Kanton: | SG |
Fallnummer: | HG.2012.95 |
Instanz: | Handelsgericht |
Abteilung: | Handelsgericht |
Datum: | 30.11.2016 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 3 lit. d UWG, Art. 2 URG: Urheberrechtlicher und lauterkeitsrechtlicher Schutz des Kreuzzargenstuhls und des HfG-Barhockers von Max Bill (Handelsgericht, 30. November 2016, HG.2012.95). Die Entscheidung des Handelsgerichts St. Gallen vom 30. November 2016 ist in Bezug auf den Kreuzzargenstuhl rechtskräftig. In Bezug auf den HfG-Barhocker wurde der Entscheid vom Bundesgericht mit Urteil vom 12. Juli 2017 (BGer 4A_115/2017) aufgehoben. |
Zusammenfassung: | Die Klägerin, eine Stiftung, verlangt in einem Gerichtsverfahren gegen die X. AG, dass diese untersagt wird, Stühle in Form des von Max Bill entworfenen 'Kreuzzargenstuhls' herzustellen oder zu vertreiben. Es geht um Urheberrechts- und Lauterkeitsrechtsverletzungen. Die Klägerin behauptet, dass die Stühle urheberrechtlich geschützt seien und ein innovatives Design aufweisen. Die Beklagte bestreitet den Schutz und argumentiert, dass die Stühle nicht originell genug seien, um urheberrechtlich geschützt zu werden. Das Gericht muss nun entscheiden, ob die Stühle geschützt sind und ob die Beklagte gegen das Urheber- und Lauterkeitsrecht verstossen hat. |
Schlagwörter: | Lizenz; Kreuz; Barhocker; Kreuzzarge; Recht; Urheber; Quot; Stuhl; Urheberrecht; Stühle; Möbel; Kreuzzargenstuhl; HfG-Barhocker; Klage; Beklagten; Lizenzvertrag; Sitzfläche; Gericht; Expertise; Lizenznehmer; Unterlizenz; Über; Urheberrechts; Handelsgericht; ützt |
Rechtsnorm: | Art. 103 BGG ; Art. 106 ZPO ; Art. 111 ZPO ; Art. 142 ZPO ; Art. 2 URG ; Art. 2 ZGB ; Art. 229 ZPO ; Art. 236 ZPO ; Art. 292 StGB ; Art. 336 ZPO ; Art. 36 ZPO ; Art. 42 BGG ; Art. 46 BGG ; Art. 62 URG ; Art. 7 URG ; Art. 72 BGG ; Art. 81a URG ; Art. 98 BGG ; |
Referenz BGE: | 104 II 334; 105 II 297; 105 II 302; 106 II 73; 108 II 74; 110 IV 105; 113 II 190; 113 II 90; 126 III 239; 128 III 353; 130 III 168; 130 III 714; 131 III 384; 135 III 446; 136 III 23; 75 II 360; 85 II 123; 88 IV 126; |
Kommentar: | - |
© Kanton St.Gallen 2020 Seite 1/30
Kanton St.Gallen Gerichte
Besetzung Präsident Rolf Brunner, Kantonsrichter Benedikt Landolt, Handelsrichter Peter Baumberger, Kurt Stocker und Roberto Togni; Handelsgerichtsschreiber Markus Weichelt
Geschäftsnr. HG.2012.95-HGK
Verfahrens- beteiligte
vertreten von Rechtsanwalt Dr. Michael Ritscher und Rechtsanwalt Dr. Peter Schramm, Meyerlustenberger Lachenal, Forchstrasse 452, Postfach 1432, 8032 Zürich,
gegen
vertreten von Rechtsanwalt Stefan Day, Day Rechtsanwälte AG, Gott- hardstrasse 53, Postfach 1808, 8027 Zürich,
Gegenstand Urheberrecht und Lauterkeitsrecht
Rechtsbegehren der Klägerin:
Der Beklagten sei unter Androhung der Straffolge von Art. 292 StGB im Zuwider- handlungsfall gegenüber ihren Organen zu untersagen, Stühle in der Form des von Max Bill entworfenen 'Kreuzzargenstuhls' selbst durch Dritte herzustellen zu vertreiben:
Der Beklagten sei unter Androhung der Straffolge von Art. 292 StGB im Zuwider- handlungsfall gegenüber ihren Organen zu untersagen, Stühle in der Form des von Max Bill entworfenen 'HfG Barhockers' selbst durch Dritte herzustellen zu vertreiben:
Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin über die Anzahl aller von ihr seit dem
Januar 2012 hergestellten und verkauften Stühle gemäss Ziffer 1. und 2. sowie über alle damit erzielten Umsätze und Gewinne Auskunft zu erteilen.
Die Beklagte sei zu verurteilen, der Klägerin eine nach dem Ergebnis der Auskunfts- erteilung gemäss vorstehendem Rechtsbegehren durch die Klägerin noch zu bezif- fernden durch das Gericht festzulegenden Betrag als finanzielle Wiedergutma- chung zu bezahlen.
Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Beklagten.
Rechtsbegehren der Beklagten:
Die Klage sei abzuweisen.
Unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Klägerin.
Die Stiftung A. (Klägerin) bezweckt u.a. die Wahrung der Werke von Max Bill, de- ren Sammlung und Pflege, die Förderung der wissenschaftlichen Forschung, die Unter- stützung der Verbreitung der Sammlung und die Wahrung der Urheberrechte (kläg.act. 13). Bei der X. AG (Beklagte) handelt es sich um eine Aktiengesellschaft. Sie bezweckt die Fabrikation und den Vertrieb von Möbeln.
Mit Lizenzvertrag vom 7. April 1999 räumte die Klägerin der Beklagten das aus- schliessliche Recht ein, bestimmte von Max Bill entworfene Möbel herzustellen und zu vertreiben sowie das nicht ausschliessliche Recht, die Marke 'max bill' für diese Möbel zu verwenden (kläg.act. 16). In der Präambel des Lizenzvertrages wurde festgehalten, dass die Beklagte mit Max Bill zwischen 1952 und 1955 einen Rahmen-Lizenzvertrag und ver- schiedene Objekt-Lizenzverträge geschlossen habe. Die Beklagte habe damals einige der von Max Bill entworfenen Möbel in Serie hergestellt. Seit 1996 habe die Beklagte einen Teil dieser Möbel wieder produziert. Zudem wird im Lizenzvertrag erwähnt, die Klägerin sei Inhaberin der Nutzungsrechte an den von Max Bill entworfenen Möbeln gemäss An- hang B (Präambel) und Vertragsprodukte im Sinne des Vertrages seien alle Möbel von Max Bill, die gemäss den im Anhang B aufgeführten Entwürfen hergestellt werden (Zif-
fer 1.1). Unter Ziffer 8.4 des Lizenzvertrages wird der Anhang ausdrücklich zum Bestand- teil des Vertrages erklärt, wobei der Anhang von beiden Parteien zumindest mit ihren Ini- tialen unterzeichnet werden müsse (kläg.act. 16). Das dem Gericht eingereichte Vertrags- exemplar enthält allerdings keine Anhänge. Für sämtliche Streitigkeiten aus dem Vertrag vereinbarten die Parteien Luzern als ausschliesslichen Gerichtsstand (kläg.act. 16,
Ziff. 8.6).
Nachdem die im Lizenzvertrag vom 7. April 1999 vorgesehenen Mindeststückzahlen von der Beklagten nicht erreicht worden waren, machte die Klägerin mit Schreiben vom
28. April 2000 von ihrem Recht Gebrauch, die exklusive Lizenz in eine einfache Lizenz umzuwandeln (bekl.act. 45). Mit Schreiben vom 1. Oktober 2010 kündigte die Klägerin den Lizenzvertrag ordentlich auf den 31. Dezember 2011 (kläg.act. 19) und teilte der Be- klagten alsdann mit Schreiben vom 11. Mai 2011 mit, dass sie den Lizenzvertrag wegen "krasser" Vertragsverletzung fristlos kündige (kläg.act. 24). Die Beklagte opponierte gegen die fristlose Kündigung (kläg.act. 25) und behauptete, auf den vertragsgegenständlichen Möbeln bestünden soweit ersichtlich keine Schutzrechte (kläg.act. 26). Die Klägerin teilte
daraufhin der Beklagten mit, die Möbel seien urheberrechtlich geschützt und sie würde es nicht dulden, wenn die Beklagte nach der Aufbrauchfrist die Möbel weiterhin herstellen und vertreiben würde (kläg.act. 27).
Auch nach Auslaufen des Lizenzvertrages bot die Beklagte auf ihrer Homepage den Kreuzzargenstuhl und den HfG-Barhocker unter der Produktebezeichnung "bill original" weiterhin an.
Nachdem die Klägerin mit der K. AG im Zusammenhang mit der Re-Edition der gesamten "Max-Bill-Kollektion" einen neuen exklusiven Lizenzvertrag abgeschlossen hat- te, reichte die Klägerin die vorliegende Klage vom 25. Mai 2012 mit den eingangs wieder- gegebenen Rechtsbegehren beim Handelsgericht des Kantons St. Gallen ein. Sie macht im Wesentlichen geltend, nur die K. AG sei berechtigt, die urheberrechtlich geschützten Kreuzzargenstühle und HfG-Barhocker von Max Bill herzustellen, anzubieten und auch als "Originale" zu bezeichnen. Indem die Beklagte den Kreuzzargenstuhl und den HfG- Barhocker fälschlicherweise als "bill original" anbiete, würden das Urheberrecht der Kläge- rin verletzt und die Verbraucher irregeführt. Dieses Verhalten sei geeignet, eine Ver- wechslungsgefahr herbeizuführen. Zudem beute die Beklagte durch nicht autorisierte sklavische Nachahmung der Stühle den guten Ruf von Max Bill aus.
Nach Eingang des Gerichtskostenvorschusses von Fr. 20'000.00 reichte die Beklagte mit Eingabe vom 5. Oktober 2012 die Klageantwort ein und beantragte die Abweisung der Klage. Im Wesentlichen macht sie geltend, die beiden Stühle seien urheberrechtlich nicht geschützt. Der Kreuzzargenstuhl sei aus vorbestehenden Elementen zusammengesetzt. Es fehle ihm das besonders innovative Konzept. Der HfG-Barhocker stelle keine Neuheit dar, da es bereits vorher Barhocker gegeben habe, die dem HfG-Barhocker sehr nahe gekommen seien. Sie habe die Sitzmöbel in Zusammenarbeit mit Max Bill über Jahrzehn- te exklusiv hergestellt. Es liege daher keine Nachahmung und auch keine Irreführung der Verbraucher über die Herkunft der Sitzmöbel vor. Im Übrigen bestreitet die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin.
Auf Anregung des Handelsgerichtspräsidenten fand am 6. Juni 2013 eine Instruk- tionsverhandlung statt. Die Parteien einigten sich auf eine vorläufige Sistierung des Ver- fahrens bis 16. August 2013 (act. 28). Die Vergleichsgespräche verliefen ergebnislos, worauf das Verfahren fortgesetzt wurde. Am 1. Oktober 2013 ging die Replik und am
15. Januar 2014 die Duplik ein. Die Klägerin reichte am 15. Januar 2014 eine Stellung-
nahme zu den Noven der Duplik ein, worauf die Beklagte am 28. Januar 2014 ebenfalls mit einer Eingabe reagierte.
Mit Schreiben vom 8. Oktober 2014 fragte der Handelsgerichtspräsident die Par- teien an, ob sie bereits vor der Hauptverhandlung die Einholung einer klärenden Expertise zur Frage des individuellen Charakters der beiden Stühle wünschten. Nachdem die Be- klagte eine Begutachtung vor der Hauptverhandlung ablehnte, wurde zur Hauptverhand- lung geladen.
An der Hauptverhandlung vom 28. September 2015 erliess das Handelsgericht eine Beweisverfügung. Es ordnete die Einholung eines Gutachtens an. Als Gutachter wurde der von der Klägerin vorgeschlagene Prof. Dr. Wolf Tegethoff bestimmt. Nachdem der Experte den Auftrag angenommen und eine Kostenschätzung abgegeben hatte, be- zahlte die Klägerin einen Beweiskostenvorschuss von Fr. 4‘500.00. Im April 2016 erstatte- te der Gutachter die Expertise. Sowohl die Klägerin wie auch die Beklagte verzichteten auf Ergänzungsfragen. Am 30. November 2016 fand die Schlussverhandlung statt, an welcher die Parteien Gelegenheit erhielten, das Beweisergebnis zu würdigen.
Die Beklagte bietet die beiden Stühle über das Internet sowie über Vertriebs- partner in der ganzen Schweiz an (kläg.act. 1). Klagen aus der Verletzung von Immate- rialgüterrechten und wettbewerbsrechtliche Verletzungsklagen nach UWG können ge- mäss Art. 36 ZPO auch am Erfolgsort erhoben werden. Bei Veröffentlichungen auf einer Website gilt jeder Ort in der Schweiz als Erfolgsort, von dem aus die Website abgerufen werden kann (SUTTER-SOMM/HEDINGER, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, ZPO Komm., Art. 36 N 36). Dies jedenfalls solange, als sich aus den Umständen ergibt, dass sich die Website an potenzielle Käufer in der Schweiz richtet. Dies ist namentlich der Fall, wenn die Website (auch) in deutscher Sprache verfasst ist und eine Domain mit der En- dung „.ch“ verwendet wird. Die Website der Beklagten ist unter einer „.ch“-Domain regis- triert, kann im Kanton St. Gallen abgerufen werden und richtet sich auch an potenzielle Käufer im Kanton St. Gallen. Die örtliche Zuständigkeit der Gerichte im Kanton St. Gallen ist damit gegeben.
Sowohl für Streitigkeiten nach dem Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG) mit einem Streitwert von mehr als Fr. 30'000.00 als auch für Streitigkeiten aus
dem Urheberrecht ist im Kanton St. Gallen das Handelsgericht als einzige kantonale In- stanz sachlich zuständig (Art. 5 Abs. 1 lit. a und lit. d ZPO i.V.m. Art. 11 Abs. 1 lit. a EG zur ZPO/SG). Die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts ist somit für die Beurtei- lung der geltend gemachten Urheberrechtsverletzung gegeben und auch die für die sach- liche Zuständigkeit im Bereich des unlauteren Wettbewerbs erforderliche Streitwertgrenze ist erreicht, beziffert doch die Klägerin den Streitwert auf mehr als Fr. 100'000.00.
Nicht zu prüfen ist die Zuständigkeit des Handelsgerichts St. Gallen zur Beurtei- lung allfälliger markenrechtlicher Ansprüche der Klägerin. Zum einen behauptet die Kläge- rin keine Verletzung ihrer Rechte an der Marke „max bill“ durch die Verwendung der Be- zeichnung „bill original“, sondern eine Verletzung des Urheberrechts. Zum anderen will sie der Beklagten die Herstellung der Stühle und deren Vertrieb als solche verbieten lassen. Sie beantragt nicht, der Beklagten sei der Vertrieb der Stühle unter einer bestimmten Be- zeichnung zu untersagen. Vielmehr verlangt sie, der Beklagten sei der Vertrieb von Stüh- len, zu verbieten, welche die im Rechtsbegehren festgehaltene Form bzw. Gestaltung aufweisen. Allfällige markenrechtliche Ansprüche bilden somit nicht Gegenstand des vor- liegenden Verfahrens.
Auch die Zuständigkeit zur Beurteilung allfälliger Verpflichtungen aus dem Lizenz- vertrag braucht nicht geprüft zu werden. Die Klägerin begründet ihre Ansprüche in der Klageschrift ausschliesslich mit Ansprüchen aus dem Urheberrecht (Ziff. III/A/a, S. 20, Rz. 55 ff.) und Ansprüchen aus UWG (Ziff. III/B, S. 26). Sie behielt diesen klaren Aufbau auch in der Replik bei (Replik, S. 6, Ziffer II/1, Rz. 2 ff. und Ziffer II/2 Rz. 18 ff.). Es kann deshalb nicht angenommen werden, allfällige vertragliche Ansprüche der Klägerin bilde- ten Bestandteil des vorliegenden Verfahrens.
Dies gilt umso mehr, als die Klägerin die Zuständigkeit des Handelsgerichts St. Gallen bloss mit der Zuständigkeit aus Urheberrecht und UWG begründete. Es ginge deshalb zu weit, die von der Beklagten anerkannte Zuständigkeit des Handelsgerichts St. Gallen als Einlassung auf die Beurteilung von vertraglichen Ansprüchen zu werten bzw. als Verzicht auf den im Vertrag ausdrücklich und ausschliesslich vereinbarten Gerichtsstand Luzern (kläg.act. 16, Ziff. 8.6). Die Beklagte hatte im Schriftenwechsel keine Veranlassung davon auszugehen, die Klägerin behaupte vertragliche Ansprüche bzw. wolle solche Ansprüche zum Bestandteil des vorliegenden Verfahrens machen.
Die Stellungnahme der Klägerin vom 15. Januar 2014, welche die Klägerin nach Abschluss des zweiten Schriftenwechsels einreichte, beinhaltet zum Teil neue Tatsa-
chenbehauptungen und Beweismittel. In der Eingabe vom 28. Januar 2014 bestritt die Beklagte die Zulässigkeit dieser Noven.
Nach Abschluss des zweiten Schriftenwechsels sind neue Tatsachen und Be- weismittel nur noch zulässig, wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden und wenn sie erst nach Abschluss des Schriftenwechsels entstanden sind, wenn sie bereits vor Abschluss des Schriftenwechsels vorhanden waren, aber trotz zumutbarer Sorgfalt nicht vorher vorgebracht werden konnten (LEUENBERGER, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuen- berger, ZPO Komm., Art. 229 N 4).
Die Klägerin hat nicht substanziiert dargelegt, dass die Voraussetzungen für die Zulassung von neuen Tatsachenbehauptungen und Beweismitteln nach Art. 229 ZPO gegeben sind. Auf die neuen Tatsachenbehauptungen und Beweismittel ist daher nicht weiter einzutreten.
1. Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin zur Geltendmachung von urheberrechtlichen Ansprüchen. Es sei unklar, seit wann die Klägerin über eine Lizenz verfüge und ob sie exklusive Lizenznehmerin sei. Zudem ergebe sich aus den eingereich- ten Unterlagen nicht, seit wann die Klägerin über eine exklusive Lizenz verfüge.
Demgegenüber macht die Klägerin geltend, dass D. infolge eines Erbteilungsvertrages vom 24. Februar 1998 alleiniger Inhaber der Rechte an den von Max Bill entworfenen Möbeln sei (kläg.act. 14). Mit Übertragungserklärung vom 1. Oktober 1996 habe D. der Klägerin eine exklusive Lizenz für alle Rechte an den Max Bill Möbeln erteilt und die Klä- gerin ermächtigt, die Rechte an Dritte weiterzulizenzieren (kläg.act. 15). Zudem habe D. am 23. Oktober 2013 schriftlich bestätigt, dass er die Klägerin als exklusive Lizenznehme- rin zur Führung des vorliegenden Prozesses ermächtigt habe (kläg.act. 30). Die Klägerin sei somit als exklusive Lizenznehmerin im Sinne von Art. 62 Abs. 3 URG aktivlegitimiert.
Die Einräumung von Urheberrechten kann in der Einräumung von Nutzungsbefug- nissen in der Abtretung des Urheberrechts bestehen. Werden lediglich Nutzungsbe- fugnisse eingeräumt, so liegt eine Lizenz vor und das Urheberrecht verbleibt beim Urhe- ber. Demgegenüber werden bei einer Abtretung des Urheberrechts einzelne mehre- re Ausschliesslichkeitsrechte auf den Erwerber übertragen, der diese Rechte gegenüber
beliebigen Dritten wie auch gegenüber dem Urheber selbst geltend machen kann. Der Erwerber wird damit nicht zum Urheber sondern ist lediglich Rechtsinhaber. Die Übertra- gung von Urheberrechten erfolgt durch Erbgang durch Vertrag. Gegenstand der Übertragung des Urheberrechts sind grundsätzlich alle sich daraus ergebenden Vermö- gensrechte (BARRELET/EGLOFF/KÜNZI, Das neue Urheberrecht, 3. Auflage, 2008, Art. 16 N 2 f., N 7 und N 11).
Zur Klage nach Art. 62 Abs. 1 URG ist aktivlegitimiert, wer in seinen Urheber- ver- wandten Schutzrechten verletzt gefährdet wird. Aktivlegitimiert sind somit die Inhaber dieser Rechte, soweit sie diese Rechte nicht abgetreten haben (BARRELET/EGLOFF/KÜNZI, a.a.O., Art. 62 N 2). Ebenfalls sind die Inhaber einer ausschliesslichen Lizenz zur selbst- ständigen Klage berechtigt, sofern dies im Lizenzvertrag nicht ausdrücklich ausgeschlos- sen worden ist (Art. 62 Abs. 3 URG). Indes gilt die Klageberechtigung nach Art. 62 Abs. 3 URG nur für Lizenzverträge, die nach Inkrafttreten dieser Norm, d.h. nach dem 1. Juli 2008, abgeschlossen wurden (vgl. Art. 81a URG). Für die Klagebefugnis aufgrund älterer Lizenzverträge ist daher die bisherige Praxis des Bundesgerichts massgeblich. Danach sind Inhaberinnen und Inhaber einer ausschliesslichen Lizenz dann zur Klage berechtigt, wenn sie durch die Inhaberinnen und Inhaber des Rechts dazu ermächtigt wurden
(BGE 113 II 90). Diese Ermächtigung kann im Lizenzvertrag selbst enthalten sein. Sie kann aber auch später erteilt werden, allenfalls auch erst im Hinblick auf ein bestimmtes Gerichtsverfahren (BGer 4A_55/2007, E. 5.1.2 und 5.1.5, publiziert in sic! 2008, S. 209 ff.; BARRELET/EGLOFF/KÜNZI, a.a.O., Art. 62 N 21).
Nachdem Max Bill am 9. Dezember 1994 verstarb, ging dessen allfälliges Urheber- recht am Kreuzzargenstuhl und am HfG-Barhocker auf D. und F. über (kläg.act. 31). In der Übertragungserklärung vom 1. Oktober 1996 hielt D. fest, dass er sämtliche ihm zu- stehenden "Urheberrechtsentschädigungen" an den von Max Bill entworfenen Uhren, Möbel und weiteren Design-Objekten auf die Klägerin übertrage. Die Übertragung umfas- se insbesondere die Befugnis, Dritten gegen Entgelt das Herstellungs- und Vertriebsrecht an diesen Werken einzuräumen (kläg.act. 15). Erst aufgrund des Erbteilungsvertrags vom
24. Februar 1998 wurde jedoch D. zum alleinigen Inhaber der Urheberrechte an den von Max Bill entworfenen Möbeln (kläg.act. 14, Ziff. 5 Erbteilungsvertrag). Mit Schreiben vom
23. September 2013 gab er eine Bestätigung ab, dass er der Klägerin eine exklusive Li- zenz für die Herstellung und den Vertrieb aller Möbelentwürfe Max Bills erteilt habe und die Klägerin als exklusive Lizenznehmerin zur selbstständigen Klage gemäss Art. 62 Abs. 3 URG berechtigt sei (kläg.act. 30).
Zum Zeitpunkt der Übertragungserklärung vom 1. Oktober 1996 war D. zusammen mit F., welche das Dokument nicht unterzeichnete, nur Mitinhaber der Urheberrechte von Max Bill. Erst mit Abschluss des (….)vertrages vom 24. Februar 1998 wurde D. zum allei- nigen Inhaber der Urheberrechte an den von Max Bill entworfenen Möbeln. Erst zu die- sem Zeitpunkt gingen die Nutzungsrechte auf die Klägerin über. Da die Übertragung sämtliche ihm zustehenden "Urheberrechtsentschädigungen" an diesen Möbeln umfasste, wurde die Klägerin zur exklusiven Lizenznehmerin. Die Übertragungserklärung wurde vor Inkrafttreten des neuen Urheberrechtsgesetzes unterzeichnet, womit die Bestimmung von Art. 62 Abs. 3 URG betreffend Klageberechtigung des exklusiven Lizenznehmers nicht anwendbar ist (Art. 81a URG). Da aber D. als Inhaber der entsprechenden Urheberrechte die Klägerin zur selbstständigen Klage ermächtigte, ist die Aktivlegitimation der Klägerin gegeben.
In ihrer Stellungnahme vom 20. November 2012 teilte die Klägerin dem Handels- gericht mit, dass sie inzwischen eine neue exklusive Lizenznehmerin zur Herstellung und Vermarktung der Möbel autorisiert habe, nachdem sie den damaligen Lizenzvertrag mit der Beklagten gekündigt habe (act. 23). Diese Tatsachenbehauptung hat die Klägerin bereits in ihrer Klageschrift in den Prozess eingebracht (Klage N 54).
Die Beklagte bringt vor, aufgrund des eingereichten Musterstuhls sei davon auszugehen, dass es sich bei der neuen exklusiven Lizenznehmerin um die K. AG handle. Es könne jedoch nur einen exklusiven Lizenznehmer geben. Sollte es sich bei der K. AG um eine exklusive Unterlizenznehmerin handeln, so stehe der Klägerin, welche ihr Exklusivrecht an eine Unterlizenznehmerin weitergegeben habe und nicht selbst am Markt tätig sei, kein Klagerecht zu.
aa) Wie bereits erwähnt, ist die Klägerin nicht Inhaberin des umstrittenen Urheber- rechts sondern nur exklusive Lizenznehmerin. Indem sie einen Dritten mit der Herstellung und Vermarktung der Möbel autorisierte, hat sie diesem Dritten eine Unterlizenz erteilt. Aufgrund der Übertragungserklärung vom 1. Oktober 1996 war die Klägerin berechtigt, Rechte an Dritte weiterzulizenzieren. Dementsprechend durfte sie mit einem Dritten einen exklusiven Unterlizenzvertrag abschliessen. Mit dem Unterlizenzvertrag konnte sie jedoch nur Rechte übertragen, welche ihr aufgrund der Übertragungserklärung vom 1. Oktober 1996 späterer Erklärungen des Inhabers der Urheberrechte zustanden, wobei eine Ermächtigung zur Klage nicht in der Übertragungserklärung enthalten war. Da die exklusi- ve Hauptlizenz bei der Klägerin verblieb, nur diese von D. zur selbstständigen Klage er- mächtigt wurde und eine vertragliche Übertragung dieser Klageermächtigung auf den
Unterlizenznehmer nicht nachgewiesen ist, hat der Abschluss des Unterlizenzvertrags keine Auswirkungen auf die Aktivlegitimation der Klägerin.
bb) Selbst wenn man davon ausginge, dass Art. 62 Abs. 3 URG auf den Unterlizenz- vertrag anwendbar sei, weil dieser erst nach Inkrafttreten dieser Bestimmung abgeschlos- sen wurde, würde die Klageberechtigung des Unterlizenznehmers nichts an der Aktivlegi- timation der Klägerin ändern.
aaa) In der Lehre wird in Bezug auf das Patentgesetz und das Designgesetz, in wel- chen eine analoge Bestimmung zu Art. 62 Abs. 3 URG enthalten ist, die Ansicht vertreten, dass neben dem ausschliesslichen Lizenznehmer auch der Lizenzgeber zur Klage be- rechtigt bleibt, damit er seine Rechte durchsetzen und seine Werte schützen kann (HEIN- RICH, PatG/EPÜ, 2. A., Rz. 7f. zu Art. 75; BERGER, in: sic! 2005, Durchsetzung der Lizenz gegenüber Dritten, S. 171; BARRELET/EGLOFF/KÜNZI, a.a.O., Art. 62 N 20). Zudem wird mit Bezug auf das Designgesetz die Ansicht vertreten, dass auch der ausschliessliche Unter- lizenznehmer zur Klage berechtigt ist, sofern er seine ausschliessliche Unterlizenz auf eine ebenfalls ausschliessliche Oberlizenz stützen kann (STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, Hand- kommentar DesG, 2006, Art. 35 N 200).
bbb) Zwischen dem Lizenzgeber und dem exklusiven Lizenznehmer besteht eine ähnli- che Interessenlage wie zwischen dem exklusiven Lizenznehmer und dem exklusiven Un- terlizenznehmer. Der exklusive Lizenznehmer hat ein rechtlich geschütztes Interesse da- ran, dass er seine Rechte gegenüber einem Verletzer des Urheberrechts durchsetzen kann, sofern der Unterlizenznehmer nicht selbst gegen den Verletzer vorgeht. Anderen- falls würden die Lizenzeinnahmen des exklusiven Lizenznehmers vermindert und allfällige Schadenersatzansprüche gegenüber dem Verletzer verjähren, ohne dass der exklusive Lizenznehmer rechtlich gegen den Verletzer vorgehen könnte. Insbesondere ist dabei zu berücksichtigen, dass je nach Länge der restlichen Laufzeit des Unterlizenzvertrages und der Höhe der finanziellen Einnahmen der Unterlizenznehmer allenfalls kein Interesse an einer längeren rechtlichen Auseinandersetzung mit einem Verletzer hat. Die exklusive Lizenznehmerin ist somit neben der exklusiven Unterlizenznehmerin zur Klage berechtigt unabhängig davon, ob sie direkt am Markt tätig ist nicht. Der Klägerin als exklusive Lizenznehmerin steht somit das Klagerecht nach URG auch dann zu, wenn sie nicht di- rekt am Markt tätig ist.
Die Beklagte bestreitet zudem die Aktivlegitimation der Klägerin zur Geltendma- chung von Unterlassungsansprüchen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbe-
werb. Die Klägerin habe sich ihrer Nutzungsrechte durch einen exklusiven Lizenzvertrag an einen Händler Hersteller entledigt, womit ihr kein Klagerecht mehr zustehe. Zu- dem sei sie nicht selbst am Markt tätig. Die Klägerin beruft sich demgegenüber darauf, dass ihre wirtschaftliche Position beeinträchtigt sei, wenn die Beklagte identische Möbel ohne jede Autorisierung auf den Markt bringe. Das Anbieten nicht autorisierter Kopien der streitgegenständlichen Werke beeinträchtige den Vertrieb der Originalprodukte durch die neue Lizenznehmerin K. AG und somit automatisch die Lizenzeinnahmen der Klägerin.
Bezüglich Ansprüchen aus unlauterem Wettbewerb ist die Aktivlegitimation gege- ben, wenn die Klägerin durch das Verhalten der Beklagten in ihren wirtschaftlichen Inte- ressen verletzt bedroht wird (Art. 9 Abs. 1 UWG). Voraussetzung ist, dass es sich dabei um schutzwürdige Interessen handelt (BGer 4C.72/1995 E. 3).
Aufgrund der Übertragungserklärung vom 1. Oktober 1996 ist die Klägerin zur Verwertung der streitgegenständlichen Stühle ermächtigt. Bringt die Beklagte die gleichen Stühle auf den Markt wie die Unterlizenznehmerin, so werden die wirtschaftlichen Interes- sen der Klägerin zumindest gefährdet. Aufgrund der direkten Konkurrenzsituation zwi- schen der Unterlizenznehmerin und der Beklagten besteht die Gefahr, dass die Einnah- men der Klägerin aus dem Unterlizenzverhältnis vermindert werden. Die Klägerin ist da- her nach Art. 9 Abs. 1 UWG zur gerichtlichen Geltendmachung von Unterlassungsan- sprüchen berechtigt.
Die Klägerin macht geltend, die Beklagte habe nach Kündigung des Lizenzvertra- ges am 31. Dezember 2011 weiterhin die streitgegenständlichen Möbel produziert und vertrieben. Dabei handle es sich um unlauteren Wettbewerb im Sinne von Art. 2 und
Art. 3 lit. d UWG. Nach Beendigung des Lizenzvertrages sei die Beklagte nicht mehr be- rechtigt, die von ihr angebotenen Kreuzzargenstühle und Barhocker als "bill original" zu bezeichnen. Diese Bezeichnung sei höchst irreführend und geeignet eine Verwechs- lungsgefahr herbeizuführen, da es sich um zwei nicht von der Klägerin autorisierte Model- le aus der "Max-Bill-Kollektion" handle. Die Stühle seien Klassiker des Schweizer Möbel- designs. Daher sei das Design der Stühle geeignet, Rückschlüsse auf ihren Hersteller die Qualität hervorzurufen, womit die erforderliche Kennzeichnungskraft gegeben sei. Diese Kennzeichnungskraft stehe der Klägerin als Lizenzgeberin zu. Die Beklagte beabsichtige, mit dem Anbieten von nicht autorisierten sklavischen Nachahmungen der beiden Modelle vom guten Ruf Max Bills zu profitieren und ohne Zahlung von Lizenzge- bühren diesen Ruf in schmarotzerischer Weise auszubeuten. Der Umstand, dass zwei Unternehmen die jeweils gleichen Bill-Modelle zu praktisch gleichen Preisen anbieten,
obwohl nur ein einziger Anbieter autorisiert sei, führe zu einer Marktverwirrung. Zudem schleiche sich die Beklagte mit ihren nicht autorisierten Nachahmungen systematisch an eine fremde Leistung heran. Das eigenmächtige Hinwegsetzen über die Beendigung des Lizenzvertrages stelle ein treuwidriges Verhalten dar.
Demgegenüber wendet die Beklagte ein, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass sich die behauptete Kennzeichnungskraft der Sitzmöbel tatsächlich auf Max Bill und nicht auf die Beklagte als Herstellerin der Möbel untrennbar auf beide gemeinsam beziehen würde. Sie habe die Möbel über Jahrzehnte exklusiv hergestellt. Ein Herkunftsbezug be- stehe somit nicht zur Klägerin sondern höchstens zur Beklagten. Eine Kennzeichnungs- funktion der Stühle werde bestritten. Im Übrigen könne sie nicht nachahmen, was sie seit Jahrzehnten als erste und in der Schweiz lange auch als einzige hergestellt habe. Sie schleiche sich somit auch nicht an ein fremdes Produkt an.
Soweit die Klägerin vorbringt, dass das eigenmächtige Hinwegsetzen über die Beendigung des Lizenzvertrages ein treuwidriges Verhalten darstellte, gilt es erneut da- rauf hinzuweisen, dass rein vertragliche Ansprüche nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind. Vertragsverletzungen sind somit bloss unter dem Blickwinkel eines allfäl- lig unlauteren Verhaltens im Sinne des UWG zu prüfen. Nach Art. 2 UWG ist jedes täu- schende in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen- de Verhalten Geschäftsgebaren unlauter und widerrechtlich, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst
(BGE 136 III 23 E. 9.1). Unlauter handelt gemäss Art. 3 lit. d UWG insbesondere, wer Massnahmen trifft, die geeignet sind, Verwechslungen mit den Waren, Werken, Leistun- gen dem Geschäftsbetrieb eines anderen herbeizuführen. Unter diesem mitunter als wettbewerbsrechtlicher Kennzeichenschutz bezeichneten Tatbestand der Schaffung einer Verwechslungsgefahr mit den Waren, Werken, Leistungen dem Geschäftsbetrieb eines anderen fallen sämtliche Verhaltensweisen, bei denen das Publikum durch die Schaffung von Verwechslungsgefahr irregeführt wird, insbesondere um den Ruf der Wett- bewerber auszubeuten (BGE 135 III 446 E. 6.1; BGE 128 III 353 E. 4; BGE 126 III 239
E. 3a; BGer 4A_78/2011 E. 4.1).
Bei Verletzung von gesetzlich geschützten Immaterialgüterrechten kann auch ku- mulativ die Anwendung des UWG und damit die Anwendung von Art. 3 lit. d UWG in Fra- ge kommen, sofern eine Wettbewerbshandlung vorliegt (SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER, in: Jung/Spitz (Hrg.), Stämpflis Handkomentar SHK, Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Bern 2010, Art. 3 lit. d N 10). So handelt unlauter im Sinne von Art. 2 UWG,
wer durch Kopieren einer ganzen Produktereihe fremdes geistiges Eigentum ohne Zu- stimmung des Urhebers bzw. dessen Rechtsnachfolger verwertet und sich dabei durch irreführende Werbung systematisch und planmässig an die wirtschaftliche Leistung der Inhaberin des Urheberrechts anlehnt (BGer 4C.72/1995 E. 3). Es gilt jedoch festzuhalten, dass der Schutz nach Art. 3 lit. d UWG kaum je über denjenigen der Spezialgesetze hin- ausgeht, da deren Verletzung regelmässig umfassende negatorische und reparatorische Ansprüche verleiht (SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER, a.a.O., Art. 3 lit. d N 10).
Leistungen Arbeitsergebnisse, die als solche keinen Immaterialgüterschutz geniessen, dürfen von jedermann genutzt werden; das Lauterkeitsrecht enthält kein gene- relles Verbot, fremde Leistungen nachzuahmen, sondern es besteht grundsätzlich Nach- ahmungsfreiheit. Das UWG bezweckt die Gewährleistung der Lauterkeit des Wettbe- werbs, während es dem Immaterialgüterrecht vorbehalten ist, besondere Leistungen als solche zu schützen. Leistungen sind daher durch das UWG nicht als solche, sondern nur bei Vorliegen lauterkeitsrechtlich relevanter Umstände gegen Übernahme und Nachah- mung geschützt, wie namentlich vermeidbarer Herkunftstäuschung, Rufausbeutung, hin- terlistigem Verhalten behinderndem systematischem Vorgehen (BGE 131 III 384
E. 5.1; BGer 4A_78/2011 E. 4.1).
aa) Nachahmungen erfüllen unter anderem dann einen lauterkeitsrechtlichen Tatbe- stand, wenn das Original Kennzeichnungskraft besitzt und durch sein Erscheinungsbild beim Käufer Rückschlüsse auf den Hersteller hervorruft, sodass eine Nachbildung eine Verwechslungsgefahr mit dem Original schafft; wenn durch den Nachahmer syste- matisch planmässig der Ruf des Originals ausgebeutet wird. Beim Vertrieb von skla- vischen Nachahmungen kann allenfalls auch der Tatbestand von Art. 3 lit. d UWG vorlie- gen, wenn damit beim Adressatenkreis eine Täuschung über die betriebliche Herkunft verbunden ist (Urteil des Zürcher Obergerichts vom 2.12.2011, Geschäftsnummer LK11002-O/U, mit Verweis auf BAUDENBACHER, Kommentar zum UWG, Art. 2 N 204 ff., Art. 3 lit. d N 145 ff.). Das Bundesgericht hat im Zusammenhang mit der Nachahmung von Möbelstücken erkannt, dass die systematische Häufung raffinierter Nachahmungen "bis an die Grenze des Unzulässigen" mit Treu und Glauben ebenso wenig zu vereinbaren sei wie eine einmalige genaue Nachahmung, wenn sie wie diese darauf angelegt sei, den guten Ruf des Konkurrenzerzeugnisses in schmarotzerischer Weise auszubeuten
(BGE 104 II 334; BGE 108 II 74/75; BGE 105 II 302; BGE 113 II 190 E. II. /1.b). Die skla-
vische Nachahmung von Warenformen ist vor allem dann unlauter, wenn diese Kenn- zeichnungskraft für den Hersteller erlangt haben. Der Kennzeichnungscharakter einer Warenform ist aufgrund der gesamten Umstände zu untersuchen. Hierzu gehören insbe-
sondere die Originalität der Warenform, die Dauer und der Umfang ihres Gebrauches sowie die Art der hierfür betriebenen Werbung. Ist die nachgemachte Warenform kenn- zeichnungskräftig, ist deren Nachbildung wegen der damit eintretenden Verwechselbar- keit schon gemäss Art. 3 lit. d UWG unlauter (DAVID/JACOBS, Schweizerisches Wettbe- werbsrecht, Bern 2005, S. 21 N 67). Eine Täuschung über die betriebliche Herkunft ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn der Hersteller der Nachahmung deutlich auf die be- triebliche Herkunft der Nachahmung hinweist (BGE 105 II 297 E. 4.a; BGE 113 II 190 E.II./1.b; BAUDENBACHER, a.a.O., Art. 3 lit. d N 147).
bb) Soweit die Stühle über keinen urheberrechtlichen Schutz verfügen, dürfen sie von der Beklagten grundsätzlich produziert und vertrieben werden. In Anbetracht des Um- standes, dass die Beklagte die Stühle zumindest in technischer Zusammenarbeit mit Max Bill als Erste hergestellt hat, liegt weder eine Nachahmung vor, noch wird der Adressaten- kreis über die betriebliche Herkunft der Stühle getäuscht. Zudem befindet sich auf der Unterseite der Sitzfläche des Kreuzzargenstuhls ein Kleber, der darauf hinweist, dass der Stuhl aus der Produktion der Beklagten stammt (bekl.act. 47). Ein Verstoss gegen das UWG ist daher nicht gegeben. Die Klägerin geht diesbezüglich übrigens fehl, wenn sie argumentiert, ein fehlender Urheberrechtsschutz würde dazu führen, dass jeder beliebige Dritte die streitgegenständlichen Stühle in identischer Form und Farbgebung produzieren dürfte. Ein solches Verhalten durch einen beliebigen Dritten würde tatsächlich eine Nach- ahmung Rufausbeutung darstellen. Bei der Beklagten handelt es jedoch nicht um einen beliebigen Dritten, sondern um den ursprünglichen Hersteller und Vertreiber der Stühle, der von Beginn weg an dessen Entstehung beteiligt war.
Die Klägerin macht geltend, der Kreuzzargenstuhl und der HfG-Barhocker seien urheberrechtlich geschützt. Dies wird von der Beklagten bestritten.
In diesem Zusammenhang bringt die Klägerin vor, die Beklagte habe als Lizenz- nehmerin die Schutzfähigkeit der beiden Stühle anerkannt. Sie verhalte sich widersprüch- lich, wenn sie nun die Schutzfähigkeit der Stühle bestreite. Demgegenüber macht die Be- klagte geltend, sie habe die Schutzfähigkeit mit Abschluss des Lizenzvertrages nicht an- erkannt. Der Lizenzvertrag sei vielmehr abgeschlossen worden, um eine Auseinanderset- zung zu vermeiden und in der Hoffnung, mit den Nachkommen von Max Bill weiterhin eine erquickliche Zusammenarbeit pflegen zu können.
Die Einrede des widersprüchlichen Verhaltens ist nicht vertraglicher Natur, son- dern nach Art. 2 ZGB zu beurteilen. Entgegen der Meinung der Klägerin steht das Verhal-
ten der Beklagten jedoch nicht im Widerspruch zum Lizenzvertrag vom 7. April 1999 (kläg.act. 16). Im Lizenzvertrag werden entweder bloss allgemein Nutzungsrechte sowie Immaterialgüterrechte erwähnt, ohne dass diese näher definiert werden, es wird konkret auf die Marke "max bill" Bezug genommen, deren Verwendung es im vorliegen- den Fall nicht zu beurteilen gilt. Von Urheberrechten ist nirgends konkret die Rede, wes- halb nicht angenommen werden kann, die Beklagte habe deren Bestand anerkannt. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin der Beklagten den Bestand eines Urheberrechtes auch nicht garantierte (Ziffer 6 des Lizenzvertrages, kläg.act. 16). Zudem enthält das dem Ge- richt vorliegende Vertragsexemplar keinen (unterzeichneten) Anhang B. Ohne diesen Anhang B ist es dem Gericht jedoch nicht möglich zu beurteilen, ob die streitgegenständ- lichen Stühle darin aufgeführt sind und es sich damit um Vertragsprodukte im Sinne des Vertrages handelt. Daran vermag im Übrigen auch nichts zu ändern, dass die Beklagte auf dem Umsatz mit den Stühlen Lizenzgebühren entrichtete, regelte der Lizenzvertrag doch auch die entgeltliche Verwendung der Marke „max bill“ und es ist unbestritten, dass die Beklagte die Bezeichnung „bill original“ zur Vermarktung der Stühle nutzte. Soweit die Beklagte bereits Max Bill persönlich Lizenzgebühren bezahlt hat (kläg.act. 40-43), ist zu bemerken, dass die Marke damals noch nicht hinterlegt war, weshalb der Gebrauch einer Marke als Motiv für die Zahlung ausscheiden dürfte. Dies ändert jedoch nichts daran, dass ebenfalls unklar bleibt, wofür die Zahlungen einer Lizenzgebühr an Max Bill erfolg- ten, ist doch der entsprechende Vertragsinhalt unbekannt. Es bleibt damit durchaus denk- bar, dass die Zahlungen für die Verwendung des Namens von Max Bill ganz allge- mein als Abgeltung seiner Mitwirkung beim Entwurf des Stuhls erfolgten. Zudem ist grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Vertragsauflösung auch die gegenseiti- gen Rechte und Pflichten der Parteien enden. Es darf deshalb nicht leichthin angenom- men werden, eine Partei verhalte sich rechtsmissbräuchlich, wenn sie sich in Widerspruch zu einem aufgelösten Vertrag setzt. Die Bestreitung des Bestandes eines Urheberrechts erweist sich damit nicht als rechtsmissbräuchlich.
Was den urheberrechtlichen Schutz der streitgegenständlichen Stühle anbelangt, bringt die Klägerin vor, der Kreuzzargenstuhl hebe sich von den damaligen Stilrichtungen klar ab und habe eine neue Richtung eingeleitet mitbestimmt. Durch die Kombination verschiedener Eigenschaften habe der Kreuzzargenstuhl zum Zeitpunkt seiner Entste- hung im Jahr 1951 zu einem der innovativsten und gleichzeitig elegantesten Stühle über- haupt gehört. Mit der Kreuzzarge habe der Stuhl eine zu Beginn der 1950er Jahre revolu- tionäre Konstruktion aufgewiesen, die ihm ein gleichsam stabiles wie ästhetisch originel- les Aussehen verliehen habe. Die besondere Stuhlbeinkonstruktion mittels Kreuzzarge sei eine Erfindung von Max Bill und ein bis dahin im Möbelbereich weitgehend unbekanntes
und daher besonders innovatives Konzept für einen Stuhl gewesen. Zudem habe Max Bill seine Erfindung mit weiteren Elementen wie den leichtfüssig wirkenden Beinen, der schwebend wirkenden Sitzfläche und der separaten, ebenfalls schwebend wirkenden Rü- ckenlehne derart in Verbindung gebracht, dass der Kreuzzargenstuhl eine ganz eigene Ästhetik gewonnen habe. Der Kontrast zwischen dünner Sitz- und Rückenfläche und kräf- tigem Rahmenwerk bewirke den für den Kreuzzargenstuhl charakteristischen, kraftvollen und zugleich plastisch wirkenden Gesamteindruck. Ein weiteres Formmerkmal bestehe in der Gestaltung der eher filigran anmutenden Sitzfläche und Rückenlehne, wobei die schlipsähnliche Form der Rückenlehne besonders markant sei. Der Kreuzzargenstuhl stehe mit den anderen Werken aus der "Max-Bill-Kollektion" für den damals neuen, von Max Bill entworfenen "organischen Designbegriff". Dies manifestiere sich vor allem in der organischen und gleichzeitig ästhetisch ansprechenden Gestaltung seiner Sitz- und Rü- ckenfläche unter Verwendung von zweisinnig gekrümmten Pressholz-Elementen. Die zweisinnige Krümmung bewirke, dass der Oberbereich der Rückenlehne leicht nach aus- sen ausgeformt werde und somit organisch den Rücken der sitzenden Person umfassen könne. Zum HfG-Barhocker führt die Klägerin aus, dieser unterscheide sich von den da- mals üblichen, schwerfällig anmutenden und grösstenteils am Boden festgeschraubten, unbeweglichen Barhockern durch seine Einfachheit. Mit dem HfG-Barhocker sei erstmals ein Modell geschaffen worden, das gerade aufgrund seiner Einfachheit beweglich gewe- sen sei und sich leicht habe umgruppieren lassen. Aufgrund der Dreibeinigkeit bleibe auch bei zufälliger Häufung beliebiger Stellung der Hocker zueinander und zum Tre- sen der Eindruck einer Ordnung gewahrt. Auch der HfG-Barhocker habe dem damals neuen Entwurfsbewusstsein des "organischen Designbegriffs" entsprochen, das sich vom vorbekannten Formenschatz abgehoben habe. Sowohl beim Kreuzzargenstuhl als auch beim HfG-Barhocker handle es sich um Klassiker des Möbeldesigns. Die beiden Stühle würden auf einer selbstständigen, eigenschöpferischen Tätigkeit beruhen und seien daher originell. Der Gesamteindruck der beiden Stühle unterscheide sich vom damalig bekann- ten und üblichen Formenschatz. Es handle sich somit um künstlerische Werke im Sinne des Urheberrechts.
Demgegenüber bestreitet die Beklagte, dass die beiden Stühle urheberrechtlich geschützt seien. Entgegen der Darstellung der Klägerin habe das Konzept der Kreuzzar- ge, wie auch die von der Klägerin als Besonderheit bezeichnete gekrümmte Rückenlehne und gebogene Sitzfläche zum Zeitpunkt der Entwicklung des Kreuzzargenstuhls bereits bestanden. Da das Modell aus vorbestehenden Elementen (Rückenlehne), technischen Konzepten (Kreuzzarge, zweisinnig gekrümmte Flächen) und visuellen Konzepten ("schwebende" Sitzfläche) zusammengesetzt worden sei, fehle es am besonders innova-
tiven Konzept, welches die Klägerin als Grundlage für die Werkeigenschaft behauptet habe. Der Stuhl sei daher auch nicht originell gewesen, weshalb ihm der künstlerische Wert fehle. Das angeblich von Max Bill geschaffene "organische" Design sei nicht von ihm geschaffen worden, sondern finde sich bereits in den Stühlen der Eheleute Eames. Be- züglich des HfG-Barhockers wendet die Beklagte ein, dass sich dieser nur unwesentlich vom vorbestehenden Formenschatz unterscheide und keine eigenständige Schöpfung mit individuellem Charakter sei. Dem HfG-Barhocker fehle ebenfalls eine originelle Gestal- tung, habe es doch bereits vorher sehr ähnlich gestaltete, ältere Barhockermodelle gege- ben. Der von der Klägerin behauptete, selbstordnende Effekt der dreieckigen Standflä- chen der HfG-Barhocker sei eine rein theoretische Überlegung, da die Sitzfläche oben rund und von der Grösse (mindestens nahezu) einen Umkreis der dreieckigen Standflä- che darstelle und sich der ordnende Effekt der Dreiecke folglich gar nicht einstellen kön- ne.
Der Begriff des geschützten Werkes nach Art. 2 URG umfasst konkrete Darstel- lungen der Kunst und Literatur, die nicht bloss Gemeingut enthalten, sondern insgesamt als Ergebnis geistigen Schaffens von individuellem Charakter als Ausdruck einer neuen originellen Idee zu werten sind; Individualität Originalität gelten denn auch als Wesensmerkmale des urheberrechtlich geschützten Werkes. Der individuelle Charakter muss im Werk selbst zum Ausdruck kommen. Originalität im Sinne einer persönlichen Prägung durch den Urheber ist nach dem revidierten Urheberrechtsgesetz nicht mehr erforderlich. Massgebend ist die Werkindividualität und nicht die Urheberindividualität. Diese Schutzvoraussetzungen sind am eindrücklichsten erfüllt, wenn das Werk unver- kennbar charakteristische Züge aufweist und sich von Darstellungen der gleichen Werks- gattung deutlich unterscheidet. Dagegen bedeutet dies nicht, dass an das Mass der geis- tigen Leistung, an den Grad der Individualität Originalität stets die gleich hohen An- forderungen zu stellen wären. Vielmehr hängt die verlangte Individualität vom Spielraum des Schöpfers ab; wo ihm von vornherein der Sache nach wenig Raum bleibt, wird der urheberrechtliche Schutz schon gewährt, wenn bloss ein geringer Grad selbstständiger Tätigkeit vorliegt (BGE 110 IV 105; BGE 106 II 73/74; BGE 88 IV 126; BGE 85 II 123 E. 3;
BGE 113 II 190 E. I/2a; BGE 130 III 168 E. 4.4; BGE 130 III 714 E. 2.1.). Anders verhält
es sich nur, wenn die Form des Gegenstandes durch seinen Gebrauchszweck derart be- dingt seine Gestaltung durch vorbekannte Formen so eingeschränkt ist, dass für individuelle originelle Merkmale praktisch kein Raum bleibt. Trifft dies zu, so liegt ein rein handwerkliches Erzeugnis und damit Gemeingut vor, das vom Schutz des Urheber- rechts auszunehmen ist (BGE 113 II 190 E. I/2a).
Für Sitz- und Liegemöbel besteht eine Vielzahl möglicher Formen, weshalb sich nicht sagen lässt, ihre Gestaltung sei weitgehend sogar ausschliesslich durch den Zweck des Möbelstückes vorgegeben. Eine Einschränkung ergibt sich dagegen aus den vorbestehenden Stilrichtungen, die für sich allein ebenso wenig ausreichen, wie der äs- thetische Wert die Bedeutung eines Werkes (BGE 106 II 73 und BGE 75 II 360 mit Hinweisen). Möbel als Werke der angewandten Kunst können urheberrechtlich geschützt sein, wenn über eine rein handwerksmässige industrielle Arbeit hinaus eine Leistung erbracht wird, die auf einer selbstständigen schöpferischen Tätigkeit beruht, sich als origi- nell erweist und daher als künstlerisch zu werten ist. Dies gilt namentlich dann, wenn ein Möbelstück sich von bisherigen Stilrichtungen klar abhebt und eine neue Richtung einlei- tet wesentlich mitbestimmt (BGE 113 II 190 E. I/2a). Die geistige Schöpfung muss etwas Neues darstellen, das sich vom bisherigen Bekannten unterscheidet. Neue geistige Schöpfungen, die dem Bekannten so nah sind, dass auch beliebige Andere die gleiche Form schaffen könnten, haben keinen individuellen Charakter. Bei Werken der angewand- ten Kunst werden vergleichsweise hohe Anforderungen an den individuellen Charakter gestellt. Bei der Prüfung, ob ein Werk urheberrechtlich geschützt ist, sind zwar die einzel- nen gestalterischen Elemente daraufhin zu würdigen, ob sie zur Individualität der Gestal- tung beitragen; entscheidend ist jedoch stets der Gesamteindruck. Der künstlerische Ein- druck wird durch die Gestaltung, Linienführung und das Zusammenwirken aller Elemente bestimmt und nicht nur durch die Beschaffenheit einzelner Elemente (Entscheid des Kan- tonsgerichts St. Gallen vom 17. Mai 2000, E. III.a, in: sic! 2001, 491; BGE 113 II 190
E. 1.2.b). Gemäss publizierter Rechtsprechung des Bundesgerichts ist im Zweifelsfall von einem rein handwerklichen Erzeugnis auszugehen, das keinen urheberrechtlichen Schutz geniesst (BGE 105 II 297 E.3a). Eine Rechtsprechung, die kurz vor Einleitung des vorlie- genden Prozesses noch einmal ausdrücklich bestätigt wurde (BGer 4A_78/2011 E. 2.4).
Nachdem für die Originalität eines Werkes gemäss revidiertem Urheberrechtsge- setz die Werkindividualität und nicht die Urheberindividualität massgebend ist, erübrigen sich Ausführungen über die Rolle von Max Bill als Künstler und Designer. Nachfolgend ist daher zu prüfen, ob den streitgegenständlichen Stühlen die erforderliche Werkindividuali- tät zukommt.
Was den HfG Barhocker anbelangt, so sind Hocker seit Urzeiten bekannte Sitzmö- bel. Barhocker sind jedoch, namentlich in dieser Funktion, geschichtlich gesehen eine relativ junge Variante. Vorläufer des Barhockers waren die sog. Laden-, Geschäfts- Kanzleistühle, die es dem dort sitzenden Personal erlaubten, mit einem stehenden Ge-
genüber auf Augenhöhe zu kommunizieren. Erst anfangs des 20. Jahrhundert fanden Barhocker langsam in Europa Verbreitung (Expertise, act. 92, S. 14).
Die erste Herstellung des HfG-Barhockers fällt zeitlich in die Mitte der Fünfziger- Jahre, wobei es allerdings im vorliegenden Fall die für die Expo 1964 in Lausanne über- arbeitete Fassung zu beurteilen gilt. Der ursprüngliche HfG-Barhocker von 1955 wies eine ungepolsterte Sitzfläche aus Holz und eine aussen um drei schräg gestellte Hockerbeine laufende Ringstrebe auf, welche die Position der Beine fixiert, das Gestell stabilisiert und dabei gleichzeitig als Fussstütze dient. Der HfG-Barhocker von 1964 verfügt demgegen- über über eine runde, gepolsterte Sitzfläche und eine innerhalb der Hockerbeine befindli- che Ringstrebe. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen für die vorliegende Beurtei- lung massgebenden Unterschied (Expertise, act. 92, S. 14). Im Wesentlichen zeichnet sich der HfG-Barhocker durch seine reduzierte Formgebung aus.
HfG-Barhocker 1955 HfG-Barhocker 1964 Sitzfläche aus Holz Sitzfläche gepolstert
Ringstrebe aussen. Ringstrebe innen Bild vom HfG-Archiv Ulm
Das Konzept des HfG-Barhockers, d.h. die Verbindung einer runden Sitzfläche mit leicht schräg gestellten Beinen und einem Ring, der die Konstruktion stabilisiert und gleichzeitig als Fussstütze dient, war zum Zeitpunkt seiner Entwicklung bereits bekannt, wie etwa das Hocker-Modell 1203b aus dem Katalog der Beklagten aus dem Jahr 1932 (bekl.act. 17), das Barhockermodell "Tabouret Haut" von Jean Prouvé aus dem Jahr 1942 (bekl.act. 18) die Modelle von Thonet aus dem Jahre 1930/31 und 1935 (Expertise, act. 92, S. 15) verdeutlichen.
Hockermodell 1203b
Barhocker von Jean Prouvé
Modelle B 62 und B 114 Thonet aus dem Firmenkata- log
Dem HfG-Barhocker am Ähnlichsten ist wohl derjenige vom Robin Day, wobei jedoch dessen Datierung schwierig ist. Der einzige Unterschied besteht darin, dass beim Barho- cker von Robin Day die Stahlrohre unterhalb der Sitzfläche mittig zusammenlaufen, wäh- rend dem sie beim HfG-Barhocker etwas auf Distanz gesetzt sind. Gemäss Gutachter liegt es nahe, dass der Barhocker von Robin Day etwa in der gleichen Zeit wie der HfG- Barhocker, d.h. Ende 50er Jahre bzw. Anfang 60er Jahre erstmals hergestellt wurde.
Barhocker von Robin Day
Dieser kurze Überblick über die Auswahl von formal ähnlichen Barhockern aus den dreissiger bis fünfziger Jahren zeigt, dass im Grunde nahezu alle Bestandeselemente des HfG-Barhockers bereits auf die eine andere Weise in älteren Modellen enthalten waren. Die Frage, ob drei- vierbeinig ist dabei letztlich unerheblich, da die gemein- same Urform mit ihren schräg in das Sitzbrett eingepassten Beinstollen weitere Varianten quasi vorgibt (Expertise, act. 92, S. 18). Sie reicht vom Melkstuhl mit einem Stuhlbein, über die dreibeinige Variante bis hin zur vierbeinigen Ausführung. Das Hinzufügen bzw. Weglassen eines Stuhlbeins vermag dabei keinen massgeblichen individuellen Charakter zu begründen.
So führt auch der Gutachter aus, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der HfG- Barhocker einen Stil wesentlich mitbestimmt gar eingeleitet habe. Für eine stilisti- sche Einordnung des HfG-Barhockers fehle praktisch jede Handhabe, da alle Bestandteile auf das absolut Wesentliche reduziert seien und für eine weitere formale Ausgestaltung keinerlei Spielraum belassen worden sei. Dieser fast schon ans Asketische grenzende Minimalismus sei ein durchgehender Charakterzug des 20. Jahrhunderts und für die mitt- leren fünfziger Jahre nicht mehr neu. Dem HfG-Barhocker lasse sich auch keine Leitfunk- tion bei der Durchsetzung dieser Stilrichtung zuschreiben (Expertise, act. 92, S. 18).
Eine deutliche Unterscheidung zu den damals bestehenden Stilrichtungen ist somit nicht gegeben, auch wenn der HfG-Barhocker etwas filigraner wirken mag als seine Vor- läufermodelle. Aufgrund dieser Vorläufermodelle, die bereits alle wesentlichen Bestandtei- le des HfG-Barhockers aufwiesen, war die Gestaltung des HfG-Barhockers derart stark eingeschränkt, dass für individuelle originelle Merkmale kein Raum mehr blieb, war doch die Gestaltung des HfG-Barhockers entsprechend dem Zeitgeist auf das absolut wesentliche reduziert. Gegenüber den Vorläufermodellen weist der HfG-Barhocker keinen massgeblichen individuellen Charakter auf, ist er doch den Vorläufermodellen zu ähnlich. Es handelt sich somit nicht um eine neue geistige Schöpfung. Weiter scheint der von der Klägerin erläuterte selbstordnende Effekt der dreieckigen Standflächen nicht ohne weite- res eintreten zu können, weil diese von der runden Sitzfläche nahezu umkreist werden. Nachdem im Zweifelsfall von einem rein handwerklichen Erzeugnis auszugehen ist, erfüllt der HfG-Barhocker von Max Bill die vergleichsweise hohen Anforderungen an den indivi- duellen Charakter bzw. die Neuheit der geistigen Schöpfung im Bereich der angewandten Kunst nicht, womit kein urheberrechtlich geschütztes Werk vorliegt.
Die erste Herstellung des Kreuzzargenstuhls fällt zeitlich in die Jahre 1951/1952 (Expertise, act. 92, S. 2), wobei für die rechtliche Beurteilung des urheberrechtlichen Schutzes eine noch genauere Datierung nicht notwendig erscheint. Er zeichnet sich we- sentlich durch die Gestaltung der Formelemente der Kreuzzarge, der Stuhlbeine, der Sitz- fläche sowie der Rückenlehne aus.
Nach konstruktiven Gesichtspunkten kann bei Holzstühlen grundsätzlich zwischen Stollen-, Sprossen- und Zargenstühlen unterschieden werden (Expertise, act. 92, S 4). Bei Kreuzzargenstühlen werden die Stuhlbeine unter der Sitzfläche übers Kreuz mitein- ander verbunden, wobei die Zarge nicht trägt, sondern nur zur Aussteifung des Stuhles dient (Expertise, act. 92, S. 7).
Die Konstruktion des Kreuzes, die Stuhl- bzw. Tischbeine unter der Sitz- bzw. Tischfläche übers Kreuz miteinander verbindet, existierte bereits vor der Kreuzzarge. So schufen Le Corbusier, Pierre Jeanneret und Charlotte Perriand bereits im Jahr 1928 mit den Thonet Modellen B 302 und B 304 einen Drehsessel bzw. einen Drehhocker, bei denen sich der Drehzapfen mittig über einer Stahl-Kreuz-Konstruktion befand (Expertise, act. 92, S. 7). Auch weist das Tischgestell des Dessau-Tisches von Mies van der Rohe aus dem Jahr 1930 (bekl.act. 9, Nr. 173; Expertise, act. 92, S. 7) eine Konstruktion auf, bei welcher die Tischbeine über Kreuz miteinander verbunden sind. Eine kreuzförmige Abstrebung in der Diagonalen der Stuhlbeine bestand bereits bei drehbaren Bugholzmöbeln des 19. Jahr- hundert (Expertise, act. 92, S. 7). Auch wenn es sich dabei nicht um Zargen handelte, ist die Kreuzzarge des streitgegenständlichen Stuhls nicht ohne Vorläufer. Ob es sich beim Sessel von Sven Engström und Gunnar Mystrand aus dem Jahr 1950 mit Kreuzzarge (bekl.act. 8) bei dem von der Beklagten erwähnten "GOETEBURG 1" von Erik Gunnar Asplund (bekl.act. 10) um einen solchen Vorläufer handelte, konnte der Experte zwar nicht bestätigen (Expertise, act. 92, S 8). Beim vom Experten erwähnten Barhocker bzw. Hocker mit Kreuzzarge von Henry van der Veldes aus dem Jahr 1908 (Expertise, act. 92, S. 10) erscheint hingegen fraglich, ob ein Hocker mit einem Kreuzzargenstuhl vergleichbar ist.
Der Experte zeigt auf, dass der aus dem Jahre 1943 bzw. 1949 stammende Stuhl bzw. Stuhlbausatz Triva von Elias Svedberg in der technischen Konstruktion der Stuhlbeine im Wesentlichen dem streitgegenständlichen Kreuzzargenstuhl entspricht. Jedenfalls handelt
es sich um eine gleichartige Kreuzzargenkonstruktion, wobei allerdings die Stabilität der Stuhlbeinkonstruktion durch einen zusätzlichen Innenreifen verstärkt wird (Expertise, act. 92, S. 8/9). Dieser Innenreif sowie die gepolsterte Sitzfläche prägen jedoch den Ge- samteindruck des Triva stark, so dass er sich in seiner Erscheinung wesentlich vom streitgegenständlichen Kreuzzargenstuhl unterscheidet.
Sessel von
Sven Engström + Gunnar Mystrand (bekl.act. 8)
GOETEBURG 1
Erik Gunnar Asplund (bekl.act. 38)
Stuhlbausatz Triva von Elias Svedberg (ger.act. 92, S. 8/9)
Das Sitzbrett und die Rückenlehne des streitgegenständlichen Kreuzzargenstuhls sind dreidimensional ausgeformt bzw. sphärisch gekrümmt und versuchen sich so der Ergonomie des Benutzers weitmöglichst anzupassen (Expertise, act. 92, S. 5). Schon anfangs des 20. Jahrhunderts offerierte die Bugholzmöbelindustrie unter Heissdampfein- wirkung „thermoplastisch“ verformte Sperrholzsitze und Rücklehnen an. In den 1930er Jahren wurde versucht, unter Druck und Hitze Schichtholz in gebogene Form zu bringen, was schliesslich Anfang der fünfziger Jahre in einer Vielzahl neuer Formerfindungen gip- felte. Dabei erfolgten die entscheidenden Weichenstellungen durch Ray und Charles Ea- mes, Harry Bertoia und Eero Saarinen bereits Mitte der vierziger Jahre (Expertise, act. 92,
S. 4). So hatte der Stuhl von Ray Eames von 1945 eine gebogene Sitzfläche
(bekl.act. 15). Zudem zeichnet sich dieser Stuhl mit der Besonderheit aus, dass die Sei- tenränder der Sitzfläche ähnlich wie beim späteren Kreuzzargenstuhl von Max Bill nicht gestützt werden mussten, wodurch der Eindruck einer schwebenden Sitzfläche entstand. Auch der Stuhl Nr. 85D von Werner Max Moser aus der Zeit vor 1931 verfügte über eine zweisinnig gekrümmte Rückenlehne, eine gebogene Sitzfläche und nach hinten gebogene Hinterbeine (bekl.act. 10 - 12). Was aber nichts daran ändert, dass gerade die Verwen- dung der Kreuzzargenkonstruktion dem streitgegenständlichen Stuhl einen anderen Ge- samteindruck verleiht.
Stuhl Nr. 85 | Stuhlbausatz Triva | Stuhl von Ray Eames | Kreuzzargenstuhl |
von Moser | mit Kreuzzarge | (bekl.act. 15) | |
(bekl.act. 11) | (ger.act. 92, S. 9) |
Die massgeblichen Formelemente des Kreuzzargenstuhls von Max Bill waren so- mit vorbestehend. Max Bill kombinierte jedoch diese Formelemente neu und in einer zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannten Art. Damit unterscheidet sich der Kreuzzargenstuhl von den vorbekannten Stuhlformen wesentlich, kann doch die Kombination bestehender Formelemente eine schöpferische Leistung beinhalten (BARRELET/EGLOFF/KÜNZI, a.a.O., Art. 2 N 6). Da es eine Vielzahl möglicher Gestaltungsformen von Sitzmöbeln gibt, muss sich der Gesamteindruck der neuen Kombination allerdings deutlich vom vorbestehenden Formenschatz unterscheiden, um urheberrechtlich geschützt zu sein. Diese Vorausset- zung ist im vorliegenden Fall erfüllt. Gemäss Gutachten wurde der auch von der Firma Formtex-Sitzmöbel AG produzierte streitgegenständliche Kreuzzargenstuhl in einem Aus- stellungskatalog des Design Center Stuttgart am Landesgewerbeamt Baden-Württemberg in der von den damaligen Ausstellungsmachern vorgenommenen Klassifizierung denn auch als „richtungsweisend“ eingestuft (Expertise, act. 92 S. 4). Dies ist ein klarer An- haltspunkt dafür, dass die Schöpfung des streitgegenständlichen Stuhls über eine rein handwerksmässige industrielle Arbeit hinausgehende Leistung darstellt, die auf einer selbstständigen schöpferischen Tätigkeit beruht, sich als originell erweist und daher als künstlerisch zu werten ist.
Zwar kommt der Gutachter zum Schluss, dass sich der streitgegenständliche Stuhl von bisherigen Stilrichtungen nicht klar abhebe und auch keine neue Richtung einleitete wesentlich mitbestimmte. Es handle sich weder in konstruktiver noch in formaler Hinsicht um eine grundlegende Innovation (Expertise, act. 92, S. 12). Stilistisch stehe der Stuhl durchaus auf der Höhe der Zeit Anfangs der fünziger Jahre. Wirklich prägend und bis heu- te nachwirkend seien im Bereich der Stühle die Entwürfe anderer Möbeldesigner gewe-
sen, wie z.B. Eames, Jacobsen, Wegener und Eiermann (Expertise, act. 92, S. 13). Die- ser Schluss ist für das Gericht nachvollziehbar, ist doch der Grundaufbau des streitge- genständlichen Stuhls mit Ausnahme der Kreuzzarge höchst konventionell. Es handelt sich um eine auf vier Beinen liegende Sitzfläche mit Lehne. Sitzfläche und Lehne beste- hen aus einer Schichtholzplatte, die in der für die damalige Zeit typischen Art unter Druck und Hitze in eine ergonomisch gebogene Form gebracht wurde. Dies erscheint weniger innovativ als etwa die urheberrechtlich geschützten LC2 und LC4 von Le Corbusier, mit denen nicht mehr ein Gestell gepolstert, sondern das Polster von einem Metallkäfig um- rahmt wird, was bei diesen Sesseln und Sofas zu einem völlig neuen Gesamteindruck führte, der sich klar vom zuvor Bekannten unterschied. Auch der Tripp-Trapp Stuhl wirkt weit innovativer, weil er keine eigentlichen Beine hat, sondern den technischen Ansatz des Schwingstuhles übernimmt, ohne dass der Gesamteindruck demjenigen eines Schwingstuhls entsprechen würde.
Es ist jedoch möglich, dass eine selbstständige schöpferische Tätigkeit vorliegt, die sich als originell erweist und daher als künstlerisch zu werten ist, ohne dass sich ein Möbel- stück von bisherigen Stilrichtungen klar abhebt und eine neue Richtung einleitet we- sentlich mitbestimmt. Durch den Hinweis, dass namentlich in diesem Fall urheberechtli- cher Schutz vorliegt (BGE 113 II 190 E. I/2a), ergibt sich, dass die Aufzählung nicht ab- schliessend, sondern exemplarisch ist. So ist etwa offensichtlich, dass die beiden Voraus- setzungen der Unterscheidung von einer bisherigen Stilrichtung und Prägung einer neuen Stilrichtung entgegen der in der Rechtsprechung verwendeten Formulierung nicht kumula- tiv erfüllt sein müssen. So hebt sich etwa der Tripp-Trapp Stuhl durchaus vom bisher Be- kannten ab, doch dürfte die Behauptung zu weit gehen, er habe eine neue Stilrichtung eingeleitet mitgeprägt. Es gilt deshalb zu würdigen, dass der Experte dem streitge- genständlichen Kreuzzargenstuhl bescheinigt, er unterscheide sich durch die funktionale, materialgemässe und ergonomisch bestimmte Formgebung in qualitativer Hinsicht von ähnlichen, zum Teil bis in die zwanziger Jahre zurückdatierenden Entwürfen (Expertise, act. 92, S. 12). Die Formgebung weist damit durchaus eine besondere Qualität auf und unterscheidet sich auch von damals bekannten Formen. Die Kombination der technisch interessanten Zarge zur Verbindung der vier Stuhlbeine über Kreuz, zusammen mit einer Sitzfläche und einer Lehne aus gebogenen Schichtholzplatten verleihen dem Stuhl eine besondere Eleganz bzw. Formschönheit. Die unterschiedliche Farbgebung der Sitzfläche und Lehne einerseits und des Tragegestells anderseits unterstreicht zudem den Gegen- satz zwischen der rein technischen Aufgabe des Tragegestells mit Kreuzzarge und der für den Sitzkomfort wesentlichen Elemente, nämlich der Sitzfläche und der Lehne. Der Stuhl erscheint damit im Vergleich zu anderen Stühlen seiner Zeit im Gesamteindruck originell
und singulär. Das Gericht kommt somit zum Schluss, dass es sich beim streitgegenständ- lichen Kreuzzargenstuhl in der abgebildeten Form und Farbgebung zweifelsfrei um eine geistige Schöpfung handelt, die Anfang der 1950-er Jahre etwas Neues darstellte, das sich vom bisherigen Bekannten unterschied und somit eine originelle schöpferische Leis- tung vorliegt, die über eine rein handwerksmässige industrielle Arbeit hinausgeht.
Die Beklagte führt aus, sie habe mit Max Bill bei der Entwicklung, der Herstellung und dem Vertrieb des Kreuzzargenstuhls sowie des HfG Barhockers zusammen gearbei- tet. Die Stühle seien im Markt als Qualitätsstühle aus der Fabrik der Beklagten bekannt gewesen und seien auch wegen des Designers Max Bill geschätzt worden (Klageantwort, Rz. 8). Max Bill habe sich die Ideen und zum Teil sogar ganze Teile, wie etwa die Rü- ckenlehen, bei anderen geborgt (Klageantwort, Rz. 63). Die Beklagte anerkennt damit den Schöpfungsbeitrag von Max Bill, weshalb zumindest von Miturheberschaft auszugehen ist. Die Klägerin hat damit als Rechtsnachfolgerin von Max Bill das Recht, der Beklagten die Herstellung und den Vertrieb des Kreuzzargenstuhls verbieten zu lassen. Damit ist die Klage in diesem Punkt zu schützen und zwar unabhängig davon, ob Max Bill alleiniger Urheber blosser Miturheber des streitgegenständlichen Kreuzzargenstuhls war
(Art. 7 Abs. 3 URG; Art. 7 Abs. 2 URG).
Auf Antrag der obsiegenden Partei ordnet das Gericht Vollstreckungsmassnahmen an (Art. 236 Abs. 3 ZPO). Zwar ist es nicht unhaltbar, von der Strafandrohung nach
Art. 292 StGB abzusehen, wenn keine Anzeichen dafür bestehen, dass sich die unterlie- gende Partei nicht dem Urteil unterziehen werde (BGer 5A_839/2010 E.6.3). Dies ändert allerdings nichts daran, dass es in Immaterialgüterrechtlichen Verfahren die Regel dar- stellt, die Aufforderung zu einer Unterlassung mit einer Strafandrohung zu versehen. Dies erscheint schon deshalb angezeigt, weil Verbote grundsätzlich nur sinnvoll sind, wenn ein Verstoss auch sanktioniert wird.
Es erscheint allerdings unverhältnismässig, die Einhaltung des Verbots bereits für die Dauer eines allfälligen Beschwerdeverfahrens durch eine Strafandrohung zu sichern. Dies gilt umso mehr, als die Regelung von Art. 103 BGG in Verbindung mit Art. 336 ZPO im Falle von Verkaufsverboten unerwünschte Wirkungen zeitigt. Die Strafandrohung entfaltet nämlich bereits mit dem vorliegenden Entscheid Wirkung, indem der Entscheid unabhän- gig von einer allfälligen Beschwerde an das Bundesgericht vollstreckbar ist. Mit allfälliger Erteilung einer aufschiebenden Wirkung würde die Strafandrohung wieder dahinfallen und im Falle einer Abweisung der Beschwerde wieder aufleben. Damit droht eine gewisse Rechtsunsicherheit, die es zu vermeiden gilt. Es rechtfertigt sich deshalb, die Strafandro-
hung erst ihre Wirkung entfalten zu lassen, wenn der vorliegende Entscheid rechtskräftig ist, d.h. die Rechtsmittelfrist zur Beschwerde gegen das Verbot bzw. die Strafandrohung unbenutzt verstrichen ist aber das Bundesgericht die Beschwerde abgewiesen hat.
Im Übrigen ist die Klage vorbehältlich des den Kreuzzargenstuhls betreffenden Auskunftsanspruchs (Rechtsbegehren Ziffer 3) und der entsprechenden Forderungsklage (Rechtsbegehren 4) abzuweisen. Das Verfahren wird nach Auskunftserteilung zur Beurtei- lung der geltend gemachten Entschädigung fortzusetzen sein.
Die Klage ist in Bezug auf den Kreuzzargenstuhl zu schützen und bezüglich des HfG-Barhockers abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang ist von einem hälftigen Ob- siegen bzw. Unterliegen auszugehen. Die Parteien haben somit die Gerichtskosten je hälftig zu tragen (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Parteientschädigungen sind bei diesem Verfah- rensausgang nicht geschuldet.
Unter Berücksichtigung des von der Klägerin angegebenen Mindeststreitwerts von Fr. 100'000.00 und unter Berücksichtigung des gerichtlichen Aufwandes sowie der Schwierigkeit des Falles wird die Entscheidgebühr auf Fr. 15‘500.00 festgesetzt (Art. 10 Ziff. 321 i.V.m. Art. 11 Abs. 1 lit. b GKV). Hinzuzurechnen sind die Gutachterkosten von Fr. 4‘500.00. Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 20‘000.00 sind mit den klägerischen Kostenvorschüssen von Fr. 24'500.00 zu verrechnen (Art. 111 Abs. 1 ZPO). Die Beklagte hat die Klägerin für verrechnete Gerichtskostenvorschüsse mit Fr. 10‘000.00 zu entschä- digen. Die restlichen Gerichtskostenvorschüsse von Fr. 4‘500.00 verbleiben vorläufig in der Gerichtskasse. Über deren Verwendung wird im Rahmen der Beurteilung der Forde- rungsklage zu entscheiden sein.
Der X. AG wird untersagt, Stühle in der Form des von Max Bill entworfenen 'Kreuz- zargenstuhls' selbst durch Dritte herzustellen zu vertreiben.
Für den Fall, dass die Beklagte dem Verbot nach Rechtskraft des vorliegenden Ent- scheides keine Folge leistet, wird ihren Organen die Straffolge von Art. 292 StGB an- gedroht. Nach Art. 292 StGB wird mit Busse bestraft, wer einer von einer zuständigen Behörde einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet.
Das Rechtsbegehren Ziffer 2 der Klägerin wird abgewiesen.
Die X. AG hat der Stiftung A. über die Anzahl aller von ihr seit dem 1. Januar 2012 hergestellten und verkauften 'Kreuzzargenstühle' sowie über alle damit erzielten Um- sätze und Gewinne Auskunft zu erteilen. Im Übrigen wird das Rechtsbegehren Ziffer 3 der Klägerin abgewiesen.
Über die Forderungsklage ist später zu entscheiden.
Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 20‘000.00, bestehend aus der Entscheidge- bühr von Fr. 15‘500.00 und der Gutachterentschädigung von Fr. 4‘500.00, werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt. Die Gerichtskosten werden mit den geleisteten Gerichtskostenvorschüssen von Fr. 24‘500.00 verrechnet. Der Restbetrag von
Fr. 4‘500.00 verbleibt vorläufig bei der Gerichtskasse.
Die X. AG hat die Stiftung A. für die verrechneten Gerichtskostenvorschüsse mit Fr.
10‘000.00 zu entschädigen. Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet.
Der Handelsgerichtspräsident Der Handelsgerichtsschreiber
Rolf Brunner Markus Weichelt
Zustellung an
Rechtsanwälte Dr. Michael Ritscher und Dr. Peter Schramm (R)
Rechtsanwalt Stefan Day (R)
am
Rechtsmittelbelehrung
Mit der Beschwerde gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann nur die Verletzung verfas- sungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 98 BGG). Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Ent- scheid über die vorsorgliche Massnahme einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 Bst. a BGG). Der Fristenstillstand nach Art. 46 Abs. 2 BGG gilt nicht.
Eine Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht hat in der Regel keine aufschiebende Wirkung, ausser es handelt sich um ein Gestaltungsurteil (Art. 103 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a BGG).
Der Instruktionsrichter die Instruktionsrichterin des Bundesgerichtes kann von Amtes wegen auf Antrag über die aufschiebende Wirkung andere Anordnungen treffen (Art. 103 Abs. 3 BGG).
Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 (BGG), SR 173.110; www.admin.ch Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (ZPO), SR 272; www.admin.ch
Die Rechtsmittelfrist beginnt an dem auf die Aushändigung dieses Entscheids folgenden Tag zu laufen (Art. 142 Abs. 1 ZPO). Wird eine Abholungseinladung im Briefkasten hinterlassen, ist der Adressat be- rechtigt, die Sendung innert sieben Tagen auf der Post entgegenzunehmen. Unterlässt er dies er- öffnet die Post eine längere zweite Frist, so gilt die Sendung trotzdem mit Ablauf des siebten Tages als zugestellt (Art. 138 Abs. 3 lit. a ZPO). Am folgenden Tag beginnt die Rechtsmittelfrist zu laufen. Die Erteilung eines Postrückbehalteauftrages vermag den Lauf der Frist nicht zu beeinflussen: Auch in die- sem Fall gilt die Sendung am siebten Tag als zugestellt.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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