Zusammenfassung des Urteils HG.2015.138: Handelsgericht
Eine Generalunternehmerin beauftragte die Klägerin mit Bauarbeiten auf einem Grundstück der Schweizerischen Bundesbahnen. Nach einem Streit über den Werklohn liess die Klägerin vorsorglich ein Bauhandwerkerpfandrecht im Grundbuch vormerken. Das Handelsgericht musste entscheiden, ob das Grundstück der Beklagten als Verwaltungsvermögen qualifiziert werden kann. Das Bundesgericht hat bereits festgelegt, dass Grundstücke, die öffentlichen Aufgaben dienen, als Verwaltungsvermögen gelten. In diesem Fall wurde entschieden, dass das Grundstück der Beklagten als Verwaltungsvermögen qualifiziert werden kann und nicht mit einem Bauhandwerkerpfandrecht belastet werden kann.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | HG.2015.138 |
Instanz: | Handelsgericht |
Abteilung: | Handelsgericht |
Datum: | 14.12.2015 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 839 ZGB (SR 210): Bei einem Grundstück, das dem öffentlichen Eisenbahnverkehr dient, handelt es sich um Verwaltungsvermögen im Sinne von Art. 839 ZGB. Somit kann es nicht mit einem Bauhandwerkerpfandrecht belastet werden. Von einer uneingeschränkten Anlehnung an die Terminologie des öffentlichen Rechts ist bei der Anwendung von |
Schlagwörter: | Grundstück; Verwaltungsvermögen; Aufgabe; Beklagten; Sinne; Grundstücks; Bauhandwerkerpfandrecht; Recht; Grundstücke; Sachen; Staat; Qualifikation; Handelsgericht; Ständerat; Verwaltungsvermögens; Bundesgericht; Rechtsprechung; Staates; Entscheid; Zwecke; Bahnhof; Eisenbahnverkehr; Generalunternehmerin; Gleis; Parteien |
Rechtsnorm: | Art. 7 BBG;Art. 839 ZGB ;Art. 87 BV ; |
Referenz BGE: | 103 II 227; 107 II 44; 118 Ib 54; 120 II 321; 127 I 164; |
Kommentar: | - |
Sachverhalt (kurz)
Eine Generalunternehmerin bestellte bei der Klägerin Bauarbeiten, welche die Klägerin als Subunternehmerin auf einem Grundstück der Schweizerischen Bundesbahnen (Beklagte) ausführte. Auf dem streitbetroffenen Grundstück befinden sich u. a. ein Bahnhofsgebäude, Gleis- und andere Eisenbahnanlagen, öffentliche Strassen sowie eine Bushaltestelle. Nachdem es zwischen der Generalunternehmerin und der Klägerin zum Streit über den Werklohn gekommen war, liess der Handelsgerichtspräsident auf Ersuchen der Klägerin vorsorglich ein Bauhandwerkerpfandrecht im Grundbuch vormerken. Im Hauptverfahren hatte das Handelsgericht über die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob es sich beim Grundstück der Beklagten um Verwaltungsvermögen im sachenrechtlichen Sinne handle, zu entscheiden.
Aus den Erwägungen: III.
[…]
Die Parteien sind sich über die rechtliche Qualifikation des streitgegenständlichen Grundstücks uneinig. Die Klägerin geht zwar davon aus, dass dieses Grundstück „mit grosser Wahrscheinlichkeit“ zum Verwaltungsvermögen der Beklagten gehört (Klageschrift, S. 6). Allerdings will die Klägerin diese Frage trotzdem vom Gericht geklärt haben. Die Zuordnung des Grundstücks der Beklagten zum
Verwaltungsvermögen hat demnach als bestritten i. S. v. Art. 839 Abs. 5 ZGB zu gelten.
Die Absätze vier bis sechs von Art. 839 ZGB wurden mit der Teilrevision betreffend Register-Schuldbrief und weitere Änderungen im Sachenrecht in das ZGB eingefügt (BG vom 11. Dezember 2009: AS 2011 4637). Aus der Botschaft des Bundesrats vom
27. Juni 2007 (BBl 2007 5283, S. 5320) sowie den Wortprotokollen der
parlamentarischen Beratungen (Voten von BR Widmer-Schlumpf im Ständerat vom
4. Juni 2008 sowie im Nationalrat vom 27. April 2009; Votum von SR Janiak im Ständerat vom 22. September 2009) ergibt sich, dass der Begriff des Verwaltungsvermögens aus dem öffentlichen Recht entlehnt wurde. Grundsätzlich gilt es somit zu prüfen, ob das klägerische Grundstück Verwaltungsvermögen im öffentlichrechtlichen Sinne darstellt.
Das Bundesgericht hat sich bereits vor der Teilrevision des ZGB verschiedentlich mit der Frage befasst, ob öffentlichen Aufgaben dienende Grundstücke mit Bauhandwerkerpfandrechten belastet werden dürfen. Gemäss dieser Rechtsprechung umfasst das Verwaltungsvermögen eines Staates diejenigen öffentlichen Sachen, die unmittelbar, d. h. durch ihren Gebrauch als solchen, der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe dienen. Nicht massgebend ist, ob die öffentliche Aufgabe, der die betreffende Sache dient, einen hoheitlichen nichthoheitlichen Charakter hat (BGE 103 II 227,
E. 3, m. w. Hinw., u. a. auf die Legaldefinition in Art. 9 des Bundesgesetzes über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden und andere Körperschaften des öffentlichen Rechts vom 4. Dezember 1947 [SR 282.11]). Im Entscheid 107 II 44 (E. 1b, m. w. Hinw.)
präzisierte das Bundesgericht, die Qualifikation einer Sache als Verwaltungsvermögen setze zusätzlich voraus, dass diese in der Verfügungsgewalt des Staates stehe; sei es aufgrund von Eigentum, eines beschränkt dinglichen ausnahmsweise auch eines persönlichen Rechts. Der Staat müsse aufgrund eines öffentlichrechtlichen privatrechtlichen Titels befugt sein, die Sache zur Verfolgung öffentlicher Zwecke zu gebrauchen (bestätigt in: BGE 120 II 321, E. 2 f. sowie mit BGer vom 13. März 2000, 5C.271/1999, E. 1a).
Das streitgegenständliche Grundstück umfasst u. a. einen Bahnhof sowie Gleisanlagen. Das Grundstück dient somit offensichtlich einer öffentlichen Aufgabe, nämlich der Ermöglichung von Eisenbahnverkehr, wie er namentlich von der Beklagten durchgeführt wird (in Bezug auf eine öffentlichen Zwecken dienende Betriebszentrale für einen Autobahntunnel: BGer vom 13. März 2000, 5C.271/1999, E. 2b). Als Teil des schweizerischen Eisenbahnnetzes dient das Grundstück sowohl dem Bahnverkehr in der Region X, als auch dem überregionalen (allenfalls sogar dem internationalen) Bahnverkehr. Dass die Ermöglichung solchen Eisenbahnverkehrs eine öffentliche Aufgabe darstellt, ergibt sich aus Art. 87 BV, aus dem gestützt auf diese Kompetenznorm vom Bund erlassenen Eisenbahngesetz (SR 742.101; EBG) sowie aus dem SBBG. Das EBG regelt u. a. den Bau und den Betrieb von Eisenbahninfrastruktur (Art. 1 Abs. 1 und 2 EBG). Die Beklagte erbringt gemäss Art. 3 Abs. 1 SBBG als Kernaufgabe Dienstleistungen im öffentlichen Verkehr, namentlich in der Bereitstellung der dafür notwendigen Infrastruktur.
Die nach der Bundesgerichtspraxis vorausgesetzte Verfügungsgewalt des Staates ergibt sich aus dem Umstand, dass der Bund (Haupt-) Aktionär der Beklagten ist (Art. 7 SBBG). Diese Stellung ermöglicht es dem Bund, das Grundstück der Beklagten zur Verfolgung öffentlicher Zwecke zu gebrauchen.
Das im Eigentum der Beklagten stehende Grundstück kann somit im Sinne der zitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung als Verwaltungsvermögen qualifiziert werden.
Von einer uneingeschränkten Anlehnung an die Terminologie des öffentlichen Rechts ist bei der Anwendung von Art. 839 ZGB aber abzusehen. Nicht angemessen
wäre es beispielsweise, die als öffentliche Sachen im Gemeingebrauch (vgl. zu diesem Begriff und zur Abgrenzung des Verwaltungsvermögens von den übrigen öffentlichen Sachen: Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Auflage, Zürich/
St. Gallen 2010, Rz. 2328 sowie 2346 ff.; BGE 127 I 164, E. 5b/bb) geltenden Grundstücke, etwa einen Bahnhof, von vornherein vom Begriff des Verwaltungsvermögens i. S. v. Art. 839 ZGB auszunehmen. Sinnvollerweise werden zum Verwaltungsvermögen im sachenrechtlichen Sinne diejenigen Grundstücke gezählt, die nicht mit einem Pfandrecht belegt werden dürfen, weil die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe, der das jeweilige Grundstück dient, im Falle einer Zwangsverwertung in Frage gestellt würde (BGE 103 II 227, E. 4 und BGE 120 II 321,
E. 2b; Schumacher, Das Bauhandwerkerpfandrecht, Ergänzungsband zur 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2011, Rz. 301 f.). In diesem Sinne wurde auch im Gesetzgebungsverfahren argumentiert (vgl. das Votum von BR Widmer-Schlumpf im Ständerat vom 4. Juni 2008).
Folgt man diesem Grundgedanken, kann die Zuordnung eines Grundstücks zum Verwaltungsvermögen i. S. v. Art. 839 ZGB nicht davon abhängen, ob es ausschliesslich nur teilweise der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe dient (so auch BGE 107 II 44, E. 1b). Eine pfandrechtliche Belastung von nur einem Grundstücksteil ist schliesslich nicht möglich. Soweit im BGE 118 Ib 54 ausgeführt wurde, bei dem dort betroffenen Grundstück müsse es sich um Verwaltungsvermögen handeln, weil es ausschliesslich dem Bahnbetrieb diene und nicht anderweitig kommerziell genutzt werde (E. 2d), gilt es zu bemerken, dass der Entscheid das Abgaberecht betraf. Diese Rechtsprechung kann auf Art. 839 ZGB nicht übertragen werden.
Die bundesgerichtliche Praxis kennt Grundstücke, die zwar zum Verwaltungsvermögen (im öffentlichrechtlichen Sinne) gehören, die jedoch trotzdem mit einem Bauhandwerkerpfandrecht belastet werden dürfen (BGE 120 II 321, E. 2i; dazu auch Schumacher, a. a. O., Rz. 303 ff.). Auf diese Praxis ist vorliegend aber nicht weiter einzugehen, denn die Bedeutung, die dem hier betroffenen Grundstück der Beklagten für die Erfüllung der beschriebenen öffentlichen Aufgabe zukommt, schliesst eine Belastung mit einem Pfandrecht klarerweise aus. Die auf dem streitbetroffenen Grundstück vorhandenen Gebäude und Anlagen sind sowohl für den regionalen als
auch den überregionalen Eisenbahnverkehr unabdingbar. Die Gefahr einer Zwangsverwertung muss daher von vornherein ausgeschlossen sein.
4. Nach dem Gesagten steht fest, dass das Grundstück der Beklagten nicht mit einem Bauhandwerkerpfandrecht belastet werden kann. Folglich ist die vorsorgliche Vormerkung zu löschen.
[…]
Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
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