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Urteil Verwaltungsrekurskommission (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:I/2-2018/63
Instanz:Verwaltungsrekurskommission
Abteilung:Abgaben und öffentliche Dienstpflichten
Verwaltungsrekurskommission Entscheid I/2-2018/63 vom 25.04.2019 (SG)
Datum:25.04.2019
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 31 und 51 StrG (sGS 731.2). Die Erstellung einer Meteorwasserableitung an einer Gemeindestrasse 3. Klasse durch die politische Gemeinde fällt unter den Strassenbau und ist kein Strassenunterhalt (VRKE I/2-2018/63 vom
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 689 ZGB ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
25. April 2019).

Präsident Thomas Vögeli, Richter Rudolf Lippuner und Markus Frei, Gerichtsschreiberin Silvia Geiger

X und Y, Rekurrenten,

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Conzett, Kapfstrasse 46, 9453 Eichberg,

gegen

Gemeinderat Z, Vorinstanz,

vertreten durch Rechtsanwalt Dr.iur. Werner Ritter, Bahnhofstrasse 24, Postfach 142, 9443 Widnau,

betreffend

Rechnung für die Erstellung einer Meteorwasserableitung

Sachverhalt:

A.- X und Y sind Eigentümer des Grundstücks Nr. 0000 an der Hauptstrasse 0 in Z. Da die Entwässerung der Zufahrtsstrasse (Gemeindestrasse 3. Klasse) zu den insgesamt sieben Grundstücken nicht mehr genügte, wurde bei grösserem Regenwasseranfall das Untergeschoss der Liegenschaft des Grundstücks Nr. 1111 regelmässig überflutet. Vom 2. bis 7. Oktober 2014 wurde deshalb von der A AG im Auftrag der Gemeinde Z eine Meteorwasserableitung in den B-kanal erstellt. Am 16. Dezember 2015 stellte die A AG dem Bauamt der Gemeinde Z für die Arbeiten Fr. 17'156.05 in Rechnung. Das Gemeindekassieramt Z teilte den Betrag auf die sieben Grundstücke auf und stellte X und Y am 2. März 2016 einen Siebtel (Fr. 2'450.90) in Rechnung. Dagegen erhoben X und Y Rekurs, welcher vom Gemeinderat Z mit Entscheid vom 20. Juni 2016 abgewiesen wurde.

B.- Mit Eingabe ihres Rechtsvertreters vom 2. Juli 2016 erhoben X und Y Rekurs beim Baudepartement des Kantons St. Gallen mit dem Antrag, der Entscheid des Gemeinderates Z vom 20. Juni 2016 und die Rechnung Nr. 500.19/2016 des Gemeindekassieramts Z vom 2. März 2016 seien aufzuheben, unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Der Gemeinderat Z liess sich am 27. Oktober 2016 vernehmen und beantragte die kostenfällige Abweisung des Rekurses. Am 27. Februar 2017 ersuchte das Baudepartement das Kantonale Strasseninspektorat um einen Amtsbericht im Zusammenhang mit der Erstellung der Meteorwasserableitung, insbesondere zur Qualifikation Strassenbau/-unterhalt. Das Strasseninspektorat erstattete den Amtsbericht am 30. März 2017. Am 12. Juni 2017 reichte der Rechtsvertreter von X und Y eine Stellungnahme zur Vernehmlassung des Gemeinderates Z und zum Amtsbericht des Strasseninspektorats ein. Der inzwischen ebenfalls anwaltlich vertretene Gemeinderat Z nahm mit Eingabe des Rechtsvertreters vom 10. Juli 2017 zum Amtsbericht des Strasseninspektorats Stellung, wozu sich der Rechtsvertreter von X und Y am 2. August 2017 nochmals äusserte. Am 27. November 2018 überwies das Baudepartement die Akten des Rekursverfahrens gestützt auf

Art. 11 Abs. 3 VRP der Verwaltungsrekurskommission.

Auf weitere Einzelheiten wird, soweit erforderlich, in den nachstehenden Erwägungen eingegangen.

Erwägungen:

1.- Die Eintretensvoraussetzungen sind von Amtes wegen zu prüfen. Die Verwaltungsrekurskommission ist zum Sachentscheid zuständig (Art. 41 lit. h Ziff. 5 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1, abgekürzt: VRP). Die Befugnis zur Rekurserhebung ist gegeben. Der Rekurs vom 2. Juli 2016 ist rechtzeitig eingereicht worden. Er erfüllt in formeller und inhaltlicher Hinsicht die gesetzlichen Anforderungen (Art. 45, 47 und 48 VRP). Auf den Rekurs ist einzutreten.

2.- Angefochten ist der Entscheid der Vorinstanz vom 20. Juni 2016, mit welchem der Antrag der Rekurrenten auf Aufhebung der Rechnung Nr. 500.19/2016 vom 2. März 2016 (Fr. 2'450.90) abgewiesen wurde.

  1. aa) Die Rekurrenten machen geltend, dass die Bauherren der Grundstücke Nrn. 2222 und 3333 Verursacher des veränderten Ablaufs des Meteorwassers seien, indem sie auf den Grundstücken eine Aufschüttung vorgenommen hätten und deshalb das Wasser nicht mehr von der Strasse über die Schulter natürlich abfliessen könne. Damit hätten sie Art. 689 ZGB verletzt. Aufgrund des Verursacherprinzips seien somit die Bauherren der Grundstücke Nrn. 2222 und 3333 in die Pflicht zu nehmen. Die Erstellung der Meteorwasserableitung stelle keinen Strassenunterhalt, sondern Strassenbau dar. Beim Strassenbau seien die besonderen Verfahrensvorschriften gemäss Art. 39 ff. des Strassengesetzes (sGS 731.1, abgekürzt: StrG) einzuhalten. Dies sei vorliegend nicht geschehen, weshalb die Rechnung keine Rechtsgrundlage habe und aufzuheben sei.

    bb) Die Vorinstanz stellt sich demgegenüber auf den Standpunkt, es sei auf mangelnden Strassenunterhalt zurückzuführen, dass das Wasser nicht mehr abgeleitet werde und versickere. Die Strasse bestehe schon lange und sei schon immer – wenn auch mangelhaft – entwässert worden, weshalb die Erstellung der Meteorwasserableitung als Strassenunterhalt und nicht als Strassenbau zu qualifizieren sei. Es sei lediglich die Funktionsfähigkeit der bestehenden Wasserableitung wiederhergestellt und es seien weder neue Teile der Strasse entwässert noch die Entwässerung ausgebaut worden. Damit entfalle das Planverfahren nach Strassengesetz. Gemeindestrassen dritter Klasse würden gemäss Art. 55 Abs. 1 StrG von den anstossenden Grundeigentümern unterhalten. Dafür werde ein Perimeter errichtet (Art. 56 Abs. 1 StrG). Wenn die Kostentragung durch Vertrag geregelt sei,

    könne aufgrund von Art. 77 Abs. 3 StrG auf ein Kostenverlegungsverfahren verzichtet werden. Vorliegend sei der Unterhalt der betroffenen Strasse im Nachtrag zum Dienstbarkeitsvertrag vom 3. März 2010 geregelt. Diese Vereinbarung bilde die Grundlage für die Verlegung der Kosten der Meteorwasserableitung. Selbst wenn es sich bei der Erstellung der Meteorwasserableitung um Strassenbau handeln sollte, hätte im vorliegenden Fall trotzdem gestützt auf Art. 41 Abs. 2 StrG auf eine öffentliche Auflage verzichtet werden können. Über die Verlegung der Kosten bestehe gemäss Ziffer 6 des Nachtrags zum Dienstbarkeitsvertrag eine vertragliche Einigung, bei der Erstellung einer Meteorwasserableitung handle es sich um ein kleines und unbedeutendes Projekt und der Erstellung stünden keine öffentlichen Interessen entgegen, womit die Voraussetzungen von Art. 41 Abs. 2 StrG für einen Verzicht auf die öffentliche Auflage erfüllt seien.

  2. aa) Die Unterscheidung zwischen Strassenbau einerseits und Strassenunterhalt anderseits ist von grosser rechtlicher Bedeutung. Dies sowohl hinsichtlich der Zuständigkeiten und Mitsprachemöglichkeiten als auch insbesondere mit Bezug auf das einzuleitende Verfahren (Schönenberger, in: Germann [Hrsg.], Kurzkommentar zum st. gallischen Strassengesetz, St. Gallen 1989, Art. 31 N 3). All jene Massnahmen, die nicht zum Strassenunterhalt gehören, sind als Strassenbau zu betrachten und unterstehen damit den entsprechenden Verfahrensvorschriften. Für die Besorgung des Strassenunterhalts sind demgegenüber keine besonderen Verfahrensvorschriften zu beachten (Möhr, in: Germann [Hrsg.], a.a.O., Vorbemerkungen zu Art. 51-56 N 2). Als Strassenbau gelten Neubau, Ausbau und Korrektion von Strassen (Art. 31 Abs. 1 StrG). Die zur Erhaltung und zum Betrieb der Strassen erforderlichen Massnahmen gelten als Strassenunterhalt (Art. 51 Abs. 1 StrG).

Bei einer Meteorwasserableitung handelt es sich um eine Entwässerungsanlage. Sämtliche der Entwässerung dienende Anlagen wie Bordgesteine, Gräben, Durchlässe, Sickerungen, Leitungen usw. sind Entwässerungsanlagen. Das Instandhalten von Entwässerungsanlagen gilt als Strassenunterhalt. Unter Instandhalten ist der gesamte Unterhalt, einschliesslich das Beheben von Schäden, zu verstehen. Soweit eine Entwässerungsanlage erstellt oder erweitert werden muss, gilt die entsprechende Massnahme als Strassenbau (Möhr, a.a.O., Art. 51 N 19).

bb) Bei der im vorliegenden Fall betroffenen Zufahrtsstrasse erfolgte die Entwässerung bis anhin über die Schulter ins anliegende Gelände. Nach der vollständigen Überbauung der an die Strasse angrenzenden Grundstücke konnte das Meteorwasser nicht mehr über die Schulter abfliessen, weshalb es im Untergeschoss der Liegenschaft des Grundstücks Nr. 1111 regelmässig zu einer Überflutung kam. Deswegen wurde eine Meteorwasserableitung gebaut. Diese wurde neu erstellt. Es wurde weder eine bestehende Entwässerungsanlage instandgehalten, noch wurden Schäden an einer solchen behoben. Die Erstellung der fraglichen Meteorwasserableitung ist deshalb als Strassenbau zu qualifizieren.

c) Für den Strassenbau gelten die Verfahrensvorschriften von Art. 39 ff. StrG. Es ist gemäss Art. 39 Abs. 1 StrG das sogenannte Planverfahren durchzuführen. Das Projekt ist in der politischen Gemeinde unter Eröffnung einer Einsprachefrist von dreissig Tagen öffentlich aufzulegen (Art. 41 Abs. 1 StrG). Wer Grundeigentümerbeiträge leisten muss, ist mit persönlicher Anzeige von der öffentlichen Auflage und vom Beitragsplan in Kenntnis zu setzen (Art. 42 Abs. 2 StrG). Bei Gemeindestrassen wird das Auflage- und Anzeigeverfahren von der zuständigen Gemeindebehörde durchgeführt (Art. 43 StrG). Diese Verfahrensvorschriften wurden von der Vorinstanz nicht eingehalten. Diese hat weder das Projekt der Erstellung der Meteorwasserableitung öffentlich aufgelegt noch die Rekurrenten, welche sie zur Zahlung eines Beitrages verpflichtete, mit persönlicher Anzeige davon in Kenntnis gesetzt. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz hätte sie darauf nicht verzichten dürfen. Gemäss Art. 41 Abs. 2 lit. b StrG kann bei kleinen und unbedeutenden Projekten (insbesondere bei Entwässerungsanlagen) auf die öffentliche Auflage verzichtet werden, wenn kein Kostenverlegungsverfahren durchgeführt wird. Es müssen dafür drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein: Die betroffenen Grundeigentümer werden nicht zur Kostentragung herangezogen oder können sich darüber mittels Vertrag einigen, so dass kein Kostenverlegungsverfahren durchzuführen ist, es muss sich um ein kleines und unbedeutendes Projekt handeln und die Projektverwirklichung darf keine Abtretung privater Rechte erforderlich machen (Schönenberger, a.a.O., Art. 41 N 3). Die erste Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die betroffenen Grundeigentümer wurden zur Kostentragung herangezogen. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz besteht über die Verlegung der Kosten keine vertragliche Einigung. Die betroffenen Grundeigentümer haben sich im Nachtrag zur Grunddienstbarkeit vom 3. März 2010 in Ziffer 6 über den Unterhalt der

ganzen Dienstbarkeitsanlage geeinigt. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei der Erstellung der Meteorwasserableitung aber gerade nicht um Strassenunterhalt. Die Vorinstanz hätte somit nicht auf die öffentliche Auflage verzichten dürfen.

d) Zusammenfassend ergibt sich, dass die Vorinstanz die für den Strassenbau erforderlichen Verfahrensvorschriften von Art. 39 ff. StrG nicht eingehalten hat. Damit fehlt es an einer Grundlage, den Rekurrenten einen Teil der Kosten für die Erstellung der Meteorwasserableitung in Rechnung zu stellen. Der Rekurs erweist sich daher als begründet und ist gutzuheissen. Die Rechnung Nr. 500.19/2016 des Gemeindekassieramts Z vom 2. März 2016 und der angefochtene Entscheid der Vorinstanz vom 20. Juni 2016 sind aufzuheben. An diesem Ergebnis würde die Durchführung eines Augenscheins nichts ändern, weshalb darauf verzichtet wird. Zudem ist im vorliegenden Verfahren unerheblich, ob die Eigentümer der Grundstücke Nrn. 2222 und 3333 bei der Erstellung der Bauten Art. 689 ZGB verletzt haben.

3.- a) Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die amtlichen Kosten der Vorinstanz aufzuerlegen (Art. 95 Abs. 1 VRP). Eine Entscheidgebühr von Fr. 1'000.– ist angemessen (Art. 7 Ziff. 122 der Gerichtskostenverordnung, sGS 941.12). Auf die Erhebung der Gebühr ist nicht zu verzichten, da die Vorinstanz eigene finanzielle Interessen verfolgt (Art. 95 Abs. 3 VRP). Der Kostenvorschuss von Fr. 1'000.– ist den Rekurrenten zurückzuerstatten.

b) Zufolge Obsiegens haben die Rekurrenten Anspruch auf eine volle Entschädigung der ausseramtlichen Kosten (Art. 98bis und Art. 98ter VRP), soweit diese aufgrund der Rechts- oder Sachlage als notwendig und angemessen erscheinen (Art. 98 Abs. 2 VRP). Im Rekursverfahren war der Beizug eines Rechtsbeistandes geboten. Der Rechtsvertreter hat eine Kostennote eingereicht. Darin macht er, ausgehend von einem Aufwand von knapp neun Stunden à Fr. 240.– ein Honorar von Fr. 2'120.– zuzüglich

Fr. 100.– Barauslagen geltend. Der Aufwand des Rechtsvertreters erscheint unter Berücksichtigung des Aktenumfangs und der Schwierigkeit des Falls als tarifkonform; die Barauslagen sind allerdings auf 4% festzusetzen (Art. 22 Abs. 1 lit. b und Art. 28bis Abs. 1 der Honorarordnung für Rechtsanwälte und Rechtsagenten, sGS 963.75). Die Entschädigung beträgt somit Fr. 2'204.80. Entschädigungspflichtig ist die Vorinstanz.

Entscheid:

  1. Der Rekurs wird gutgeheissen und der Entscheid des Gemeinderates Z vom

    20. Juni 2016 sowie die diesem zugrundeliegende Rechnung Nr. 500.19/2016 des Gemeindekassieramts Z vom 2. März 2016 werden aufgehoben.

  2. Die amtlichen Kosten von Fr. 1'000.– hat die Politische Gemeinde Z zu bezahlen.

    Der Kostenvorschuss von Fr. 1'000.– wird den Rekurrenten zurückerstattet.

  3. Die Politische Gemeinde Z hat die Rekurrenten mit Fr. 2'204.80 zu entschädigen.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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