Zusammenfassung des Urteils HG.2014.156: Handelsgericht
Die Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels führt nicht zu einem Honorar-Zuschlag gemäss der St. Gallischen Honorarordnung. Ein doppelter Schriftenwechsel liegt weder als Ausnahme noch als Regel vor und obliegt dem Ermessen des Gerichts. Die Klägerin hatte Anspruch auf eine Parteientschädigung, da ein zweiter Schriftenwechsel gerechtfertigt war. Die Honorarordnung für Rechtsanwälte und Rechtsagenten deckt die Bemühungen im Zusammenhang mit einem zweiten Schriftenwechsel ab. Der Rechtsvertreter der Klägerin, der auch Mitglied des Verwaltungsrats ist, wird nicht gekürzt, da keine Hinweise darauf vorliegen, dass er vor Beginn der Auseinandersetzung mit dem Geschäft befasst war.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | HG.2014.156 |
Instanz: | Handelsgericht |
Abteilung: | Handelsgericht |
Datum: | 08.03.2016 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 95 Abs. 3 lit. b ZPO, Art. 96 ZPO i. V. m. Art. 18 Abs. 1 lit. b HonO (sGS 963.75), Art. 225 ZPO: Der zweite Schriftenwechsel stellt im ordentlichen Prozess weder eine Ausnahme noch die Regel dar. Der |
Schlagwörter: | Schriftenwechsel; Hauptverhandlung; Kürzung; Rechtsvertreter; Leuenberger; Aufwand; Schriftenwechsels; Klageantwort; Klagebeilagen; Vorbereitung; Anspruch; Honorar-Zuschlag; Honorarordnung; Parteientschädigung; Rechtsanwalt; Protokoll; Schlussverhandlung; Regel; Sutter-Somm/Hasenböhler/; Kommentar; Auflage; Anlass; Replik; Beklagten; ätte |
Rechtsnorm: | Art. 225 ZPO ;Art. 95 ZPO ; |
Referenz BGE: | 138 III 252; |
Kommentar: | - |
IV.
3. a) Sodann hat die Klägerin Anspruch auf eine Parteientschädigung. Der klägerische Rechtsanwalt machte diesbezüglich geltend (vgl. das Protokoll der Haupt- und Schlussverhandlung vom 8. März 2016, S. 3), die Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels sei bei der Honorarbemessung als zusätzlicher Aufwand zu berücksichtigen, da die ZPO als Regel einen einfachen Schriftenwechsel vorsehe. Dem kann jedoch nicht zugestimmt werden. Der zweite Schriftenwechsel stellt unter der Geltung der eidgenössischen ZPO weder eine Ausnahme noch die Regel dar (Leuenberger, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/ Leuenberger, Kommentar ZPO, 3. Auflage, N 7 zu Art. 225, mit zahlreichen Hinweisen auf weitere Lehrmeinungen). Es steht im Ermessen des Gerichts bzw. des Verfahrensleiters, ob ein einfacher ein doppelter Schriftenwechsel durchgeführt wird (betreffend das Berufungsverfahren: BGE 138 III 252, E. 2.1). Anlass für einen doppelten Schriftenwechsel ist insbesondere dann gegeben, wenn mit der Klageantwort umfangreiche Noven vorgetragen werden
und es daher zweckmässig erscheint, eine schriftliche Replik der klagenden Partei einzuholen (Leuenberger, a. a. O., N 9 zu Art. 225). Die Beklagte bestritt in der Klageantwort u. a. das Vorliegen der erforderlichen Vertretungsmacht. Dies veranlasste die Klägerin zu einer umfangreichen Replik und zur Einreichung zusätzlicher Klagebeilagen, insbesondere der von der Beklagten mit der ARGE geschlossenen Verträge sowie zahlreicher schriftlicher Korrespondenz. Zudem reichte die Klägerin zusätzliche Arbeitsrapporte ein, nachdem die Beklagte gewisse Klagebeilagen als fehlend moniert hatte. Daraus wird ersichtlich, dass die Anordnung eines zweiten Schriftenwechsels im Lichte von Art. 225 ZPO gerechtfertigt war. Von einer ausserordentlichen verfahrensleitenden Massnahme kann also nicht gesprochen werden. Hinzu kommt, dass der Aufwand der Klägerin für die Vorbereitung der Hauptverhandlung beträchtlich grösser gewesen wäre, wenn sie zur Klageantwort erstmals in ihrem mündlichen Parteivortrag hätte Stellung nehmen und sie ihre zusätzlichen Klagebeilagen erst an der Hauptverhandlung hätte einreichen können. Der mit dem zweiten Schriftenwechsel verbundene Arbeitsaufwand wurde durch die Vereinfachung der Hauptverhandlung weitgehend kompensiert. Tatsächlich konnte sich der klägerische Rechtsvertreter an der Hauptverhandlung ausgesprochen kurz halten, weil – wie er selber ausführte (Protokoll der Haupt- und Schlussverhandlung vom
8. März 2016, S. 3) – zuvor bereits ein doppelter Schriftenwechsel und damit der Aktenschluss stattgefunden hatte. Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass die im Jahr 1994 in Kraft getretene Honorarordnung für Rechtsanwälte und Rechtsagenten
(sGS 963.75; HonO) auf dem Grundsatz eines doppelten Schriftenwechsels mit Ausführungen zum Tatsächlichen und einer Hauptverhandlung zur rechtlichen Erörterung gemäss der alten st. gallischen Zivilprozessordnung basiert. Folglich decken die Honorar-Ansätzen der HonO die Bemühungen im Zusammenhang mit einem zweiten Schriftenwechsel ab. Anlass für einen Honorar-Zuschlag besteht nach dem Gesagten nicht.
b) Der Rechtsvertreter der Klägerin ist Mitglied von deren Verwaltungsrat. Ist ein Rechtsanwalt sowohl Organ- als auch Parteivertreter, kann dies bei der Festsetzung der Parteientschädigung mit einem Abzug berücksichtigt werden, namentlich wenn eine Instruktion des Rechtsvertreters durch den Mandanten nicht notwendig war (HG. 2015.169-HGP, E. 7b [Kürzung um 50 %]; BSK-Rüegg , N 21 f. zu Art. 95 ZPO
[Kürzung um 25 %]; Suter/Von Holzen, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, Kommentar ZPO, 3. Auflage, N 42 zu Art. 95 [Kürzung um 33 %]; GVP 1991, Nr. 71 [Kürzung um 30-50 %, evtl. noch mehr]). Vorliegend ist eine Kürzung jedoch nicht angebracht. Es gibt keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Anwalt der Klägerin als nicht zeichnungsberechtigter Verwaltungsrat vor Beginn der Auseinandersetzung mit der Beklagten mit dem streitgegenständlichen Geschäft befasst gewesen wäre. Es ist deshalb davon auszugehen, dass er bis zur Instruktion durch die Klägerin keine detaillierten Kenntnisse von diesem Geschäft hatte.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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