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Urteil Versicherungsgericht (SG - IV 2012/122)

Zusammenfassung des Urteils IV 2012/122: Versicherungsgericht

A. zu übernehmen sind, so sind diese Kosten von der Beschwerdegegnerin rückwirkend ab dem 1. Januar 2007 bis zum 31. Oktober 2013 zu tragen. Die Beschwerdegegnerin muss die Kosten für die medizinischen Massnahmen im Zusammenhang mit den Geburtsgebrechen Ziff. 278 und 382 sowie die Kosten des Rehaaufenthalts bzw. der Physio- und Ergotherapie für die Zeit vom 14. Mai bis 24. Oktober 2008 übernehmen, sofern die entsprechenden Voraussetzungen nach Art. 13 und Art. 12 IVG erfüllt sind. Die Beschwerdegegnerin muss weitere Abklärungen zur Frage des Zusammenhangs zwischen der Hypothalamusblutung und den Geburtsgebrechen sowie zur Eingliederungsfähigkeit von A. treffen. Die Angelegenheit wird zur weiteren Klärung an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts IV 2012/122

Kanton:SG
Fallnummer:IV 2012/122
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:IV - Invalidenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid IV 2012/122 vom 11.04.2014 (SG)
Datum:11.04.2014
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:EntscheidEntscheid Versicherungsgericht, 11.04.2014
Schlagwörter: Wohnsitz; Pflege; IV-act; Geburt; Geburtsgebrechen; Recht; Schweiz; Anspruch; Behandlung; Massnahme; Massnahmen; Abklärung; Verfügung; Versicherungsgericht; Urteil; Verordnung; Eingliederung; Abklärungen; Pflegeeltern; Person; Lebens; IV-Stelle; Voraussetzung; Eltern; Voraussetzungen; Wohnsitzes
Rechtsnorm: Art. 1 IPRG ;Art. 16 ZGB ;Art. 20 IPRG ;Art. 23 ZGB ;Art. 24 ATSG ;Art. 25 ZGB ;Art. 26 ZGB ;Art. 376 ZGB ;
Referenz BGE:100 V 41; 126 V 149; 131 V 425; 132 V 235;
Kommentar:
Ueli Kieser, ATSG- 2. Auflage , Art. 24 ATSG, 2009

Entscheid des Verwaltungsgerichts IV 2012/122

Präsidentin Karin Huber-Studerus, Versicherungsrichter Ralph Jöhl, Versicherungsrichterin Miriam Lendfers; Gerichtsschreiberin Nadja Francke Zubair

Entscheid vom 11. April 2014

in Sachen

SWICA Krankenversicherung AG, Rechtsdienst, Römerstrasse 38, 8401 Winterthur,

Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,

Beschwerdegegnerin,

und

  1. ,

    Beigeladene,

    vertreten durch Angela Gini, Amtsvormundschaft Untertoggenburg und Wil-Land,

    Sägestrasse 5, 9230 Flawil,

    betreffend

    medizinische Massnahmen für A. (Vers.-Nr. XXX.XXXX.XXXX.XX) Sachverhalt:

    A.

    1. A. , geboren am 8. Oktober 19 in B. , B. Staatsangehörige, leidet seit Geburt an einem kongenitalen Hypoventilationssyndrom sowie Aganglionose und Ganglienzell-Anomalien (IV-act. 2). Gemäss Anhang der Verordnung über Geburtsgebrechen (GgV; SR 831.232.212) handelt es sich dabei um

      die Geburtsgebrechen Ziffer 278 und Ziffer 382. A. reiste am 1. Juni 1999 in die Schweiz ein. Sie lebt bei der Pflegefamilie C. und D. . Seit 1999 besucht sie die E. in F. (IV-act. 1, 3-1, 64-1).

    2. Zur Behandlung einer Halbseitenlähmung aufgrund einer Hypothalamusblutung rechts weilte A. vom 14. Mai 2008 bis 24. Oktober 2008 im Rehabilitationszentrum des Kinderspitals Zürich in G. (IV-act. 2). Vom 30. November 2009 bis 1. Dezember 2009 erfolgte zur Evaluation der nächtlichen Heimbeatmung (zur Behandlung des

      Geburtsgebrechens Ziff. 278) ein stationärer Aufenthalt im Kinderspital Zürich (IV-act. 20-6 ff.).

    3. Im Juli 2009 hatte C. das Pflegekind zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung (IV) angemeldet (IV-act. 1). Eine Anfrage der IV-Stelle beim Sozial- und Jugendamt der Stadt F. ergab, dass A. weder bevormundet noch verbeiständet war. Sorgeberechtigt waren nach wie vor die leiblichen Eltern, H. und I. , beide wohnhaft in J. (IV-act. 6). In der Folge ersuchten die leiblichen Eltern am

      15. Oktober 2009 (Eingangsdatum bei der IV-Stelle) um IV-Leistungen für ihre Tochter (IV-act. 6, 8).

    4. Mit einer Mitteilung vom 1. April 2010 sprach die IV-Stelle A. die Kosten für die Behandlung der Geburtsgebrechen Ziff. 278 und 382 sowie die ärztlich verordneten Behandlungsgeräte in einfacher und zweckmässiger Ausführung ab 15. Oktober 2008 bis 31. Oktober 2013 zu (IV-act. 24).

    5. Mit einer Verfügung vom 27. Mai 2010 wies die IV-Stelle das Leistungsbegehren betreffend die Kosten für den Rehabilitationsaufenthalt vom 14. Mai 2008 bis 24. Oktober 2008 sowie Physio- und Ergotherapie ab. Als Begründung führte sie an, dass diese Kosten nicht im Rahmen von medizinischen Massnahmen nach Art. 12 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) übernommen werden könnten. Aus den Akten gehe hervor, dass A. auch zu einem späteren Zeitpunkt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage sein werde, einer beruflichen Tätigkeit in der freien Wirtschaft nachzugehen (IV-act. 30).

    6. Die Swica Krankenversicherung AG (nachfolgend: Swica) als vorleistungspflichtiger Versicherungsträger erhob gegen die Verfügung vom 27. Mai 2010 sowie die Mitteilung vom 1. April 2010 Beschwerde (IV-act. 32-3). Diese Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Urteil vom 15. April 2011 teilweise gut und wies die Angelegenheit zur weiteren Abklärung an die Beschwerdegegnerin zurück. In den Erwägungen wurde festgehalten, dass zur Beurteilung, ob die Anspruchsberechtigung von A. (im Sinne der versicherungsmässigen Voraussetzungen) gegeben sei, weitere Abklärungen zur Frage des Wohnsitzes, zur Ausgestaltung des Pflegefamilienverhältnisses sowie zu den

      Voraussetzungen des Anspruchs auf Leistungsaushilfe getätigt werden müssten. Auch für eine materielle Prüfung des Leistungsanspruchs genüge die Aktenlage nicht. Einerseits erscheine die Frage, ob die Hirnblutung möglicherweise mit einem Geburtsgebrechen zusammenhänge und daher in den Anwendungsbereich von Art. 13 IVG fallen könnte, nicht ausreichend abgeklärt. Andererseits wäre für die Prüfung eines Leistungsanspruchs nach Art. 12 IVG eine fachärztliche Prognose betreffend die Eingliederungsfähigkeit in eine Erwerbstätigkeit, insbesondere aber auch in einen Aufgabenbereich, worunter auch Tätigkeiten in einer geschützten Werkstätte in einer Familie bzw. eine Hilfsarbeit zählen dürften, einzuholen (IV-act. 49).

    7. Mit einer Verfügung vom 27. Juni 2011 widerrief die IV-Stelle die Mitteilung vom

      1. April 2010 mit der Begründung, dass aufgrund des Entscheids des Versicherungs­ gerichts vom 15. April 2011 zunächst die Anspruchsvoraussetzungen genauer geprüft werden müssten (IV-act. 51).

    8. Das Einwohneramt der Gemeinde K. bescheinigte am 29. Juni 2011, dass

  1. seit dem 1. Oktober 2001 bei der Gemeinde gemeldet sei. Den Wohnsitz habe sie nicht in K. . Aufgrund der Minderjährigkeit sei der Wohnsitz am Wohnort der Eltern in J. . A. besitze aber eine Niederlassungsbewilligung aufgrund ihres Aufenthalts bei den Pflegeeltern (IV-act. 54).

    1. Auf Anfrage der IV-Stelle (IV-act. 52) teilte das Sozial- und Jugendamt in F. mit, dass A. mit einem Zweitwohnsitz in F. gemeldet sei. Über ihre leiblichen Eltern sei sie bei der L. krankenversichert. Gemäss dem beigelegten Pflegegeldbescheid vom 9. Februar 2011 erhielten die Pflegeeltern vom Sozial- und Jugendamt F. ein monatliches Pflegegeld (ab 1. Januar 2011 in Höhe von EUR 794.--) für die vollzeitliche Pflege von A. (IV-act. 56).

    2. Mit einem Vorbescheid vom 22. August 2011 stellte die IV-Stelle A. eine Abweisung der Kostengutsprache für medizinische Massnahmen in Aussicht. Als Begründung führte sie an, es habe sich aus den weiteren Abklärungen ergeben, dass sich der gesetzliche Wohnsitz von A. weiterhin in B. befinde. In der Schweiz sei lediglich eine Niederlassungsbewilligung ausgesprochen worden, welche keinen Wohnsitz begründe. Aufgrund des fehlenden Wohnsitzes bestehe in der Schweiz keine

      Versicherteneigenschaft, weshalb seitens der Invalidenversicherung keine Kosten für Eingliederungsmassnahmen übernommen werden könnten. Die Abklärungen betreffend die Ausgestaltung des Pflegeverhältnisses hätten ergeben, dass sich die Pflegeeltern seit mehreren Jahren um die Pflege und Erziehung von A. kümmerten. Für die Pflege- und Erziehungsleistung werde vom Sozial- und Jugendamt ein monatliches Entgelt geleistet. Es könne daher nicht angenommen werden, dass Lasten und Aufgaben, welche gewöhnlich den leiblichen Eltern zufielen, den Pflegeeltern übertragen worden seien. Insbesondere kämen die Pflegeeltern nicht überwiegend für den Unterhalt von A. auf. Aus diesem Grund könnten für A. keine Ansprüche aus der Versicherungsstellung der Pflegeeltern abgeleitet werden. Massgebend für A. bleibe die Versicherteneigenschaft der leiblichen Eltern, welche nicht in der Schweiz wohnten und nicht versichert seien. Da die versicherungsmässigen Voraussetzungen nicht erfüllt seien, müssten sowohl medizinische Eingliederungsmassnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen als auch medizinische Massnahmen nach Art. 12 IVG abgewiesen werden (IV-act. 59).

    3. Gegen den Vorbescheid vom 22. August 2011 wandte die Swica am 21. September 2011 unter Verweis auf ein Dokument der Vormundschaftsbehörde K. ein, dass der Wohnsitz von A. nach dem Bundesgesetz für internationales Privatrecht (IPRG; SR 291) und nicht nach dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB; SR 210) zu bestimmen sei, da es sich um einen internationalen Sachverhalt handle. Demnach gebe es beim unmündigen Kind keinen von den im Ausland lebenden Eltern als Inhaber der elterlichen Sorge abgeleiteten zivilrechtlichen Wohnsitz. Vielmehr sei

      1. , welche seit 12 Jahren in der Schweiz lebe und hier bei Pflegeeltern ihren Lebensmittelpunkt habe, in K. wohnhaft (IV-act. 63). Mit einem Schreiben vom

        18. August 2011 hatte das Vormundschaftsamt K. zu den Anfragen der Pflegeeltern

        u.a. betreffend den zivilrechtlichen Wohnsitz von A. Stellung genommen. Es hatte ausgeführt, dass grundsätzlich nur eine urteilsfähige Person im Sinne von Art. 16 ZGB einen selbständigen zivilrechtlichen Wohnsitz begründen könne. Da jedoch weniger die subjektive Absicht, sondern der erkennbare Mittelpunkt der Lebensbeziehungen für die Bestimmung des zivilrechtlichen Wohnsitzes massgebend sei, seien an die Urteilsfähigkeit keine hohen Anforderungen zu stellen. Die Funktionalisierung des Wohnsitzbegriffs, d.h. der Zweck, den Art. 376 Abs. 1 ZGB mit der Anknüpfung am Wohnsitz verfolge, nämlich die vormundschaftliche Zuständigkeit möglichst am

        Lebensmittelpunkt der zu entmündigenden Person zu begründen, sei bei der Auslegung des Begriffs des zivilrechtlichen Wohnsitzes zudem zu berücksichtigen. Aufgrund dieser Funktionalisierung sei die Urteilsfähigkeit der zu entmündigenden Person unbeachtlich bei der Bestimmung des zivilrechtlichen Wohnsitzes zur Festlegung der behördlichen Zuständigkeit zur Anordnung und Führung von vormundschaftlichen Massnahmen. Dementsprechend schliesse die bei A. bestehende geistige Behinderung die Begründung eines zivilrechtlichen Wohnsitzes an ihrem tatsächlichen Lebensmittelpunkt nicht aus. Da A. B. Staatsangehörige sei, richte sich ihr zivilrechtlicher Wohnsitz nicht nach den Art. 23 ff. ZGB, sondern nach Art. 20 IPRG. Der Wohnsitzbegriff von Art. 20 Abs. 1 lit. a IPRG decke sich mit jenem nach Art. 23 Abs. 1 ZGB. Abweichungen ergäben sich jedoch dadurch, dass im internationalen Verhältnis keine den Art. 24 Abs. 1 und Art. 25 ZGB entsprechenden Normen bestünden. Demzufolge gebe es bei einem internationalen Sachverhalt – wie im vorliegenden Fall – keinen von den im Ausland lebenden Eltern als Inhaber der elterlichen Sorge abgeleiteten zivilrechtlichen Wohnsitz des unmündigen Kindes. Der zivilrechtliche Wohnsitz des unmündigen Kindes richte sich somit nach Art. 20 Abs. 1 lit. a IPRG, selbst wenn es unter elterlicher Sorge stehe und die Eltern ihren Wohnsitz in B. hätten. Folglich befinde sich der zivilrechtliche Wohnsitz vom A. nicht in

      2. , sondern in der Schweiz und zwar an ihrem tatsächlichen Lebensmittelpunkt in K. l (IV-act. 64).

    4. Am 24. Oktober 2011 ernannte das Vormundschaftsamt K. Angela Gini, Amtsvormundschaft M. , als Vormundin der seit dem 8. Oktober 2011 volljährigen A. (IV-act. 66). Die Vormundin meldete A. am 14. Dezember 2011 zum Bezug von IV-Leistungen für Erwachsene an (IV-act. 68, 69).

A.m Mit einem Schreiben vom 22. Dezember 2011 erbat die IV-Stelle das Bundesamt für

Sozialversicherungen (BSV) um eine rechtliche Stellungnahme betreffend den zivilrechtlichen Wohnsitz von A. vor und nach deren Volljährigkeit (IV-act. 71-3 f.). Das BSV hielt diesbezüglich fest, dass die Frage nach dem Wohnsitz entsprechend der

Ansicht der IV-Stelle nach den Bestimmungen des ZGB zu beurteilen sei. Der Wohnsitz eines Kindes unter elterlicher Sorge befinde sich gemäss Art. 25 Abs. 1 ZGB am Wohnsitz der Eltern, wenn sie einen gemeinsamen Wohnsitz hätten. Im vorliegenden Fall hätten die Eltern einen gemeinsamen Wohnsitz in F. in B. . Demzufolge behalte A. bis zum Erreichen der Volljährigkeit ihren in B. vorbestehenden Wohnsitz bei ihren Eltern. Bis zu diesem Zeitpunkt sei sie nicht in der schweizerischen AHV/IV versichert gewesen, was das Erfüllen der versicherungsmässigen Voraussetzungen für Eingliederungsmassnahmen verunmögliche. Zur Frage nach der Anwendbarkeit von Art. 19 der Verordnung (EWG) 1408/71 zur Begründung eines zivilrechtlichen Wohnsitzes der Versicherten vor deren Volljährigkeit erklärte das BSV, dass eine Anwendung mangels Wohnsitzes nicht in Frage komme. Der persönliche Geltungsbereich der Verordnung 1408/71 erstrecke sich gemäss Art. 2 Abs. 1 u.a. auf Arbeitnehmer und Selbständige, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates seien, sowie auf deren Familienangehörige und Hinterbliebenen. Da davon auszugehen sei, dass die Pflegeeltern als B. Staatsangehörige und Arbeitnehmer in den Geltungsbereich fielen, sei zu prüfen, inwieweit A. als Familienangehörige im Sinne der Verordnung gelten könne und damit unter den persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung 1408/71 falle. Gemäss Art. 1 lit. f Ziff. 1 der Verordnung obliege es dem zuständigen Mitgliedsstaat, die Eigenschaft als Familienangehörige zu bestimmen. Familienangehörige sei demnach jede Person, die aufgrund ihres familienrechtlichen Status als Ehegatte Kind, Lebenspartner Haushaltsangehörige eine Leistungsberechtigung vom Stammrecht des Berechtigten ableite. Pflegekinder hätten nach schweizerischem Recht beim Tod eines Pflegeelternteils nur dann einen Anspruch auf eine Waisenrente, wenn sie unentgeltlich und dauernd aufgenommen worden seien. Vorliegend sei die Voraussetzung aufgrund der Unterhaltszahlungen aus B. nicht gegeben. Die Eigenschaft als Familienangehörige der Pflegeltern könne A. daher nicht zuerkannt werden. Schliesslich hielt das BSV fest, dass die Wohnsitzfrage und damit die Versicherungsunterstellung nach Erreichen der Volljährigkeit neu zu beurteilen sei. Grundsätzlich könne A. ab diesem Zeitpunkt einen Wohnsitz in der Schweiz begründen. Nach der Errichtung der Vormundschaft in der Schweiz sei nun ebenfalls ein schweizerischer Wohnsitz – und dadurch eine Versicherungsunterstellung bei der AHV/IV – zu bejahen (IV-act. 71-1 f.).

    1. Am 23. Januar 2012 erliess die IV-Stelle zwei Vorbescheide, welchen jenen vom

      22. August 2010 ersetzten. Demnach beabsichtigte sie, A. einerseits die Kosten für medizinische Massnahmen in Bezug auf die Geburtsgebrechen ab Erreichen der Volljährigkeit, d.h. ab 8. Oktober 2011, zuzusprechen. Andererseits stellte sie eine Abweisung der Kostengutsprache für medizinische Massnahmen bis zum 18. Lebens­ jahr – sowohl in Bezug auf die Geburtsgebrechen als auch nach Art. 12 IVG – in Aus­ sicht. Zur Begründung führte die IV-Stelle an, dass sich der Wohnsitz von A. gemäss Art. 25 Abs. 1 ZGB am Wohnsitz der Eltern in B. befinde. Damit sei A. bis zum 18. Lebensjahr nicht bei der AHV/IV versichert gewesen und erfülle die versicherungsmässigen Voraussetzungen für die Zusprache von medizinischen Massnahmen durch die Invalidenversicherung nicht. Zum Einwand der Swica, wonach die Wohnsitzfrage nach IPRG und nicht nach ZGB zu prüfen sei, entgegnete die IV- Stelle, sie habe entsprechend den Vorgaben im Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 15. April 2011 weitere Abklärungen im Rahmen des ZGB vorgenommen. Eine anderweitige Prüfung sei nicht mehr möglich, da der Entscheid des Versicherungsgerichts in Rechtskraft erwachsen sei (IV-act. 76, 77).

    2. Am 2. Februar 2012 wandte die Swica gegen die Vorbescheide vom 23. Januar 2012 ein, dass die IV-Stelle die Wohnsitzfrage trotz internationalem Bezug nicht nach IPRG beurteile, was zu einem Rechtsmangel führe (IV-act. 79).

    3. Am 13. März 2012 verfügte die IV-Stelle im Sinne der beiden Vorbescheide vom

23. Januar 2012 (die Verfügungen wurden fälschlicherweise als Vorbescheid betitelt, vgl. IV-act. 89). Zum Einwand der Swica hielt sie nochmals fest, dass seitens des Ver­ sicherungsgerichts nur eine Abklärung der Wohnsitzfrage nach ZGB angeordnet worden sei. Sie habe ihre Abklärungspflicht damit voll erfüllt. Hätte die Swica auf weitere Abklärungen gemäss IPRG bestanden, wäre eine Anfechtung des kantonalen Urteils beim Bundesgericht erforderlich gewesen (IV-act. 84, 85).

B.

    1. Gegen diese Verfügungen richtet sich die vorliegende Beschwerde der Swica vom

      30. März 2012 (Poststempel). Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der Verfügungen vom 13. März 2012 und die Übernahme der Behandlungskosten im

      Zusammenhang mit den Geburtsgebrechen Ziff. 278 und 328 ab 15. Oktober 2004 (eventualiter 1. Januar 2008) sowie der Kosten für den Rehaaufenthalt, Physio- und Ergotherapie im Rahmen von medizinischen Massnahmen vom 14. Mai bis 24. Oktober 2008 durch die Beschwerdegegnerin. Diese sei zu verpflichten, ihr die im Rahmen der Vorleistungen erbrachten Behandlungskosten zurückzuerstatten. Als Begründung brachte die Beschwerdeführerin zunächst vor, dass die Mitteilung vom 1. April 2010, mit welcher eine Leistungszusprache für die Geburtsgebrechen ab 15. Oktober 2008 erfolgt sei, von der Beschwerdegegnerin nicht hätte widerrufen werden dürfen. Das Versicherungsgericht sei nicht auf die Mitteilung eingetreten, womit diese in Rechtskraft erwachsen sei. Weiter finde auf den vorliegenden internationalen Sachverhalt nicht das ZGB, sondern das IPRG Anwendung. Diesbezüglich werde auf die Ausführungen des Vormundschaftsamtes K. verwiesen. Betreffend das Argument der Beschwerdegegnerin, man hätte das Rückweisungsurteil anfechten müssen, sei der Grundsatz "iura novit curia" anzuführen, wonach die Rechtsanwendung vom Gericht von Amtes wegen korrekt zu erfolgen habe und nicht von den Parteien. Bei A. lägen die anerkannten Geburtsgebrechen Ziff. 278 und 382 vor. Die Kosten für deren Behandlung seien daher von der Invalidenversicherung gestützt auf Art. 13 Abs. 1 IVG zu übernehmen. Die versicherungsmässigen Voraussetzungen seien nach dem internationalen Privatrecht gegeben. Zum Standpunkt der Beschwerdegegnerin, dass die Kosten für den Rehaaufenthalt nicht gestützt auf Art. 12 IVG übernommen werden könnten, weil A. in der Zukunft nicht in der Lage sein werde, einer beruflichen Tätigkeit in der freien Wirtschaft nachzugehen, habe sich das Versicherungsgericht dahingehend geäussert, dass auch Tätigkeiten in einer geschützten Werkstätte in einer Familie zu berücksichtigen seien (act. G 1).

    2. Am 14. Juni 2012 beantragte die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Be­ schwerde. Sie hielt betreffend die Mitteilung vom 1. April 2010 fest, das Versicherungsgericht habe sich dahingehend geäussert, dass die Streitsache noch nicht spruchreif sei und habe die Sache zum Erlass einer entsprechenden Verfügung an sie überwiesen. Somit seien ein Widerruf der Mitteilung und eine Neuverfügung nach der Durchführung der im Urteil erwähnten Abklärungen zulässig gewesen. Zur Frage des Wohnsitzes in der Schweiz habe das Versicherungsgericht ausgeführt, dass Schweizer Recht anwendbar sei. Demnach habe sie sich lediglich an die Anweisungen

      des Gerichts ghalten. Im Weiteren sei diesbezüglich auf die Stellungnahme des BSV vom 19. Dezember 2011 zu verweisen (act. G 9).

    3. Mit einer Replik vom 3. Juli 2013 hielt die Beschwerdeführerin an den Beschwerdeanträgen fest und fügte ergänzend an, dass die Beschwerdegegnerin nicht bestreite, dass vorliegend ein internationaler Sachverhalt gegeben sei, auf den das entsprechende Recht anwendbar wäre. Dies führe zur Annahme eines Schweizer Wohnsitzes von A. und zur Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin (act. G 11).

    4. Mit einer Eingabe vom 23. August 2012 verzichtete die Beschwerdegegnerin auf die Einreichung einer Duplik und verwies auf ihre Beschwerdeantwort (act. G 13).

    5. Am 10. September 2012 wurde die Vormundin von A. , Angela Gini, zum Verfahren beigeladen. Sie verzichtete auf die Einreichung einer Stellungnahme (act. G 14, 15).

Erwägungen:

1.

    1. Die vorliegende Beschwerde richtet sich inhaltlich gegen die Verfügungen vom

      13. März 2012. Da beide Verfügungen die Kostengutsprache für medizinische Mass­ nahmen (einerseits im Zusammenhang mit den Geburtsgebrechen gemäss Art. 13 IVG und andererseits gemäss Art. 12 IVG) zum Gegenstand haben, der gleiche Sachverhalt zu Grunde liegt und sich die gleichen Rechtsfragen betreffend die versicherungsmässigen Voraussetzungen stellen, hätte in dieser Angelegenheit auch ohne Weiteres nur eine Verfügung erlassen werden können. Die Beschwerdeführerin hat nur ein Mal Beschwerde erhoben, was als Versehen zu betrachten ist, da sie offenbar beide Verfügungen anfechten wollte. Demnach bilden auch beide Verfügungen vom 13. März 2012 Anfechtungsgegenstand des vorliegenden Verfahrens.

    2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass die Kostengutsprache betreffend die Be­ handlung der Geburtsgebrechen ab 15. Oktober 2008 gemäss der Mitteilung vom

1. April 2010 bereits rechtskräftig geworden sei und die Beschwerdeführerin diese

nicht hätte widerrufen dürfen. Die Beschwerdegegnerin hatte die Mitteilung nach der

Überweisung durch das Urteil des Versicherungsgerichts vom 15. April 2011 mittels einer Verfügung vom 27. Juni 2011 widerrufen, um zunächst genauere Abklärungen zur Anspruchsberechtigung durchzuführen (vgl. IV-act. 51). Diese Verfügung ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen, weshalb keine Überprüfung der Rechtmässigkeit des Widerrufs mehr erfolgen kann. Über den Gegenstand der Mitteilung vom 1. April 2010 wurde mit den vorliegend angefochtenen Verfügungen vom 13. März 2012 neu entschieden. Nur der Inhalt dieser Verfügungen bildet den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.

2.

    1. Unbestritten ist, dass A. ab Erreichen ihrer Volljährigkeit am 8. Oktober 2011 und der daraufhin am 24. Oktober 2011 angeordneten Vormundschaft durch die Vormundschaftsbehörde K. (vgl. IV-act. 66) zivilrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz hat. Somit ist A. ab dem 18. Lebensjahr in der AHV/IV versichert und kann bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen Leistungen der Invalidenversicherung beanspruchen (vgl. IV-act. 84-2).

    2. Strittig und zu prüfen ist hingegen, ob A. die versicherungsmässigen Voraussetzungen zum Bezug von IV-Leistungen – vorliegend die Kostenübernahme für medizinische Massnahmen – vor ihrem 18. Lebensjahr erfüllt. Die Beschwerdegegnerin hat eine Anspruchsberechtigung nach Schweizer Recht und nach internationalen sozialrechtlichen Abkommen verneint. Ob eine Anspruchsberechtigung nach IPRG vorliegt, hat die Beschwerdegegnerin unter Berufung auf den Rückweisungsentscheid des Versicherungsgerichts St. Gallen vom 15. April 2011 nicht geprüft. Sie hat festgehalten, das Versicherungsgericht habe lediglich weitere Abklärungen gemäss ZGB und nicht gemäss IPRG angeordnet. Das Versicherungsgericht hat in den Erwägungen im Ergebnis festgehalten, dass sich die Aktenlage zur Beurteilung der Wohnsitzfrage als unzureichend präsentiere (vgl. Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 15. April 2011, IV 2010/257, E. 4.4). Diese abschliessende Feststellung bildet den Gegenstand des Dispositivs, welches für die IV-Stelle bindend ist. Hingegen können die einzelnen Ausführungen zur Rechtsauslegung, mit welchen noch kein Entscheid in Bezug auf die Angelegenheit getroffen worden ist, nicht als verbindliche Weisungen an die Vorinstanz gesehen werden. Entgegen den

Ausführungen in Erwägung 4.3 jenes Entscheids beurteilt sich die Wohnsitzfrage bei einem Sachverhalt mit grenzüberschreitendem Bezug nicht nach ZGB, sondern nach IPRG. Der internationale Bezug ist vorliegend darin zu sehen, dass die im zu beurteilenden Zeitraum minderjährige A. B. Staatsangehörige ist und ihre sorgeberechtigten, leiblichen Eltern in B. wohnhaft sind. Damit ist im Folgenden die Anspruchsberechtigung bzw. die Frage nach dem zivilrechtlichen Wohnsitz vor Erreichen der Volljährigkeit nach IPRG zu prüfen (vgl. BSK ZGB I, 4. Aufl. 2010, Staehelin, Art. 23 Rz 4).

3.

    1. Gemäss Art. 1 Abs. 1 lit. b IPRG regelt dieses Gesetz das anzuwendende Recht im internationalen Verhältnis. Art. 1 Abs. 2 IPRG statuiert jedoch einen Vorbehalt zu­ gunsten völkerrechtlicher Verträge.

    2. Wie bereits im Entscheid des Versicherungsgerichts vom 15. April 2011 festge­ halten, ist vorliegend das Freizügigkeitsabkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits (FZA; SR 0.142.112.681) einschlägig. Gemäss Anhang II des FZA haben sich die Vertragsparteien verpflichtet, im Bereich der Ko­ ordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit untereinander die im Anhang ge­ nannten gemeinschaftlichen Rechtsakte anzuwenden, wozu auch die im Verhältnis mit den EU-Mitgliedstaaten bis Ende März 2012 in Kraft gestandene Verordnung

      Nr. 1408/71 gehört (vgl. Ziff. 3 der Einleitung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004;

      SR 0.831.109.268.1). Gemäss Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 haben Per­ sonen, die im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen und für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Entsprechend dem Rückweisungsentscheid ist davon auszugehen, dass die vorliegend strittigen medizinischen Massnahmen als Leistungen bei Krankheit (Art. 4 Abs. 1 lit. a der Verordnung) in den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen (vgl. Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 15. April 2011, IV 2010/257, E. 5.3).

    3. Betreffend den persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 kommt für A. nur eine indirekte Anspruchsberechtigung als Familienangehörige (ihrer Pflegeeltern) in Betracht, da sie selbst weder Arbeitnehmerin noch Selbständige Studierende im Sinne des Art. 2 Abs. 1 der Verordnung ist. Welche Personen als Familienangehörige im Sinne der Verordnung zu betrachten sind, richtet sich gemäss Art. 1 lit. f der Verordnung primär nach den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, d.h. vorliegend nach dem Schweizer Sozialver­ sicherungsrecht. Wie bereits im Rückweisungsentscheid ausgeführt worden ist, kann die Umschreibung des Pflegekindbegriffs nach Art. 49 der Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV; SR 831.101) herangezogen werden (vgl. Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 15. April 2011, IV 2010/257,

      1. 5.6.3). Nach dieser Umschreibung gilt als Pflegekind ein Kind, welches unentgeltlich zu dauernder Pflege und Erziehung von den Pflegeeltern aufgenommen worden ist. Aufgrund der ungenügenden Aktenlage betreffend das Pflegeverhältnis zwischen A. und der Familie C. und D. hat das Versicherungsgericht im Rückweisungsentscheid keine abschliessende Beurteilung vornehmen können, ob A. als Pflegekind nach Schweizer Recht und damit als Familienangehörige im Sinne der Verordnung

        Nr. 1408/71 betrachtet werden kann. Die von der Beschwerdegegnerin in der Folge getroffenen Abklärungen haben ergeben, dass die Pflegeltern für die Pflege von A. vom Sozial- und Jugendamt F. monatliche Leistungen für den Unterhalt erhalten. Gemäss dem Pflegegeldbescheid vom 9. Februar 2011 wird den Pflegeeltern seit dem

        1. Januar 2011 ein monatlicher Betrag von EUR 794.-- ausgerichtet. Dieser setzt sich zusammen aus dem Sachaufwand (EUR 634.--) sowie den Kosten der Pflege und Erziehung (EUR 252.--). Davon werden EUR 92.-- abgezogen wegen Anrechnung eines hälftigen Anteils des Kindergeldes nach deutschem Einkommenssteuergesetz. Laut der Definition gemäss dem Pflegegeldbescheid decken die Kosten für den Sachaufwand den gesamten regelmässig wiederkehrenden Lebensbedarf des Kindes unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Anteils am Lebensstandard der Pflegefamilie ab. Darin enthalten ist insbesondere der Aufwand für die Unterkunft, Ernährung, Bekleidung und Dinge des persönlichen Lebens. Die Kosten der Pflege und Erziehung umfassen sowohl die Anerkennung immaterieller Werte der Erziehung als auch die Abgeltung anfallender konkreter Erziehungskosten (vgl. IV-act. 56). Somit werden die Kosten des Unterhalts von A. vollumfänglich zumindest

      überwiegend vom Sozial- und Jugendamt F. und nicht von den Pflegeeltern bestritten. Da es sich um ein entgeltliches Pflegeverhältnis handelt, ist der Pflegekindbegriff nach Art. 49 AHVV nicht erfüllt. Demzufolge gilt A. auch nicht als Familienangehörige der Pflegeeltern im Sinne der Verordnung Nr. 1408/71. Eine Anwendung von Art. 19 der Verordnung, welcher einen Anspruch auf Leistungsübernahme im Rahmen der Leistungsaushilfe vorsieht, ist daher ebenfalls ausgeschlossen. Aus der Verordnung Nr. 1408/71 kann A. folglich keine Anspruchsberechtigung für die Kostenübernahme der umstrittenen medizinischen Massnamen durch die Beschwerdegegnerin ableiten.

    4. Als weiterer Staatsvertrag ist vorliegend das gegenüber dem Anhang II des FZA subsidiär anwendbare (vgl. Art. 20 FZA) bilaterale Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit vom 25. Februar 1964 einschlägig (SR 0831.109.136.1; vgl. Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 15. April 2011, IV 2010/257, E. 7). Nach Art. 18 Abs. 2 des Abkommens (in der Fassung des Zusatzabkommens vom

      9. September 1975 zum Abkommen vom 25. Februar 1964) erhalten minderjährige Kinder deutscher Staatsangehörigkeit Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung, wenn sie in der Schweiz Wohnsitz haben und, unmittelbar bevor diese Massnahmen in Betracht kommen, ununterbrochen während mindestens eines Jahres dort gewohnt haben, und ausserdem, wenn sie in der Schweiz Wohnsitz haben und dort entweder invalid geboren sind seit der Geburt ununterbrochen dort gewohnt haben. Gemäss Art. 1 Ziff. 3 des Abkommens ist "wohnen" mit "sich gewöhnlich aufhalten" zu definieren. Zusätzlich zum gewöhnlichen Aufenthalt ist in jedem Fall auch ein Schweizer Wohnsitz vorausgesetzt. Der Begriff "Schweizer Wohnsitz" wird durch das Abkommen nicht weiter umschrieben. Grundsätzlich ist der Begriff des Wohnsitzes in den von der Schweiz unterzeichneten Staatsverträgen vertragsautonom auszulegen (Urteil des Bundesgerichts vom 31. Oktober 2011, 5A_221/2011, E. 3). Da im Abkommen aber ausdrücklich vom Schweizer Wohnsitz die Rede ist, ist diesbezüglich die Schweizer Gesetzgebung massgebend. Damit ist aufgrund des internationalen Sachverhalts wieder das Schweizer Kollisionsrecht, namentlich das IPRG, berufen.

    5. Art. 20 Abs. 1 lit. a IPRG definiert den Wohnsitz unmittelbar inhaltlich. Demnach hat eine Person in jenem Staat Wohnsitz, wo sie sich mit der Absicht dauernden Ver­ bleibens aufhält. Zwar lehnt sich der Wortlaut an denjenigen von Art. 23 Abs. 1 ZGB an, jedoch wird die Anwendbarkeit der Bestimmungen des ZGB zum Wohnsitz durch

      Art. 20 Abs. 2 IPRG ausgeschlossen. Daher finden auch Art. 24 (fiktiver Wohnsitz), Art. 25 (abgeleiteter Wohnsitz) und Art. 26 ZGB keine Anwendung. Dementsprechend ist der Wohnsitz für jede natürliche Person gesondert zu bestimmen, wobei aber durchaus auch auf die Rechtsprechung zu Art. 23 ZGB zurückgegriffen werden kann (BSK IPRG, 3. Auflage 2013, Westenberg, Art. 20 Rz 8 f.). Die Begründung eines

      selbständigen Wohnsitzes setzt voraus, dass die betreffende Person urteilsfähig ist. Da weniger die subjektive Absicht, sondern der erkennbare Mittelpunkt der Lebensbeziehungen massgebend ist, sind an die Urteilsfähigkeit keine hohen Anforderungen zu stellen (BSK ZGB I, a.a.O., Staehelin, Art. 23 Rz 9). Dennoch ist im Gegensatz zur Festlegung der behördlichen Zuständigkeit zur Anordnung und Führung von vormundschaftlichen Massnahmen, wobei ein funktionalisierter Wohnsitzbegriff anzuwenden und die Urteilsfähigkeit der zu entmündigenden Person unbeachtlich ist (vgl. IV-act. 64-2), bei der grundsätzlichen Bestimmung des zivilrechtlichen Wohnsitzes einer Person deren Urteilsfähigkeit erforderlich.

      1. Urteilsfähig ist nach Art. 16 ZGB eine Person, der nicht wegen ihres Kindes­ alters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch ähnlicher Zu­ stände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln. Die bei A. vorliegende geistige Behinderung schliesst als solche allein die Urteilsfähigkeit noch nicht aus. Die Urteilsfähigkeit beinhaltet zwei Elemente. Einerseits das intellektuelle Element, das darin besteht, den Sinn, Nutzen und die Tragweite einer bestimmten Handlung zu erkennen und zu würdigen. Andererseits das willensmässige Element, d.h. die Fähigkeit gemäss dieser Einsicht vernünftig zu handeln, und zwar aus freiem Willen (BSK ZGB I, a.a.O, Eggenberger, Art. 16 Rz 6).

      2. Gemäss dem Austrittsbericht des Kinderspitals Zürich vom 27. Oktober

2008 weist A. in neurologischer Hinsicht einen globalen Entwicklungsrückstand auf. Die behandelnden Ärzte haben festgehalten, dass sie weder lesen noch schreiben könne. Sie erkenne (lediglich) ihren Namen und könne bis 5 zählen. Die Kommunikation erfolge über 2/3-Wortsätze (vgl. IV-act. 2). Aufgrund dieser Ausführungen ist von einer

schweren und dauerhaften geistigen Behinderung auszugehen, welche es A. nicht möglich macht, die Tragweite ihres Handelns zu erkennen und gemäss dieser Einsicht vernünftig zu handeln. Somit ist sie auch nicht in der Lage, Absichten im Hinblick auf den Ort ihres Lebensmittelpunkts bzw. ihren Wohnsitz zu äussern diesbezüglich Entscheidungen zu treffen. Mangels der erforderlichen Urteilsfähigkeit kann A. folglich keinen selbständigen Wohnsitz – weder in der Schweiz noch in Deutschland – im Sinne von Art. 20 Abs. 1 lit. a IPRG begründen.

    1. Hat eine Person an keinem Ort Wohnsitz, so wird gemäss Art. 20 Abs. 2 IPRG ersatzweise an den gewöhnlichen Aufenthalt dieser Person angeknüpft, d.h. der ge­ wöhnliche Aufenthalt gilt in diesem Fall als Wohnsitz. Die Hilfsfunktion nach Art. 20 Abs. 2 IPRG findet insbesondere auch Anwendung bei urteilsunfähigen Personen, welche zwar keinen Wohnsitz, aber einen eigenen gewöhnlichen Aufenthalt zu be­ gründen vermögen (BSK IPRG, a.a.O., Westenberg, Art. 20 Rz 25 ff.). Im Gegensatz zum Begriff des Wohnsitzes sind bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts faktische, äusserlich wahrnehmbare Umstände hauptsächlich massgebend. Die subjektiven Elemente treten in den Hintergrund. Erforderlich für die Annahme des gewöhnlichen Aufenthalts ist das Verweilen an einem bestimmten Ort während einer längeren Zeit (BSK IPRG, a.a.O., Westenberg, Art. 20 Rz 22 ff). A. lebt seit 1999,

      d.h. seit ihrem 6. Lebensjahr, bei ihrer Pflegefamilie in der Schweiz (vgl. IV-act. 1-1). Ebenfalls seit 1999 besucht sie die E. in F. , (B. ), wobei sie durch einen Hilfsdienst am Morgen jeweils zur Schule und am Abend wieder nach K. gefahren wird. Die bei A. erforderliche Betreuung während der Nacht und offensichtlich auch am Wochenende sowie in den Ferien wird von den fachlich medizinisch ausgebildeten Pflegeeltern übernommen (vgl. IV-act. 64-1). A. verbringt somit die meiste Zeit bei ihren Pflegeeltern in K. , wo sie auch eine umfassende Betreuung erhält. Angesichts dieser objektiven Umstände ist davon auszugehen, dass A. ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei ihren Pflegeltern in K. hat. Dieser Aufenthaltsort gilt ersatzweise auch als Wohnsitz, wo ein solcher vorausgesetzt wird.

    2. A. erfüllt somit die Anspruchsvoraussetzungen des Art. 18 Abs. 2 des

Abkommens vom 25. Februar 1964 (in der Fassung des Zusatzabkommens vom

9. September 1975). Sie hat einerseits während über eines Jahres, bevor die

Eingliederungsmassnahmen in Betracht gekommen sind, in der Schweiz ihren

gewöhnlichen Aufenthalt gehabt und weist andererseits gemäss Art. 20 Abs. 2 IPRG auch einen zivilrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz auf. Gemäss diesem Abkommen ist A. berechtigt, einen Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen, wozu auch die vorliegend umstrittenen medizinischen Massnahmen gehören, bei der Invalidenversicherung geltend zu machen.

4.

    1. Im Folgenden ist eine materielle Prüfung des Leistungsanspruchs von A. gemäss dem IVG vorzunehmen. Umstritten sind die Übernahme der Behand­ lungskosten im Zusammenhang mit den Geburtsgebrechen sowie die Kostenüber­ nahme des Rehabilitationsaufenthalts bzw. der Physio- und Ergotherapie für die Zeit vom 14. Mai bis 24. Oktober 2008.

    2. Nach Art. 13 Abs. 1 IVG haben Versicherte bis zum vollendeten 20. Altersjahr An­ spruch auf die zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 des Bundesge­ setzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1]) notwendigen medizinischen Massnahmen. Der Anspruch gemäss Art. 13 IVG besteht unabhängig von der Möglichkeit einer Eingliederung in das Erwerbsleben (vgl. Art. 8 Abs. 2 IVG).

    3. Unbestritten ist, dass A. an den Geburtsgebrechen Ziff. 278 und 382 leidet. Davon ausgehend, dass die versicherungsmässigen Voraussetzungen gegeben sind, hat ihr die Beschwerdegegnerin denn auch mit der Mitteilung vom 1. April 2010 zunächst die Übernahme der Behandlungskosten der Geburtsgebrechen Ziff. 278 und 382 sowie die Kosten der ärztlich verordneten Behandlungsgeräte in einfacher und zweckmässiger Ausführung vom 15. Oktober 2008 bis 31. Oktober 2013 (Erreichung des 20. Altersjahrs) zugesprochen (vgl. IV-act. 22). Nach dem Entscheid des Versicherungsgerichts vom 15. April 2011 hat die Beschwerdegegnerin die Mitteilung widerrufen, da sie zunächst weitere Abklärungen bezüglich der Anspruchsberechtigung von A. zu treffen hatte (vgl. IV-act. 51). Da sich nun vorliegend gezeigt hat, dass

A. die versicherungsmässigen Voraussetzungen zur Beanspruchung von Eingliederungsmassnahmen erfüllt (vgl. oben, E. 3.7), hat sie grundsätzlich Anspruch auf medizinische Massnahmen gemäss Art. 13 IVG.

      1. Zu prüfen ist jedoch, ab welchem Zeitpunkt die Kosten von der Beschwerdegegnerin zu übernehmen sind. Die Beschwerdeführerin beantragt, dass die Beschwerdegegnerin die Behandlungskosten der Geburtsgebrechen bereits ab dem

        15. Oktober 2004 (eventualiter ab dem 1. Januar 2008) zu übernehmen habe. Die Begründung ergibt sich aus der Beschwerde vom 22. Juni 2010 gegen die Verfügung vom 27. Mai 2010 bzw. gegen die Mitteilung vom 1. April 2010. Darin hat die Beschwerdeführerin festgehalten, dass die rückwirkende Leistungsübernahme (seit dem Zeitpunkt der Anmeldung) gemäss Art. 24 ATSG fünf Jahre betrage. Art. 48 IVG, welcher nur eine Einjahresfrist vorgesehen habe, sei mit der 5. IV-Revision aufgehoben worden (IV-act. 32-5).

      2. Mit Inkrafttreten der 5. IV-Revision am 1. Januar 2008 ist Art. 48 Abs. 2 IVG, welcher für Ansprüche auf medizinische Massnahmen in Abweichung von Art. 24

        Abs. 1 ATSG eine Verwirkungsfrist von einem Jahr vorgesehen hat, aufgehoben worden. Ab dem 1. Januar 2008 hat die Verwirkungsfrist nach Art. 24 Abs. 1 ATSG fünf Jahre betragen. Weder das IVG noch das ATSG regeln das intertemporalrechtliche Verhältnis zwischen aArt. 48 Abs. 2 IVG und Art. 24 Abs. 1 ATSG. Grundsätzlich ist nach allgemeinen übergangsrechtlichen Grundsätzen und bei Fehlen einer die Frage regelnden Übergangsbestimmung die Verwirkungsordnung des neuen Rechts auf unter dem alten Recht entstandene (fällige) Ansprüche anwendbar, sofern diese bei Inkrafttreten des neuen Rechts (nach altem Recht) noch nicht verwirkt sind (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 27. April 2011, 9C_42/2011 E. 4; BGE 131 V 425 E. 5.2; IV- Rundschreiben Nr. 300 des BSV vom 15. Juni 2011). Dies bedeutet grundsätzlich, dass für Fälle, bei denen die Anmeldung nach dem 1. Januar 2008, d.h. nach dem Inkrafttreten des neuen Rechts, erfolgt ist, die Verwirkungsfrist von Art. 24 Abs. 1 ATSG zur Anwendung kommt. A. ist im Jahr 2009 und damit unter der Geltung von Art. 24 Abs. 1 ATSG angemeldet worden. Nach diesem Recht könnte sie grundsätzlich bis fünf Jahre rückwirkend ab dem Anmeldungszeitpunkt, d.h. bis ins Jahr 2004, Leistungen geltend machen (vgl. Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 2. Auflage 2009, Art. 24 Rz 20). Abweichend davon wird jedoch im IV-Rundschreiben Nr. 300 festgehalten, dass alle bis zum 1. Januar 2007 entstandenen Ansprüche gestützt auf aArt. 48 Abs. 2 IVG am

        31. Dezember 2007 verwirkt waren. Daraus folgt, dass nur nach dem 1. Januar 2007 entstandene Ansprüche am 1. Januar 2008 nach altem Recht noch nicht verwirkt waren. Bei Anmeldungen ab dem 1. Januar 2008 kann eine Auszahlung von noch nicht

        verwirkten Leistungen somit längstens zurück bis zum 1. Januar 2007 (Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts zuzüglich zwölf Monate) verlangt werden. Der Sinn dieser Übergangsbestimmung ist darin zu erkennen, dass versicherte Personen, welche sich nach Inkrafttreten des neuen Rechts angemeldet haben, deren Anspruch aber noch während der Geltung von aArt. 48 Abs. 2 IVG entstanden ist, nicht weitergehende Leistungen für den Zeitraum vor dem 1. Januar 2008 verlangen können, als ihnen unter dem alten Recht zugestanden wären. Für die Ansprüche von A. auf Behandlungen der Geburtsgebrechen, welche bis 31. Dezember 2007 verwirkt waren – welche mit anderen Worten vor dem 1. Januar 2007 entstanden waren – gilt die einjährige Frist gemäss aArt. 48 Abs. 2 IVG. Ansprüche, welche hingegen erst nach dem 1. Januar 2007 entstanden waren, waren nach aArt. 48 Abs. 2 IVG am

        31. Dezember 2007 noch nicht verwirkt. Die Verwirkung würde in diesem Fall erst nach Inkrafttreten des neuen Rechts, namentlich nach dem 1. Januar 2008, eintreten. Daraus folgt, dass A. für Behandlungskosten der Geburtsgebrechen, welche erst nach dem

        1. Januar 2007 entstanden waren, rückwirkende Leistungen von der

        Beschwerdegegnerin verlangen kann.

      3. Auf den 1. Januar 2012 ist die Regelung von aArt. 48 Abs. 2 IVG mit Art. 48 Abs. 1 IVG wieder in Kraft gesetzt worden, d.h. ab 1. Januar 2012 gilt für Ansprüche auf medizinische Massnahmen in Abweichung von Art. 24 ATSG wieder eine Verwirkungsfrist von nur einem Jahr. Da auch bei dieser Gesetzesänderung eine intertemporalrechtliche Regelung im Gesetz fehlt, kommt erneut der allgemeine übergangsrechtliche Grundsatz zur Anwendung, wonach die Verwirkungsordnung des neuen Rechts auf unter altem Recht entstandene fällige Ansprüche anwendbar ist, sofern diese bei Inkrafttreten des neuen Rechts noch nicht verwirkt sind. Für alle Anmeldungen ab dem 1. Januar 2012 käme demnach das neue Recht mit der einjährigen Verwirkungsfrist zur Anwendung, sofern der Anspruch nach altem Recht noch nicht verwirkt war. Mit Anmeldungen ab dem 1. Januar 2012 könnten längstens Ansprüche ab 1. Januar 2011 gewahrt werden. Für alle Anmeldungen vor diesem

Stichtag – wie es vorliegend der Fall ist – bleibt es beim alten Recht, d.h. dass mit einer Anmeldung vor dem 1. Januar 2012 gestützt auf Art. 24 Abs. 1 ATSG noch Ansprüche bis zurück zum 1. Januar 2007 geltend gemacht werden können. Somit ergibt sich, dass A. nach Art. 13 IVG einen Anspruch auf die Übernahme der Behandlungskosten der Geburtsgebrechen Ziff. 278 und 382 (sowie die ärztlich

verordneten Behandlungsgeräte in einfacher und zweckmässiger Ausführung) vom

1. Januar 2007 bis 31. Oktober 2013 durch die Beschwerdegegnerin hat.

    1. Das Versicherungsgericht hat im Entscheid vom 15. April 2011 festgehalten, dass die Beschwerdegegnerin weitere Abklärungen zur Frage vorzunehmen habe, ob die von A. am 25. April 2008 erlittene Hypothalamusblutung im Zusammenhang mit den Geburtsgebrechen stehe und die diesbezüglich durchgeführten medizinischen Massnahmen, namentlich der Rehaaufenthalt bzw. die Physio- und Ergotherapie für die Zeit vom 14. Mai bis 24. Oktober 2008, allenfalls in den Anwendungsbereich von

      Art. 13 IVG fielen. Gegenstand der medizinischen Behandlung nach Art. 13 IVG bilden die Geburtsgebrechen und alle Begleiterscheinungen, die medizinisch gesehen zum Symptomenkreis des in Frage stehenden Geburtsgebrechens gehören (vgl. Ulrich Meyer, Rechtsprechung des Bundesgerichts IVG, 2. Aufl. 2010, 157). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts erstreckt sich der Anspruch auf medizinische Massnahmen ausnahmsweise auch auf die Behandlung sekundärer Gesundheitsschäden, die zwar nicht mehr zum Symptomenkreis des Geburtsgebrechens gehören, aber nach medizinischer Erfahrung häufig die Folge dieses Gebrechens sind. Zwischen dem Geburtsgebrechen und dem sekundären Leiden muss gemäss dem Bundesgericht ein qualifizierter adäquater Kausalzusammenhang bestehen. Nur wenn im Einzelfall dieser qualifizierte ursächliche Zusammenhang zwischen sekundärem Gesundheitsschaden und Geburtsgebrechen gegeben ist und sich die Behandlung überdies als notwendig erweist, hat die Invalidenversicherung im Rahmen des Art. 13 IVG für die medizinischen Massnahmen aufzukommen (BGE 100 V 41; AHI 2001 S. 79 E. 3a; Pra 1991 Nr. 214 S. 906 E. 3b). An

      die Erfüllung der Voraussetzungen des rechtserheblichen Kausalzusammenhangs sind demnach strenge Anforderungen zu stellen, zumal der Wortlaut des Art. 13 IVG den Anspruch der versicherten Minderjährigen auf die Behandlung des Geburtsgebrechens an sich beschränkt (AHI 1998 S. 249 E. 2a; zum Ganzen auch der Bundesgerichtsentscheid i/S A. vom 9. August 2007, I 32/06; vgl. Rz 11 des vom BSV erlassenen Kreisschreibens über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen in der Invalidenversicherung).

    2. Aus den aktuell vorliegenden Akten ergibt sich bezüglich des Zusammenhangs zwischen der Hypothalamusblutung und den Geburtsgebrechen nichts Neues. Die Be­

      schwerdegegenerin hat zu dieser Frage auch keine weiteren Abklärungen durchgeführt. Ohne weitergehende Abklärungen ist eine Beurteilung, ob die rechtssprechungsgemässen Voraussetzungen für eine Anwendung von Art. 13 IVG gegeben sind, jedoch nicht möglich. Die Angelegenheit ist daher zur Vornahme der erforderlichen Abklärungen an die Beschwerdegegenerin zurückzuweisen.

    3. Sollte Art. 13 IVG keine Anwendung finden, kommt als weitere Anspruchsgrundlage für eine Übernahme der Kosten des Rehaaufenthalts bzw. der Physio- und Ergotherapie vom 14. Mai bis 24. Oktober 2008 durch die Beschwerdegegnerin Art. 12 IVG in Betracht. Demnach haben Versicherte bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Massnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die Eingliederung ins Erwerbsleben in den Aufgabenbereich gerichtet und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, dauernd und wesentlich zu verbessern vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren (Abs. 1). Im Unterschied zu Art. 13 IVG ist für eine Kostenübernahme nach Art. 12 IVG somit vorausgesetzt, dass durch die medizinischen Massnahmen die Eingliederungsfähigkeit verbessert wird. Wie aus dem Bericht des Reha­ bilitationszentrums am Kinderspital Zürich vom 27. Oktober 2008 hervorgeht, ist A. infolge der Thalamusblutung halbseitig gelähmt gewesen. Sie hat im Roll­

      stuhl gesessen, ohne diesen selbständig bewegen zu können. Die behandelnden Ärzte haben festgehalten, dass bei A. dank der Ergo- und Physiotherapie während des Rehaaufenthaltes das Ziel einer selbständigen Gehfähigkeit habe erreicht werden können (vgl. IV-act. 16-9). Demzufolge sind der Rehaaufenthalt bzw. die Physio- und Ergotherapie, durch die A. ihre Mobilität wiedererlangt hat, grundsätzlich als geeignete Massnahme zur Verbesserung der Eingliederungsfähigkeit zu beurteilen.

    4. Die Beschwerdegegnerin ist der Ansicht, dass bei der in Art. 12 Abs. 1 IVG er­ wähnten Eingliederung ins Erwerbsleben nur die Eingliederung in der freien Wirtschaft zu berücksichtigen sei. Da A. aufgrund ihrer Behinderung höchstens in einer geschützten Werkstätte tätig sein könne, fehle es am von Art. 12 IVG geforderten überwiegenden Eingliederungscharakter der medizinischen Massnahme (vgl. IV-act. 41-3). Wie bereits im Rückweisungsentscheid festgehalten, ist das eine zu enge Auslegung des Begriffs des Erwerbslebens. Personen, die in geschützten Werkstätten

      tätig sind, können durchaus eine ökonomisch relevante Arbeitsleistung erbringen und damit einen erheblichen Mehrwert schaffen. Falls ein ökonomischer Mehrwert geschaffen wird, muss auch eine Tätigkeit in einer geschützten Werkstätte – allein schon aus Gründen der Gleichbehandlung – unter den Begriff des Erwerbslebens gemäss Art. 12 IVG fallen (vgl. Urteile des Versicherungsgerichts St. Gallen vom

      15. April 2011, IV 2010/257, E. 9; vom 23. März 2011, IV 2010/430 E. 4; vom 18. März

      2013, IV 2012/35, E. 2.2). Entsprechend der Praxis zu Art. 16 IVG, wo an die Eingliederungswirksamkeit nur geringe Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. Ulrich Meyer, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, 2. Aufl. 2010, 184), sind auch bei der Anwendung von Art. 12 IVG keine höheren Anforderungen zu verlangen. Somit muss die Prognose einer bescheidenen Eingliederungswirkung ausreichen, um A. die Übernahme der Kosten für den Rehaaufenthalt nach Art. 12 Abs. 1 IVG zuzusprechen (vgl. Urteil des Versicherungsgerichts St. Gallen vom 23. März 2011, IV 2010/430 E. 4).

    5. Aus dem Schreiben des Vormundschaftsamts K. vom 18. August 2011 geht hervor, dass A. noch zwei Jahre die E. in B. besuchen und anschliessend in eine Institution mit Werkstatt für Behinderte, ebenfalls in F. , übertreten werde (vgl. IV-act. 64-1). Gemäss diesen Angaben hat A. im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügungen am 13. März 2012 noch immer die Schule besucht. Ob der Übertritt und der Einsatz in einer geschützten Werkstatt aus medizinischer Sicht möglich sind, lässt sich den vorliegenden Akten nicht entnehmen. Immerhin geht aus einem Bericht des Hausarztes, Dr. med. N. , Facharzt FMH für Kinder- und Jugendmedizin, vom 9. April 2012 hervor, dass A. in der Lage ist, auf Anweisung einfache Tätigkeiten im Haushalt wie beispielsweise Abtrocknen Aufräumen auszuführen (vgl. IV-act. 87). Eine ökonomisch sinnvolle Verwertung der Arbeitsfähigkeit in einer geschützten Werkstätte erscheint angesichts dieser Angaben zumindest nicht ausgeschlossen. Die Beschwerdegegnerin hat es unterlassen, weitere Abklärungen betreffend die Eingliederungsfähigkeit von A. zu treffen. Erforderlich wäre die Einholung einer fachärztlichen Prognose betreffend die Eingliederungsfähigkeit in eine Erwerbstätigkeit, insbesondere aber auch in einen Aufgabenbereich, gewesen. Mangels einer ärztlichen Einschätzung kann nicht beurteilt werden, ob die Voraussetzungen von Art. 12 IVG erfüllt sind und A. demnach einen Anspruch auf die Kostenübernahme des Rehaaufenhalts bzw. der Physio- und

      Ergotherapie hat. Die Angelegenheit ist folglich zur Vornahme von ergänzenden Abklärungen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Es ist davon auszugehen, dass A. die Schule mittlerweile abgeschlossen hat. Die Beschwerdegegnerin wird bei ihren Abklärungen die aktuellen Entwicklungen betreffend die Eingliederungsfähigkeit von A. mitzuberücksichtigen haben.

    6. Sollten die Abklärungen ergeben, dass die Kosten für den Rehaaufenthalt bzw. der Physio- und Ergotherapie entweder nach Art. 13 nach Art. 12 IVG von der Beschwerdegegnerin zu übernehmen sind, wäre auch für diesen Anspruch die fünfjährige Verwirkungsfrist von Art. 24 Abs. 1 ATSG anwendbar. Da der Anspruch erst nach dem 1. Januar 2008, d.h. nach Ausserkraftsetzung von aArt. 48 Abs. 2 IVG, entstanden wäre (der Rehaaufenthalt bzw. die Physio- und Ergotherapie dauerten vom

14. Mai bis 24. Oktober 2008), käme die Übergangsbestimmung des IV- Rundschreibens Nr. 300 nicht zur Anwendung. Die Anmeldung bei der Beschwerdegegnerin ist im Jahr 2009 und damit unter der Geltung von Art. 24 Abs. 1 ATSG erfolgt. Demnach wäre der Anspruch in jedem Fall von der fünfjährigen Verwirkungsfrist gedeckt und A. könnte die Kosten für die gesamte Dauer des Rehaaufenthaltes bzw. der Physio- und Ergotherapie verlangen.

5.

    1. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen. Die angefochtenen Verfügungen vom 13. März 2012 sind aufzuheben. Die Beschwerdegegnerin hat für die Behandlungskosten der Geburtsgebrechen Ziff. 278 und 382 vom 1. Januar 2007 bis 31. Oktober 2013 aufzukommen. Die von der Beschwerdeführerin diesbezüglich im Rahmen von Vorleistungen erbrachten Behandlungskosten sind von der Beschwerdegegnerin zurückzuerstatten. Im Übrigen ist die Sache zu weiteren Abklärungen im Sinn der Erwägungen sowie zur neuen Verfügung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.

    2. Das Beschwerdeverfahren ist kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von Fr. 200.-- bis Fr. 1'000.-- festgelegt (Art. 69 Abs. 1bis IVG). Eine Gerichtsgebühr von Fr. 600.--

      erscheint als angemessen. Die Rückweisung zur Neubeurteilung gilt praxisgemäss als

      volles Obsiegen (BGE 132 V 235 E. 6), weshalb die Beschwerdegegnerin die gesamte Gerichtsgebühr von Fr. 600.-- zu bezahlen hat. Der von der Beschwerdeführerin entrichtete Kostenvorsschuss von Fr. 600.-- ist ihr zurückzuerstatten.

    3. Die obsiegende Beschwerdeführerin hat als mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben

betraute Organisation keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (BGE 126 V 149

E. 4a mit Hinweisen).

Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP entschieden:

  1. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde werden die Verfügungen vom 13. März 2012 aufgehoben. Die Beschwerdegegnerin hat für die Behandlungskosten der Geburtsgebrechen Ziff. 278 und 382 vom 1. Januar 2007 bis 31. Oktober 2013 aufzukommen. Die von der Beschwerdeführerin diesbezüglich im Rahmen von Vorleistungen erbrachten Behandlungskosten sind von der Beschwerdegegnerin zurückzuerstatten. Im Übrigen wird die Sache zu weiteren Abklärungen im Sinn der Erwägungen und neuer Verfügung an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.

  2. Die Beschwerdegegnerin hat die Gerichtskosten von Fr. 600.-- zu bezahlen. Der Beschwerdeführerin wird der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 600.-- zurück­ erstattet.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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