Zusammenfassung des Urteils I/2-2014/41: Verwaltungsrekurskommission
Der Fall dreht sich darum, ob eine Handänderungssteuer aufgrund der Übertragung von Grundstücken erhoben werden soll. Es wird diskutiert, ob die Sperrfrist von fünf Jahren bei Umstrukturierungen auch auf die Handänderungssteuer anwendbar ist. Die Rekurrentin beruft sich auf das Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden, welches keine Sperrfrist vorsieht. Das Bundesgericht entscheidet, dass die Verweisung auf die Umstrukturierungstatbestände der Einkommens- und Gewinnsteuern nicht automatisch auf die Handänderungssteuer übertragen werden kann. Letztendlich wird der Rekurs gutgeheissen, die bereits bezahlte Handänderungssteuer muss zurückgezahlt werden, und die Gemeinde W trägt die Kosten des Verfahrens.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | I/2-2014/41 |
Instanz: | Verwaltungsrekurskommission |
Abteilung: | Abgaben und öffentliche Dienstpflichten |
Datum: | 21.05.2015 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | EntscheidPräsident Thomas Vögeli, Richter Rudolf Lippuner und Richterin Eliane Kaiser, Gerichtsschreiber Philipp Lenz |
Schlagwörter: | Handänderungssteuer; Sperrfrist; Verweis; Recht; Gemeinde; Rekurrentin; Steuern; Gemeinderat; Übertragung; Erhebung; Vorinstanz; Umstrukturierungen; Bestimmungen; Einkommens; Gewinnsteuer; Rekurs; Insoweit; Steuerrecht; Bundesrechts; Rechtsprechung; Gewinnsteuern; Oesterhelt; Erwägungen; Einspracheentscheid; Gemeinderates; Veranlagung; Erwägungen: |
Rechtsnorm: | Art. 103 FusG; |
Referenz BGE: | 138 II 557; |
Kommentar: | - |
Gemeinderat W, betreffend Handänderungssteuer Aus den Erwägungen:
1.- (…)
2.- Streitig ist im vorliegenden Fall ausschliesslich die Frage, ob aufgrund der Übertragung der Grundstücke Nrn. 888 und 9999 per 1. Januar 2010 die Erhebung einer Handänderungssteuer rechtmässig ist.
Die Vorinstanz stützt sich auf Art. 244 lit. f StG. Danach sind Handänderungen bei Umstrukturierungen gemäss Art. 32 und 88 StG von der Handänderungssteuer befreit. Art. 32 und 88 StG enthalten Bestimmungen über den Aufschub der Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen, wobei in Art. 32 Abs. 2 StG ausdrücklich eine Sperrfrist von fünf Jahren statuiert ist, ebenso in Art. 88 Abs. 2 StG. Insoweit enthält Art. 244 lit. f StG einen Verweis auf eine Norm, in der eine fünfjährige Sperrfrist statuiert ist. Dieser Verweis bedeutet allerdings nicht zwingend, dass die Sperrfrist auch bei der Handänderungssteuer ohne weiteres anwendbar ist (vgl. E. 2b letzter Absatz).
Die Rekurrentin beruft sich auf Art. 103 FusG. Danach ist die Erhebung von kantonalen und kommunalen Handänderungsabgaben bei Umstrukturierungen im Sinne von Art. 8 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 3 und 3quater des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (SR 642.14, abgekürzt: StHG) ausgeschlossen. Kostendeckende Gebühren bleiben vorbehalten. Der Verweis auf Art. 8 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 3 und 3quater StHG ist nicht identisch mit der Verweisung im kantonalen Steuerrecht auf Art. 32 und 88 StG. Die Bestimmungen, auf die Art. 103 FusG verweist, enthalten keine Regelung einer Sperrfrist. Eine Sperrfrist ist hingegen in Art. 8 Abs. 3bis und Art. 24 Abs. 3ter StHG verankert. Insoweit bezieht sich also der Verweis von Art. 103 FusG nicht auf eine Sperrfrist des Bundesrechts.
Art. 103 FusG ist eine direkt anwendbare Norm des Bundesrechts; sie bedarf keiner Konkretisierung durch das kantonale Recht und dieses kann nicht von ihr abweichen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist lediglich der Begriff der "Umstrukturierung" im Handänderungssteuerrecht zu verwenden, unter Ausschluss der übrigen Kriterien, welche das StG für die Befreiung von den direkten Steuern aufstellt (vgl. BGE 138 II 557=Pra 2014 Nr. 36). Diese Rechtsprechung steht in Übereinstimmung mit dem Schrifttum. Danach kann der Verweis von Art. 103 FusG auf die Umstrukturierungstatbestände der Einkommens- und Gewinnsteuern nicht zur
Folge haben, dass sämtliche Voraussetzungen für die Steuerneutralität im Bereich der Einkommens- und Gewinnsteuern auf die Handänderungssteuer übertragen werden (vgl. Stefan Oesterhelt, in: Watter/Vogt/Tschäni/ Daeniker [Hrsg.], Basler Kommentar zum Fusionsgesetz, 2. Aufl. 2015, N 17 zu Art. 103). In der Kommentierung wird ausdrücklich festgehalten, dass aufgrund des fehlenden Verweises auf Art. 8 Abs. 3 bis
StHG sowie auf Art. 24 Abs. 3ter und 3quinquies StHG (in diesen Bestimmungen ist eine
Sperrfrist statuiert) die Verletzung der Veräusserungssperrfrist bei der Übertragung eines Betriebs eines Teilbetriebs bzw. bei der Übertragung einer Liegenschaft auf eine Tochtergesellschaft mangels Rechtsgrundlage nicht zu einer nachträglichen Erhebung der Handänderungssteuer führen kann (vgl. Oesterhelt, a.a.O., N 28b zu Art. 103).
Ohnehin kann der Verweis von Art. 244 f. StG auf Art. 32 und 88 StG keine unmittelbare Anwendung der Sperrfrist bei der Handänderungssteuer bewirken. Abgesehen davon, dass Art. 103 FusG als Bestimmung des Bundeszivilrechts dem kantonalen Recht vorgeht (vgl. Art. 49 Abs. 1 der Bundesverfassung, SR 101), ist die Statuierung einer Sperrfrist bei der Einkommens- und Gewinnsteuer spezifisches Merkmal dieser Steuerarten, welche den Zufluss von Vermögenswerten erfassen. Demgegenüber handelt es sich bei der Handänderungssteuer um eine Rechtsverkehrssteuer, die den indirekten Steuern zuzurechnen ist und bei der nicht ökonomische Vorgänge Steuerobjekt bilden, sondern deren rechtliche Gestaltung (vgl. Blumenstein/Locher, System des Steuerrechts, 6. Aufl. 2002, S. 204 f. und 282 f.).
Zusammenfassend ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen, dass der Rekurs gutzuheissen ist. Der Einspracheentscheid des Gemeinderates W vom 12. August 2014 sowie die Veranlagung der Handänderungssteuer vom 3. Februar 2014 sind aufzuheben. Die Vorinstanz ist zu verpflichten, die bereits bezahlte Handänderungssteuer von Fr. 101'700.– zurückzuerstatten. Die Verzinsung richtet sich nach Art. 229 StG in Verbindung mit Art. 210 ff. StG.
3.- (…)
Entscheid:
Der Rekurs wird gutgeheissen, und der Einspracheentscheid des Gemeinderates W
vom 12. August 2014 sowie die Veranlagung des Grundbuchamts W vom
3. Februar 2014 werden aufgehoben.
Die Vorinstanz hat der Rekurrentin die bereits bezahlten Steuern samt
Ausgleichszinsen
zurückzuerstatten.
Die amtlichen Kosten des Rekursverfahrens von Fr. 1'500.– bezahlt die Gemeinde
W.
Der Rekurrentin wird der Kostenvorschuss von Fr. 1'000.– zurückerstattet.
Die Gemeinde W hat die Rekurrentin mit Fr. 800.– zu entschädigen.
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