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Urteil Handelsgericht (SG - HG.2005.124)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:HG.2005.124
Instanz:Handelsgericht
Abteilung:Handelsgericht
Handelsgericht Entscheid HG.2005.124 vom 23.06.2008 (SG)
Datum:23.06.2008
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 26 Abs. 1 Ziff. 3 und Art. 50 PatG (SR 232.14). Eine Erfindung ist im Patentgesuch so darzulegen, damit sie der Fachmann ausführen kann. Das Patent ist nichtig, wenn – wie der gerichtliche Sachverständige festhält – in Bezug auf eine "einkomponentige Dichtmasse" die beanspruchte Zusammensetzung, insbesondere das darin enthaltende Vinylpolymere, nicht so dargelegt ist, dass der Fachmann sie wiederholbar ausführen kann (Handelsgerichtspräsident, 23. Juni 2008, HG.2005.124).
Zusammenfassung:Die A. AG, Inhaberin des schweizerischen Patents Nr. (CH) 0000, klagte gegen die B. AG und die C. AG wegen Verletzung ihres Patents für eine `einkomponentige Dichtmasse in Kartuschen`. Der gerichtliche Sachverständige stellte fest, dass die beanspruchte Zusammensetzung nicht ausreichend offenbart war, insbesondere bezüglich der enthaltenen Vinylpolymere. Das Patent wurde als nichtig erklärt, da die Erfindung im Patentgesuch nicht so dargelegt war, dass der Fachmann sie wiederholbar ausführen konnte. Das Bundesgericht hob den Präsidialentscheid des Kassationsgerichts auf und wies die Nichtigkeitsbeschwerde der Gesuchsgegnerinnen ab. Der Experte, Patentanwalt X., wurde beauftragt, ein Gutachten zur Frage der Rechtsbeständigkeit des Patents zu erstatten. Die Gesuchstellerin kritisierte die Expertise, aber der Handelsgerichtspräsident hielt sie für relevant und berücksichtigte sie in seiner Entscheidungsfindung. Letztendlich wurde das Patent für nichtig erklärt, da die Erfindung nicht ausreichend offenbart war.
Schlagwörter: Experte; Quot; Erfindung; Gutachten; Patent; Gesuch; Experten; Gesuchsgegnerin; Gesuchsgegnerinnen; Offenbarung; Fachmann; Neuheit; Dichtmasse; Eingabe; Vinylpolymer; Parteien; Massnahme; Vinylpolymere; Zusammensetzung; Handelsgerichtspräsident; Eigenschaften; Ausführung; Patents
Rechtsnorm: Art. 114 ZPO ; Art. 115 ZPO ; Art. 164 ZPO ; Art. 292 StGB ; Art. 56 ZPO ; Art. 93 ZPO ;
Referenz BGE:132 III 83;
Kommentar:
-
Entscheid
Art. 26 Abs. 1 Ziff. 3 und Art. 50 PatG (SR 232.14). Eine Erfindung ist im Patentgesuch so darzulegen, damit sie der Fachmann ausführen kann. Das Patent ist nichtig, wenn – wie der gerichtliche Sachverständige festhält – in Bezug auf eine "einkomponentige Dichtmasse" die beanspruchte Zusammensetzung, insbesondere das darin enthaltende Vinylpolymere, nicht so dargelegt ist, dass der Fachmann sie wiederholbar ausführen kann (Handelsgerichtspräsident, 23. Juni 2008, HG.2005.124).

I.

1. Die A. AG (Gesuchstellerin) bezweckt namentlich die Fabrikation und den Vertrieb von selbstklebenden Produkten; sie ist Inhaberin des schweizerischen Patents Nr. (CH) 0000 (nachfolgend Klagepatent II) "Einkomponentige Dispersionsdichtmasse in Kartuschen". Der (unabhängige) Patentanspruch 1 lautet wie folgt:

"Einkomponentige Dichtmasse auf der Basis einer Dispersion von Vinylpolymeren

in einem wässrigen Medium, wobei die Dichtmasse im Nasszustand im Wesentlichen

frei von flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) ist, im Trockenzustand selbstklebend ist, und aus wenigstens einer Phase besteht, deren Glasübergangstemperatur Tg unter 10° C liegt."

In den (abhängigen) Patentansprüchen 2-9 werden Dichtmassen nach Anspruch 1 mit bestimmten zusätzlichen Charakteristika definiert; die Ansprüche 12 und 13 betreffen ein Verfahren zur Verwendung der Dichtmasse. Anspruch 14 betrifft die mit der Dichtmasse beschichteten Materialien und Anspruch 15 ein Herstellungsverfahren.

Das CH 0000 wurde mit Priorität 12. Januar 2000 (DE 1111) vom Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) am 30. April 2003 erteilt.

Die Gesuchstellerin war Inhaberin des europäischen Patents EP 2222 (nachfolgend Klagepatent I) "Einkomponentige Dispersionsdichtmasse in Kartuschen". Das EP 2222 mit Priorität 12. Januar 2000 (DE 1111) wurde vom Europäischen Patentamt (EPA) am

9. April 2003 erteilt; dagegen erhob unter anderem die C. AG (Gesuchsgegnerin 2) Einspruch. Sie stellte in ihrer Eingabe an das EPA vom 9. Januar 2004 den Antrag, das erteilte Patent sei in vollem Umfang zu widerrufen, da es nicht neu sei und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. In der Folge verzichtete die Gesuchstellerin auf EP 2222, und dieses wurde am 12. Juli 2005 widerrufen.

Die B. AG (Gesuchsgegnerin 1) vertreibt Systeme zur Abdichtung von Gebäudehüllen. Sie bietet unter "Klebetechnik" insbesondere einen lösungsmittelfreien, luftdichten und dauerhaft elastischen "Randanschlusskleber" unter der Bezeichnung "Z." an. Dieser wird von der Gesuchsgegnerin 2 hergestellt.

  1. Am 6. April 2004 stellte die Gesuchstellerin ein Gesuch um Erlass vorsorglicher Massnahmen. Sie behauptete, die Gesuchsgegnerinnen verletzten CH 0000 und EP 2222 insbesondere mit der Fabrikation und dem Vertrieb des Produktes "Z.". In der Replik stellte die Gesuchstellerin das eingangs wiedergegebene, neu formulierte Rechtsbegehren. Sie führte aus, das neue Rechtsbegehren orientiere sich nunmehr nicht mehr an CH 0000, sondern an EP 2222. Es seien nunmehr sämtliche beschränkenden Merkmale der Klagepatente in den Rechtsbegehren enthalten.

    Mit Entscheid vom 24. Dezember 2004 verfügte der Handelsgerichtspräsident gegenüber den Gesuchsgegnerinnen ein Verbot gemäss den Rechtsbegehren der Replik und drohte ihnen bzw. ihren Organen Strafe im Sinne von Art. 292 StGB für den Fall der Nichtbeachtung an. Der Gerichtspräsident bestimmte, dass die Verfügung in Kraft trete, sobald die Gesuchstellerin eine Sicherheit im Betrag von Fr. 500'000.-- geleistet habe, und verpflichtete sie zur Klageeinreichung im ordentlichen Prozess innert 30 Tagen ab Zustellung der Verfügung unter Androhung des Dahinfallens der Massnahme im Säumnisfall (HG.2004.28-HGP).

  2. Am 2. Februar 2005 machten die Gesuchstellerin und die D. AG als Klägerinnen gestützt auf Ziff. 4 des Entscheids des Handelsgerichtspräsidenten vom 24. Dezember 2004 eine Klage anhängig mit einem Rechtsbegehren, welches teilweise über die Rechtsbegehren gemäss Ziff. 1.a) und 1.b) des erwähnten Entscheids vom 24. Dezember 2004 hinausgeht (HG.2005.14-HGK). Dabei hielten sie fest, dass sie die vorliegende Klage nicht mehr auf CH 0000 (Klagepatent II) stützen würden, sondern auf EP 2222 (Klagepatent I) und neu auf EP 3333 (nachfolgend Klagepatent III). Die Beklagten reichten am 15. August 2005 die Klageantwort und Widerklage (HG.2005.14- HGK) ein. Mit der Widerklage verlangten sie insbesondere, der schweizerische Teil von EP 3333 und das CH 0000 seien nichtig zu erklären.

  3. Mit Entscheid vom 26. April 2005 wies der Präsident des Kassationsgerichts des

Kantons St. Gallen die gegen den Entscheids des Handelsgerichtspräsidenten vom

24. Dezember 2004 (HG.2005.28-HGP) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der

Gesuchsgegnerinnen ab.

5. Mit Urteil vom 21. September 2005 hob das Bundesgericht in Gutheissung der

staatsrechtlichen Beschwerde den Präsidialentscheid des Kassationsgerichts vom

26. April 2005 auf (BGE 132 III 83, 4P.145/2005). Mit Präsidialentscheid des Kassationsgerichts des Kantons St. Gallen vom 27. Dezember 2005 wurde die Nichtigkeitsbeschwerde der Gesuchsgegnerinnen geschützt, und es wurden Ziff. 1-4 des Entscheids des Handelsgerichtspräsidenten vom 24. Dezember 2004 aufgehoben. Die Streitsache wurde im Sinne der Erwägungen zu neuer Beurteilung an den Handelsgerichtspräsidenten zurückgewiesen.

6. Am 3. Januar 2006 reichte die Gesuchstellerin ein Gesuch auf Erlass einer superprovisorischen Verfügung gemäss Artikel 203 ZPO ein mit dem Antrag, es seien mit sofortiger Wirkung und ohne Anhörung der Gesuchsgegnerinnen vorsorgliche Massnahmen gemäss dem in der Massnahmereplik vom 7. Juli 2004 gestellten Rechtsbegehren (HG.2004.28-HGP) zu erlassen. Mit Entscheid vom 9. Januar 2006 wies der Handelsgerichtspräsident das Begehren um Erlass einer dringlichen Verfügung ab. Die Gesuchsgegnerinnen hatten bereits in der Antwort zum Massnahmegesuch vom 12. Mai 2004 (HG.2004.28-HGP) einredeweise die Nichtigkeit der Klagepatente behauptet. Gestützt auf das Urteil des Bundesgerichts vom 21. September 2005 (4P.145/2005 E. 3.4 f.) ordnete der Handelsgerichtspräsident im erwähnten Entscheid vom 9. Januar 2006 die Einholung eines Kurzgutachtens insbesondere zur Frage der Rechtsbeständigkeit von CH 0000 an und setzte den Parteien eine Frist an, um allfällige Einwendungen gegen die Ernennung von X., Patentanwalt VSP, als Experten zu erheben.

Mit Eingabe vom 2. Februar 2006 stellten die Gesuchsgegnerinnen insbesondere den Antrag, auf das Gesuch auf Erlass einer vorsorglichen Massnahme sei nicht einzutreten und auf die Beauftragung eines Gutachters sei zu verzichten, eventualiter sei das Gesuch auf Erlass einer vorsorglichen Massnahme abzuweisen und auf die Beauftragung eines Gutachters sei zu verzichten, und subeventualiter würden die Gesuchsgegnerinnen keine Einwendungen gegen die Ernennung von X. als Experten für die Einholung eines Kurzgutachtens über die Frage der Patentverletzung erheben; sollte das Kurzgutachten auf die Fragen der Weiterbenutzung und der Nichtigkeit der Streitpatente ausgedehnt werden, sei zusätzlich zu X. die EMPA, Dübendorf, mit einem solchen Gutachten zu beauftragen. Die Gesuchstellerin meldete mit Eingabe vom 2. Februar 2006 gewisse Bedenken in fachlicher Hinsicht gegenüber Patentanwalt X. an, schlug einen anderen Experten vor und beantragte zudem die Ernennung eines Doppelteams von Experten.

Mit Eingabe vom 9. März 2006 stellte die Gesuchstellerin insbesondere den Antrag, es seien vorsorgliche Massnahmen gemäss dem in der Massnahmereplik vom 7. Juli 2004 gestellten Rechtsbegehren (HG.2004.28-HGP) zu erlassen, der mit Vernehmlassung der Gesuchsgegnerinnen vom 2. Februar 2006 gestellte Antrag, wonach auf das Gesuch auf Erlass einer vorsorglichen Massnahme nicht einzutreten sei, und der

Eventualantrag, wonach das Gesuch auf Erlass einer vorsorglichen Massnahme abzuweisen sei, seien abzuweisen, und es sei ein Doppelteam von Gutachtern für die Einholung eines Kurzgutachtens zu ernennen. Die Gesuchsgegnerinnen reichten am

20. März 2006 eine Stellungnahme zur Eingabe der Gesuchstellerin vom 2. Februar 2006 ein, hielten an ihren Anträgen gemäss Eingabe vom 2. Februar 2006 fest und lehnten insbesondere die von der Gesuchstellerin vorgeschlagenen Experten ab.

  1. Am 24. März 2006 reichten die Gesuchsgegnerinnen eine nachträgliche Eingabe mit dem prozessualen Antrag ein, diese sowie die damit eingereichten Beilagen seien zuzulassen und zu den Akten zu nehmen. Dabei hielten sie insbesondere fest, EP 3333 (Klagepatent III) könne von der Gesuchstellerin nicht als Klagefundament nachgeschoben werden (vgl. vorne Ziff. I/3). Sie hielten insbesondere unter Einreichung von entsprechenden Unterlagen fest, Acrylat-Copolymere gemäss Rechtsbegehren seien keine Polyacrylate gemäss EP 3333. Die Gesuchstellerin nahm am 3. April 2006 zu dieser nachträglichen Eingabe Stellung, hielt an dem von ihr vorgeschlagenen Experten fest und führte aus, sie wolle sich aber gegenüber dem Vorschlag des Gerichts, Patentanwalt X. als Patentexperten zu bestellen, nicht verschliessen, sofern, wie auch von den Gesuchsgegnerinnen beantragt, vorab das Fachwissen von X. auf dem Gebiet der Polymer-Chemie und der Dichtmassen und Klebstoffe geklärt werde.

  2. Mit Verfügung vom 5. April 2006 bestimmte der Handelsgerichtspräsident Patentanwalt X., nachdem die Parteien keine hinreichend begründeten Einwände gegen ihn vorgebracht hatten, zum Experten. Festgehalten wurde, dass er, wie er anlässlich eines Telefongesprächs bestätigt habe, bereit und fachlich imstande sei, ein Kurzgutachten zu erstatten. Darauf hingewiesen wurde ferner, dass X. selber ausgeführt habe, es bestehe in der Tat die Problematik, dass er als Patentanwalt nicht über die spezialisierte Erfahrung eines Praktiker/Durchschnittfachmanns verfüge. In der erwähnten Verfügung des Handelsgerichtspräsidenten wurde festgehalten, dass X. nach Durchsicht der Akten dem Gericht mitteilen werde, ob ein Mitarbeiter der X. AG ein aussenstehender Experte für die Ausarbeitung des Gutachtens beizuziehen sei. Den Parteien wurde Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf für eine schriftliche Experteninstruktion gegeben.

    In der erwähnten Verfügung vom 5. April 2006 wurde der sinngemäss gestellte Antrag der Gesuchstellerin, es sei in das vorliegende Verfahren auch EP 3333 (Klagepatent III) einzubeziehen, abgewiesen und festgehalten, dass das Klagefundament des vorliegenden Rückweisungsverfahrens ausschliesslich CH 0000 bilde.

    Am 20. April 2006 reichte die Gesuchstellerin die Vernehmlassung zur Experteninstruktion ein. Die Gesuchsgegnerinnen erstatteten ihre Vernehmlassung zur Experteninstruktion am 4. Mai 2006, wobei sie den Antrag stellten, es sei eine mündliche Experteninstruktion mit Fallpräsentation durch die Parteien durchzuführen.

  3. In der nachträglichen Eingabe vom 12. Mai 2006 stellten die Gesuchsgegnerinnen neben den Anträgen auf Nichteintreten und Abweisung den neuen Subeventualantrag, bei der Befragung des Experten sei diesem vorab nur die Frage zu stellen, ob die Behauptungen der Gesuchsgegnerinnen, die deutsche Offenlegungsschrift 4444 stehe dem Gegenstand des Streitpatents patenthindernd entgegen, angesichts des Widerrufs des korrespondierenden und prioritätsbegründenden Deutschen Patents DE 1111 B4 durch das Bundespatentgericht am 8. Mai 2006 glaubhaft gemacht worden seien. Gleichzeitig reichten sie u.a. das Protokoll der Sitzung des 15. Senats des Deutschen Bundespatentgerichts vom 8. Mai 2006 ein und hielten fest, in der Verhandlung vom

8. Mai 2006 habe das Bundespatentgericht DE 1111 vollumfänglich widerrufen.

Am 12. Mai 2006 reichte die Gesuchstellerin unaufgefordert eine Eingabe "aus Gründen der Waffengleichheit" ein, nachdem es den Gesuchsgegnerinnen durch das Beantragen der Fristerstreckung gelungen sei, in ihrer eigenen Vernehmlassung diejenige der Gesuchstellerin bereits mitzuberücksichtigen. Sie stimmte dem Antrag der Gesuchsgegnerinnen auf Durchführung einer mündlichen Experteninstruktion mit Fallpräsentation durch die Parteien zu, wobei sie auf die Gefahr von ausufernden Präsentationen durch die Parteien hinwies. Sie wandte sich gegen die umfangreichen Umformulierungsvorschläge der Gesuchsgegnerinnen und beantragte, da es um ein Kurzgutachten gehe, die Fragen an den Experten auf die Klärung der technischen Grundlagen zur Beurteilung der drei zentralen Rechtsfragen nach Verletzung und Nichtigkeit des Streitpatents sowie nach dem Bestand eines Weiterbenützungsrechts auszurichten.

Die Gesuchstellerin nahm am 19. Mai 2006 zur nachträglichen Eingabe der Gesuchsgegnerinnen vom 12. Mai 2006 Stellung und hielt insbesondere fest, aus dem noch nicht rechtskräftigen Beschluss des Bundespatentgerichts, mit welchem DE 1111 B4 widerrufen worden sei, lasse sich für die Frage der Rechtsbeständigkeit von CH 0000 nichts ableiten.

  1. Am 19. Mai 2006 stellte der Handelsgerichtspräsident Patentanwalt X. die schriftliche Experteninstruktion und die Akten dieses Verfahrens (Verfahren IV, HG. 2005.124-HGP) und in sämtlichen mit diesem Verfahren zusammenhängenden Verfahren (Verfahren betreffend Schutzschrift, HG.2004.5-HGP; Verfahren I, HG. 2004.28-HGP; Verfahren II, HG.2005.14-HGK; Verfahren III, HG.2005.78-HGP) zu.

    Dabei wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass es im vorliegenden vorsorglichen Massnahmeverfahren um die Einholung einer gerichtlichen Kurzexpertise gehe, das Grundlage für die Glaubhaftmachung der entsprechenden Parteibehauptungen bilde.

    Der Experte X. hielt mit Brief vom 29. Juni 2006 fest, dass er zunächst die Frage der Rechtsbeständigkeit von CH 0000 (Klagepatent II) prüfen werde. Entsprechend diesem Schreiben, in welchem sich der Experte auch zu den voraussichtlichen Expertisekosten äusserte, wurde die Gesuchstellerin am 3. Juli 2006 aufgefordert, einen Kostenvorschuss von Fr. 35'000.-- zu leisten. Am 5. Juli 2006 umschrieb der Experte kurz den Umfang des vorgesehenen Gutachtens. Dabei hielt er insbesondere fest, eine Erfindung müsse im Patentgesuch so dargelegt sein, dass der Fachmann sie ausführen könne. In diesem Sinne bilde das Ausschliesslichkeitsrecht, welches das Patent dem Patentinhaber für eine beschränkte Zeit gewähre, die Gegenleistung für die Offenbarung der Erfindung. Es sei deshalb für die Begutachtung der Gültigkeit von CH 0000 zu beurteilen, ob der Inhalt von CH 0000 die gesetzlichen Voraussetzungen bezüglich (i) der Neuheit, (ii) der erfinderischen Tätigkeit, (iii) der Wiederholbarkeit der technischen Lehre und (iv) der genügenden Offenbarung erfüllt. Der Handelsgerichtspräsident stimmte dem vom Experten skizzierten Vorgehen am 7. Juli 2006 zu.

  2. Nachdem, wie erwähnt, die Gesuchstellerin am 3. Juli 2006 zur Leistung eines Beweiskostenvorschusses von Fr. 35'000.-- verpflichtet worden war, stellte sie am 5. Juli 2006 ein Wiedererwägungsgesuch betreffend diesen Vorschuss, indem sie

    sinngemäss beantragte, es sei eine hälftige Aufteilung der Vorschusspflicht zu verfügen. Sie hielt am Antrag auf Durchführung einer mündlichen Experteninstruktion fest. Mit Eingabe vom 12. Juli 2006 machte die Gesuchstellerin geltend, der Experte habe die Rechtsbeständigkeit von CH 0000 nur bezüglich der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit zu prüfen, nachdem die Gesuchsgegnerinnen im vorliegenden Massnahmeverfahren, bei welchem die Verhandlungs- und Dispositionsmaxime gelte (Art. 56 ZPO), keine Ausführungen zu den Fragen der genügenden Offenbarung und der Wiederholbarkeit der technischen Lehre gemacht hätten. Die Gesuchsgegnerinnen nahmen am 14. Juli 2006 zu den Eingaben vom 5. und 12. Juli 2006 Stellung und hielten fest, die Gesuchsgegnerinnen hätten die Nichtigkeit von CH 0000 glaubhaft gemacht. Nachdem die Gesuchstellerin trotz dieser glaubhaft gemachten Nichtigkeit eine vorsorgliche Massnahme erwirken wolle, erfolge die Beweiserhebung ausschliesslich in ihrem Interesse, weshalb sie kostenvorschusspflichtig sei. Die Gesuchsgegnerinnen beantragten, es sei in diesem Verfahrensstadium auf eine Experteninstruktion mit Parteivorträgen zu verzichten, nachdem sich der Gutachter bei der zunächst vorzunehmenden Prüfung der Rechtsbeständigkeit lediglich mit dem dokumentierten Stand der Technik auseinanderzusetzen habe. Sie hielten fest, der Experte habe sich im Rahmen der Prüfung der Rechtsbeständigkeit von CH 0000 auch zu der im Hauptverfahren (HG.2005.14-HGK) geltend gemachten mangelnden Offenbarung zu äussern.

    Mit Verfügung vom 20. Juli 2006 hielt der Handelsgerichtspräsident fest, dass es im gegenwärtigen Zeitpunkt bei der in der schriftlichen Experteninstruktion vom 19. Mai 2006 enthaltenen Fragestellung bleibe und eine mündliche Experteninstruktion sich zur Zeit als nicht notwendig erweise; sie werde auch vom Experten nicht befürwortet. Der Experte habe entsprechend dem von ihm skizzierten Vorgehen das Gutachten in Angriff zu nehmen, wobei über den Umfang des Verhandlungsgrundsatzes, soweit notwendig, nach Durchführung der Expertise in der Massnahmeverfügung zu entscheiden sei. In Berücksichtigung des Wiedererwägungsgesuchs der Gesuchstellerin vom 5. Juli 2006 wurden die Parteien verpflichtet, je hälftig einen Kostenvorschuss zu leisten.

  3. Die Gesuchsgegnerinnen reichten am 16. August 2006 eine nachträgliche Eingabe

    und u.a. die Begründung des Beschlusses des Bundespatentgerichts vom 8. Mai 2006

    ein und beantragten, diese Eingabe sowie den Beschluss des Bundespatentgerichts zuzulassen und zu den Akten zu nehmen sowie dem Experten zuzustellen. Die Gesuchstellerin hielt in ihrer Vernehmlassung vom 25. August 2006 fest, die Begründung des Bundespatentgerichts sei derart mangelhaft, dass sich aus dieser für die Frage der Rechtsbeständigkeit von CH 0000 nichts ableiten lasse.

  4. Mit nachträglicher Eingabe vom 9. Februar 2007 reichten die Gesuchsgegnerinnen

die Offenlegungsschrift DE 5555 A1 und eine eidesstattliche Erklärung von Dr. Y. vom

8. Februar 2007 von der Patentanwaltskanzlei U. AG ein mit dem Antrag, die Eingabe und diese Unterlagen zuzulassen und zu den Akten zu nehmen sowie dem Gutachter zuzustellen. Die Gesuchstellerin nahm zur Offenlegungsschrift DE 5555 A1 am 23. Februar 2007 materiell Stellung und beantragte, dass ihre nachträgliche Eingabe ebenfalls zugelassen, zu den Akten genommen und dem Gutachter zugestellt werde.

  1. Am 11. Juni 2007 reichten die Gesuchsgegnerinnen eine nachträgliche Eingabe ein und stellten den Antrag, diese Eingabe sowie der Bescheid der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 3. Mai 2007 seien zuzulassen, zu den Akten zu nehmen und unverzüglich dem Gutachter zuzustellen. Die technisch fachkundige Gebrauchsmusterabteilung habe die fehlende Neuheit des Streitpatents festgehalten, weshalb insbesondere der erwähnte Bescheid zuzulassen sei. Die Gesuchstellerin führte mit Eingabe vom 21. Juni 2007 aus, bei dem erwähnten Bescheid handle es sich lediglich um eine vorläufige Stellungnahme der Gebrauchsmusterabteilung auf der Grundlage des bisherigen Vortrags der Parteien, weshalb dieser schwerlich als "starkes Indiz für die Nichtigkeit des Streitpatents in den hiesigen Verfahren" herangezogen werden könne.

  2. Am 28. September 2007 reichte der Experte X. das Gutachten ein, in welchem er

    u.a. festhielt, sofern CH 0000 eine neue und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhende Erfindung beinhalte, sei diese Erfindung nicht so dargelegt, dass der Fachmann diese wiederholbar ausführen könne.

    Nachdem den Parteien am 1. Oktober 2007 Gelegenheit zur Einreichung von Ergänzungsfragen eingeräumt wurde, teilte die Gesuchstellerin am 12. Oktober 2007 mit, sie erachte das Kurzgutachten als ungenügend. Sie zweifle an der Tauglichkeit des

    Sachverständigen X. und verzichte daher auf die Einreichung von Ergänzungsfragen. Die Gesuchsgegnerinnen stellten mit Eingabe vom 5. November 2007 die Ergänzungsfrage, wie der Experte die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit von CH 0000 konkret im Hinblick auf die Entgegenhaltung DE 4444 A1 anhand einer Merkmalsanalyse beurteile. Die Gesuchstellerin wandte am 7. November 2007 ein, dass es den Gesuchsgegnerinnen betreffend die Ergänzungsfrage an einem Rechtsschutzinteresse fehle.

  3. Am 18. Dezember 2007 reichten die Gesuchsgegnerinnen eine nachträgliche Eingabe und den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. Dezember 2007 ein mit dem Antrag, diese und der Beschluss seien zuzulassen und zu den Akten zu nehmen. Sie hielten fest, in der einzig verbliebenen Gebrauchsmusterlöschungssache gegen DE 6666 U1 liege nunmehr der begründete Beschluss der technisch fachkundigen Gebrauchsmusterabteilung I vor.

  4. Im Schreiben vom 20. Dezember 2007 führte der Experte in Bezug auf die Ergänzungsfrage der Gesuchsgegnerinnen aus, wenn eine in CH 0000 beanspruchte (neue) Zusammensetzung mit einer entsprechenden Zusammensetzung aus DE 4444 A1 verglichen und deren Neuheit beurteilt werden solle, so müsse logischerweise eine genaue Zusammensetzung aus CH 0000 bekannt sein. Dies sei aber nicht der Fall. Somit fehle für die Beantwortung der gestellten Frage die eigentliche Grundlage, was zur Folge habe, dass die Neuheit von CH 0000 (wegen ungenügender Offenbarung) gegenüber DE 4444 A1 nicht bestimmt werden könne. Die Gesuchsgegnerinnen hielten am 10. Januar 2008 fest, sie verzichteten angesichts des vollumfänglichen Widerrufs des korrespondierenden Patents DE 1111 B4 und der vollumfänglichen Löschung des Gebrauchsmusters DE 6666 U1 und in Würdigung des gesamten Sachverhalts auf eine detailliertere Beantwortung der von ihnen vorgeschlagenen Ergänzungsfrage durch den Experten X.

    In einer ebenfalls auf den 10. Januar 2008 datierten Eingabe hielt die Gesuchstellerin fest, nachdem sich der Experte X. ausserstande gesehen habe, die angeblich fehlende Neuheit von CH 0000 gegenüber DE 4444 A1 zu bestimmen, würden die Ansicht der Gesuchsgegnerinnen und des Urteils des Bundespatentgerichtes vom 8. Mai 2006,

    wonach DE 4444 A1 offensichtlich neuheitsschädlich sei, vom Experten X. nicht gestützt.

  5. Mit Schreiben vom 14. Januar 2008 hielt der Handelsgerichtspräsident fest, das Expertiseverfahren sei abgeschlossen, nachdem die Gesuchsgegnerinnen sinngemäss auf weitere Ergänzungsfragen verzichtet hätten. Am 30. Januar 2008 reichten die Gesuchsgegnerinnen die Beweiswürdigung zum Gutachten X. ein. Die Gesuchstellerin erstattete ihre Beweiswürdigung am 29. Februar 2008. Am 18. März 2008 reichten die Gesuchsgegnerinnen eine Stellungnahme zur Beweiswürdigung der Gesuchstellerin vom 29. Februar 2008 ein. Die entsprechende Stellungnahme seitens der Gesuchstellerin erging am 19. März 2008.

II.

  1. Weist das Bundesgericht die Streitsache zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuer Entscheidung zurück, so bestimmt das kantonale Prozessrecht, in welcher Weise das Verfahren fortzusetzen ist. Den Parteien ist zur Wahrung des rechtlichen Gehörs nur dann Gelegenheit zur Würdigung zur Teilnahme zu geben, wenn Beweisabnahmen wiederholt neu angeordnet werden. Weitere Vorbringen sind nur zulässig, wenn die Voraussetzungen gemäss Art. 164 ZPO erfüllt sind (GVP 2006 Nr. 86 m.w.H.).

    Nach der für den Handelsgerichtspräsidenten massgeblichen Begründung des Bundesgerichts (BGE 4P.145/2005, E.3.4 und 3.5) können auch im Verfahren der vorsorglichen Massnahmen nach Art. 77 PatG, in dem eine Beschränkung der Beweismittel grundsätzlich nicht Platz greift, streitige Fragen etwa betreffend Beurteilung des Schutzumfangs Prüfung der Neuheit des Patents ohne weiteres mit Kurzgutachten geklärt werden. Das Bundesgericht hielt verbindlich fest, dass angesichts der unbestritten fachtechnischen Bedeutung eines für die Beurteilung des Streitfalles erheblichen Streitpunktes es nicht vertretbar und daher willkürlich sei, ohne eigene Fachkunde und ohne Beizug eines unabhängigen gerichtlichen Sachverständigen auf eine bestrittene Parteibehauptung abzustellen. Entsprechend

    hielt der Kassationsgerichtspräsident im Präsidialentscheid vom 27. Dezember 2005 (E. 9.5) für den Handelsgerichtspräsidenten verbindlich fest, dass die Frage, ob die Gesuchsgegnerinnen die Ungültigkeit des Patents der Gesuchstellerin glaubhaft gemacht hätten, neu unter Beizug eines unabhängigen gerichtlichen Experten zu beurteilen sei. Entsprechend diesen für den Handelsgerichtspräsidenten massgeblichen Begründungen des Bundesgerichts und des Kassationsgerichtspräsidenten wurde am 9. Januar 2006 beschlossen, insbesondere zur Frage der Rechtsbeständigkeit von CH 0000 ein Kurzgutachten einzuholen.

    Der Einwand der Gesuchsgegnerinnen, dass das Patent der Gesuchstellerin ungültig sei, ist von den Gesuchsgegnerinnen bloss glaubhaft zu machen (BGE 4P.145/2005 E. 3.2 m.w.H.).

  2. a) Der Experte X. hält in seinem Gutachten vom 28. September 2007 einleitend fest, die Erfindung sowie die damit verbundene Lehre zum technischen Handeln müssten im Patent so dargelegt sein, dass der Fachmann die Erfindung gemäss dieser Lehre ausführen könne. Für die patentrechtliche Begutachtung der Gültigkeit von CH 0000 sei deshalb zu prüfen, ob der Inhalt von CH 0000 die gesetzlichen Voraussetzungen bezüglich der Neuheit, der erfinderischen Tätigkeit und der genügenden Offenbarung respektive der Wiederholbarkeit der technischen Lehre erfülle (Gutachten S. 1 Ziff. 1). Damit die Neuheit einer Erfindung bestimmt bzw. die Erfindung vom Stand der Technik abgegrenzt werden könne, sei es notwendig, dass die Erfindung genügend genau definiert bzw. abgegrenzt sei. Sei dies nicht der Fall, so könne (logischerweise) die Neuheit der beanspruchten Erfindung nicht bestimmt werden (Gutachten S. 3 Ziff. 3.1). Aufgrund dieser Überlegungen prüft der Experte zunächst die Frage der genügenden Offenbarung im Einzelnen.

    1. Gemäss Art. 50 Abs. 1 PatG ist die Erfindung im Patentgesuch so darzulegen, dass der Fachmann sie ausführen kann. Die fehlende ungenügende Offenbarung der Erfindung in der Patentschrift ist ein Nichtigkeitsgrund (Art. 26 Abs. 1 Ziff. 3 PatG). Das Ausschliesslichkeitsrecht, welches das Patent für eine beschränkte Zeit gewährt, bildet die Gegenleistung für die Offenbarung der Erfindung durch den Patentanmelder. Genügend ist eine Offenbarung dann, wenn eine Fachperson mit ihren normalen Fähigkeiten die Erfindung anhand der Patentschrift in der vollen beanspruchten Breite

      ausführen kann, ohne wiederum erfinderisch tätig werden zu müssen (P. Heinrich, Kommentar Schweizerisches Patentgesetz/Europäisches Patentübereinkommen, Zürich 1998, N 50.01, 50.03; Schachenmann/Bertschinger, in: Bertschinger/Münch/ Geiser, Schweizerisches und europäisches Patentrecht, Basel 2002, Rz. 15.12f.). So muss etwa für eine neue chemische Verbindung ein wiederholbares Verfahren zu ihrer Herstellung beschrieben dem Fachmann sonst zugänglich sein. Bei der Beurteilung der Ausführbarkeit darf unterstellt werden, dass der Fachmann die Standard-Handbücher und Nachschlagewerke auf seinem Gebiet heranzieht (Heinrich, PatG/EPÜ, N 50.03; Schachenmann/Bertschinger, a.a.O., Rz. 15.18, 15.20f.). Als Beispiel erwähnt der Experte Braun eine chemische Zusammensetzung, enthaltend unterschiedliche Komponenten, und hält für diesen Fall fest, dass die Zusammensetzung in der Erfindungsbeschreibung so genügend offenbart bzw. definiert sein müsse, dass diese vom Stand der Technik deutlich abgegrenzt werden könne. Sofern die Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik nicht durchführbar sei, ermangle es der Erfindung an einer genügenden Offenbarung (Gutachten S. 4 Ziff. 3.3).

    2. Der Experte X. weist darauf hin, dass in Anspruch 1 von CH 0000 eine Dichtmasse auf der Basis einer Dispersion von Vinylpolymeren beansprucht werde, und hält einleitend dazu fest, dass monomere Vinylverbindungen kommerziell in reiner Form erhältlich und gezielt, einzeln im Gemisch, definierbar für die Herstellung polymerer Verbindungen einsetzbar seien (Gutachten S. 4f. Ziff. 4). Da die in Anspruch 1 beanspruchte Dichtmasse insbesondere durch deren Eigenschaften definiert werde, dränge sich die Frage auf, ob der Inhalt von CH 0000 neben den Eigenschaften auch die Anweisung enthalte, wie diese Dichtmasse, und davon insbesondere die speziellen "Vinylpolymere", welche mit der Dichtmasse die definierten Eigenschaften ergeben würden, zusammengesetzt sind (Gutachten S. 6 Ziff. 5). Gemäss den Ausführungen des Experten hätte Anspruch 1 von CH 0000 auch in der Weise formuliert werden können, indem die beanspruchte Zusammensetzung, insbesondere das darin enthaltene Vinylpolymer, genügend definiert worden wäre. Vorliegend sei jedoch nicht ersichtlich, wo in CH 0000 eine spezifisch nacharbeitbare Zusammensetzung beschrieben sei, mit welcher die Neuheit die erfinderische Tätigkeit für die beanspruchte Erfindung nachgewiesen werden könnte (Gutachten S. 6 Ziff. 6 letzter Absatz, S. 7 Ziff. 6 Abs. 3). Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit müsste in

    CH 0000 nachgewiesen werden, dass die in CH 0000 beanspruchte Dichtmasse den vorbekannten Dichtmassen in nicht vorhersehbarer Weise überlegen sei. Dies könne nur durch die Nacharbeitung einer spezifisch in CH 0000 offenbarten Dichtmasse geschehen (Vergleichsversuche). Dies sei jedoch vorliegend nicht möglich, da sowohl im allgemeinen Teil der Beschreibung als auch im einzigen Beispiel von CH 0000 keine spezifisch definierte Dichtmasse beschrieben werde, die für einen Vergleichsversuch verwendet werden könnte (Gutachten S. 7 Ziff. 6 Abs. 5).

    In Ziff. 7.1 und 7.2 des Gutachtens (S. 8 ff.) begründet der Experte, warum die beanspruchte Dichtmasse betreffend die stoffliche Zusammensetzung nicht so dargelegt ist, dass der Fachmann diese wiederholbar ausführen kann. In keinem der Ansprüche 1-15 würden die verwendeten "Vinylpolymere" (Anspruch 1) die "Vinylpolymere auf Basis von Acrylat- und/oder Methacrylatmonomeren" (Anspruch 5) so genau definiert, dass ein Fachmann aus der Vielzahl der Monomere/Polymere entsprechende Verbindungen ohne erfinderisches Zutun respektive anders als durch Zufall auffinden könnte. Eine genügende Definition sei jedoch möglich, da Vinylpolymere und "Vinylpolymere auf Basis von Acrylat- und/oder Methacrylatmonomeren" an sich bekannt seien und industriell und in reproduzierbarer Weise aus definierten Ausgangsverbindungen hergestellt würden (Gutachten S. 8 Ziff.

    7.1 vorletzter Absatz). Die Eigenschaften von Vinylpolymeren seien jedoch je nach konkreter Struktur stark verschieden voneinander. Gerade auch deshalb müssten die erfindungsgemäss eingesetzten Vinylpolymere definiert sein. Die Eigenschaften der erfindungsgemäss verwendeten Vinylpolymere seien auch wichtig für die Herstellung einer stabilen wässrigen Dispersion, für deren Eigenschaften (im Nasszustand), als auch für die Eigenschaften der Dichtmasse im Trockenzustand. In den Ansprüchen

    1-14 seien jedoch die Polymere nicht weiter definiert, und auch Anspruch 15 lasse weder Rückschlüsse auf die verwendeten Monomere/Polymere zu noch enthalte er konkrete Angaben zum Herstellungsverfahren (Gutachten S. 9 Ziff. 7.1 Abs. 1 und 2). Aufgrund dieser Ausführungen kommt der Experte zum Schluss, dass die Ansprüche 1-15 keine Lehre zum technischen Handeln enthalten würden, mittels welcher der Fachmann die beanspruchte Erfindung ausführen könnte (Gutachten S. 9 Ziff. 7.1 Abs. 3).

    Der Experte klärte ferner ab, ob allenfalls die Beschreibung weitere Hinweise enthalte, mittels welchen die beanspruchte Erfindung vom Fachmann reproduzierbar ausgeführt werden kann (Gutachten S. 9 Ziff. 7.2 Abs. 1). Der Experte führt verschiedene relevante Zitate aus CH 0000 an und stellt dann fest, "dass die Beschreibung keine genügende und reproduzierbare Anweisung zum technischen Handeln gibt für die Herstellung der Vinylpolymere der "Vinylpolymere auf Basis von Acrylat- und/oder Methacrylatmonomeren", sofern diese neu sind und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen. Die erwähnten Textstellen von CH 0000 würden die Polymere nur allgemein umschreiben, das heisst ohne genaue Definition bezüglich derjenigen Zusammensetzungen und Eigenschaften, welche gemäss CH 0000 erforderlich seien (Gutachten S. 10 Ziff. 7.2 Mitte). Sowohl kommerzielle Polymere als auch die in CH 0000 erwähnten Additive seien dem Fachmann bekannt. Würden aber die Eigenschaften der Dichtmasse durch den Fachmann im Rahmen fachüblicher Versuche eingestellt, so sei dies keine erfinderische Tätigkeit (Gutachten S. 10 Ziff. 7.2 unten). Auch die Verwendung von Polyacrylaten auf der Basis von 2-Ethylhexylacrylat und/ Butylacrylat gemäss CH 0000 könne nicht als erfinderisch gelten (Gutachten S. 11 Ziff. 7.2 Abs. 1).

    In Bezug auf die Frage der Neuheit von CH 0000 gemäss Art. 7 Abs. 1 und 2 PatG führt der Experte aus, vorliegend könne die in CH 0000 beanspruchte Erfindung infolge der ungenügenden Erfindungsdefinition nicht als neu gegenüber dem Stand der Technik abgegrenzt werden (Gutachten S. 12 Ziff. 8 unten). In Bezug auf die Frage der erfinderischen Tätigkeit gemäss Art. 1 Abs. 2 PatG hält der Experte fest, eine Tätigkeit, welche der Fachmann mit seinem Fachwissen ausführen kann, ohne erfinderisch tätig zu werden, werde als naheliegend beurteilt. Eine blosse Optimierung der Eigenschaften einer Zusammensetzung gemäss dem Wissen des Fachmanns stelle keine erfinderische Lehre dar. Die in CH 0000 beanspruchte Erfindung könne deshalb nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, bzw. als nicht-naheliegend, bewertet werden (Gutachten S. 14 Ziff. 9 Mitte).

  3. In prozessualer Hinsicht macht die Gesuchstellerin geltend, der Experte rücke die ungenügende Offenbarung von CH 0000 in den Vordergrund des Gutachtens. Ungenügende Offenbarung des beanspruchten Gegenstands sei aber von den Gesuchsgegnerinnen im Massnahmeverfahren nie, sondern einzig im Hauptverfahren

behauptet worden. Entsprechend würden sich in der Experteninstruktion des Handelsgerichtspräsidenten vom 19. Mai 2006 keinerlei Ausführungen zur Frage der ungenügenden Offenbarung finden. Indem der Gutachter die ungenügende Offenbarung geprüft habe, habe er den Verhandlungsgrundsatz (Art. 56 ZPO) verletzt. Die Gesuchsgegnerinnen hielten fest, die gewissenhafte Behandlung der Frage, ob CH 0000 rechtsbeständig nichtig sei, schliesse die Thematik der ungenügenden Offenbarung ein, zumal die Gesuchsgegnerinnen mangelnde Offenbarung von Beginn der Verfahren an geltend gemacht hätten.

  1. Gemäss Art. 56 Abs. 1 ZPO gilt grundsätzlich im st.-gallischen Zivilprozess der Verhandlungsgrundsatz, indem die Parteien dem Gericht den Prozessstoff darlegen und die Beweise beantragen, und das Gericht die Streitsache rechtlich beurteilt (Leuenberger/Uffer-Tobler, N 2a zu Art. 56 ZPO/SG). Ein zusammen mit einem Massnahmebegehren anhängig gemachter Hauptprozess stellt ein Teil dieses dar, woraus zu schliessen ist, dass im Hauptverfahren vorgebrachte Tatsachenbehauptungen und Beweisanträge unter Umständen auch im Massnahmeverfahren zu berücksichtigen sind. Der Verhandlungsgrundsatz wird aber auch in verschiedener Hinsicht im Interesse der materiellen Wahrheit gemildert, indem etwa unter Umständen Tatsachen berücksichtigt werden dürfen, die zwar nicht ausdrücklich behauptet, jedoch durch das Beweisverfahren (nebenbei) erwiesen werden (vgl. Christoph Leuenberger, Nicht behauptete Tatsachen als Ergebnisse des Beweisverfahrens, in: Festschrift Franz Kellerhals, Bern 2005, S. 313 ff., insbes. S. 317 f., 325 f.). Das Gericht kann ferner gemäss Art. 93 ZPO über behauptete Tatsachen u.a. Gutachten von Amtes wegen anordnen und ausnahmsweise auch ohne Parteiantrag andere Beweise erheben, wenn zu befürchten ist, dass sonst das Urteil auf einen unzutreffenden Sachverhalt gestützt werden müsste (Leuenberger/Uffer-Tobler, N 2b zu Art. 56 ZPO/SG).

    Die Gesamtheit der Vorbringen der Parteien und der von ihnen eingelegten Akten bildet den speziellen Gegenstand des Gutachtens, und der Sachverständige soll sich grundsätzlich nur damit beschäftigen. Dieser Grundsatz ist aber zu relativieren, was sich auch aus den dem Experten vorgelegten, offenen Fragestellungen ergibt. "Es wird vom Gutachter also nicht verlangt, er müsse sich bei jeder einzelnen Frage zwischen der Ansicht A des Klägers und der Ansicht B der beklagten Seite

    entscheiden" (Zürcher, in: Schweizerisches und europäisches Patentrecht, Rz. 19.30f.). Er soll Fachwissen und Fachanalyse in einer objektiven Weise einbringen, so beispielsweise bei der Umschreibung des Durchschnittsfachmanns bei der Auslegung des Streitpatents (Zürcher, a.a.O., Rz. 19.31f.). Dem Sachverständigen soll es erlaubt sein, die Akten in ihrer Gänze zu berücksichtigen. "Konzentrierte sich beispielsweise eine Partei auf die Ansprüche 1 und 2 einer Entgegenhaltung, so darf der Experte wohl auch den Anspruch 3 des entsprechenden Dokumentes berücksichtigen" (Zürcher, a.a.O., Rz. 19.35).

  2. Die Gesuchstellerin reichte am 2. Februar 2005 zusammen mit der D. AG unter

    Bezugnahme auf Ziff. 4 des Entscheids des Handelsgerichtspräsidenten vom

    24. Dezember 2004 (HG.2004.28-HGP) eine Klage zwecks Prosequierung dieses Entscheids ein (HG.2005.14-HGK). Das vorliegende Massnahmeverfahren stellt damit ein Verfahren dar, bei welchem es sich um Erlass von Massnahmen vor während des Hauptverfahrens handelt. Schon aus diesem Grund soll es dem Sachverständigen erlaubt sein, die Gesamtheit der Vorbringen und eingelegten Akten der Parteien im Massnahme- wie auch Hauptverfahren zu berücksichtigen.

    Überdies haben beide Parteien ausdrücklich den Beizug der Akten und die Berücksichtigung der Ausführungen in den Rechtsschriften aus dem Hauptverfahren beantragt (vgl. Eingabe der Gesuchsgegnerinnen vom 02.02.2006 Rz. 21; Stellungnahme der Gesuchstellerin vom 09.03.2006 Rz. 18). Für den Fall, dass das Gericht dem übereinstimmenden Antrag der Parteien nicht stattgeben und auf einen Beizug der Akten aus dem Hauptprozess verzichten würde, beantragte die Gesuchstellerin in der erwähnten Stellungnahme, dass ihr eine Frist zur Einreichung der entsprechenden Schriftsätze angesetzt werde (Stellungnahme, Rz. 19). Damit ging die Gesuchstellerin selber davon aus, dass entweder sämtliche Vorbringen und Akten der Parteien des Hauptverfahrens im vorliegenden Massnahmeverfahren zu berücksichtigen seien, dass den Parteien die Möglichkeit, entsprechende Ergänzungen einzureichen, einzuräumen gewesen wäre. Nachdem entsprechend den Anträgen der Parteien dem Experten insbesondere sämtliche Akten aus dem Hauptverfahren zur Verfügung gestellt wurden (Experteninstruktion vom 19.05.2006 S. 3), ist davon auszugehen, dass die Gesamtheit der Vorbringen der Parteien und der

    von ihnen eingelegten Akten im Hauptverfahren vom Experten zu berücksichtigen waren.

    Im Hauptverfahren machten die Gesuchsgegnerinnen im Rahmen der Vorbringen betreffend Nichtigkeit die mangelnde Offenbarung geltend (vgl. Klageantwort und Widerklage vom 15.08.2005, Rz. 335 – 341; Duplik und Widerklagereplik vom 06.07.2006, Rz. 170f.). Die Gesuchstellerin setzte sich denn auch mit dem Einwand der mangelnden Offenbarung auseinander (vgl. Replik vom 06.02.2006 Rz. 169 – 172, mit dem ausdrücklichen Antrag auf Einholung einer Expertise). Bei der vorliegenden Rückweisung ist allerdings zu berücksichtigen, dass eine Beschränkung neuer Vorbringen und Beweismittel besteht (vgl. vorne Ziff. II/1; GVP 2006 Nr. 86).

  3. Im Übrigen sind die Ausführungen des Experten zur mangelnden Offenbarung

auch aus folgenden Gründen zu berücksichtigen:

aa) Der Experte X. führte selber in nachvollziehbarer Weise aus, damit die Neuheit einer Erfindung bestimmt bzw. die Erfindung vom Stand der Technik abgegrenzt werden könne, sei es notwendig, dass die Erfindung genügend genau definiert bzw. abgegrenzt sei. Sei dies nicht der Fall, so könne logischerweise die Neuheit der beanspruchten Erfindung nicht bestimmt werden (Gutachten S. 3 Ziff. 3.1 Abs. 3; vgl.

S. 4 Ziff. 3.2 oben, S. 11 Ziff. 7.3 unten). In Übereinstimmung mit dem Experten ist somit davon auszugehen, dass die Definition bzw. Abgrenzung der Erfindung vorweg abzuklären ist und damit Voraussetzung für die Beantwortung der Fragen der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit darstellt. In Ziff. 8 der Frage gemäss Experteninstruktion vom 19. Mai 2006, ob CH 0000 rechtsbeständig nichtig ist, ist somit die sich vorweg stellende Frage der hinreichenden Offenbarung der Erfindung enthalten.

bb) Aber auch wenn seitens der Gesuchsgegnerinnen der Einwand der ungenügenden Offenbarung nicht erhoben worden wäre und die Offenbarung vom Experten als Voraussetzung für die Fragen der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit nicht vorweg zu prüfen wäre, würde die Behandlung der ungenügenden Offenbarung durch den Experten im Rahmen seines Fachwissens und seiner Fachanalyse nicht gegen den Verhandlungsgrundsatz verstossen. In der Experteninstruktion vom 19. Mai 2006 (S. 8

lit. E) wurde der Experte ausdrücklich ermächtigt, im Rahmen des Beweisthemas eigene Erhebungen anzustellen und Auskünfte von Parteien und Dritten einzuholen (vgl. Art. 114 Abs. 3 ZPO; Leuenberger/Uffer-Tobler, N 6 zu Art. 114 ZPO/SG). Wie erwähnt, ist dem Gutachter bei der Beantwortung der Expertenfragen eine erhebliche Freiheit einzugestehen, indem er insbesondere von seinem Fachwissen Gebrauch machen soll, womit er im Rahmen der Behandlung der Expertenfragen nicht strikte an die Standpunkte der Parteien gebunden ist.

  1. Gemäss den Vorbringen der Gesuchstellerin verfügt der Experte X. nicht über das notwendige Fachwissen des Durchschnittsfachmanns, weshalb das Gerichtsgutachten allein schon aus diesem Grund beweisuntauglich sei.

    1. Mit Verfügung vom 9. Januar 2006 räumte der Handelsgerichtspräsident den Parteien Gelegenheit ein, allfällige Einwendungen gegen die Ernennung von Patentanwalt X. als Experten zu erheben. Die Gesuchstellerin beantragte mit Eingabe vom 2. Februar 2006, es sei ein Doppelteam von Experten zu ernennen, d.h. ausser dem Beizug eines Patentsachverständigen sei ein technischer Sachverständiger mit ausgewiesenen Kenntnissen im Bereich Polymere zu bestellen. Die Gesuchsgegnerinnen beantragten mit Eingabe vom 2. Februar 2006, es sei, sofern das Kurzgutachten insbesondere auf die Frage der Nichtigkeit ausgedehnt wird, zusätzlich zu Patentanwalt X. die EMPA, Dübendorf, mit einem solchen Gutachten zu beauftragen. Es sei das Fachwissen von X. auf dem Gebiet der Baukleber und Dichtmassen zu klären (Eingabe Rz. 72 ff.).

      Gemäss Schreiben des Handelsgerichtspräsidenten vom 5. April 2006 hatte Patentanwalt X. telefonisch am 4. April erklärt, dass er bereit und fachlich imstande sei, im vorliegenden Verfahren ein Kurzgutachten zu erstatten. Dabei wies er darauf hin, dass er als Patentanwalt nicht über die spezialisierte Erfahrung eines Praktikers/Durch- schnittfachmanns verfüge. Er werde deshalb nach Durchsicht der Akten dem Gericht mitteilen, ob ein Mitarbeiter der X. AG ein aussenstehender Experte für die Ausarbeitung des Gutachtens beizuziehen sei. Die Parteien würden Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten zu dem von PA X. allenfalls vorgeschlagenen Experten. Den Parteien wurde Gelegenheit zur Vernehmlassung zum Entwurf für eine schriftliche Experteninstruktion eingeräumt, worauf am 19. Mai 2006 die schriftliche

      Experteninstruktion erfolgte; zu jenem Zeitpunkt wurden dem Experten die Verfahrensakten zugestellt.

      Nachdem der Experte X. anlässlich des Telefongesprächs vom 4. April 2006 die Akten noch nicht erhalten und durchgesehen hatte, konnte er sich auch nicht darüber äussern, ob allenfalls ein Praktiker/Durchschnittfachmann beizuziehen war. Nachdem im Laufe der Ausarbeitung des Gutachtens keine entsprechende Mitteilung seitens des Experten erfolgte, ist davon auszugehen, dass er sich nach erfolgter Durchsicht der Akten ohne weiteres imstande sah, den Sachverhalt ohne Beizug eines Praktikers zu beurteilen. Als ausgebildeter organischer Chemiker ist der Experte imstande, eine Expertise auf dem Gebiet der Polymerchemie zu erstatten.

    2. Entgegen den Ausführungen der Gesuchstellerin ging der Experte nicht davon aus, dass es sich beim Kommentar PatG/EPÜ von P. Heinrich um eine Rechtsquelle handle, und der Experte war auch nicht gehalten, sich mit der Praxis des Europäischen Patentamts (EPA) auseinander zu setzen. Der Experte hielt einleitend sachgerecht fest, dass Grundlage für die Beurteilung der Rechtsbeständigkeit von CH 0000 das PatG sei, wobei "ergänzend respektive erklärend dazu" der Kommentar PatG/EPÜ von P. Heinrich verwendet worden sei (Gutachten S. 1 Ziff. 1 Abs. 1). Aufgabe des Experten ist es grundsätzlich, Lücken des Sachwissens zu schliessen und keine Rechtsfragen zu beantworten (Zürcher, a.a.O., Rz.19.16). Damit war der Experte X. nicht gehalten, sich bei der Frage, ob das schweizerische Patent CH 0000 genügend offenbart ist, insbesondere mit der Rechtsprechung zur Parallelnorm von Art. 83 EPÜ auseinander zu setzen.

    3. In Ziff. 4 des Gutachtens (S. 4f.) macht der Experte einlässliche Ausführungen zu den chemischen Grundlagen von CH 0000, die belegen, dass der Experte sehr wohl imstande ist, sich differenziert zu Fragen der Polymerchemie zu äussern. Auch wenn, wie die Gesuchstellerin behauptet (Eingabe vom 29.02.2008 S. 5 Ziff. 5), es sich dabei um "triviales Lehrbuchwissen über Polymerisation von Vinylverbindungen" handelt, wird von der Gesuchstellerin nicht dargelegt, aufgrund von welchen Umständen daraus auf die mangelnde Fachkenntnis des Experten zu schliessen ist. Die Gesuchstellerin weist zutreffend darauf hin, dass CH 0000 in Spalte 2, Zeilen 44-46, selbst Folgendes vorschlägt: "Erfindungsgemäss geeignete Polyvinylverbindungen werden durch dem

      Fachmann bekannte Dispersionspolymerisation hergestellt". Die Gesuchstellerin legt in keiner Weise dar, weshalb die vom Experten gezogene Schlussfolgerung, wonach in CH 0000 die Erfindung nicht so dargelegt sei, dass der Fachmann diese wiederholbar ausführen könne, unzutreffend sei. Nicht begründet widerlegt ist insbesondere etwa die Schlussfolgerung des Experten, wonach weder in der Beschreibung noch in den Patentansprüchen die "Vinylpolymere" (Anspruch 1) die "Vinylpolymere auf Basis von Acrylat- und/oder Methacrylatmonomeren" (Anspruch 5) genauer definiert seien. Nicht widerlegt ist somit auch die weitere Schlussfolgerung des Experten, dass, sofern diese Polymere neu sein sollen, sich in CH 0000 keine spezifische Beschreibung finde, aus welchem Monomer aus welchen Monomergemischen die "Vinylpolymere" die "Vinylpolymere auf Basis von Acrylat- und/oder Methacrylatmonomeren" spezifisch hergestellt sind (Gutachten S. 11 Ziff. 7.2 erstes Lemma).

    4. Insgesamt ist die Gesuchstellerin mit dem Einwand, der Gerichtsexperte X. verfüge

    nicht über das notwendige Fachwissen des Durchschnittsfachmanns, nicht zu hören.

  2. Die Gesuchstellerin wirft dem Experten eine Vermischung patentrechtlicher Konzepte vor, indem er die Fragen der genügenden Offenbarung und die Abgrenzung der Erfindung vom Stand der Technik im Rahmen der Neuheitsprüfung vermische. Die Neuheit lasse sich bestimmen, selbst wenn eine Erfindung mangelhaft definiert sei. Die Gesuchsgegnerinnen hielten fest, der Experte vermische den Begriff der Neuheit nicht mit der Frage der ausreichenden Offenbarung, sondern unterstelle vielmehr als Arbeitshypothese für die Prüfung der ausreichenden Offenbarung, dass Neuheit und erfinderische Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik gegeben ist.

    1. Nur was in der Patentschrift offenbart ist, kann geschützt werden und in den Patentanspruch eingebracht werden. Aus diesem Grund führt die mangelnde mangelhafte Offenbarung zur Nichtigkeit des Patents (Art. 26 Abs. 1 Ziff. 3 PatG). Zum einen soll die Offenbarung die Erfindung darlegen, und zum andern zwar so, dass der Fachmann sie ausführen kann (A. Briner, in: Patentrecht und Know-how, unter Einschluss von Gentechnik, Software und Sortenschutz, SIWR IV, Basel 2006, S. 156). Die Offenbarung ist in mehrfacher Hinsicht die Grundlage für die rechtliche Beurteilung der Erfindung. Insbesondere auch im Nichtigkeitsprozess gilt, dass nur was hinreichend offenbart ist, auch im Patentanspruch als technische Lehre beansprucht

      werden kann. Die Offenbarung dient auch der Feststellung der Aufgabe und der Lösung, auf deren Grundlage das Verhältnis zum Stand der Technik bezüglich der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit erfolgen kann. Die Offenbarung dient schliesslich in entscheidendem Masse als Mittel, um den Schutzbereich festzulegen, denn die Beschreibung und Zeichnungen sind zur Auslegung der den sachlichen Schutzbereich der Erfindung bestimmenden Patentansprüche beizuziehen (Art. 51 Abs. 3 PatG; Briner, SIWR IV, S. 157). Damit der Fachmann die Neuheit der Erfindung und ihr Naheliegen prüfen kann, hat der Erfinder die Erfindung so darzulegen, dass der Fachmann aus der Offenbarung die Aufgabe und die Lösung ermitteln kann. In Bezug auf die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit sind die Erfindung und der relevante Stand der Technik Vergleichsobjekte. Hingegen besteht betreffend der Ausführbarkeit der Erfindung dem Fachmann kein solches Vergleichsobjekt aus dem vorveröffentlichten Wissen zur Seite; der Einbezug des Standes der Technik hat hier keinen Platz. Es ist einzig danach zu fragen, ob der Fachmann aufgrund der Erläuterungen in der Patentschrift, unter Einbezug des allgemeinen Fachwissens auf dem betreffenden Fachgebiet, in der Lage ist, die erfinderische Lösung auszuführen (Briner, SIWR IV, S. 158, S. 162 bei Fn. 654). Bei chemischen Stoffen ist es zu ihrer vollständigen Offenbarung unerlässlich, auch Angaben über ihre Herstellung, wie auch über die Ausgangs- und Zwischenprodukte zu geben, soweit sie der Fachmann nicht seinem allgemeinen Fachwissen entnehmen kann (Briner, SIWR IV, S. 166).

    2. Im Sinne der soeben gemachten Ausführungen führt der Experte X. sachgerecht aus, es sei notwendig, dass die Erfindung genügend genau definiert bzw. abgegrenzt sei, ansonsten die Neuheit der beanspruchten Erfindung nicht bestimmt werden könne (Gutachten S. 3 Ziff. 3.1 Abs. 3). In Ziff. 7 des Gutachtens (S. 8 ff.) äussert sich der Experte nicht zu den Fragen der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit, sondern geht

    – im Sinne einer Arbeitshypothese – davon aus, dass die Neuheit besteht (vgl. z.B. Gutachten S. 11 Ziff. 7.3 erstes Lemma), und kommt zum folgenden Schluss (Gutachten S. 12 Ziff. 7.3 Mitte): "Beinhaltet CH 0000 eine neue und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhende Erfindung, so ist diese Erfindung nicht so dargelegt, dass der Fachmann diese wiederholbar ausführen kann." Damit steht fest, dass der Experte entgegen den Vorbringen der Gesuchstellerin Neuheit und erfinderische Tätigkeit nicht mit der Frage der Offenbarung der Erfindung vermischt, sondern als Schlussfolgerung festhält, dass, auch wenn CH 0000 neu wäre und auf einer

    erfinderischen Tätigkeit beruhen würde, der Fachmann aufgrund der Erläuterungen in der Patentschrift, unter Zuhilfenahme des allgemeinen Fachwissens auf dem betreffenden Fachgebiet, nicht in der Lage wäre, die erfinderische Lösung wiederholbar auszuführen.

  3. Die Gesuchstellerin brachte vor, entgegen dem Gutachten sei nicht allein der Inhalt einer Patentschrift relevant, um zu beurteilen, ob die Erfindung genügend offenbart ist. Der Fachmann könne die in der Anmeldung enthaltenen Informationen durch sein allgemeines Fachwissen vervollständigen. Weiter hält die Gesuchstellerin fest, das Gutachten "blendet das Fachwissen des Durchschnittsfachmannes konsequent aus", welches jedoch ergänzend zu berücksichtigen sei. Die Gesuchsgegnerinnen hielten fest, es lägen keinerlei Anzeichen vor, dass der Experte X. sklavisch ausschliesslich den Wortlaut des Streitpatents berücksichtigt hätte. Vielmehr zeigten gerade seine Ausführungen in Ziff. 4 des Gutachtens (S. 4f.), dass er den Sachverhalt insbesondere betreffend die chemischen Grundlagen weit über den blossen Wortlaut von CH 0000 hinaus durchdrungen habe.

  1. Nach Art. 50 PatG ist nur gefordert, dass die Fachperson die Erfindung ausführen kann. Angaben, die für die Fachperson selbstverständlich sind, weil sie zum Beispiel in Standardwerken enthalten sind, und Informationen, die ihr durch die Patentschrift in Verbindung mit dem Fachwissen nahegelegt werden, braucht die Patentschrift nicht zu enthalten (Heinrich, PatG/EPÜ, N 50.03 m.w.H.). Die in den Patentansprüchen definierte Erfindung ist in diesem Umfang aber so zu erläutern, dass die Nacharbeitung durch den Fachmann ermöglicht wird (Briner, SIWR IV, S. 62). Dabei muss dem Fachmann mindestens ein Weg deutlich aufgezeigt werden, mit welchem er ohne unzumutbaren Aufwand zur Erfindung gelangen kann, jedoch hat dieser eine Weg die Ausführung der Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich zu ermöglichen. Ein gewisses Probenmüssen ist im Rahmen der fachmännischen Möglichkeiten unschädlich, so lange einfache Versuche genügen, diese zu beheben (Briner, SIWR IV,

    S. 164f. m.w.H.). Auch wenn ein Herumexperimentieren in gewissen Grenzen vertretbar ist, muss die Patentschrift und das allgemeine Fachwissen aber doch eine brauchbare Anleitung liefern, die den Fachmann nach Auswertung anfänglicher Fehlschläge ohne Umwege zum Erfolg führt (Schachenmann/Bertschinger, a.a.O., Rz. 15.21 m.w.H.).

  2. Der Experte legt in Bezug auf die "einkomponentige Dichtmasse" in nachvollziehbarer Weise dar, dass, sofern die beanspruchte Zusammensetzung, insbesondere das darin enthaltene Vinylpolymere, genügend definiert ist, diese Zusammensetzung inhärent die ihr zukommenden erfindungsgemässen Eigenschaften habe und geeignet für die beanspruchte erfindungsgemässe Verwendung sei. Weise die Zusammensetzung somit die gewünschten reproduzierbaren und messbaren Eigenschaften auf, so sei die Diskussion, ob die Zusammensetzung eine Dichtmasse einen Klebstoff eine Dichtmasse mit Klebstoffeigenschaften darstelle, bzw. entsprechend benannt werden soll, patentrechtlich unerheblich (Gutachten S. 6f. Ziff. 6 Abs. 3 und 4). Die Gesuchstellerin behauptet in diesem Zusammenhang, der Gutachter ignoriere diese weiteren Aspekte von Anspruch 1 und reduziere den beanspruchten Gegenstand fälschlicherweise auf eine Dispersion von Vinylpolymeren. Sie setzt sich dabei weder mit den einlässlich begründeten Ausführungen des Gutachters auseinander noch legt sie hinreichend glaubhaft dar, weshalb die Ausführungen des Experten unzutreffend sein sollten.

    Weiter führt der Experte aus, für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit müsste in CH 0000 nachgewiesen werden, dass die in CH 0000 beanspruchte Dichtmasse den vorbekannten Dichtmassen in nicht vorhersehbarer Weise überlegen sei. Dies könne nur durch die Nacharbeitung einer spezifisch in CH 0000 offenbarten Dichtmasse geschehen (Vergleichsversuche). Vorliegend sei dies jedoch nicht möglich, da sowohl im allgemeinen Teil der Beschreibung als auch im einzigen Beispiel von CH 0000 keine spezifisch definierte Dichtmasse beschrieben werde, die für einen Vergleichsversuch verwendet werden könnte (Gutachten S. 7 Ziff. 6 zweitletzter Absatz). Diese nachvollziehbaren Ausführungen des Experten werden nicht durch die – nicht hinreichend glaubhaft gemachte – Behauptung der Gesuchstellerin umgestossen, wonach keine ungenügende Offenbarung vorliege, wenn die beste Ausführungsform nicht offenbart werde, mithin der Anmelder die Einzelheiten einer optimalen Lösung – wie "V." – geheim halte, wenn die offenbarte Lehre schon den in der Patentschrift angegebenen Erfolg herbeiführe.

  3. In Ziff. 7 des Gutachtens (S. 8 ff.) begründet der Experte einlässlich, weshalb in CH 0000 die Erfindung nicht so dargelegt ist, dass der Fachmann diese wiederholbar ausführen kann. In der Schlussfolgerung nimmt er, wie erwähnt, gleichsam als

    Arbeitshypothese an, dass der Gegenstand von CH 0000 neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Gutachten S. 12 Ziff. 7.3 Mitte), und prüft dann, ob die Erfindung in CH 0000 ausreichend offenbart ist. Wie erwähnt, besteht keine Vermischung verschiedener patentrechtlicher Konzepte. Der Experte unterscheidet zwischen ausreichender Offenbarung einerseits und Neuheit und erfinderischer Tätigkeit andererseits, indem er als Arbeitshypothese Neuheit und erfinderische Tätigkeit als gegeben annimmt und gestützt darauf die Frage der ausreichenden Offenbarung prüft. Die Gesuchstellerin behauptet in diesem Zusammenhang, der Experte hätte einen aussenstehenden technischen Experten beiziehen müssen, welcher aufgrund seines Fachwissens gegebenenfalls die Offenbarung im Labor hätte nacharbeiten können. Diese Behauptungen werden in keiner Weise glaubhaft dargelegt und vermögen damit nicht Zweifel an der Richtigkeit der Ausführungen des Gutachters zu erwecken, wonach sowohl im allgemeinen Teil der Beschreibung als auch im einzigen Beispiel von CH 0000 keine spezifisch definierte Dichtmasse beschrieben werde, die für einen Vergleichsversuch verwendet werden könnte. In gleicher Weise nicht hinreichend glaubhaft gemacht ist auch die weitere Behauptung der Gesuchstellerin, der Fachmann sei ausgehend von der Beschreibung und mit Hilfe seines Fachwissens sehr wohl in der Lage, die patentgemässen Vinylpolymer- Dispersionen bereit zu stellen.

    Aufgrund einlässlicher Abklärungen (Gutachten S. 8 ff. Ziff. 7.1 und 7.2) hält der Experte fest, dass die Zusammensetzung der "Dichtmasse", abgesehen vom nicht hinreichend spezifizierten Hinweis, dass es sich um Polymere handelt ("Vinylpolymere" bzw. "Vinylpolymere auf Basis von Acrylat- und/oder Methacrylatmonomeren"), nicht konkret und nachvollziehbar offenbart sei (Gutachten S. 11 Ziff. 7.3 erstes Lemma). Der Experte führte weiter aus, dass die Polymerdispersion für die Erzielung der spezifischen neuen und unerwarteten Eigenschaften entscheidend sei, da die "Dichtmasse" gemäss CH 0000 ausschliesslich aus der Polymerdispersion ("Vinylpolymeren und Wasser") bestehe (Gutachten S. 11 Ziff. 7.3 zweites Lemma). Nachdem eine unmittelbar nacharbeitbare Polymerdispersion, die die gewünschten Eigenschaften aufweist, in CH 0000 nicht angegeben sei (Gutachten S. 11 Ziff. 7.3 drittes Lemma), untersucht der Experte CH 0000 auch weitere Anhaltspunkte (Gutachten S. 11f. Ziff. 7.3 viertes bis siebtes Lemma). Schliesslich hält der Experte fest, dass eine Feinabstimmung der Eigenschaften der "Dichtmasse" gemäss CH 0000

    mit Additiven im Rahmen fachüblicher Routine eingestellt werden könne. Eine solche Tätigkeit des Fachmanns könne aber keine erfinderische Tätigkeit begründen und komme daher unter der Arbeitshypothese, dass Neuheit und erfinderische Tätigkeit vorliegen, ebenfalls nicht als erfindungsgemäss in Betracht (Gutachten S. 12 Ziff. 7.3 letztes Lemma). Unter Annahme der Arbeitshypothese von erfüllter Neuheit und erfinderischer Tätigkeit zieht deshalb der Experte einlässlich begründet und nachvollziehbar das Fazit, dass in CH 0000 die Erfindung nicht so dargelegt ist, dass der Fachmann diese wiederholbar ausführen kann (Gutachten S. 12 Mitte).

  4. Der Vollständigkeit halber hat der Experte die Neuheit gemäss Art. 7 Abs. 1 und 2

    PatG sowie die erfinderische Tätigkeit gemäss Art. 1 Abs. 2 PatG von CH 0000 geprüft.

    aa) In Bezug auf die Neuheit führte der Experte aus, die in CH 0000 beanspruchte Erfindung könne infolge der ungenügenden Erfindungsdefinition nicht als neu gegenüber dem Stand der Technik abgegrenzt werden. Da zwei unterschiedliche Zusammensetzungen gleiche vergleichbare physikalische Eigenschaften aufweisen könnten, könne die vergleichende Beurteilung von Zusammensetzungen aufgrund der physikalischen Eigenschaften alleine, ohne Berücksichtigung der an sich definierbaren Komponenten der Zusammensetzungen, keine Neuigkeit begründen (Gutachten S. 12 Ziff. 8).

    Wie bereits ausgeführt, liegt entgegen den Vorbringen der Gesuchstellerin keine Vermischung verschiedener patentrechtlicher Konzepte vor. Vielmehr führt der Experte in nachvollziehbarer Weise aus, dass bei ungenügender Erfindungsdefinition die Neuheit der beanspruchten Erfindung nicht bestimmt werden könne. Diese Feststellung steht insbesondere in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Experten, wonach es sich bei dem Ausdruck "Dichtmasse" um eine nicht-limitierende Zweckbestimmung handle (Gutachten S. 6f. Ziff. 6). Nachdem der Experte angesichts der mangelnden Offenbarung der Erfindung in CH 0000 insbesondere nicht feststellen kann, dass sie über den Stand der Technik hinausgeht, ist nicht hinreichend glaubhaft dargetan, dass die Erfindung in CH 0000 neu im Sinne von Art. 7 PatG ist.

    bb) In Bezug auf die erfinderische Tätigkeit von CH 0000 hielt der Experte fest, die

    Erfindung sei, wie vorgehend dargelegt, nicht so definiert, dass sie vom Stand der

    Technik abgegrenzt werden könne. Wie einlässlich in Ziff. 2 des Gutachtens ausgeführt worden sei, seien gemäss Beschreibung von CH 0000 die jeweiligen Additive dem Fachmann bekannt. Ebenso könnten vom Fachmann die Eigenschaften der "Dichtmasse" im Rahmen fachüblicher Versuche eingestellt werden. Eine Tätigkeit, welche der Fachmann mit seinem Fachwissen ausführen kann ohne erfinderisch tätig zu werden, werde als naheliegend beurteilt. Eine blosse Optimierung der Eigenschaften einer Zusammensetzung gemäss dem Wissen des Fachmanns stelle keine erfinderische Lehre dar (Gutachten S. 13 Ziff. 9).

    Entgegen den Vorbringen der Gesuchstellerin stehen diese Ausführungen nicht im Widerspruch zu anderen vom Experten gemachten Feststellungen. Zu beachten ist vorweg, dass der Experte im vorliegenden Massnahmeverfahren ein Kurzgutachten zu erstatten hatte. Damit erscheint das Vorgehen des Experten angemessen, dass er sich einlässlich mit der Frage der Offenbarung der Erfindung auseinandersetzte und die Frage der erfinderischen Tätigkeit, nachdem er eine ungenügende Offenbarung festgestellt hatte, nur noch summarisch behandelte. Auf Seite 3 Ziff. 3.1 Abs. 3 des Gutachtens äusserte sich der Experte zur Neuheit und nicht zur erfinderischen Tätigkeit und hielt in Bezug auf die Neuheit fest, dass die Erfindung genügend genau definiert bzw. abgegrenzt sein müsse. Die Ausführungen des Experten betreffend erfinderische Tätigkeit genügen den Anforderungen an ein Kurzgutachten, wonach die Gesuchsgegnerinnen die Nichtigkeit von CH 0000 lediglich glaubhaft zu machen haben, indem der Experte feststellt, dass gemäss Beschreibung von CH 0000 die jeweiligen Additive und eine entsprechende Optimierung der Eigenschaften bekannt seien, womit eine erfinderische Tätigkeit nicht ersichtlich sei, wenn die in CH 0000 beanspruchte Optimierung "im Rahmen fachüblicher Versuche eingestellt werden" könne. Insgesamt kommt der Experte aufgrund nachvollziehbarer und hinreichend begründeter Überlegungen zum Schluss, dass die in CH 0000 beanspruchte Erfindung nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend bewertet werden kann.

  5. In Teil III des Gutachtens setzt sich der Experte mit von den Parteien eingereichten Unterlagen, insbesondere Privatgutachten, auseinander und hält fest, dass diese die von ihm vorgenommene Beurteilung unterstützen würden (Gutachten S. 14 ff. Ziff. III). Die von der Gesuchstellerin in diesem Zusammenhang vorgebrachten Einwendungen sind nicht zu hören, da aufgrund der vorgebrachten Behauptungen nicht glaubhaft

    dargelegt ist, dass das vorliegende Gutachten widersprüchlich und unzulänglich begründet ist falsche Schlussfolgerungen zieht. Insbesondere hat die Gesuchstellerin, wie erwähnt, ihre Behauptung, wonach der Anmelder die Einzelheiten einer optimalen Lösung – wie "V." – geheim halten könne, wenn die offenbarte Lehre schon den in der Patentschrift angegebenen Erfolg herbeiführe, nicht hinreichend glaubhaft dargetan. Insgesamt führt der Experte hinreichend begründet und nachvollziehbar aus, dass es, wenn man eine neue Zusammensetzung mit speziellen neuen Eigenschaften "auf der Basis eines Acrylats" bzw. "auf der Basis von Vinylpolymeren" patentrechtlich schützen und dem Fachmann eine Lehre zum reproduzierbaren Handeln vermitteln wolle, nötig sei, die Zusammensetzung des Acrylats bzw. des Vinylpolymers und allenfalls auch dessen Herstellung anzugeben (Gutachten S. 16 Mitte).

  6. Insgesamt ist aufgrund der gemachten Ausführungen festzuhalten, dass der Gerichtsexperte Braun über das erforderliche Fachwissen verfügt. Das Kurzgutachten ist einlässlich und nachvollziehbar begründet und damit nicht ungenügend im Sinn von Art. 115 Abs. 3 ZPO (vgl. GVP 2000 Nr. 55). Der Antrag der Gesuchstellerin auf Einholung einer Oberexpertise ist abzuweisen. Gestützt auf das Kurzgutachten haben die Gesuchsgegnerinnen zumindest glaubhaft gemacht, dass CH 0000 zufolge ungenügender Offenbarung und mangels erfinderischer Tätigkeit nichtig ist. Das Gesuch ist abzuweisen.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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