Kanton: | SG |
Fallnummer: | I/1-2006/192 |
Instanz: | Verwaltungsrekurskommission |
Abteilung: | Abgaben und öffentliche Dienstpflichten |
Datum: | 10.01.2007 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid(Verwaltungsrekurskommission, I/1-2006/192, 10. Januar 2007; Entscheid |
Zusammenfassung: | X.Y. wurde mit einer Nachsteuer veranlagt und erhob daraufhin Rekurs. Es ging um die Wiederherstellung der Einsprachefrist, die jedoch abgelehnt wurde. Der Rekurrent reichte trotzdem einen Rekurs ein, der jedoch als verspätet eingereicht galt und daher nicht behandelt wurde. Der Rekurrent versuchte, die Verspätung mit Arbeitsunfähigkeit zu begründen, was jedoch abgelehnt wurde. Letztendlich wurden ihm die Kosten auferlegt. |
Schlagwörter: | Frist; Gericht; Rekurs; Gerichtsferien; Entscheid; Verwaltung; Wiederherstellung; Verfahren; Rekurrent; Fristen; Rechtsmittelfrist; Abteilung; Kanton; Steueramt; Gallen; Nichteintreten; Rechtsprechung; Fristenstillstand; Gesuch; Verfügung; Verwaltungsrekurskommission; Praxis; Rechtsvertreter; Arbeitsunfähigkeit; Abteilungen; Kammer; Steuer; Eingabe |
Rechtsnorm: | Art. 20 VwVG ; |
Referenz BGE: | 131 V 305; 132 II 153; |
Kommentar: | - |
Präsident: Ralph Steppacher, Abteilungspräsidenten: Nicolaus Voigt und Bruno Paoletto, Mitglieder: Erwin Müller, Verena Koller, Ruedi Winet, Fritz Buchschacher, Rudolf Lippuner, Urs Früh; Gerichtsschreiberin Sabrina Reinhart
In Sachen X.Y.,
Rekurrent, vertreten durch Z., gegen
Kantonales Steueramt, Davidstrasse 41, 9001 St. Gallen, Vorinstanz,
betreffend
Gesuch um Wiederherstellung Sachverhalt:
A.- X.Y. wurde mit Verfügung vom 8. September 2005 für die Staats- und Gemeindesteuern 2001 und 2002 mit einer Nachsteuer von Fr. 10'299.10 veranlagt. Mit Eingabe vom 5. Mai 2006 ersuchte der Steuerpflichtige um Revision der Nachsteuerverfügung. Mit Entscheid vom 29. Mai 2006 trat das kantonale Steueramt auf das Revisionsgesuch nicht ein. Dagegen erhob der Steuerpflichtige am 27. Juni 2006 Rekurs. Das entsprechende Rekursverfahren wurde am 20. Juli 2006 sistiert.
Mit Schreiben vom 30. Mai 2006 stellte X.Y., vertreten durch Z. ein Begehren um Wiederherstellung der Einsprachefrist bezüglich der Nachsteuerverfügung vom 8. September 2005. Am 13. Juli 2006 erliess das kantonale Steueramt einen Nichteintretensentscheid bezüglich des Wiederherstellungsbegehrens. Der Nichteintretensentscheid wurde X.Y. gemäss Zustellinformation der Post, Track & Trace, am 17. Juli 2006 zugestellt.
B.- Mit Eingabe vom 15. September 2006 (Datum und Poststempel) erhob X.Y., vertreten durch Z., Rekurs bei der Verwaltungsrekurskommission mit dem Antrag, das Fristwiederherstellungsgesuch vom 30. Mai / 7. Juni 2006 sei gutzuheissen, unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten des Kantons St. Gallen. Am 18. September 2006 reichte der Rekurrent die Rekursbegründung ein.
Mit verfahrensleitender Verfügung vom 26. September 2006 wurde dem Rekurrenten mitgeteilt, dass erhebliche Zweifel an der Rechtzeitigkeit der Rekurserhebung bestünden. Dazu nahm der Rekurrent mit Eingabe vom 2. Oktober 2006 Stellung. Am
20. Oktober 2006 wurde dem kantonalen Steueramt Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt und gleichzeitig den Parteien mitgeteilt, dass das Verfahren vorläufig auf die Rechtzeitigkeit der Rekurserhebung und das sinngemäss gestellte Gesuch um Wiederherstellung beschränkt werde. Mit Datum vom 26. Oktober 2006 reichte das kantonale Steueramt seine Stellungnahme ein.
Auf die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten wird, soweit notwendig, in den Erwägungen eingegangen.
Erwägungen:
1.- Die Eintretensvoraussetzungen sind von Amtes wegen zu prüfen.
Gemäss Art. 89 Abs. 1 lit. b des Gerichtsgesetzes (sGS 941.1, abgekürzt: GerG) in Verbindung mit Art. 194 Abs. 1 des Steuergesetzes (sGS 811.1, abgekürzt: StG) kann der Entscheid über die Wiederherstellung einer Rechtsmittelfrist, hier also der Nichteintretensentscheid des kantonalen Steueramtes vom 13. Juli 2006 (zugestellt am
17. Juli 2006) innert 30 Tagen bei der Verwaltungsrekurskommission angefochten werden. Die Verwaltungsrekurskommission ist somit zum Sachentscheid zuständig. Die Befugnis zur Rekurserhebung ist gegeben. Der Rekurs erfüllt in formeller und inhaltlicher Hinsicht die gesetzlichen Anforderungen (Art. 48 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1, abgekürzt: VRP). Soweit sind die Eintretensvoraussetzungen erfüllt.
Fraglich ist, ob der Rekurs vom 15. September 2006 rechtzeitig eingereicht wurde.
2.- Gestützt auf Art. 54 GerG wird die Streitfrage auf Antrag des Abteilungspräsidenten (Abteilung I - 1. Kammer ) den betroffenen Abteilungen und Kammern (Abteilung I - 1. und 2. Kammer, Abteilungen III und IV) zum gemeinsamen Entscheid unterbreitet, um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zum Beginn des Fristenlaufes nach den Gerichtsferien zu gewährleisten, wenn der angefochtene Entscheid während den Gerichtsferien zugestellt wurde.
3.- Der Entscheid über die Wiederherstellung wurde während der Gerichtsferien, die vom 15. Juli bis 15. August 2006 dauerten, am 17. Juli 2006 eröffnet. Wird der erste Tag nach den Gerichtsferien – Mittwoch, der 16. August 2006 – bei der Frist nicht mitgezählt, so ist der Rekurs rechtzeitig eingereicht worden. Beginnt jedoch die Frist von 30 Tagen am ersten Tag nach den Gerichtsferien zu laufen, so ist der Rekurs verspätet.
Der Rekurrent macht geltend, dass er über Google mit den Stichworten "Gerichtsferien, Frist, Berechnung" auf einen Entscheid (VPB 63.44 vom 21. Januar 1999) gestossen sei, wonach im Verfahren laut VwVG analog Art. 32 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 34 OG die Frist erst am zweiten Tag nach den Gerichtsferien zu laufen beginne, wenn eine Verfügung während den Gerichtsferien zugestellt werde. Daraus schliesse er, dass auch im kantonalen Verfahren als Zustelldatum des steueramtlichen Entscheids der 16. August 2006 gelte und die 30-tägige
Rechtsmittelfrist vom 17. August 2006 an gerechnet und ohne weiteres gewahrt worden sei. Überdies sei der Vertreter des Rekurrenten während den ganzen Gerichtsferien und auch am 16. August 2006 noch hundertprozentig arbeitsunfähig gewesen.
Die Vorinstanz verweist zur Frage der Rechtzeitigkeit der Rekurserhebung darauf, dass die Praxis des Kantons St. Gallen in Cavelti/Vögeli (Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen - dargestellt an den Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, 2. Auflage, St. Gallen 2003, § 35, N 905 ff.) wiedergegeben sei.
4.- Während der Gerichtsferien, welche im Sommer vom 15. Juli bis 15. August dauern, stehen gesetzliche und richterliche Fristen still (Art. 90 lit. a und 91 Abs. 1 GerG). Die Gerichtsferien werden gemäss ständiger Praxis auch bei den Rechtsmittelfristen für die Anfechtung von Entscheiden der Verwaltung bei der Verwaltungsrekurskommission berücksichtigt, obwohl sie im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden nicht gelten (vgl. Art. 30 VRP) und ein gerichtliches Verfahren streng genommen erst mit der Anhängigmachung des Rekurses am Gericht zu laufen beginnt (vgl. Cavelti/Vögeli, a.a.O., N 905).
Der Nichteintretensentscheid des kantonalen Steueramtes vom 13. Juli 2006 wurde dem Rekurrenten am 17. Juli 2006 zugestellt. Die Zustellung fiel somit in die Gerichtsferien, weshalb die Rechtsmittelfrist für die Dauer der Gerichtsferien still stand. Im Folgenden ist nun zu klären, wann die Rechtsmittelfrist zu laufen begann.
Nach Art. 82 Abs. 1 GerG beginnt die Frist am Tag der ihrer schriftlichen Eröffnung folgt. Der Fristbeginn knüpft damit an die Mitteilung an. Entscheidend ist dabei, ob sich das fristauslösende Ereignis – die Eröffnung – während des Fristenstillstandes rechtsgültig verwirklichen kann ob dieses nach Ablauf des Fristenlaufs fingiert wird. Art. 91 Abs. 1 Satz 1 GerG bestimmt, dass gesetzliche und richterliche Fristen während den Gerichtsferien stillstehen. Eine Regelung, wonach es nicht erlaubt wäre, während der Gerichtsferien Rechtshandlungen vorzunehmen, ist darin nicht enthalten. Der Fristenstillstand bewirkt eine Hemmung der Frist. Damit ist aber die Möglichkeit des Eintritts des fristenauslösenden Ereignisses nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr vorausgesetzt (vgl. BGE 131 V 305 E. 4.2.1 mit Hinweis auf Kölz/Häner,
Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl. 1998, Rz. 344). Da das fristauslösende Ereignis innerhalb des Fristenstillstandes eintreten kann, führt dies dazu, dass die Rechtsmittelfrist am ersten Tag nach Ablauf des Fristenstillstandes zu laufen beginnt (BGE 131 V 305 E. 4.4). Das Bundesgericht hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (BGE 132 II 153 E. 4.1).
In der Streitsache ergibt sich somit, dass die Rechtsmittelfrist von 30 Tagen am 16. August 2006 zu laufen begann und am Donnerstag, den 14. September 2006 endete. Der am 15. September 2006 der Post übergebene Rekurs ist damit verspätet eingereicht worden.
Rechtsfolge der Verspätung ist, dass auf den Rekurs nicht eingetreten werden kann. Es bleibt zu prüfen, ob rechtlich relevante Umstände vorliegen, die es erlauben würden, trotz Verspätung auf den Rekurs einzutreten.
aa) Der Rekurrent stützt sich in seiner Eingabe auf einen Entscheid der Eidgenössischen Personalrekurskommission vom 21. Januar 1999 (act. 6/2). Darin ist ausgeführt, dass die Beschwerdefrist im Verfahren nach VwVG erst am zweiten Tag nach den Gerichtsferien zu laufen beginnt, wenn eine Verfügung während der Gerichtsferien zugestellt wird.
Nun hat das Bundesgericht aber im Entscheid vom 13. Januar 2006 (BGE 132 II 153: Heft 3 vom 10. Mai 2006), bezüglich Art. 20 Abs. 1 VwVG entschieden, dass für die Beschwerdefrist bereits der erste Tag nach Ablauf des Fristenstillstands zähle, wenn die Verfügung während des Stillstands zugestellt werde. Der Rekurrent kann sich daher nicht auf die veraltete Rechtsprechung berufen, die einer veröffentlichten Rechtsprechung des Bundesgerichts entgegensteht. Auch sein genereller Hinweis, er habe damit gerechnet, dass im kantonalen Verfahren als "Zustelldatum" des steueramtlichen Entscheides der 16. August 2006 gelte, vermag nicht zu überzeugen. Dass die Verfahrensordnungen in den verschiedenen Kantonen unterschiedlich sind, gehört zum Allgemeinwissen eines Rechtsvertreters. Dem Rechtsvertreter, der zur Hauptsache im Kanton Zürich tätig ist, sollte zumindest die Zürcher Praxis vertraut sein. Danach beginnt eine Rechtsmittelfrist am Tage nach dem Fristenstillstand zu laufen (VerwGer ZH in: StE 1992 B 92.8 Nr. 3).
bb) Zu prüfen bleibt, ob eine eingelebte st. gallische Praxis dem Nichteintreten entgegensteht. Zu Art. 82 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 91 Abs. 1 GerG besteht keine veröffentlichte Rechtsprechung. In der Literatur (Cavelti/Vögeli, a.a.O., N 905; A. Holenstein, Gerichtsgesetz des Kantons St. Gallen vom 2. April 1987, Flawil 1987, N 4 zu Art. 91) wird jedoch kommentarlos auf einen Entscheid des Kantonsgerichtes zum alten Zivilprozessgesetz verwiesen, wonach bei Ansetzung einer Frist innerhalb der Gerichtsferien der erste Tag nach den Gerichtsferien bei der Berechnung der Frist nicht mitgezählt wird (GVP 1986 Nr. 48). Dieser Entscheid kann für das Verwaltungsprozessverfahren nicht massgebend sein. Erstens handelt es sich um eine richterliche Frist und nicht um eine gesetzliche Frist. Zum anderen ist das Gerichtsgesetz nach diesem Entscheid in Kraft getreten. Gestützt auf die zwanzigjährige singuläre Rechtsprechung, die sich auf eine andere Rechtsgrundlage stützt, kann daher nicht von einer eingelebten Praxis ausgegangen werden, die es im Hinblick auf den Vertrauensschutz rechtfertigen könnte, vom Nichteintreten abzusehen.
Aus dem Dargelegten folgt, dass auf den Rekurs vom 15. September 2006 wegen Verspätung nicht einzutreten ist.
5.- Der Rechtsvertreter macht eventualiter einen Wiederherstellungsgrund geltend und legt für sich ein ärztliches Zeugnis vom 17. August 2006, das ihm für die Zeit vom 11. April bis 17. August 2006 100% Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, sowie ein undatiertes ärztliches Zeugnis (act. 6/1), das ihm für den 11. September bis 4. Oktober 2006 ganze Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, bei.
Nach Art. 85 Abs. 1 GerG kann eine Frist wiederhergestellt werden, wenn der Säumige ein unverschuldetes Hindernis als Ursache der Säumnis glaubhaft macht. Die Wiederherstellung kann angeordnet werden, wenn den Säumigen ein leichtes Verschulden trifft wenn der Verfahrensgegner zustimmt.
Arbeitsunfähigkeit bedeutet nicht, objektive subjektive Unmöglichkeit, am Rechtsgeschehen teilzunehmen. In der ersten Zeitperiode, in der der Rechtsvertreter Arbeitsunfähigkeit als Wiederherstellungsgrund geltend macht, hat er ohne jeden Hinweis darauf ein Rekursverfahren bei der Verwaltungsrekurskommission geführt
(I/1-2006/143: 29. Juni 2006 Rekurseingang; 18. Juli 2006 Eingang Kostenvorschuss). Es ist daher nicht ersichtlich, dass ihm der angefochtene Entscheid vom 17. Juli 2006 nicht rechtmässig hätte eröffnet werden können. In der zweiten Periode, für die ihm Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wird, hat der Rechtsvertreter den vorliegenden Rekurs vom 15. September 2006 eingereicht, begründet und zur Verspätung Stellung genommen. Es ist deshalb nicht ersichtlich, warum der Rekurs nicht rechtzeitig am 14. September 2006 hätte eingereicht werden können. Das Säumnis geht daher auf Nachlässigkeit zurück, was ein leichtes Verschulden ausschliesst (Cavelti/Vögeli, a.a.O., N. 1141).
Das Gesuch um Wiederherstellung der versäumten Frist ist somit abzuweisen.
6.- Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die amtlichen Kosten dem Rekurrenten aufzuerlegen (Art. 95 Abs. 1 VRP). Das Nichteintreten wird einem Unterliegen gleichgesetzt (R. Hirt, Die Regelung der Kosten nach st. gallischem Verwaltungsrechtspflegegesetz, St. Gallen 2004, S. 99 f.). Eine Gebühr von Fr. 200.-- für die Behandlung des Gesuchs um Wiederherstellung der versäumten First und eine Entscheidgebühr von Fr. 600.-- ist angemessen (vgl. Ziff. 362 und 712 Gerichtskostentarif, sGS 941.12). Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 800.-- ist zu verrechnen.
Entscheid:
Auf den Rekurs wird nicht eingetreten.
Das Gesuch um Wiederherstellung der versäumten Frist wird abgewiesen.
Der Rekurrent bezahlt die amtlichen Kosten von Fr. 800.-- unter Verrechnung des Kostenvorschusses von Fr. 800.--.
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