Zusammenfassung des Urteils I/2-2019/16, 17: Verwaltungsrekurskommission
X hat ein Erlassgesuch für die Kantons- und Gemeindesteuern 2017 sowie die direkte Bundessteuer 2017 gestellt, da sie arbeitslos wurde und die Steuern nicht bezahlen kann. Das Kantonale Steueramt lehnte das Gesuch ab, da X die Steuern bezahlen könne. X erhob Rekurs und Beschwerde, da die Vorinstanz die laufenden Steuern nicht bei der Berechnung des Existenzminimums berücksichtigte. Das Gericht entschied, dass die laufenden Steuern bei der Beurteilung der finanziellen Situation zu berücksichtigen sind und wies den Fall zur weiteren Abklärung an die Vorinstanz zurück.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | I/2-2019/16, 17 |
Instanz: | Verwaltungsrekurskommission |
Abteilung: | Abgaben und öffentliche Dienstpflichten |
Datum: | 22.08.2019 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 224 StG (sGS 811.1). Stellt eine steuerpflichtige Person ein Erlassgesuch, sind bei der Prüfung der notwendigen Lebenshaltungskosten die bezahlten Steuern zum betreibungsrechtlichen Existenzminimum hinzuzurechnen (Urteil der Verwaltungsrekurskommission, Abteilung I/2, I/2-2019/16, 17 vom |
Schlagwörter: | Steuern; Existenz; Existenzminimum; Rechtsprechung; Entscheid; Urteil; Kanton; Rechtspflege; Vorinstanz; Erlass; Steuererlass; SchKG; Gesuch; Schuldner; Berücksichtigung; Gläubiger; Rekurrentin; Steueramt; Begründung; Rekurs; Erwägungen; Existenzminimums; Konkurs; Praxis; Verpflichtung; Solothurn; Bundesgericht; Gesuchsteller |
Rechtsnorm: | Art. 105 ZPO ;Art. 144 DBG ;Art. 167 DBG ;Art. 29 BV ;Art. 92 KG ;Art. 93 KG ; |
Referenz BGE: | 124 I 1; 134 III 37; 135 I 221; 140 III 337; |
Kommentar: | - |
Präsident Thomas Vögeli, Richter Rudolf Lippuner und Richterin Eliane Kaiser, Gerichtsschreiberin Susanne Schmid Etter
X, Rekurrentin und Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr.iur. Matthias Suter, GÖRG SUTER, Postfach 10,
9422 Staad,
gegen
Kantonales Steueramt, Davidstrasse 41, 9001 St. Gallen, Vorinstanz,
betreffend
Erlass (Kantons- und Gemeindesteuern 2017 sowie direkte Bundessteuer 2017)
Sachverhalt:
A.- X wohnt in A. In der Steuererklärung 2017 deklarierte sie ein steuerbares Einkommen von Fr. 58'946.– und ein steuerbares Vermögen von Fr. 0.–. Die veranlagten Steuerfaktoren sind aus den Akten nicht ersichtlich, obwohl das kantonale Steueramt ausdrücklich um Überweisung der Steuerakten samt Veranlagungsberechnung ersucht wurde. Im Jahr 2018 wurde X arbeitslos. Am 12. Oktober 2018 stellte sie ein Gesuch um Erlass der Kantons- und Gemeindesteuern 2017 im Betrag von Fr. 8'141.35 sowie der direkten Bundessteuer 2017 von Fr. 730.25. Zur Begründung machte sie geltend, der geforderte Betrag von Fr. 8'771.– stehe in einem krassen Missverhältnis zu ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit. Trotz
Einschränkung der Lebenskosten auf das Existenzminimum könne sie die Steuern nicht begleichen. Auch seien Ratenzahlungen schwer zu machen, da sie gleichzeitig eine Stundung für die Steuern 2018 eingereicht habe. Die Wahrscheinlichkeit, eine neue Stelle zu finden, sei sehr gering.
Mit Entscheid vom 4. Februar 2019 wies das Kantonale Steueramt das Erlassgesuch ab mit der Begründung, die Besteuerung erfolge nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, weshalb davon ausgegangen werden dürfe, dass die Pflichtigen grundsätzlich in der Lage seien, ihre Steuern zu bezahlen. Der Erlass stelle eine Ausnahme dar; er habe der steuerpflichtigen Person selbst und nicht ihren Gläubigern zugute zu kommen. Die Gesuchstellerin verfüge über eine freie Quote von Fr. 646.–, weshalb es ihr objektiv möglich und zumutbar sein sollte, die offenen Steuern in absehbarer Zeit zu bezahlen.
B.- Gegen den Entscheid des Kantonalen Steueramts vom 4. Februar 2019 erhob X mit Eingabe vom 25. Februar 2019 Rekurs und Beschwerde bei der Verwaltungsrekurskommission mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei nochmals zu überprüfen und der Steuererlass ein Teilerlass zu gewähren.
Am 25. März 2019 zeigte Rechtsanwalt Dr. Matthias Suter die Vertretung der Rekurrentin und Beschwerdeführerin an und ersuchte darum, es sei ihm im Laufe des Schriftenwechsels Gelegenheit zu geben, sich zur Sache zu äussern.
In ihrer Vernehmlassung vom 8. April 2019 beantragte die Vorinstanz die Abweisung des Rekurses und der Beschwerde. Die Rekurrentin und Beschwerdeführerin nahm dazu mit Eingabe ihres Rechtsvertreters vom 24. April 2019 Stellung.
Auf weitere Einzelheiten wird, soweit wesentlich, in den Erwägungen eingegangen.
Erwägungen:
1.- Die Verwaltungsrekurskommission ist zum Sachentscheid zuständig. Die Befugnis zur Erhebung der Rechtsmittel ist gegeben. Die Eingabe vom 25. Februar 2019 ist rechtzeitig eingereicht worden. Sie erfüllt nach der Nachholung der Unterzeichnung in formeller und inhaltlicher Hinsicht die gesetzlichen Anforderungen (Art. 194 Abs. 1 und Art. 224 Abs. 4 des Steuergesetzes, sGS 811.1, abgekürzt: StG; Art. 167 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer, SR 642.11, abgekürzt: DBG; Art. 161 StG in Verbindung mit Art. 48 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1, abgekürzt: VRP). Auf den Rekurs und die Beschwerde ist einzutreten.
2.- a) Gemäss Art. 224 Abs. 1 StG kann Steuerpflichtigen, die in Not geraten sind für welche die Bezahlung der Steuern, der Zinsen, der Bussen der Kosten eine grosse Härte bedeutet, der geschuldete Betrag gestundet ganz teilweise erlassen werden. Anlass zum Steuererlass gibt vor allem die Rücksicht auf die Schuldner. Diese sollen aus humanitären, sozialpolitischen volkswirtschaftlichen Gründen nicht in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet werden. Dem Wesen nach handelt es sich beim Steuererlass um den nachträglichen Verzicht des Gemeinwesens auf einen ihm zustehenden steuerrechtlichen Anspruch. Aus Gründen der rechtsgleichen Behandlung der Steuerpflichtigen muss der Steuererlass eine Ausnahme bleiben, welche nur unter bestimmten Voraussetzungen gewährt wird (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-3663/2007 vom 11. Juni 2009 E. 2.2, in: StR 2009
S. 672 ff.).
[…]
c) aa) Weiter macht die Vorinstanz geltend, bisher habe die kantonale Aufsichtsbehörde bei der Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums die Berücksichtigung der laufenden Steuern als zulässig erklärt. Gemäss konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung seien weder die laufenden noch die rückständigen Steuern zu berücksichtigen. Die bisherige kantonale Regelung im
Kreisschreiben sei mit Art. 93 SchKG nicht vereinbar. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung sei zu befolgen, selbst wenn das kantonale Kreisschreiben noch eine andere Regelung vorsehe. Die Vorinstanz beruft sich damit auf einen Entscheid der Kantonalen Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs vom 20. November 2018, der in der SJZ 115/11 vom 1. Juni 2019 auszugsweise publiziert wurde (vgl. auch www.gerichte.sg.ch).
bb) In Ziff. 10.1 des Kreisschreibens der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs vom Dezember 2008 wird auf die Uneinheitlichkeit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bezüglich der Berücksichtigung der Steuern bei der Ermittlung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums hingewiesen. In den von der Vorinstanz zitierten Urteilen BGer 5A_/479/2017 vom 26. Oktober 2017 und BGer 5A_642/2016 vom 12. Oktober 2016 wird indessen lediglich auf andere Urteile verwiesen und die bisherige, im Widerspruch zum kantonalen Kreisschreiben stehende Praxis bestätigt. Auch dem zitierten Urteil BGE 140 III 337 ist keine Begründung zu entnehmen. Dort wird zwar in den Regesten festgehalten, dass die Berücksichtigung laufender und aufgelaufener Steuern beim betreibungsrechtlichen Existenzminimum willkürlich sei, und auf die Erwägungen 4.2 bis 4.4 verwiesen. In diesen wird ausgeführt, nach der amtlich publizierten Rechtsprechung seien die laufenden und verfallenen Steuern nicht als Zuschlag zum Grundbetrag in das Existenzminimum gemäss Art. 93 SchKG des Schuldners aufzunehmen. Diese Rechtsprechung werde von einem bedeutenden Teil der Lehre als massgebend bezeichnet. Ihr sei indes auch Kritik erwachsen. So werde bemängelt, dass es sich bei den Steuern um eine Verpflichtung handle, auf die der Schuldner keinen Einfluss nehmen könne, und dass die Nichtberücksichtigung der Steuern unweigerlich neue Betreibungen zur Folge habe, die dem Schuldner letztlich nur den Ausweg der Insolvenzerklärung offenliessen.
Die Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz vom
1. Juli 2009 für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (Notbedarf) nach Art. 93 SchKG vom 1. Juli 2009 (BlSchK 2009 S. 193 ff.) sowie die Praxis der meisten Kantone, soweit sie eigene Richtlinien erlassen haben, folgten der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Als Ausnahmen seien die Kantone Solothurn und St. Gallen zu erwähnen. Dies habe das Bundesgericht in einem den Kanton Solothurn betreffenden Fall unter Willkürgesichtspunkten als verfassungskonform
bewertet (Urteil 5P.119/2002 vom 1. Juli 2002 E. 2). Die Praxis der Kantone St. Gallen und Solothurn sei indes im Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts 7B.221/2003 vom 17. November 2003 E. 3.1 als mit Art. 93 SchKG nicht vereinbar bezeichnet worden. In einem späteren Entscheid 5A_764/2007 vom 23. Januar 2008 E. 2.1 habe das Bundesgericht zwar die Solothurner Richtlinien gelten lassen, ohne allerdings auf die anderslautende publizierte Rechtsprechung Bezug zu nehmen und diese zu relativieren zu hinterfragen. In einem knapp zwei Jahre später ergangenen Entscheid habe es die Praxis des Kantons Solothurn erneut ausdrücklich als bundesrechtswidrig bezeichnet (Urteil 5A_757/2009 vom 15. Dezember 2009 E. 4.1). Schliesslich sei die bisherige publizierte Rechtsprechung des Bundesgerichts in weiteren Entscheiden bestätigt worden (insbes. BGE 135 I 221 E.
5.2.1 S. 224). Zusammenfassend liege somit eine konstante bundesgerichtliche Rechtsprechung vor, wonach laufende aufgelaufene Steuern im betreibungsrechtlichen Existenzminimum nicht zu berücksichtigen seien (BGE 140 III 337 E. 4.4.1 bis 4.4.3 mit zahlreichen Hinweisen auf Judikatur und Literatur). Hinweise auf die Begründungen der bundesgerichtlichen Urteile fehlen allerdings gänzlich. Es handelt sich vielmehr um eine Zusammenfassung verschiedener Präjudizien und Lehrmeinungen. Ausserdem scheint es fraglich, inwieweit die Praxis als konstant bezeichnet werden kann.
Eine Begründung findet sich hingegen in dem zitierten Urteil BGE 135 I 221 (= Pra 2012
Nr. 25). In diesem ging es um die unentgeltliche Rechtspflege nach Art. 29 Abs. 3 BV. Das Bundesgericht bezeichnete darin seine Rechtsprechung selber als uneinheitlich (E. 5.2.1) und hielt fest (zit. nach Pra 2010 Nr. 25), das betreibungsrechtliche Existenzminimum sei nicht alleine massgebend, um die Bedürftigkeit im Sinne der Bestimmungen über die unentgeltliche Rechtspflege zu ermitteln. Die zuständige Behörde müsse ein zu schematisches Vorgehen vermeiden, um alle wichtigen Umstände des Einzelfalles berücksichtigen zu können. Sie könne zwar vom betreibungsrechtlichen Existenzminimum ausgehen, aber müsse den konkreten individuellen Gegebenheiten hinreichend Rechnung tragen (BGE 124 I 1 E. 2 a S. 2; 106 Ia 82 E. 3 = Pra 70 Nr. 9 ). Die bundesgerichtliche Rechtsprechung betreffend die Berücksichtigung der Steuern sei nicht einheitlich. Keine Zweifel bestünden darüber, dass im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Rechtspflege – anders als bei der Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums – die laufenden Steuern
erfasst werden müssten, vorausgesetzt, dass sie tatsächlich bezahlt werden (Urteil BGer 5P.233/2005 vom 23. November 2005 E. 3.2.3 mit Hinweisen). Bei erneuter Prüfung erweise sich die Weigerung kaum als gerechtfertigt, die Beträge, die der um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege ersuchende Gesuchsteller tatsächlich zur Begleichung verfallener Steuerschulden bezahle, bei der Festlegung der finanziellen Verpflichtungen, die sein Budget belasten, nicht zu berücksichtigen.
Die Gründe, auf denen die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu den Art. 92 und 93 SchKG basierten, seien nicht die Gleichen wie bei der unentgeltlichen Rechtspflege. Im ersten Fall werde der Schutz der Gläubiger und deren Gleichbehandlung betont: Dies setze einerseits voraus, dass die Bezahlung der Steuern von Steuerrückständen nicht als unerlässliche Ausgabe im Sinne von Art. 93 SchKG gelte, der sich nur auf die für den Unterhalt des Schuldners und seiner Familie unbedingt notwendigen Ausgaben beziehe, und andererseits, dass der Staat nicht durch die Berücksichtigung von Steuerschulden privilegiert werde, was gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Gläubiger verstiesse (BGE 134 III 37 E. 4.3 mit Hinweisen = Pra 2008 Nr. 76). Demgegenüber gehe es bei der unentgeltlichen Rechtspflege darum, dass die Bedürftigkeit eine Person nicht daran hindere, ihre Rechte in einem Verfahren, das nicht aussichtslos sei, geltend zu machen, und dass diese sie nicht zwinge, sich zu diesem alleinigen Zweck zu verschulden in einer sehr ernsten Notlage sogar Privatkonkurs anzumelden, um in der Lage zu sein, einen Prozess zu führen. Die Betrachtungsweise erfolge demnach hier unter einem ganz anderen Blickwinkel als dem, unter welchem das Betreibungsrecht die finanzielle Situation des Schuldners angeht: Das Problem müsse aus der Sicht des Gesuchstellers gelöst werden und nicht im Hinblick auf die Gläubigerrechte. Aus dieser Perspektive betrachtet entspreche die Berücksichtigung der vom Gesuchsteller zur Zahlung der Steuerrückstände verwendeten Beträge als finanzielle Verpflichtungen daher dem der Institution der unentgeltlichen Rechtspflege zugewiesenen Zweck. Dies entspreche im Übrigen der Ansicht der Mehrheit der Autoren, die sich mit diesem Problem befasst haben (BGE 135 I 221 E. 5.2.1).
cc) Somit steht fest, dass nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bei der Ermittlung des Existenzminimums für die unentgeltliche Rechtspflege die laufenden Steuern - anders als beim betreibungsrechtlichen Existenzminimum - zu
berücksichtigen sind, soweit sie tatsächlich bezahlt werden. Der Grund für diese Differenzierung liegt darin, dass beim betreibungsrechtlichen Existenzminimum der Fiskus nicht privilegiert werden soll. Würden die laufenden Steuern zum Existenzminimum gerechnet, so wären sie dem Zugriff der anderen Gläubiger entzogen. Dies ist nach den Grundsätzen des SchKG unzulässig, da in diesem Bereich private Gläubiger und das Gemeinwesen gleich zu behandeln sind.
Bei der Berechnung des Lebensbedarfs für die Prüfung des Steuererlasses müssen sachgemäss dieselben Grundsätze angewendet werden, wie sie bei der unentgeltlichen Rechtspflege gelten. Auch beim Steuererlass ist die Person des Gesuchstellers massgebend, für den die Zahlung der Steuern eine gesetzliche Verpflichtung bildet, der er sich nicht entziehen kann. Aus der Sicht des Gesuchstellers sind die laufenden Steuern Verpflichtungen, die er eben gerade nicht für die Zahlung derjenigen Steuern verwenden kann, um deren Erlass er ersucht. Müsste er die Mittel für die laufenden Steuern für die rückständigen Abgaben aufwenden, würde er bezüglich jener Gefahr laufen, sie wiederum nicht zahlen zu können, was dem Grundsatz widerspräche, dass der Erlass zur dauerhaften Sanierung beizutragen hat, wie dies für die direkte Bundessteuer in Art. 167 Abs. 2 DBG statuiert ist.
dd) Aus dem Gesagten folgt, dass die laufenden Steuern, soweit sie bezahlt werden, entgegen der Auffassung des kantonalen Steueramts bei der Ermittlung des notwendigen Lebensbedarfs zu berücksichtigen sind, indem sie zum betreibungsrechtlichen Existenzminimum hinzuzurechnen sind. Soweit sich die Vorinstanz auf den Entscheid der Kantonalen Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs vom 20. November 2018 stützt, übersieht sie, dass dieser nur Bezug auf Art. 93 SchKG nimmt, nicht aber auf die Regelung des Steuererlasses der unentgeltlichen Prozessführung. Auch in der Literatur zum Zivilprozessrecht wird übrigens mit Bezug auf die Bedürftigkeit als Voraussetzung für die unentgeltliche Rechtspflege die Auffassung vertreten, dass die laufenden Steuern zum betreibungsrechtlichen Existenzminimum (und allfälliger Zuschläge) hinzuzurechnen sind (BSK ZPO-Rüegg/Rüegg, 3. Auf. 2017, N 12 zu Art. 117; vgl. auch Leuenberger/ Uffer-Tobler, Kommentar zur [früheren] ZPO des Kantons St. Gallen, N 3c zu Art. 281). Diese Grundsätze sind auch bei der Anwendung von Art. 2 der Steuererlassverordnung zu berücksichtigen, indem die laufend bezahlten Steuern zum betreibungsrechtlichen
Existenzminimum hinzuzurechnen sind, um das Vorliegen einer Notlage im Sinn von
Art. 167 Abs. 1 DBG zu beurteilen. […]
e) Zusammenfassend gelangt das Gericht zum Schluss, dass die massgebenden Sachumstände ungenügend abgeklärt sind. Zudem stützte sich die Vorinstanz bei der Beurteilung der finanziellen Situation auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum und rechnete die laufenden Steuerzahlungen nicht zu diesem hinzu. …
Aus dem Gesagten folgt, dass der Rekurs und die Beschwerde gutzuheissen sind und der angefochtene Erlassentscheid vom 4. Februar 2019 aufzuheben ist. Die Angelegenheit ist gestützt auf Art. 56 Abs. 2 VRP zur weiteren Abklärung des Sachverhalts und zu neuer Beurteilung und Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
3.- Dem Verfahrensausgang entsprechend gehen die Verfahrenskosten zulasten des
Staates (Art. 95 Abs. 1 VRP, Art. 144 Abs. 1 DBG). Eine Entscheidgebühr von Fr. 500.–
ist angemessen (Art. 144 Abs. 5 DBG i.V.m. Art. 7 Ziff. 122 Gerichtskostenverordnung, sGS 941.12). Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.– ist der Rekurrentin und Beschwerdeführerin zurückzuerstatten.
Ausseramtliche Kosten sind mangels Antrags nicht zu entschädigen (Art. 98ter VRP
i.V.m Art. 105 ZPO).
Entscheid:
Der Rekurs wird gutgeheissen und der Erlassentscheid vom 4. Februar 2019
aufgehoben.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Erlassentscheid vom 4. Februar 2019 aufgehoben.
Die Angelegenheit wird zur weiteren Abklärung des Sachverhalts und zu neuer Beurteilung und Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Die Verfahrenskosten von Fr. 500.– trägt der Staat.
Der Rekurrentin und Beschwerdeführerin wird der Kostenvorschuss von Fr. 500.– zurückerstattet.
Ausseramtliche Kosten werden nicht entschädigt.
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