdeführer nach seinem langjährigen Aufenthalt in der Schweiz nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen sollte, hat er doch in der Vergangenheit bei einem anderen seiner Kinder erlebt, dass die verspätete Meldung des Ausbildungsendes eine Rückforderung zur Folge hatte. Ausserdem konnte er auch bei allenfalls völlig fehlenden Deutschkenntnissen sowohl der ursprünglichen Rentenverfügung vom 23. September 1999 als auch der Rückforderung vom 5. September 2006 und den späteren Mitteilungen zu den jeweiligen Kinderrenten ohne weiteres entnehmen, dass er für jedes seiner Kinder einen bestimmten monatlichen Rentenbetrag erhielt und dass die Auszahlung dieses Betrages auf die Dauer der Ausbildung des entsprechenden Kindes beschränkt. Ausserdem war er von der Beschwerdegegnerin ja immer wieder aufgefordert worden, Ausbildungsbelege seiner Kinder einzureichen. Deshalb muss mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer – entgegen seinen eigenen Angaben in der Beschwerde – um die Bedeutung des getrennt ausgewiesenen Rentenbetrages für jedes seiner Kinder und um die Ursache der Rückforderung von 2006 bzw. um die Bedeutung des Endes der Ausbildung gewusst hat. Bei Aufwendung gebührender Sorgfalt hatte der Beschwerdeführer also das Ausbildungsende von E. unverzüglich melden können, so dass die Beschwerdegegnerin die laufende Kinderrente noch auf den 31. Juli 2012 hätte ein
stellen können. Die Beschwerdegegnerin hat somit zu Recht Art. 88bis Abs. 2 lit. b IVV
angewendet, d.h. sie ist befugt gewesen, die Kinderrente für E. rückwirkend einzustellen und die nach dem 31. Juli 2012 im Sinne von Art. 25 Abs. 1 Satz 1 ATSG zu Unrecht ausgerichteten Rentenleistungen zurückzufordern. Die Rückforderung erweist sich auch betraglich als korrekt. Damit ist die Beschwerde abzuweisen. Auf das Eventualbegehren um den Erlass der Rückforderung kann nicht eingetreten werden, da die Beschwerdegegnerin darüber noch nicht verfügt hat und da der Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens nicht weiter sein kann als der Gegenstand der angefochtenen Verfügung.
4.
Da ein klarer Sachverhalt zu beurteilen ist (die Tochter E. hat ihre Ausbildung unbestrittenermassen bereits im Juli 2012 abgeschlossen) und da die Rechtslage aufgrund einer langjährigen, bisher allerdings unzureichend begründeten Rechtsprechung eindeutig ist, liegt ein einfacher Fall im Sinne des Art. 17 Abs. 2 GerG und des Art. 19 Abs. 2 OrgV vor, der einzelrichterlich beurteilt werden kann.
Das Beschwerdeverfahren bei Streitigkeiten um die Bewilligung Verweigerung von IV-Leistungen ist kostenpflichtig (Art. 69 Abs. 1bis IVG). Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von 200 – 1’000 Franken festgelegt. Da die Rückforderung auf einer revisionsweisen Einstellung der Kinderrente für E. beruht, liegt ein Streit um IV-Leistungen vor. Das vorliegende Beschwerdeverfahren ist deshalb kostenpflichtig. Da die Beurteilung einzelrichterlich erfolgt, wird die Gerichtsgebühr – dem Verfahrensaufwand entsprechend – praxisgemäss auf 400 Franken festgesetzt. Diese Gerichtsgebühr ist vom vollumfänglich unterliegenden Beschwerdeführer zu bezahlen.
Demgemäss hat der Vizepräsident
als Einzelrichter im Verfahren gemäss Art. 19 OrgV
entschieden:
Die Beschwerde wird, soweit auf sie eingetreten werden kann, abgewiesen.
Der Beschwerdeführer wird verpflichtet, eine Gerichtsgebühr von Fr. 400.-- zu
bezahlen.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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