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Urteil Handelsgericht (SG - HG.2017.132)

Zusammenfassung des Urteils HG.2017.132: Handelsgericht

Die Gerichtsstandsklausel eines Vertrags gilt auch für unerlaubte Handlungen, wenn ein Zusammenhang zwischen der Handlung und dem Vertragsgegenstand besteht. Im vorliegenden Fall berief sich die Antragstellerin auf eine solche Klausel, während die Antragsgegnerin die Zuständigkeit bestritt. Letztendlich wird festgestellt, dass die Streitigkeit in die Zuständigkeit der Gerichte des Kantons Zürich fällt. Es wurde diskutiert, ob ein Gutachten der Wettbewerbskommission eingeholt werden sollte, was jedoch nicht notwendig war. Die Antragstellerin hätte die Dringlichkeit des Verfahrens selbst verschuldet, weshalb das Gesuch abgewiesen wurde.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts HG.2017.132

Kanton:SG
Fallnummer:HG.2017.132
Instanz:Handelsgericht
Abteilung:Handelsgericht
Handelsgericht Entscheid HG.2017.132 vom 06.11.2017 (SG)
Datum:06.11.2017
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 13 ZPO, Art. 17 Abs. 1 ZPO, Art. 36 ZPO (SR 272), Art. 15 Abs. 1 KG (SR
Schlagwörter: Gericht; Vertrag; Zuständigkeit; Gerichtsstand; Gesuch; Gerichtsstandsklausel; Gesuchsgegnerin; Kanton; Massnahme; Klage; Vollstreckungsort; Handlung; Kantons; Gallen; Streitigkeit; Gerichte; Kündigung; Vertragsverhältnis; Ansprüche; Massnahmen; Hauptsache; Gerichtsstandsklauseln; Lehre; Verträge; Verhalten; Sachzusammenhang
Rechtsnorm: Art. 13 ZPO ;Art. 15 KG ;Art. 17 ZPO ;Art. 36 ZPO ;
Referenz BGE:125 III 451; 132 III 83; 137 III 324;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts HG.2017.132

251); Eine Gerichtstandsklausel für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis findet auch auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung Anwendung, sofern von einem Sachzusammenhang zwischen der unerlaubten Handlung und dem Vertragsgegenstand auszugehen ist. Das gilt auch, wenn vorgebracht wird, die Gerichtsstandsklausel sei kartellrechtswidrig. Frage offen gelassen, ob in kartellrechtlichen Streitigkeiten im Verfahren der vorsorglichen Massnahmen ein

(Kurz-)Gutachten der WEKO einzuholen ist (Handelsgerichtspräsident, 6.

November 2017, HG.2017.132.)

Aus den Erwägungen:

[…]

  1. b) Das Gericht prüft seine Zuständigkeit grundsätzlich von Amtes wegen. Soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, ist für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen zwingend zuständig das Gericht am Ort, an dem die Zuständigkeit für die Hauptsache gegeben ist die Massnahme vollstreckt werden soll (Art. 13 ZPO). Die Gesuchstellerin leitet die örtliche Zuständigkeit des Handelsgerichts St. Gallen aus der Hauptsachenzuständigkeit ab. Vorliegend beruft sich die Gesuchsgegnerin ausdrücklich auf die mit der Gesuchstellerin vereinbarte Gerichtsstandsklausel, weshalb keine Einlassung vorliegt. Vielmehr bestreitet die Gesuchsgegnerin die Zuständigkeit in der Hauptsache und damit auch für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen. Die Gesuchstellerin reagierte auf die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichts im Wesentlichen damit, dass sie auf die kartellrechtliche Grundlage ihrer Klage verwies, ohne sich mit der Gültigkeit der Gerichtsstandsklauseln auseinanderzusetzen

    (act. 23, Rzn. 8 ff.). Die Gültigkeit der Gerichtsstandsklauseln hat damit als unbestritten zu gelten.

    1. Was den Anwendungsbereich von Gerichtsstandsklauseln anbelangt, können die Parteien, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, für einen bestehenden für einen künftigen Rechtsstreit über Ansprüche aus einem bestimmten Rechtsverhältnis einen Gerichtsstand vereinbaren. Geht aus der Vereinbarung nichts anderes hervor, so kann die Klage nur am vereinbarten Gerichtsstand erhoben werden (Art. 17 Abs. 1 ZPO). Für Klagen aus unerlaubter Handlung ist zwar grundsätzlich das Gericht am Sitz der geschädigten Person der beklagten Partei am Handlungs- am Erfolgsort zuständig (Art. 36 ZPO). Diese Zuständigkeit ist jedoch nicht zwingend (anstelle vieler: BK-Marti, Art. 36 ZPO N 17), weshalb diese Zuständigkeitsordnung durch eine Gerichtsstandsklausel ausgeschlossen wird, sofern die Gerichtsstandsklausel keine diesbezüglichen Ausnahmen enthält.

    2. Eine vertragliche Gerichtsstandsklausel ist nicht auf alle Rechtsverhältnisse zwischen den Vertragsparteien anwendbar, sondern auf diejenigen Rechtsverhältnisse, für diese sie bestimmt ist. Eine vertragliche Gerichtsstandsklausel bezieht sich jedoch regelmässig nicht bloss auf sämtliche Ansprüche aus dem Vertrag selber, sondern auch auf die Frage der Gültigkeit sowie alle weiteren Ansprüche, die sich aus einer allfälligen Nichtigkeit, Ungültigkeit, Verletzung Auflösung ergeben (Füllemann, Schweizerische Zivilprozessordnung, Kommentar, 2. Aufl., Art. 17 N 13; BK-Berger, Art. 17 ZPO N 29; BSK ZPO-Infanger, 3. Aufl., Art 17 N 17).

    3. Die Gesuchstellerin geht sinngemäss davon aus, die Zuständigkeit des Gerichts richte sich einzig nach Art. 36 ZPO, wenn sich die Klage ausschliesslich auf ausservertragliche, in casu auf kartellrechtliche Normen stütze. Was konkurrierende vertragliche und ausservertragliche Ansprüche aus unerlaubter Handlung anbelangt, so geht die Lehre allerdings einheitlich davon aus, dass eine Gerichtstandsklausel für Streitigkeiten aus einem bestimmten Vertragsverhältnis auch auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung Anwendung findet (Hedinger/Hostettler, Kommentar zur Schweizerischen ZPO, 3. Aufl., Art. 17 N 27). Dies ist stets der Fall, wenn die unerlaubte Handlung ebenfalls eine Vertragsverletzung darstellt (Haldy, Code de procédure civile commenté, Art. 17 N 13; BK-Berger, Art. 17 ZPO N 29; BSK ZPO-

    Infanger, 3. Aufl., Art 17 N 17). Ein Teil der Lehre fasst den Anwendungsbereich weiter, indem er es genügen lässt, wenn die Ansprüche mit dem Vertrag in einem sachlichen Zusammenhang stehen (Füllemann, Schweizerische Zivilprozessordnung, Kommentar,

  2. Aufl., Art. 17 N 13 und Haas/Schlumpf, Kurzkommentar ZPO, 2. Aufl., Art. 17 N 21 jeweils mit Hinweis auf BGer 4C.142/2006; im Ergebnis ähnlich: Courvoisier, SHK-ZPO, Art. 17 N 8). Das Bundesgericht liess in einem Entscheid zum Gerichtsstandsgesetz, welches in der Folge durch die ZPO abgelöst wurde, ebenfalls einen Sachzusammenhang genügen (BGer 4C.142/2006, E. 2), indem es ausführte, im konkreten Fall dränge es sich auf, von einem Sachzusammenhang zwischen den unerlaubten Handlungen und dem Vertragsgegenstand auszugehen, mit der Konsequenz, dass die Klage von der Gerichtsstandsklausel erfasst werde, weshalb die Gesuchsgegnerin die Einrede der Unzuständigkeit im konkreten Fall zurecht erhoben habe (BGer 4C.142/2006, E. 2 am Ende).

  1. Die Gesuchstellerin bringt im Hauptstandpunkt unter Hinweis auf Art. 19/20 OR vor, die Kündigung der Verträge sei kartellrechtswidrig erfolgt und damit nichtig (Klage Rz. 3, 26, 46). Sie, die Gesuchstellerin, habe die Kündigung nicht akzeptiert und die Fortführung der Verträge verlangt (Klage Rzn. 51 ff) und sie bemängelt unter anderen auch die fehlende Begründung der Kündigung und hält das Gebot von Treu und Glauben verletzt, da der Vertragsauflösung keine Abmahnung vorangegangen sei (Klage Rz. 83). In der Noveneingabe vom 28. Juli 2017 bezeichnet sie den einseitigen und ungerechtfertigten Abbruch der langjährigen, erfolgreichen Geschäftsbeziehungen durch die marktmächtige Gesuchsgegnerin als missbräuchlich (act. 23 Rz 5).

    1. Obwohl die Gesuchstellerin ihre Klage kartellrechtlich begründet, handelt es sich offensichtlich um eine Streitigkeit über die Auflösung des bestehenden Vertragsverhältnisses bzw. über die Gültigkeit der Kündigung des Vertragsverhältnisses, wird doch dessen Weiterführung verlangt. Daran vermag auch die Begründung nichts zu ändern, bildet doch die behauptete Ungültigkeit der Kündigung der Vertragsverhältnisse den Dreh- und Angelpunkt der Klage. Die kartellrechtliche Begründung der Nichtigkeit der Kündigung vermag dabei nichts daran zu ändern, dass die Auflösung des Vertragsverhältnisses strittig ist und solche Streitigkeiten damit nach dem Gesagten von den Gerichtsstandsklauseln erfasst sind. Damit ist für die vorliegende Streitigkeit das Gericht am Sitz der Gesuchsgegnerin

      zuständig, d.h. die Gerichte des Kantons Zürich. Sowohl die Service-Partnerverträge selber wie auch die diesbezüglichen Aufhebungsvereinbarungen verweisen ausdrücklich und eindeutig auf die Zuständigkeit der Gerichte des Kantons bzw. der Stadt Zürich.

    2. Zum selben Ergebnis führt die Prüfung der Frage, ob die unerlaubte Handlung ebenfalls eine Vertragsverletzung darstellt. Die Gesuchstellerin führt zurecht aus, dass eine allfällig kartellrechtswidrige Kündigung der Vertragsverhältnisse nichtig sei und keine Wirkung entfalte. Dies hat zur Folge, dass die Gesuchsgegnerin weiterhin vertraglich verpflichtet wäre, die vereinbarten Leistungen zu erbringen. Die Verweigerung dieser Leistungen wäre somit nicht bloss ein kartellrechtswidriges Verhalten, sondern würde auch eine Vertragsverletzung darstellen. Auch dieses Argument führt zum Schluss, dass sich die Gesuchsgegnerin zurecht auf die Gerichtsstandsklauseln beruft und damit die Zuständigkeit des Handelsgerichts St. Gallen in der vorliegenden Streitsache entfällt.

    3. Doch selbst wenn man nicht so weit gehen möchte, im behaupteten kartellrechtswidrigen Verhalten der Gesuchsgegnerin auch zwingend eine Vertragsverletzung zu er-

    blicken, ist doch zumindest von einem Sachzusammenhang auszugehen, der zur Anwendung der Gerichtsstandsklauseln führt. Der vorliegende Fall ist in den Grundzügen durchaus mit dem Fall vergleichbar, der dem in der Lehre diesbezüglich zitierten Bundesgerichtsentscheid (BGer 4C.142/2006) zu Grunde lag. In jenem Fall kündigte eine eidgenössisch konzessionierte Mobil-Netzbetreiberin den Zusammenarbeitsvertrag mit einer Kundin, welche Telefonie per Internet anbot bzw. die Mobilnetzbetreiberin weigerte sich, den Vertrag mit der Gegenseite zu verlängern. Der Vertrag enthielt eine Gerichtsstandsklausel zugunsten der Gerichte des Kantons Zürich. In der Folge verlangte die Gesuchstellerin vor dem Kantonsgericht des Kantons Waadt klageweise die Weiterführung der Vertragsbeziehungen und begründete die Klage mit einem kartellrechtswidrigen Verhalten der Gesuchsgegnerin. Die Gesuchstellerin verlangte zudem die Anordnung vorsorglicher Massnahmen, welche ihr den Netzzugang weiterhin garantieren sollten. Während der Verfahrensleiter keinen genügenden Zusammenhang zwischen den beantragten vorsorglichen Massnahmen und dem Vertragsgegenstand zu erblicken vermochte und seine Zuständigkeit

    aufgrund des Kartellrechts noch bejahte, hob die kantonale Rechtsmittelinstanz den Entscheid auf. Der Entscheid war im Wesentlichen mit dem Argument begründet, der Anwendungsbereich der Gerichtsstandsklausel sei zu eng ausgelegt worden. Das Bundesgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde mit der Begründung ab, dass die Vorinstanz erwogen habe, die allfälligen gestützt auf die kartellgesetzlichen Bestimmungen unrechtmässigen Handlungen bestünden ausschliesslich in der Weigerung den Vertrag zu erfüllen, in der Verletzung des Vertrages, in dessen Auflösung und in der Anpassung der allgemeinen Vertragsbedingungen. Bei dieser Sachlage dränge es sich auf, einen hinreichenden Sachzusammenhang zwischen dem unrechtmässigen Verhalten und dem Vertragsgegenstand anzunehmen mit der Folge, dass die Streitigkeit von der Gerichtsstandsklausel erfasst werde und in die Zuständigkeit der Gerichte des Kantons Zürich falle. Nicht anders verhält es sich im vorliegenden Fall, in dem sich die Gesuchstellerin ebenfalls darauf beschränkt, die Fortführung der Verträge zu verlangen und dies mit dem Argument zu begründen versucht, das Verhalten der Gesuchsgegnerin sei kartellrechtswidrig.

  2. Neben der zwingenden Zuständigkeit des Gerichts, das sich mit der Hauptsache befasst, existiert eine weitere zwingende Zuständigkeit an dem Ort, an dem die Massnahme vollstreckt werden soll. Im Falle einer Gerichtsstandsklausel sollte die Zuständigkeit am Vollstreckungsort nicht unnötig weit ausgelegt werden, widerspricht er doch zum einen dem Vertragswillen der Parteien und zum anderen erscheint es zweckmässig, dass das Gericht entscheidet, an dem die Hauptsache anhängig ist. Auch im vorliegenden Fall ist es naheliegend, dass die Gesuchstellerin

    das Gesuch am Ort der Hauptsachenzuständigkeit stellen wollte, stellte sie das Gesuch doch in der Klageschrift selber.

    1. Die Gesuchstellerin äussert sich nicht zum Vollstreckungsort der beantragten Massnahme, weshalb das Gericht grundsätzlich nicht weiter zu prüfen hätte, ob allenfalls ein Vollstreckungsort im Kanton St. Gallen gegeben sein könnte, fehlt es doch diesbezüglich bereits an den erforderlichen Behauptungen und Beweisanträgen zum Vollstreckungsort. Es kann mit anderen Worten unter diesen Umständen nicht als bewiesen gelten, dass der Vollstreckungsort im Kanton St. Gallen liegt.

    2. Als Vollstreckungsort käme zudem vorliegend wohl bloss, der Sitz der Gesuchsgegnerin, die zur Erbringung einer Leistung verpflichtet werden soll, in Frage (Gschwend/ Berti, BSK-ZPO, 3. Aufl., Art. 13 N 10), was ebenfalls zur Zuständigkeit der Gerichte des Kantons Zürich führen würde. Als Vollstreckungsort wird in der Lehre auch der Ort gennannt, an dem ein rechtswidriger Zustand zu beseitigen ist (Gschwend/Berti, BSK-ZPO, 3. Aufl., Art. 13 N 10; BK-Güngerich, Art. 13 ZPO N 23 mit dem Beispiel einer rechtswidrig erstellten Mauer, die entfernt werden muss). Zwar wirkt sich ein allfälliges kartellrechtswidriges Verhalten der Gesuchsgegnerin im Kanton St. Gallen aus und die vertraglichen Leistungen der Gesuchsgegnerin wären wohl zumindest teilweise im Kanton St. Gallen zu erbringen. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass damit ein Vollstreckungsort im Sinne von Art. 13 ZPO im Kanton St. Gallen begründet wird. Geht der rechtswidrige Zustand, nämlich die Weigerung der Fortführung der Verträge von der Gesuchsgegnerin aus, ist deren Sitz der Ort, an dem der rechtswidrige Zustand durch Zwang auf die Gesuchsgegnerin im Sinne des Vollstreckungsortes zu beseitigen ist. Der Vollstreckungsort kann mit anderen Worten nicht stets mit dem Erfüllungsort gleichgesetzt werden (so aber Treis, SHK, Art. 13 N 13 ZPO). Soweit eine solche Zuständigkeit am Erfüllungsort mit BGE 125 III 451 begründet wird (vgl. Zürcher, Schweizerische ZPO, 3. Aufl, Art. 13 N 17), erscheint der Entscheid nicht einschlägig, wurde in jenem Fall doch die Zuständigkeit der Gerichte des Kantons Aargau nicht mit dem Erfüllungsort begründet, sondern mit dem Argument, dass die aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung zuständigen englischen Gerichte nicht in der Lage gewesen wären, rechtzeitig eine vorsorgliche Massnahme zu erlassen (BGE 125 III 451, E. 3a; zu dieser Zuständigkeit vgl. auch Haldy, Code de procédure civile commenté, Art. 17 N 7). Vorliegend handelt es sich jedoch weder um einen internationalen Sachverhalt, noch ist ersichtlich, weshalb das Handelsgericht Zürich nicht in der Lage sein sollte, rechtzeitig über das Gesuch zu entscheiden. Auch die alternative zwingende Zuständigkeit am Vollstreckungsort führt somit nicht zur Zuständigkeit der Gerichte des Kantons St. Gallen.

  3. Damit gilt es zusammenfassend festzustellen, dass nicht glaubhaft erscheint, dass die vorliegende Streitigkeit in die Zuständigkeit der Gerichte des Kantons St. Gallen fällt. Auf das Gesuch ist nicht einzutreten. Im Übrigen wäre das Gesuch auch abzuweisen. Mit Schreiben vom 14. Juni 2014 hat die Gesuchsgegnerin die unbefristeten Werkstattverträge per 30. Juni 2016 gekündigt. Mit den Vereinbarungen

    Mitte Juli 2015 wurde vereinbart, dass die Werkstattverträge per 30. Juni 2017 auslaufen. Es wäre damit genügend Zeit zur Verfügung gestanden, um mit einer Feststellungsklage die kartellrechtlich begründete Nichtigkeit der Kündigung bzw. der Auflösungsvereinbarungen geltend zu machen und die Fortführung der Verträge zu verlangen. Wenn die Gesuchstellerin erst mit Schreiben vom 8. Februar 2017 die Fortführung der Werkstattverträge verlangt und erst am 13. Juni 2017, d.h. gut zwei Wochen vor dem Auslaufen der Vertragsbeziehungen Klage einreicht und die vorsorgliche Verlängerung der Verträge verlangt, so hat sie die Dringlichkeit, auf die sie sich beruft, selbst verschuldet.

  4. Damit erübrigt sich auch die Frage, ob die vorliegende Streitigkeit bereits im Massnahmeverfahren der Wettbewerbskommission zur Begutachtung vorzulegen wäre. Der Gesetzgeber sieht zwingend vor, dass die Sache der Wettbewerbskommission zur Begutachtung vorzulegen ist, wenn in einem zivilrechtlichen Verfahren die Zulässigkeit einer Wettbewerbsbeschränkung in Frage stehe (Art. 15 Abs. 1 KG). Der Gesetzgeber spricht dem Zivilgericht damit offensichtlich den notwendigen Sachverstand zur Beurteilung des Sachverhaltes ab und zwingt ihn, ein Gutachten einzuholen, das der freien Beweiswürdigung unterliegt. Zwar spricht sich die Lehre einhellig gegen eine Begutachtung im Massnahmeverfahren aus, da dies die rasche Umsetzung der vorsorglichen Massnahmen verunmöglichen würde und der Massnahmeentscheid nicht endgültig sei (Schleiffer, SHK-Kartellrecht, Art. 15 N 9 mit zahlreichen weiteren Hinweisen; Borer, Wettbewerbsrecht I, Schweizerisches Kartellgesetz, 3. Aufl., Art. 15 N 5.1 ebenfalls mit zahlreichen Hinweisen auf die Lehre und die kantonale Rechtsprechung). Die Argumente sind allerdings namentlich aus dem Immaterialgüterrecht bekannt und vermochten das Bundesgericht nicht zu überzeugen. In stetiger Rechtsprechung wies das Bundesgericht auf die Möglichkeit einer Kurzexpertise hin, welche durchaus mit dem Wesen eines Summarverfahrens vereinbar sei (BGE 132 III 83, E. 3; BGE 137 III 324, E. 3.2.2). Auf den ersten Blick erscheint es deshalb nicht ausgeschlossen, dass die Wettbewerbskommission auch im Massnahmeverfahren gehalten wäre, im Sinne einer Kurzexpertise eine erste vorläufige Begutachtung vorzunehmen.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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