Kanton: | SG |
Fallnummer: | HG.2013.9 |
Instanz: | Handelsgericht |
Abteilung: | Handelsgericht |
Datum: | 26.05.2016 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 6 Abs. 2 lit. c ZPO, Art. 147 ZPO, Art. 148 Abs. 1 ZPO: Die Handelsregistereintragung des Beklagten als Inhaber eines Einzelunternehmens reicht aus, um die Voraussetzung gemäss Art. 6 Abs. 2 lit. c ZPO zu erfüllen. Art. 6 Abs. 2 ZPO setzt nicht voraus, dass die Streitigkeit zwingend die geschäftliche Tätigkeit des beklagten Inhabers eines Einzelunternehmens betrifft. Wird die Frist zur Einreichung der Duplik nicht eingehalten, wird keine Nachfrist angesetzt, sondern das Verfahren ohne die versäumte Handlung weitergeführt. Der Eintritt der Präklusivwirkung setzt nicht voraus, dass bei Fristerstreckungen jeweils der Hinweis auf die Säumnisfolgen wiederholt wird. Es genügt, wenn bei der Ansetzung der Frist auf die Säumnisfolgen hingewiesen wurde. Die Voraussetzungen für eine Wiederherstellung der Frist sind vorliegend nicht erfüllt (Handelsgericht, 26. Mai 2016, HG.2013.9).Sachverhalt (gekürzt) |
Zusammenfassung: | Die Klägerin reichte ihre Forderungsklage zuerst beim örtlich zuständigen Kreisgericht ein, das jedoch aufgrund einer handelsrechtlichen Streitigkeit nicht darauf eintreten konnte. Daraufhin reichte sie die Klage beim Handelsgericht St. Gallen ein. Der Beklagte reichte die Klageantwort erst nach mehreren Fristerstreckungen ein. Es wurde darüber entschieden, ob Säumnisfolgen eingetreten sind und ob die Duplik berücksichtigt werden kann. Der Beklagte machte geltend, dass ihm eine Nachfrist hätte gesetzt werden müssen, was jedoch abgelehnt wurde. Schliesslich wurde das Wiederherstellungsgesuch des Beklagten abgelehnt, und die Duplik wurde nicht berücksichtigt. |
Schlagwörter: | Frist; Säumnis; Duplik; Säumnisfolge; Säumnisfolgen; Klage; Frist; Einreichung; Fristerstreckung; Beklagten; Hinweis; Verfügung; Klageantwort; Handelsgericht; Gericht; Schriftenwechsel; Kreisgericht; Streitigkeit; Verfahren; Recht; Parteien; Handelsregister; Bezug; Staehelin; Fristerstreckungen; Richtlinien |
Rechtsnorm: | Art. 101 ZPO ; Art. 147 ZPO ; Art. 148 ZPO ; Art. 165 ZPO ; Art. 223 ZPO ; Art. 6 ZPO ; |
Referenz BGE: | 139 III 78; 140 III 409; 142 III 96; |
Kommentar: | - |
Einreichung der Klageantwort innert 30 Tagen zugestellt (Zugang am 12. Februar 2013). Einen Tag nach Ablauf dieser Frist, am 15. März 2013, ersuchte der Beklagte um Fristerstreckung bis 18. April 2013. Mit verfahrensleitender Verfügung vom 25. März 2013 gewährte der Handelsgerichtspräsident dem Beklagten eine nicht erstreckbare Nachfrist bis 18. April 2013. Gleichzeitig wies er den Beklagten darauf hin, dass nach ungenutzter Frist ein Endentscheid gefällt werde. Der Beklagte reichte sodann am
18. April 2013 die Klageantwort ein. Nachdem ein zweiter Schriftenwechsel angeordnet
worden war, erstatte die Klägerin am 30. September 2013 die Replik. Am 2. Oktober 2013 wurde diese dem Beklagten mit der Aufforderung zur Einreichung der Duplik innert 20 Tagen zugestellt. Unter Bezugnahme auf Art. 147 Abs. 2 ZPO wurde der Beklagte in der Verfügung vom 2. Oktober 2013 darauf hingewiesen, dass das Verfahren ohne die versäumte Handlung weitergeführt werde, wenn die Duplik nicht innert der angesetzten Frist eingereicht werde, er somit in diesem Fall das Recht auf Einreichung einer Duplik verwirkt hätte. Der Beklagte ersuchte in der Folge drei Mal um Fristerstreckung. Seine Ersuchen wurden jeweils schriftlich bewilligt, ohne dass erneut auf Säumnisfolgen hingewiesen worden wäre. Mit verfahrensleitender Verfügung des Handelsgerichtspräsidenten vom 9. Dezember 2013 wurde die Frist unter Berücksichtigung der Gerichtsferien letztmals bis zum 13. Januar 2014 erstreckt. Der Beklagte wurde darauf hingewiesen, dass eine weitere Fristerstreckung nur noch aus wichtigen Gründen bei Zustimmung der Gegenpartei gewährt werde. Am
17. Januar 2014 übergab der Beklagte die Duplik mit zusätzlichen Akten der
Schweizerischen Post. Aus den Erwägungen II.
1. a) Nach der (erfolglosen) Durchführung eines Schlichtungsverfahrens vor dem Vermittleramt X machte die Klägerin ihre Klage ursprünglich beim Kreisgericht Y anhängig. Dieses trat auf die Klage nicht ein, weil es sich für sachlich unzuständig erachtete. Daraufhin reichte die Klägerin ihre Klage beim Handelsgericht St. Gallen ein.
Die Streitsache betrifft die geschäftliche Tätigkeit der Klägerin. Der Streitwert übersteigt die Grenze von Fr. 30‘000.00 gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG. Zudem sind beide Parteien im Handelsregister eingetragen. Die Eintragung des Beklagten als Inhaber eines Einzelunternehmens reicht aus, um die Voraussetzung gemäss Art. 6 Abs. 2 lit. c ZPO zu erfüllen, ist doch bloss erforderlich, dass eine passivlegitimierte natürliche Person nicht lediglich in der Eigenschaft als Organ einer Gesellschaft, sondern als Unternehmer unter seiner Firma im Handelsregister eingetragen ist (vgl. BGE 140 III 409). Im Übrigen wird in Art. 6 Abs. 2 ZPO auch nicht vorausgesetzt, dass die Streitigkeit die geschäftliche Tätigkeit des beklagten Inhabers eines
Einzelunternehmens betreffe. Wie nun höchstrichterlich geklärt ist (BGE 142 III 96, E. 3;
a. A. noch HGer ZH vom 5. August 2015, ZR 2015, Nr. 59), genügt es für die handelsgerichtliche Zuständigkeit, dass die geschäftliche Tätigkeit einer der beiden Parteien betroffen ist. Denn einerseits knüpft der Gesetzeswortlaut von Art. 6 Abs. 2 lit. a ZPO an die persönliche Eigenschaft der Handelsregister-Eintragung an, ohne dabei einen Unterschied zwischen Einzelunternehmern und anderen Rechtssubjekten zu machen. Andererseits wäre eine Abgrenzung zwischen den Tätigkeiten als Privatperson als Einzelunternehmer in vielen Fällen nicht praktikabel, so z. B. bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit einer sowohl privat wie auch geschäftlich
genutzten Liegenschaft. Da eine rasche Klärung der handelsgerichtlichen Zuständigkeit durch einen einfachen Blick ins Handelsregister einer aufwändigen Abgrenzung unter analoger Anwendung von steuerrechtlichen Grundsätzen (so aber HGer ZH vom
5. August 2015) vorzuziehen ist, ist von einer einschränkenden Auslegung von Art. 6
Abs. 2 ZPO abzusehen.
Damit sind die Wesenselemente einer handelsrechtlichen Streitigkeit vorliegend gegeben. Das Handelsgericht ist folglich sachlich zuständig (Art. 6 Abs. 1 ZPO i. V. m. Art. 10 EG ZPO [sGS 961.2]).
[…]
3. a) Der Beklagte reichte die Duplik nicht innerhalb der ihm dafür angesetzten und mehrmals, schliesslich bis 13. Januar 2014 erstreckten Frist ein. Es ist somit darüber zu befinden, ob Säumnisfolgen eingetreten sind, d. h. ob die Duplik berücksichtigt werden kann.
Der Beklagte machte vorerst geltend (Duplik, S. 2), es hätte ihm ohnehin eine Nachfrist angesetzt werden müssen. Daher sei die Eingabe vom 17. Januar 2014 rechtzeitig erfolgt. Nach Art. 147 Abs. 1 ZPO ist eine Partei säumig, wenn sie eine Prozesshandlung nicht fristgerecht vornimmt. Grundsätzlich, d. h. wenn sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt, ist das Verfahren ohne die versäumte Handlung weiterzuführen (Art. 147 Abs. 2 ZPO). Ausnahmen sieht das Gesetz in Art. 101 Abs. 3 ZPO (versäumter Kostenvorschuss/versäumte Sicherheit für Parteientschädigung),
Art. 223 Abs. 1 ZPO (versäumte Klageantwort) sowie Art. 131 und Art. 132 Abs. 1 und 2
ZPO (Verbesserung mangelhafter Eingaben) vor. In diesen Fällen hat das Gericht jeweils eine (kurze) Nachfrist anzusetzen. In Bezug auf die Einreichung der Duplik besteht jedoch keine Ausnahme. Dem Gericht ist es in diesem Fall sogar verwehrt, eine Nachfrist anzusetzen (A. Staehelin, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, Kommentar ZPO, 3. Auflage, N 8 zu Art. 147; BK-Frei, N 7 zu Art. 147 ZPO; Hoffmann- Nowotny, in: Oberhammer/Domej/Haas, KuKo ZPO, 2. Auflage, N 6 zu Art. 147). Der Grund für diese Ungleichbehandlung gegenüber der Klageantwort ist, dass eine Säumnis im zweiten Schriftenwechsel für den Beklagten weniger weitreichende Folgen hat, zumal er bereits mit der Klageantwort seinen Anspruch auf rechtliches Gehör ausüben konnte (vgl. dazu A. Staehelin, a. a. O.). Die Auffassung des Beklagten betreffend die Ansetzung einer Nachfrist im zweiten Schriftenwechsel geht demzufolge fehl.
Weiter macht der Beklagte geltend, er sei in der verfahrensleitenden Verfügung vom 9. Dezember 2013 (dritte Fristerstreckung) nicht auf die Säumnisfolgen hingewiesen worden, womit die Präklusivwirkung einer verpassten Frist nicht habe eintreten können. Zutreffend ist zwar, dass der Beklagte in der Verfügung vom
9. Dezember 2013 nicht noch einmal auf die Säumnisfolgen hingewiesen wurde. Richtig ist auch, dass die Bestimmung von Art. 147 Abs. 3 ZPO, gemäss der das Gericht die Parteien auf die Säumnisfolgen hinzuweisen hat, keine blosse Ordnungsvorschrift darstellt (BGer 5A_812/2013, E. 2.3; BGer 4A_377/2014, E. 6.3; BGE 139 III 78, 5.4.2 per analogiam [betraf Hinweis auf den Fristenstillstand]; Expertenbericht zum Vorentwurf ZPO, Juni 2003, S. 74; A. Staehelin, a. a. O., N 11 zu Art. 147; BK-Frei, N 29 zu Art. 147). Allerdings wurde der Beklagte in der verfahrensleitenden Verfügung vom 2. Oktober 2013, mit welcher er zur Einreichung einer Duplik eingeladen wurde, auf die Säumnisfolgen hingewiesen. Eine Wiederholung dieses Hinweises in den drei Fristerstreckungen war nicht erforderlich. Denn die ursprüngliche Verfügung vom 2. Oktober 2013 wurde – entsprechend dem Antrag des Beklagten – lediglich in Bezug auf den Endzeitpunkt der Frist abgeändert. In den weiteren Punkten blieb diese Verfügung unverändert gültig. Dies gilt neben der Einladung zur Einreichung einer Duplik auch für den Hinweis auf die Säumnisfolgen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (betreffend dessen Anwendbarkeit: Botschaft zur ZPO [BBl. 2006, 7221], S. 7309; A. Staehelin, a. a. O., N 10 zu Art. 147;
BK-Frei, N 29 zu Art. 147) musste auf Seiten des Gerichts nicht damit gerechnet werden, der Beklagte würde irrtümlich annehmen, der Hinweis auf die Säumnisfolgen sei mit den Fristerstreckungen hinfällig geworden. Folglich kann sich der Beklagte auch nicht auf Art. 147 Abs. 3 ZPO berufen.
Schliesslich ist über das Wiederherstellungsgesuch des Beklagten zu befinden. Das Gericht kann auf Gesuch einer säumigen Partei eine Nachfrist gewähren zu einem Termin erneut vorladen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie kein nur ein leichtes Verschulden trifft (Art. 148 Abs. 1 ZPO).
aa) Gemäss seinen Ausführungen in der Duplik ging der beklagtische Rechtvertreter davon aus, es würde noch eine Nachfrist angesetzt. Zwar sah die auf dieses Verfahren bereits nicht mehr anwendbare kantonal-st. gallische Zivilprozessordung eine Nachfristansetzung auch bei nicht fristgerechter Einreichung der Duplik vor (Leuenberger/ Uffer-Tobler, N 5a zu Art. 165 ZPO-SG). Art. 223 ZPO bezieht sich jedoch im Unterschied zu Art. 165 Abs. 2 ZPO-SG ausdrücklich nur auf die Klageantwort. Daneben finden sich im zweiten Kapitel zum dritten Titel der ZPO keine weiteren Ausnahmen i. S. v. Art. 147 Abs. 2 ZPO. Aus dem Gesetz ergibt sich somit klar, dass im zweiten Schriftenwechsel keine Nachfristen gewährt werden können. In den Richtlinien des Kantonsgerichts zu den Fristen und zur Feststellung des Ausbleibens an der Verhandlung (Ziff. II/4.1) wird zudem aufgezählt, in welchen Fällen eine Nachfrist angesetzt wird. Die Einreichung der Duplik findet sich nicht darunter.
bb) Auf die Säumnisfolge von Art. 147 Abs. 2 ZPO wurde der Beklagte im Schreiben vom 2. Oktober 2013 ausdrücklich aufmerksam gemacht. Ein Hinweis auf die bezüglich des zweiten Schriftenwechsels abweichende Rechtslage ergab sich zudem daraus, dass sich im Schreiben vom 8. Februar 2013, mit welchem der Beklagte zur Einreichung der Klageantwort eingeladen wurde, kein Hinweis auf Säumnisfolgen findet. Dieser Unterschied zum Schreiben vom 2. Oktober 2013 hätte auffallen müssen. Daran vermag auch der Einwand, in den Fristerstreckungs-Bewilligungen sei nicht erneut auf die Säumnisfolgen hingewiesen worden, nichts zu ändern. Denn aus der Nicht-Wiederholung des Hinweises kann nach Treu und Glauben nicht gefolgert werden, die ursprüngliche Androhung der Säumnisfolge sei hinfällig und durch eine Nachfrist ersetzt worden, zumal die Verfügung vom 2. Oktober 2013 nur in Bezug auf
die Frist abgeändert wurde, ansonsten jedoch unverändert gültig blieb. Der Wichtigkeit bzw. Bedeutung der Frist wurde zudem noch weiter betont, indem die Fristerstreckung ausdrücklich und in Fettschrift als letztmalig bezeichnet wurde.
cc) Selbst wenn es zutreffen sollte, dass die Kreisgerichte seit dem Erlass der kantonsgerichtlichen Richtlinien in der Fassung vom 9. Mai 2014 „konsequent in Fristerstreckungen auf die Säumnisfolgen hinweisen“ (vgl. die diesbezügliche Behauptung des Beklagten an der Hauptverhandlung), könnte der Beklagte daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. Denn einerseits erfolgten sowohl die Ansetzung als auch die Erstreckungen der Frist zur Einreichung der Duplik im vorliegenden Fall vor dem 9. Mai 2014. Andererseits ist in den Richtlinien sowohl in der alten wie auch in der neuen Fassung von einem Hinweis auf die Säumnisfolgen „bei Fristansetzung“ und nicht etwa bei Fristerstreckungen die Rede. Die Richtlinien stellen damit keine hinreichende Vertrauensgrundlage für eine allgemeingültige gar zwingende Regel zur Wiederholung des Hinweises auf die Säumnisfolgen dar. Der Wortlaut spricht vielmehr dafür, dass die Androhung der Säumnisfolgen bei Ansetzung der Frist genügt. Sollten einige Gerichte im Kanton St. Gallen trotzdem eine entsprechende Praxis pflegen, so ist dies nicht zu beanstanden, verpflichtete jedoch das Handelsgericht nicht, sich der Praxis anzuschliessen und führt auch nicht dazu, dass ursprünglich angedrohte Säumnisfolgen hinfällig werden, wenn der Hinweis in der Fristerstreckung nicht wiederholt wird.
Aus den genannten Gründen war die Einreichung der Duplik am 17. Januar 2014 verspätet und es stellt auch kein leichtes Verschulden dar, wenn der Beklagte irrtümlich davon ausging, im Säumnisfall werde entgegen der im Schreiben vom 2. Oktober 2013 enthaltenen Androhung das Verfahren nicht ohne die Duplik weitergeführt, sondern eine Nachfrist angesetzt. Das Gesuch um Wiederherstellung der Frist ist somit abzuweisen und nach der Regel von Art. 147 Abs. 2 ZPO haben die Duplik inklusive die darin enthaltenen Beweisanträge und die mit der Duplik eingereichten Akten
(bekl.act. 51-88) unberücksichtigt zu bleiben.
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