E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Handelsgericht (SG - HG.2006.72)

Zusammenfassung des Urteils HG.2006.72: Handelsgericht

Der Kläger betreibt ein Gasthaus und ist als Einzelfirma eingetragen. Er schloss eine Geschäftsversicherung ab, bei der er eine ähnliche Versicherung angab. Nach einem Brand beanspruchte er Leistungen von der Versicherung, die jedoch aufgrund angeblicher falscher Angaben beim Antragsformular ablehnte. Der Kläger klagte auf die Versicherungsleistungen, während die Beklagte behauptete, er habe seine Anzeigepflicht verletzt. Es wurde diskutiert, ob die Angaben des Klägers als Verletzung der Anzeigepflicht betrachtet werden können. Das Gericht entschied, dass die Antwort des Klägers keine Auswirkungen auf die Risikobewertung der Versicherung hatte und die Versicherungsdeckung bestätigt wurde.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts HG.2006.72

Kanton:SG
Fallnummer:HG.2006.72
Instanz:Handelsgericht
Abteilung:Handelsgericht
Handelsgericht Entscheid HG.2006.72 vom 30.04.2007 (SG)
Datum:30.04.2007
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 4 VVG und Art. 6 aVVG (SR 221.229.1) Teilt der Anzeigepflichtige dem Versicherer bei der Antragsdeklaration wahrheitsgemäss mit, dass und bei welcher Versicherung für das gleiche Risiko bereits eine Versicherung besteht, so ist die gleichzeitig unrichtige Angabe einer nicht mehr aktuellen Policennummer nicht als erhebliche Gefahrstatsache im Sinn von Art. 6 aVVG zu qualifizieren, welche die Versicherung zum Rücktritt vom Vertrag berechtigen würde (Handelsgericht St. Gallen, 30. April 2007, HG. 2006.72).Das Bundesgericht hat dieses Urteil bestätigt (Urteil 4A_191/2007 neues Fenster vom 22. August 2007).
Schlagwörter: Versicherung; Antrag; Antrags; Gefahr; Versicherer; Gefahrstatsache; Vertrag; Beklagten; Anzeige; Police; Anzeigepflicht; Schadens; Risiko; Vertrags; Policen; Recht; Tatsache; Frage; Geschäftsversicherung; Antragsformular; Versicherungsvertrag; Doppel; Herrn; Anzeigepflichtverletzung; Policennummer; „ja
Rechtsnorm: Art. 102 VVG ;Art. 119 ZPO ;Art. 4 VVG ;Art. 53 VVG ;Art. 6 VVG ;Art. 71 VVG ;Art. 84 ZPO ;
Referenz BGE:111 II 388; 118 II 333; 99 II 77;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts HG.2006.72

Art. 4 VVG und Art. 6 aVVG (SR 221.229.1) Teilt der Anzeigepflichtige dem Versicherer bei der Antragsdeklaration wahrheitsgemäss mit, dass und bei welcher Versicherung für das gleiche Risiko bereits eine Versicherung besteht, so ist die gleichzeitig unrichtige Angabe einer nicht mehr aktuellen Policennummer nicht als erhebliche Gefahrstatsache im Sinn von Art. 6 aVVG zu qualifizieren, welche die Versicherung zum Rücktritt vom Vertrag berechtigen würde (Handelsgericht St. Gallen, 30. April 2007, HG.2006.72).

I.

  1. a) Der Kläger betreibt das Gasthaus O. in W. und ist als Einzelfirma mit Sitz in W. im Handelsregister eingetragen. Bei der Beklagten handelt es sich um den Versicherungsverband S. in der Rechtsform einer Genossenschaft. Gemäss Angaben des Rechtsvertreters der Beklagten an der Hauptverhandlung vom 30. April 2007 firmiert die Beklagte heute mit "B.".

    1. Am 3. September 2003 unterschrieb der Kläger einen Antrag zum Abschluss einer Geschäftsversicherung (…) bei der Beklagten, die u.a. eine Deckung bei Feuer vorsah und auch den Betriebsunterbruch abdeckte. Im Antragsformular war die Frage nach dem Bestehen einer ähnlichen Versicherung mit „ja“, die Frage nach der Gesellschaft mit „(..)“ [nachfolgend Y. Versicherung] beantwortet und als Policen Nr. "5.918.722" angegeben worden. Die Frage, ob „die Versicherungen“ noch in Kraft seien, wurde bejaht und die folgende Zeile mit der Frage „wenn nein, Grund?“ trotzdem beantwortet mit „ja, noch bis Ende 2003“ (kläg. act. 9). Ebenfalls am 3. September 2003 versandte der Kläger eine Kündigung des Versicherungsvertrags, Police Nr. 5.918.722, per 31. Dezember 2003 an die Y. Versicherung und bat um eine Aufhebungsbestätigung (kläg. act. 10). Mit Schreiben vom 8. September 2003 bestätigte die Beklagte dem Kläger die Versicherungsdeckung ab 1. Januar 2004 durch die Geschäftsversicherung (…) (kläg. act. 11).

    2. In der Nacht vom 11. auf den 12. September 2004 ereignete sich ein Brand im Restaurant O. (kläg. act. 5). Die GVA stellte in der Folge einen Totalschaden fest und richtete ihre Leistungen aus. Der Kläger meldete den Schadenfall auch der Y. Versicherung und der Beklagten (kläg. act. 12). Unter der Police Nr. 15.051.1620 war das Geschäftsinventar inklusive Betriebsunterbruch mit der Laufdauer 15. Februar 2002 bis 28. Februar 2005 weiterhin bei der Y. Versicherung versichert (kläg. act. 8); bei der Beklagten bestand nebst der Geschäftsversicherung (...) noch eine Hausratversicherung. Am 15. September 2004 fand eine Besichtigung des Brandplatzes durch die Vertreter der Versicherungsgesellschaften statt. Mit Chargé- Schreiben vom 15. September 2004 bezog sich die Beklagte auf die Besichtigung und machte geltend, sie habe festgestellt, dass die Geschäftsversicherung inklusive Betriebsunterbruch nach wie vor bei der Y. Versicherung platziert sei. Die Geschäftsversicherung (...), gültig seit 1. Januar 2004, sei daher unter falschen Voraussetzungen infolge falscher Angaben bei der Antragstellung zustandegekommen, weshalb sie von ihrem Rücktrittsrecht nach Art. 6 VVG (falsche Antragsdeklaration) rückwirkend Gebrauch mache. Die Hausratversicherung bei der Beklagten sei davon nicht betroffen (kläg. act. 13). Die Beklagte verweigerte in der Folge jegliche Leistung aus der Geschäftsversicherung (...).

  2. Mit Eingabe vom 21. August 2006 machte der Kläger seine Forderung aus Versicherungsvertrag über Fr. 99'744.75 nebst 5 % Zins ab 4. November 2004 beim Handelsgericht des Kantons St. Gallen gegen die Beklagte anhängig. Mit Klageantwort vom 21. September 2006 machte die Beklagte geltend, die Klage sei lediglich als Feststellungsklage betreffend Gültigkeit des Versicherungsvertrages entgegenzunehmen und es sei festzustellen, dass für das Ereignis vom 11. September 2004 kein Versicherungsschutz bei der Beklagten bestehe. Die Feststellung des Schadens und die Ermittlung der Leistungspflicht bei Vorliegen einer (Doppel)versicherung obliege dem Sachverständigenverfahren. Quantitativ bestreitet die Beklagte die Forderung vorsorglich. Am 25. September 2006 teilte der verfahrensleitende Handelsgerichtspräsident den Parteien mit, dass die Fortsetzung des Schriftenwechsels auf die Frage der Gültigkeit des Versicherungsvertrages beschränkt werde (Art. 84 Abs.2 ZPO).

3. (…).

II.

1. (...).

  1. In Art. 18/19 der AVB ist die Schadensermittlung im Schadenfall so geregelt, dass im Streitfall ein Sachverständigenverfahren zum Zug kommt. Danach ermitteln von den Parteien gewählte Sachverständige den Wert der versicherten, geretteten und beschädigten Sachen unmittelbar vor und nach dem Schadensereignis in verbindlicher Weise. Diese vertragliche Regelung verbietet es jedoch dem Kläger nicht, eine Leistungsklage zu erheben. Das vertraglich vorgesehene Verfahren zur Schadensermittlung (Schiedsgutachten, vgl. Art. 119 ZPO) tritt in diesem Fall an die Stelle einer gerichtlichen Expertise zum Quantitativen. Vorerst ist das Verfahren jedoch antragsgemäss auf die umstrittene Frage beschränkt, ob die Versicherungsdeckung überhaupt besteht. Damit ist vorliegender Entscheid ein weiterziehbarer Zwischenentscheid (Art. 93 Abs. 1 lit. b Bundesgerichtsgesetz (BGG; SR 173.110) vgl. auch BGE 111 II 388).

  2. Art. 6 Versicherungsvertragsgesetz (VVG; SR 221.229.1) trat am 1. Januar 2006 in revidierter Fassung in Kraft. Gemäss Art. 1 SchlT ZGB gilt jedoch das Gebot der Nicht- Rückwirkung (Rolf Nebel, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht - Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG) [nachfolgend kurz: BSK-VVG], Basel 2001, N 1 u. 3 zu Art. 102 VVG). Auf den vorliegenden Fall kommt also aArt. 6 VVG zur Anwendung:

    „Wenn der Anzeigepflichtige beim Abschlusse der Versicherung eine erhebliche Gefahrstatsache, die er kannte kennen musste, unrichtig mitgeteilt verschwiegen hat, so ist der Versicherer an den Vertrag nicht gebunden, wenn er binnen vier Wochen, nachdem er von der Verletzung der Anzeigepflicht Kenntnis erhalten hat, vom Vertrage zurücktritt.“

  3. Zwischen den Parteien ist umstritten, ob der Kläger bei Abschluss der Geschäftsversicherung (...) seine Anzeigepflicht im Sinne von Art. 4 VVG verletzt hat, indem er eine Frage zu einer erheblichen Gefahrstatsache im Antragsformular falsch beantwortet hat und ob die Beklagte gestützt auf Art. 6 VVG demzufolge rechtzeitig vom Vertrag zurückgetreten ist. Wäre dies der Fall, so würde die Beklagte nach dem Schadensfall vom 11. September 2004 aus der Police Nr. 0070 62 551 keine Versicherungsleistungen schulden, und die Klage wäre abzuweisen.

  4. a) Der Kläger macht geltend, der Versicherungsantrag sei anlässlich eines Beratungsgesprächs vom 3. September 2003 mit dem Aussendienstmitarbeiter der Beklagten, Herrn P.T., ausgefüllt worden; die handschriftlich eingefügten Antworten stammten von P.T. und er habe lediglich das vollständig ausgefüllte Antragsformular auf der letzten Seite unterzeichnet, ohne auf den übrigen Seiten sein Visum anzubringen. Unter dem Titel „Allgemeine Antragsfragen“ sei die Frage nach bestehenden ähnlichen Versicherungen zu Recht mit „ja“ beantwortet worden, die Frage nach der Gesellschaft sei mit „(…)“ [Y. Versicherung] (Abkürzung von Herrn P.T. stammend) ebenfalls korrekt beantwortet. Die Policennummer sei von Herrn P.T. ermittelt und eingetragen worden und die Frage, ob die Versicherungen noch in Kraft seien, sei zutreffend mit „ja“ beantwortet worden, wobei Herr P.T. zur nachfolgenden Frage „wenn nein, Grund?“ ungefragt hinzugefügt habe: „Ja, noch bis Ende 2003“. Gleichentags habe er eine von P.T. vorbereitete Kündigung der im Antragsformular

erwähnten Police bei der Y. Versicherung per Ende 2003 unterzeichnet, welche in der Folge von Herrn P.T. zur Post gebracht worden sei. Damit habe die Beklagte im Zeitpunkt der Antragstellung durch den Kläger vom bestehenden Versicherungsschutz gewusst und der Kläger in keiner Weise eine Doppelversicherungssituation verschwiegen. Vielmehr habe der Kläger sich nie doppelt versichern, sondern seine bestehende Versicherung bei der Y. Versicherung durch diejenige bei der Beklagten ersetzen wollen. Gegenüber Herrn P.T. habe er im Laufe des Frühjahrs/Sommers 2004 seinen Unmut über die sinnlose doppelte Prämienzahlung ausgesprochen. Der Kläger habe keine ausdrückliche Frage nach einer erheblichen Gefahrstatsache falsch beantwortet; insbesondere habe er bejaht, dass im Zeitpunkt der Antragstellung bei der

Y. Versicherung noch eine Versicherung in Kraft sei. Bei der Bemerkung „noch bis Ende 2003“ handle es sich nicht um eine Antwort auf eine ausdrücklich gestellte Frage des Versicherers und auch nicht um eine Aussage über eine gegenwärtige Tatsache, sondern über ein zukünftiges und daher ungewisses Ereignis. Gehe man trotzdem von einer Verletzung der Anzeigepflicht aus, so hätte die Beklagte gestützt auf Art. 8 Ziff. 4 VVG nicht zurücktreten können, da sie die unrichtig angezeigte Tatsache gekannt habe hätte kennen müssen, denn das Wissen um das Weiterbestehen des Vertrags mit der Y. Versicherung ihres (als Abschlussagent zu betrachtenden) Mitarbeiters, P.T., sei ihr zuzurechnen. Schliesslich wäre der Rücktritt der Beklagten ohnehin nicht innert der von Art. 6 VVG vorgegebenen Frist von vier Wochen erfolgt und damit ohne Wirkung. Denn P.T. habe mindestens zwei Monate vor dem Schadensereignis Kenntnis über die noch bestehende Doppelversicherung erhalten und dessen Wissen sei der Beklagten anzurechnen, selbst wenn er nicht als Abschlussagent, sondern nur als Vermittlungsagent betrachtet werde.

b) Die Beklagte stellt sich auf den Standpunkt, der Kläger habe im Wissen darum, dass sein Geschäftsinventar schon bei der Y. Versicherung versichert gewesen sei, den Antrag am 3. September 2003 unterschrieben. Es sei unerheblich, wer das Antragsformular ausgefüllt habe. Der Kläger habe für die richtige Beantwortung der klar und allgemeinverständlich formulierten Antragsfragen einzustehen. Er habe in Beantwortung der Fragen unmissverständlich - und inhaltlich falsch - erklärt, dass am

3. September 2003 bei der Y. Versicherung noch eine Versicherung bestand, dass diese jedoch nur noch bis Ende 2003 in Kraft sei. P.T. sei als Aussendienstmitarbeiter der Beklagten lediglich als Vermittlungsagent aufgetreten und das Wissen des

Vermittlungsagenten sei dem Versicherer nach ständiger Rechtsprechung nicht zuzurechnen. Zudem werde ohnehin bestritten, dass P.T. im Zeitpunkt des Antrages gewusst habe, dass die im Antrag aufgeführte Police der Y. Versicherung bereits durch eine neue ersetzt worden war. Herr P.T. habe das Kündigungsschreiben an die Y. Versicherung aufgrund der Angaben des Klägers und den von diesem vorgelegten Unterlagen vorbereitet. Bestritten sei auch, dass der Kläger P.T. bereits im Frühling/ Sommer 2004 mitgeteilt habe, er sei sowohl bei der Beklagten als auch bei der Y. Versicherung für das gleiche Risiko versichert; dies habe die Beklagte erst am 15. September 2004 bei der Schadensbesichtigung erfahren. Selbst wenn der Kläger schon früher gegenüber Herrn P.T. erklärt haben sollte, er zahle auch der Y. Versicherung weiterhin Prämien, so hätte damit die Beklagte selbst bei einer Wissenszurechnung vor dem 15. September 2004 noch keine sichere Kenntnis von einer Anzeigepflichtverletzung durch den Kläger erlangt. Von einer Veranlassung zu einer Anzeigepflichtverletzung durch Herrn P.T. könne ebenfalls keine Rede sein, da der Antragsteller keinen Grund gehabt habe, sich bei der Beantwortung der klar gestellten Fragen auf fachmännisches Spezialwissen des Agenten zu verlassen. Der Kläger sei gehalten gewesen, alle Fragen vollständig und wahrheitsgetreu auszufüllen. Hingegen dürfe aus einer vor Annahme des Antrags unterbliebenen Erkundigung bei einem bisherigen Versicherer nicht geschlossen werden, es habe sich nicht um eine Frage betreffend eine erhebliche Gefahrstatsache gehandelt.

  1. Gemäss Art. 4 VVG hat der Antragsteller dem Versicherer an Hand eines Fragebogens auf sonstiges schriftliches Befragen alle für die Beurteilung der Gefahr erheblichen Tatsachen, soweit und so wie sie ihm beim Vertragsschluss bekannt sind bekannt sein müssen, schriftlich mitzuteilen. Derartige Gefahrstatsachen sind alle Umstände und Fakten, die im konkreten Fall bei der Beurteilung der Gefahr durch den Versicherer in Betracht fallen, die ihn über den Umfang der zu deckenden Gefahr aufklären können. Der Versicherer muss die Wahrscheinlichkeit eines Schadenfalls abschätzen können und ebenso, ob von einem hohen tiefen Schadensdurchschnitt auszugehen ist. Es geht nicht nur um die unmittelbaren Risikofaktoren, sondern auch um Tatsachen, die einen Rückschluss auf das Vorliegen von Risikofaktoren zulassen (BGE 99 II 77 f.; 116 II 338, Erw. 1a, 118 II 333, Erw. 2a; vgl. auch Alfred Maurer, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, 3. Aufl., Bern 1995, S. 249). Als erheblich gelten diejenigen Gefahrstatsachen, die

    geeignet sind, auf den Entscheid des Versicherers, den Vertrag überhaupt zu den vereinbarten Bedingungen abzuschliessen, einzuwirken (Art. 4 Abs. 2 VVG). Nach Art. 4 Abs. 3 VVG wird vermutet, dass Gefahrstatsachen, nach denen der Versicherer schriftlich in bestimmter und unzweideutiger Form fragt, erheblich sind (widerlegbare Vermutung; vgl. Alfred Maurer, a.a.O., S. 252). Der Antragsteller muss jedoch nur auf Fragen antworten, die ihm ausdrücklich gestellt werden und nicht von sich aus auf Gefahrstatsachen hinweisen (Alfred Maurer, a.a.O., S. 251; in der neuen Fassung von Art. 6 VVG jetzt ausdrücklich: „Gefahrstatsache…., über die er schriftlich befragt worden ist“). Eine unrichtige Auskunft über nicht Gefragtes bleibt ohne Folgen (Urs Ch. Nef, in: BSK-VVG, N 23 zu Art. 4 VVG). Hat der Antragsteller beim Vertragsabschluss eine ihm bekannte eine für ihn erkennbare erhebliche Gefahrstatsache gemäss Abs. 4 Abs. 2 VVG unrichtig mitgeteilt verschwiegen, so steht dem Versicherer nach Art. 6 VVG das Recht zu, innerhalb von vier Wochen seit Kenntnisnahme von der Anzeigepflichtverletzung vom Vertrag zurückzutreten; das Vertragsverhältnis wird ex tunc aufgelöst (Nef, a.a.O., N 31, aber auch N 33 zu Art. 6 VVG). Verpasst er diese Frist, so ist er trotz der Anzeigepflichtverletzung an den Vertrag gebunden. Nach der Rechtsprechung beginnt die vierwöchige Frist ab dem Zeitpunkt zu laufen, ab welchem der Versicherer vollständig über alle Punkte, welche die Verletzung der Anzeigepflicht betreffen, orientiert ist und er davon sichere, zweifelsfreie Kenntnis erlangt hat; Vermutungen genügen nicht (BGE 118 II 333, Erw. 3a a.E.; Bundesgericht 5C. 104/2001, Erw. 4b). Trotz Anzeigepflichtverletzung kann ein Versicherer u.a. dann nicht vom Vertrag zurücktreten, wenn er die Verschweigung die unrichtige Angabe veranlasst hat (Art. 8 Ziff. 2 VVG) wenn er die verschwiegene die unrichtig angezeigte Tatsache (richtig) gekannt hat gekannt haben muss (Art. 8 Ziff. 3 und 4 VVG).

  2. a) Zuerst ist zu prüfen, ob der Kläger bei der Antragstellung eine Anzeigepflichtverletzung begangen hat, indem er eine von der Beklagten ausdrücklich gestellte Frage betreffend eine erhebliche Gefahrstatsache unrichtig beantwortet eine erhebliche Gefahrstatsache bei der Beantwortung der Fragen verschwiegen hat. Dabei ist von folgender Ausgangslage auszugehen: Fest steht, dass der Kläger die Frage, ob für den zu versichernden Betrieb bereits eine ähnliche Versicherung bestehe, zu Recht bejaht hat. Die Frage nach der Gesellschaft ist ebenfalls korrekt mit „(…)“ [Y. Versicherung] beantwortet. Hingegen handelt es sich bei der angegebenen Policen Nr.

    5.918.722 um eine frühere Police, die bei Antragstellung bereits nicht mehr in Kraft war; an deren Stelle war die Police Nr. 15.051.620 mit Laufzeit vom 15. Februar 2002 bis 28. Februar 2005, wiederum bei der, getreten (kläg. act. 8). Die Frage „Sind die Versicherungen noch in Kraft’“ beantwortete der Kläger mit „ja“. Die Zusatzfrage

    „Wenn nein, Grund“ ist (ungefragt, da die vorherige Frage bejaht worden war) mit „ja, noch bis Ende 2003“ beantwortet. Es ist nicht bestritten, dass der Kläger das Formular nicht eigenhändig ausgefüllt hat, sondern dass dies durch den Aussendienstmitarbeiter und Versicherungsberater „Gewerbe“ der Beklagten, P.T., geschah. Die für ein Visum des Antragstellers vorgesehenen Zeilen auf den Seiten 1-3 des Antrags sind leer; der Kläger hat jedoch das Antragsformular auf der letzten Seite unterzeichnet.

    1. Mit der Frage nach einer bestehenden früheren Versicherung für das gleiche Risiko eröffnet sich der Versicherer die Möglichkeit, beim bisherigen früheren Versicherer Auskünfte über den bisherigen Schadensverlauf einzuholen. Dies ist ohne Zweifel eine für die Risikoabwägung wesentliche Information und damit eine Frage, die eine erhebliche Gefahrstatsache im Sinne von Art. 4 Abs. 2 VVG betrifft. Die Beklagte hätte dem Kläger die Frage nach früheren Schadensfällen und deren Erledigung durch die Versicherung auch ausdrücklich direkt stellen können; dies war hier jedoch nicht der Fall. Sie erfragte hingegen noch den Grund für den Fall, dass eine frühere Versicherung nicht mehr in Kraft sein sollte. Die Antwort auf diese Frage kann ebenfalls Rückschlüsse auf Risikofaktoren erlauben. Im vorliegenden Fall war der Kläger aber im Zeitpunkt der Antragstellung versichert. Er hat nun die ihm gestellte Frage nach einer bestehenden früheren Versicherung korrekt beantwortet, ebenso hat er die richtige Gesellschaft genannt. Zudem war die Angabe der Policennummer - bezogen auf die zusammengefasste und damit nicht ganz eindeutige Frage nach einer aktuell in der Vergangenheit bestehenden Versicherung - mit der Nennung der früheren, jedoch in der Zwischenzeit ersetzten Policennummer nicht falsch. Selbst wenn man noch davon ausgehen würde, der Kläger habe die Zusatzfrage nach der Policennummer unrichtig unvollständig beantwortet, kann diese Frage für sich allein nicht als eine Frage nach einer erheblichen Gefahrstatsache betrachtet werden. Sie muss vielmehr als ergänzende Frage verstanden werden. Mit den Angaben des Klägers war die Beklagte ohne weiteres in der Lage, vor Vertragsabschluss weitere Abklärungen zu treffen und bei der richtig angegebenen Versicherungsgesellschaft Erkundigungen insbesondere über den Schadensverlauf mit dem Kläger einzuholen. Zu

      diesem Nachfragen hatte der Kläger die Beklagte mit der Unterzeichnung des Antragsformulars ermächtigt.

    2. Die Frage nach der Dauer einer bestehenden Versicherungsdeckung war nicht ausdrücklich gestellt. Daraus ist zu schliessen, dass selbst für die Beklagte diese Tatsache nicht als erhebliche Gefahrstatsache eingestuft wurde; die Vermutung der Erheblichkeit greift nur, wenn unzweideutige Fragen des Versicherers auf eine bestimmte Gefahrstatsache gerichtet sind (Art. 4 Abs. 3 VVG). Der Kläger hat mit seiner (bzw. mit der von ihm zu verantwortenden, jedoch von P.T. ins Formular geschriebenen) unrichtigen Bemerkung bezüglich Versicherungsdauer nicht eine ausdrücklich und unzweideutig gestellte Frage unrichtig beantwortet. Diese unrichtige Auskunft über nicht Gefragtes muss daher ohne Folgen für den Kläger bleiben. Die falsche Angabe bezüglich Versicherungsdauer hatte zudem ohnehin keine negativen Auswirkungen für die Beklagte. Sie hätte sich bei einer Nachfrage auch ohne weiteres korrigieren lassen, da der Kläger ja die Frage nach einer bestehenden Versicherung korrekt bejaht und die Gesellschaft richtig bezeichnet hatte. Die Tatsache, dass die falsche Vertragsdauer bei der Y. Versicherung vor Vertragsabschluss nicht aufgedeckt worden war, hatte vielmehr einzig für den Kläger negative Folgen. Er war nun, weil er mit zwei Versicherern gültige Verträge hatte, doppelt versichert und zahlte auch doppelt Prämien, ohne jedoch Anspruch auf höhere Leistungen zu haben (Art. 71 VVG). Eine Doppelversicherung ist nicht grundsätzlich verboten (Jürg Hauswirth / Hans Rudolf Suter, Sachversicherung, 2. Auflage, Zürich 1990, S. 117). Die in Art. 53 Abs. 1 VVG statuierte Obliegenheit des Versicherungsnehmers, von einer Doppelversicherung allen Versicherern sofort schriftlich Kenntnis zu geben, hat nur dann Folgen für die Gültigkeit des Vertrages, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeige absichtlich (und nicht in Unkenntnis der Mitteilungspflicht; vgl. Christian Boll, in: BSK-VVG, N 19 zu Art. 53 VVG) unterlassen die Doppelversicherung in der Absicht abgeschlossen hat, sich daraus einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Dass dies der Fall war, wird nicht geltend gemacht. Auch lässt sich im vorliegenden Fall nicht damit argumentieren, aufgrund der Doppelversicherung habe der Kläger Grund gehabt, sich nachlässiger zu verhalten, womit das Risiko höher einzuschätzen gewesen wäre, wie dies z.B. im Fall einer Summenversicherung in der Personenversicherung u.U. zu befürchten wäre (Alfred Maurer, a.a.O., S. 249, Anm. 541a; vgl. auch die für den vorliegenden Fall einer Schadensversicherung nicht zutreffende Argumentation in BGE

      118 II 333, Erw. 2a). Unter den gegebenen Umständen stellt die Kenntnis des Weiterbestehens einer früheren Versicherung für das gleiche Risiko über den vorgesehenen Vertragsbeginn hinaus keine für die Beurteilung der Gefahr wesentliche Tatsache im Sinne von Art. 4 Abs. 1 VVG dar. Die doppelte Versicherung brachte dem Kläger keinerlei Vorteile und musste daher bei der Beklagten nicht zu einer anderen Risikoeinschätzung führen.

    3. Zusammenfassend ist im vorliegenden Fall deshalb nicht einzusehen, inwiefern die unrichtige Antwort des Klägers bezüglich Vertragsdauer und die Angabe einer nicht mehr aktuellen Policennummer als Anzeigepflichtverletzung nach Art. 4 VVG zu qualifizieren sein sollten, zumal nach der Rechtsprechung das Vorliegen einer Verletzung einer Anzeigepflicht - auch unter Berücksichtiung der doch schwerwiegenden Konsequenzen - nur mit grösster Zurückhaltung bejaht werden darf (BGE 118 II 333, Erw. 2b; 116 II 341, Erw. 1d). Im vorliegenden Fall hinderten die Antworten des Klägers die Beklagte in keiner Weise an einer korrekten Risikoeinschätzung. Der Kläger hat keine klar und ausdrücklich gestellte, auf eine erhebliche Gefahrstatsache bezogene Frage unrichtig beantwortet. Die Versicherungsdeckung ist daher zu bejahen.

  3. Nach dem Gesagten kann vorliegend die Frage offen bleiben, ob die Beklagte - wenn die Verletzung der Anzeigepflicht durch den Kläger bejaht worden wäre - ihren Rücktritt vom Versicherungsvertrag mit dem Kläger rechtzeitig erklärt hätte nicht.

  4. Da die Versicherungsdeckung bejaht wird, ist das Verfahren im Quantitativen fortzusetzen. Es tritt das vertraglich vorgesehene Verfahren zur Schadensermittlung (Schiedsgutachten, vgl. Art. 119 ZPO) an die Stelle eines gerichtlichen Gutachtens zum Quantitativen. Die Parteien werden deshalb aufgefordert, das Sachverständigenverfahren nach Art. 19 AVB durchzuführen und dem Gericht anschliessend das Ergebnis mitzuteilen.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.