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Urteil Handelsgericht (SG - HG.2001.27)

Zusammenfassung des Urteils HG.2001.27: Handelsgericht

Die Klägerin forderte die Beklagte auf, den Schaden durch Einbruchdiebstahl zu ersetzen. Die Beklagte bestritt das Vorliegen eines Einbruchdiebstahls gemäss ihren Versicherungsbedingungen. Es gab Uneinigkeit darüber, ob die Täter tatsächlich gewaltsam eingedrungen sind. Nach eingehender Prüfung durch Experten und das Gericht wurde festgestellt, dass ein Einbruch über das Kippfenster unwahrscheinlich ist und die Spuren nicht auf einen Einbruch hindeuten. Die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass ein Einbruchdiebstahl stattgefunden hat. Die Klage wurde abgewiesen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts HG.2001.27

Kanton:SG
Fallnummer:HG.2001.27
Instanz:Handelsgericht
Abteilung:Handelsgericht
Handelsgericht Entscheid HG.2001.27 vom 16.12.2004 (SG)
Datum:16.12.2004
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 1 Ziff. 2 Abs. 1 lit. a Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB); Art. 8 ZGB (SR 210). Zu beurteilen war, ob es sich beim von der Klägerin geltend gemachten Schaden um einen durch die Beklagte versicherten Schaden aus Einbruchdiebstahl gemäss Definition in Art. 1 Ziff. 2 Abs. 1 lit. a AVB der Beklagten handelte und demnach die Beklagte zu verpflichten sei, der von der Klägerin geltend gemachte Schaden zu ersetzen. Die Beklagte bestritt das Vorliegen eines Einbruchdiebstahls im Sinne ihrer AVB (Handelsgericht, 16. Dezember 2004, HG.2001.27).
Schlagwörter: Einbruch; Quot; Lager; Täter; Lagerraum; Spuren; Gewalt; Eindringen; Einbruchdiebstahl; Beweis; Beklagten; Kippfenster; Versicherung; Gericht; Täters; Täterschaft; Kantons; Gallen; Fenster; Gewaltanwendung; Recht; Kantonspolizei; Eingangstür; Einstieg; Eingangstüre; Türe
Rechtsnorm: Art. 164 ZPO ;Art. 33 VVG ;Art. 8 ZGB ;
Referenz BGE:130 III 321;
Kommentar:
Leuenberger, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, Art. 164 OR ZPO, 1999

Entscheid des Verwaltungsgerichts HG.2001.27

Art. 1 Ziff. 2 Abs. 1 lit. a Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB); Art. 8 ZGB (SR 210). Zu beurteilen war, ob es sich beim von der Klägerin geltend gemachten Schaden um einen durch die Beklagte versicherten Schaden aus Einbruchdiebstahl gemäss Definition in Art. 1 Ziff. 2 Abs. 1 lit. a AVB der Beklagten handelte und demnach die Beklagte zu verpflichten sei, der von der Klägerin geltend gemachte Schaden zu ersetzen. Die Beklagte bestritt das Vorliegen eines Einbruchdiebstahls im Sinne ihrer AVB (Handelsgericht, 16. Dezember 2004, HG.2001.27).

Erwägungen

I.

  1. Die Klägerin ist bei der Beklagten gegen Einbruchdiebstahl versichert. Mit Datum vom 12. Juli 1999 zeigte die Klägerin bei der Beklagten einen Diebstahl an. Ein Angestellter der Firma habe sich am 17. Juni 1999 letztmals im Lager aufgehalten. Damals sei alles noch in Ordnung gewesen. Zwei Tage nach seiner Rückkehr aus den Ferien habe er das Lager am 7. Juli 1999 wieder aufgesucht und dann festgestellt, dass eingebrochen worden sei. Die Eingangstüre zum Lager sowie die Hintertüre und die Schlösser seien aufgebrochen gewesen. Ein Grossteil des Lagerbestandes sei nicht mehr vorhanden gewesen.

    Die Klägerin macht den im Rechtsbegehren genannten Schadensbetrag geltend und führt den Nachweis dafür, dass ein Einbruchdiebstahl vorliegt, mit einem von ihr bei Herrn C. und Frau K., wissenschaftliche Mitarbeiter des Institut de police scientifique, Université de Lausanne, in Auftrag gegebenen technischen Bericht vom 3. August 2000 und mit einem Kurzgutachten von Prof. Dr. M. K. vom 29. August 2000, welches zum Schluss kommt, dass der Tathergang, auf den die technischen Experten aus den vorhandenen Spuren etc. geschlossen hätten, einen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad aufweise, weshalb er unter den Tatbestand des Einbruchdiebstahls im Sinne von Art. 1 Ziffer 2 Abs. 1 lit. a AVB subsumiert werden könne (kläg. act. 4 u. 5). Die Klägerin basiert bei ihren Überlegungen auf der Hypothese, dass der Lagerraum der Klägerin durch ein Kippfenster betreten worden sei. Die verschlossenen Türen seien von innen aufgemacht worden, indem die Schliessriegel des rechten Flügels der Eingangstüre gelöst worden seien. Die möglichen Täter hätten darauf die Eingangstüre so präpariert, dass die Türe wieder geschlossen und zu einem späteren Zeitpunkt mit wenig Gewalt von aussen geöffnet werden konnte. Dieses Vorgehen hätte den Tätern ermöglicht, zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu kommen (zum Beispiel am Tag) und sich ohne grosses Aufsehen durch die Eingangstüre in den Lagerraum zu begeben und das Diebesgut mitzunehmen.

  2. Die Beklagte bestreitet in der Klageantwortschrift das Vorliegen eines Einbruchdiebstahls. Sie stützt sich dabei schwergewichtig auf die im Recht liegenden Berichte der Kantonspolizei St. Gallen (kläg. act. 3). Diese halten u.a. fest, dass an der Haupteingangstüre im Parterre des Lagerhauses, in welchem die Klägerin eingemietet war, keine Aufbruchspuren zu erkennen waren. Die hölzerne Eingangstüre zum Lagerraum im ersten Stockwerk sei offen gestanden. Anlässlich der

    Tatbestandsaufnahme seien die beiden Schliessgehäuse des Kasten- und des Zusatzschlosses, welche zur Eingangstüre gehören, auf dem Boden im Eingangsbereich gelegen. Beide Schlossteile seien offensichtlich mit Werkzeuggewalt ab dem fest montierten Türteil ausgebrochen worden, wobei die Gewalteinwirkung von der Lagerrauminnenseite ausgeübt worden sei. Die Kantonspolizei vertritt die Auffassung, es sei nicht möglich gewesen, die erkannten Beschädigungen an den erwähnten Schliessgehäusen beim verschlossenen Zustand der Türe auszuüben (kläg. act. 3, S. 3). Diese Meinung vertritt auch der von der Klägerin in Auftrag gegebene Bericht (kläg. act. 4, S. 3).

    Des Weiteren hält der Bericht der Kantonspolizei fest, dass der Lagerraum drei Oberlichtkippfenster aufweist. Dabei sei das rechte in Kippstellung, das mittlere geschlossen und das linke lediglich mit einer Schnur befestigte Fenster aufgeklappt gewesen. Die Verglasung dieses Fensters sei mit einer dicken Staubschicht versehen gewesen. Die Kantonspolizei konnte darauf keinerlei Spuren feststellen, weshalb sie davon ausgeht, dass niemand durch die Fensteröffnung geklettert sei und zwar weder von innen nach aussen noch umgekehrt.

    Gestützt auf diese Feststellungen vertritt die Beklagte die Ansicht, dass nach den polizeilichen Ermittlungen ein gewaltsames Eindringen unbekannter Täter in den Lagerraum der Klägerin nicht nachgewiesen sei. Der polizeiliche Fahndungsdienst habe keinerlei Spuren sichern können, welche ein gewaltsames Eindringen in den Lagerraum durch die Eingangstüre durch das Kippfenster belegen würden. Die von der Klägerin beauftragten Kriminologen hätten Hypothesen entwickelt, die nicht plausibel seien. Entsprechend basiere das Privatgutachten von Prof. M. K. auf einem unbewiesenen Sachverhalt, weshalb diesem keine Bedeutung zukomme. Es bestünden somit erhebliche Zweifel an der Diebstahlsthese der Klägerin. Auf Grund dieser Zweifel sei der Klägerin im Einklang mit der Rechtsprechung des Kantons- und Bundesgerichts der strikte Beweis eines Einbruchdiebstahls aufzuerlegen. Diesen könne die Klägerin nicht erbringen.

  3. Am 15. Dezember 2004 brachte der Klägervertreter dem Handelsgericht zur Kenntnis, die Klägerin habe zufällig am 14. Dezember 2004 erfahren, dass im Sommer 2004 im 1. Stockwerk der Liegenschaft Güterbahnhofstrasse 2 in St. Gallen erneut

eingebrochen worden sei. Gemäss beigeschlossenem Rapport der Kantonspolizei St. Gallen vom 13. Juli 2004 hat die Kantonspolizei das Tatvorgehen wie folgt rekonstruiert: Die Täterschaft sei auf der Rückseite des Gebäudes am Abwasserrohr auf das Vordach (1. Stockwerk) geklettert, habe ein Bürofenster aufgebrochen und das Objekt betreten. Sodann habe die Täterschaft im Gebäude weitere Büros mit Werkzeug aufgebrochen und sämtliche Behältnisse durchsucht und mit Bargeld das Gebäude auf dem Begehungsweg verlassen. Am 12. Juli 2004 habe Wm W. vom Erkennungsdienst sodann anlässlich der Spurensicherung am Tatort, an der Stelle wo die Täterschaft den Zaun überklettert haben dürfte, einen Noppenhandschuh gefunden und sichergestellt. Das IRM St. Gallen habe in der Folge ab dem Handschuh ein inkomplettes, männliches DNA-Profil erstellen können, welches der AFIS-Service in Bern Herrn X., geb. 15. Juni 1981, habe zuordnen können (vgl. die dem Schreiben des Klägervertreters vom 15. Dezember 2004 beigeschlossene Kopie des erkennungsdienstlichen Nachtragsberichts vom 10. August 2004). Wegen dieser neuen Erkenntnisse stellte die Klägerin kurz vor der Hauptverhandlung die einleitend wiedergegebenen Anträge [1. Beizug der vollständigen Akten (betreffend erneutem Einbruch vom Sommer 2004); 2. Befragung von X.; 3. Einladung der Staatsanwaltschaft, das am 12. Juli 1999 vorläufig eingestellte Strafverfahren weiterzuführen; 4. Sistierung des Zivilprozesses bis auf weiteres].

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Begehren 1, 2 und 4, sowie die Gegenstandsloserklärung des dritten Antrags.

II.

Anlässlich einer Vorbereitungsverhandlung einigten sich die Parteien am 21. August 2001 darauf, eine Expertise einzuholen zur Frage, inwieweit es möglich war bzw. möglich gewesen wäre, durch das Kippfenster in den Lagerraum der Klägerin zu gelangen (HG. Verf. act. 12 und 24). Am 26. Februar 2002 fand eine Experteninstruktion mit Augenschein statt. Der Experte, Herr H. K. vom Wissenschaftlichen Dienst der Stadtpolizei Zürich (nachfolgend WD), wurde ersucht, sich darüber zu äussern, auf welchem Wege die Täterschaft in das Tatobjekt gelangen konnte. Insbesondere sollte der Gerichtssachverständige ausführen, inwieweit auf Grund der vorhandenen

Unterlagen sowie des Augenscheins an Ort und Stelle ein Tathergang möglich erscheint, bei dem die Täterschaft von aussen durch ein Kippfenster in den Lagerraum der Klägerin eindrang (HG. Verf. act. 38). Im Rahmen des Beweisverfahrens wurde die Kantonspolizei St. Gallen am 4. März 2003 um zusätzliche schriftliche Auskünfte ersucht. Auf Grund des am 21. März 2003 erstatteten Nachtragsberichts der Kantonspolizei St. Gallen erwies sich als erforderlich, noch einige ergänzende Fragen zu klären. Im Einvernehmen mit den Parteien wurde Herr Gfr S. am 27. August 2003 als Zeuge befragt (HG. Verf. act. 29, 42, 47, 63).

Am 29. September 2003 erstattete Herr H. K. vom WD sein Gutachten (HG. Verf. act. 67). Die Klägerin reichte am 29. Dezember 2003 zu diesem Gutachten eine Stellungnahme von Herrn C. und Frau K. ein (HG. Verf. act. 76). Das Handelsgericht überliess diese Stellungnahme dem Gerichtsgutachter, worauf dieser am 30. März 2004 einen Ergänzungsbericht ablieferte (HG. Verf. act. 79), womit das Beweisverfahren sein Ende nahm und der Schriftenwechsel fortgesetzt wurde. Am 19. Mai 2004 reichte die Klägerin die Replik ein, welche wiederum begleitet war von einer Stellungnahme der Parteigutachter C. / K.. Die Klägerin hielt an ihren Behauptungen vollumfänglich fest. Das Gutachten habe keine Klarheit geschaffen zur Frage, wie die Täterschaft in den Lagerraum gelangt sei. Zudem bringt sie vor, dass der verstorbenen Wm R., der leitender Beamter bei der Tatbestandsaufnahme des zur Diskussion stehenden Ereignisses war, ungenau, oberflächlich und voreingenommen geprüft habe. Die Beklagte ihrerseits kommt in ihrer Duplik zum Schluss, das Beweisverfahren habe ergeben, dass die Täterschaft gewaltlos in den Lagerraum eingedrungen und von innen her die Schlösser an der Haupttüre zum Korridor und an der Türe zum Liftraum beschädigt habe. Ein gewaltsames Eindringen von aussen sei mangels entsprechender Spuren auszuschliessen, weshalb ein Einbruchdiebstahl seitens der Klägerin nicht nachgewiesen sei. Folglich bestehe keine Leistungspflicht der Beklagten.

Auf das Ergebnis des Beweisverfahrens und die weiteren Ausführungen der Parteien in den Rechtsschriften wird nachfolgend, soweit für die Entscheidfindung relevant, eingegangen.

III.

  1. Die Zuständigkeit des Handelsgerichts ist unbestritten und gegeben. Beide Parteien sind im schweizerischen Handelsregister eingetragen. Die Streitigkeit steht mit der gegenseitigen geschäftlichen Tätigkeit zusammen (Artikel 14 ZPO; sGS 961.2). Gemäss Art. 30 der allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten (nachfolgend AVB; vgl. kläg. act. 1) können Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag am schweizerischen Wohnsitz des Versicherungsnehmers und am Ort der versicherten Sache, sofern er in der Schweiz liegt, geltend gemacht werden. Die Klägerin hat Sitz in St. Gallen. Zudem hat das zur Diskussion stehende Versicherungsereignis in St. Gallen stattgefunden.

  2. Mit Datum vom 9. Juli 2004 reichte die Klägerin eine nachträgliche Eingabe ein. Eine nachträgliche Eingabe ist dann zulässig, wenn das rechtliche Gehör es erfordert. Solches ist der Fall, wenn die Gegenpartei zulässigerweise neue Tatsachen neue Beweismittel in den Prozess einbringt, zu denen der Prozessgegner noch nicht Stellung nehmen konnte. Reicht eine Partei eine nachträgliche Eingabe zur Wahrung des rechtlichen Gehörs ein, so hat sie im Einzelnen darzutun, welche neuen Vorbringen der Gegenpartei eine Stellungnahme erfordern (vgl. Leuenberger/Uffer-Tobler, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, Bern 1999, N 2f. zu Art. 164 ZPO).

    Die von der Klägerin in ihrer nachträglichen Eingabe als neu bezeichneten Vorbringen der Beklagten sind nicht neu. Vielmehr spricht die Klägerin Tatsachenbehauptungen an, die bereits schon Thema in der Klageantwortschrift bzw. im Gerichtsgutachten waren. Die Klägerin hätte somit ohne weiteres bereits schon früher das vorbringen können, was sie nun in der nachträglichen Eingabe vorbringt.

    Die nachträgliche Eingabe erweist sich somit als nicht zulässig.

  3. Zu den Anträgen der Klägerin vom 15. Dezember 2004:

    Anlässlich der Schlussverhandlung begründete die Klägerin ihre Anträge u.a. damit, das Novum des Einbruchs im Sommer 2004 sei von erheblichem Interesse und könne für vorliegende Zivilstreitsache entscheidend sein. Die vollständigen Akten dieses erneuten Einbruchs müssten eingesehen werden, um zu beurteilen, ob jener Sachverhalt für das vorliegende Verfahren von Bedeutung sei. X. sei allenfalls schon damals der Täter gewesen wisse möglicherweise etwas über den Einbruch im

    Sommer 1999. Der Einbruch im Sommer 2004 sei über das Vordach erfolgt, was im vorliegenden Verfahren von der Polizei kategorisch ausgeschossen worden sei.

    Die Beklagte hielt den Vorbringen der Klägerin anlässlich der Hauptverhandlung entgegen, ausser der zufälligen Identität des Einbruchgebäudes bestehe keine Parallelität zu diesem Fall. Der Sachverhalt 2004 habe ein einbruchtypisches Spurenbild, dies im Gegensatz zum Sachverhalt im vorliegenden Verfahren, welcher 5 Jahre zurückliege. Auch das Vorgehen des angeblichen Täters X. beim Einbruch 2004 und das Schadensbild im vorliegenden Sachverhalt seien ganz anders.

    Das Handelsgericht kommt zum Schluss, dass kein hinreichender Konnex zwischen dem zu beurteilenden Sachverhalt 1999 und dem Sachverhalt 2004 ersichtlich ist, zumal das von der Polizei rekonstruierte Vorgehen der Täterschaft sowie das Spurenbild beider Sachverhalte kaum Parallelen aufweist. Ferner schätzt das Handelsgericht die Wahrscheinlichkeit, dass Herr X. etwas Entscheidrelevantes über den Sachverhalt 1999 aussagen kann/würde, als äusserst gering ein. Die Vorbringen der Klägerin basieren auf blossen wagen Vermutungen. Das Handelsgericht lehnt deshalb den Aktenbeizug betreffend Einbruch 2004, den Antrag betreffend Befragung von Herrn X. sowie den Sistierungsantrag ab (vgl. Antrag 1, und 4 der Klägerin vom 15. Dezember 2004). Der klägerische Antrag 3 betreffend Einladung an die Staatsanwaltschaft, das am 12. Juli 1999 vorläufig eingestellte Strafverfahren weiterzuführen, muss direkt an letztere adressiert werden; auch diesem Antrag kann deshalb nicht stattgegeben werden. Anzumerken bleibt, dass – sollten sich bei Fortsetzung des Strafverfahrens für vorliegenden Entscheid relevante neue Tatsachen ergeben – den Klägerin das Rechtsmittel einer Revision offen stünde (Art. 247 lit. a ZPO).

  4. Es ist unbestritten und steht fest, dass die Klägerin bei der Beklagten gegen Einbruchdiebstahl versichert ist (vgl. kläg. act. 1), nicht versichert ist gemäss der Police und den AVB der Beklagten für die Versicherung von Geschäftsbetrieben (vgl. kläg. act.

    1) der einfache Diebstahl. Für die Auslegung, des Begriffs "Einbruchdiebstahl" ist vorliegend in erster Linie Art. 1 Ziff. 2 lit. a der AVB der Beklagten heranzuziehen. Hiernach liegt nur dann ein Einbruchdiebstahl vor, wenn die Täter "gewaltsam in ein Gebäude in den Raum eines Gebäudes eindringen darin ein Behältnis

    aufbrechen. Dem Einbruchdiebstahl gleichgestellt ist ein Diebstahl durch Aufschliessen mit dem richtigen Schlüssel Code, sofern sich der Täter diesen durch Einbruchdiebstahl durch Beraubung angeeignet hat." Die Beklagte bestreitet das gewaltsame Eindringen in die Räumlichkeiten der Klägerin.

    Die allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten stimmen mit dem generell gültigen versicherungsrechtlichen Tatbestand des Einbruchs überein (vgl. Alfred Maurer, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, 3. vollst. überarb. Aufl., Bern 1995,

    S. 515 ff.). Die Klägerin behauptete anlässlich der Schlussverhandlung indessen, der Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts sei vielmehr die Definition von Keller / Rölli zugrunde zu legen. Nach Keller / Rölli umschreiben die AVB den Einbruch mit eigenen, vom Strafgesetz unabhängigen versicherungsrechtlichen Kriterien. Darnach liege ein Einbruchdiebstahl nicht nur dann vor, wenn der Täter Versicherungsräume Behältnisse aufbreche sie mit falschen mit durch Einbruch Beraubung entwendeten Schlüsseln öffne, sondern auch dann, wenn er sich in die Versicherungsräume einschleiche sich darin verberge und den Diebstahl begehe, nachdem er sich in den Versicherungsräumen habe einschliessen lassen (Max Keller / Hans Rölli, Kommentar zum Bundesgesetz über den Versicherungs-Vertrag – Allgemeine Bestimmungen, Bd. I, 2. Aufl., Bern 1968, S. 471; betreffend Variante der Einschliessung in die Versicherungsräume mit diversen Hinweisen auf die deutsche und österreichische Rechtsprechung). Die klägerischen Parteigutachter C. / K. stellten ferner die Hypothese auf, durch die Vorbereitungshandlungen (Manipulation an den Türschlössern) habe die Türe später von aussen geöffnet werden können, wozu wenig Gewalt, aber immerhin Gewalt notwendig gewesen sei. Dass Gewalt habe angewendet werden müssen, zeige sich auch daran, dass das Öffnen von aussen zum Absprengen des herausgeschraubten Gehäuses geführt habe (kläg. act. 4, S. 6). Gestützt auf diese Tathergangshypothese liess die Klägerin durch einen weiteren Parteigutachter, Rechtsprofessor M. K., sodann behaupten, auch ein nachfolgendes Aufdrücken der zuvor präparierten Lagerraumtüre von aussen mit "leichter Gewalt" werde vom Begriff "gewaltsames Eindringen" i.S.v. Art. 1 Ziff. 2 lit. a AVB umfasst. Die AVB der Beklagten würden das Mass der Gewaltanwendung nicht umschreiben. Damit erfülle auch das Eindringen mit "wenig Gewalt" das "Mass der erforderlichen Gewaltanwendung" in Art. 1 Ziff. 2 lit. a AVB. Der Versicherer hafte für alle Ereignisse, welche die Merkmale der Gefahr, gegen deren Folgen Versicherung genommen worden sei, an sich trügen,

    sofern der Versicherungsvertrag nicht einzelne Ereignisse (z.B. Einbruchdiebstahl mit bloss "leichter" Gewaltanwendung) in bestimmter, unzweideutiger Fassung von der Deckung ausschliessen würden (Art. 33 VVG). Die Mehrdeutigkeit bzw. Auslegungsbedürftigkeit des Ausdrucks "gewaltsames Eindringen" gehe somit nach dem Grundsatz gemäss Art. 33 VVG zu Lasten des Versicherers (vgl. kläg. act. 5).

    Die Beklagte plädierte hiergegen an Schranken, es sei zu beachten, dass das Zusatzschloss nach Angaben von Herrn Y. von der Klägerin und nach den Feststellungen des Erkennungsdienstes nicht verschlossen gewesen sei; gleichwohl sei es von innen her gewaltsam aufgebrochen worden (vgl. kläg. act. 1, S. 3). Das sei ein Indiz für einen vorgetäuschten Einbruch. Und genauso könne auch das Absprengen des herausgeschraubten Schliessgehäuses nur fingiert worden sein. Hierfür spreche auch, dass die massive Beschädigung der Schlösser für das Öffnen der geschlossenen Türe von innen her gar nicht notwendig gewesen wäre. Nach den Feststellungen der Gerichtsgutachter habe sich die Lagertüre auch in geschlossenem Zustand von innen her mit etwas Geschick ohne Beschädigung öffnen lassen, indem die Türflügel gemeinsam nach innen gezogen würden und der Schliessriegel aus dem Schloss gleite (Gerichtsgutachten, S. 5 oben). Die Hergangsversion der Privatgutachter kranke an verschiedenen Ungereimtheiten und Beweislosigkeit. Nebenbei bemerkt habe der behauptete Einbruch nach Angaben der Klägerin während deren Betriebsferien stattgefunden, was ebenfalls gegen ein Sicheinschliessenlassen der Täterschaft spreche. Vielmehr handle es sich bei der Hypothese der Klägerin, die Gewaltanwendung habe später stattgefunden und bestünde im leichten Aufdrücken der präparierten Türe um reine Spekulation. Zudem bedinge ein gewaltsames Eindringen im Sinne des bei der Beklagten versicherten Risikos, dass der geschlossene Zustand eines Raumes gewaltsam beseitigt werde. Wer eine Türe so präpariere, dass sie leicht und ohne grossen Widerstand aufgestossen werden könne, wende keine Gewalt im Sinne der AVB an.

    In der Tat kann der Auffassung der Klägerin auch nach Beurteilung des Handelsgerichts nicht gefolgt werden. Nach dem klaren Wortlaut von Art. 1 Ziff. 1 lit. a AVB der Beklagten wird die von Keller / Rölli zuletzt genannte Variante des Diebstahls nach Einschliessenlassen der Täterschaft in den versicherten Räumen nicht von der Definition des "Einbruchdiebstahls", wie ihn die Parteien in den AVB der Beklagten

    vereinbart haben, umfasst. Weder das Eindringen durch das offene Oberlicht- Kippfenster ohne dessen Beschädigung, noch das Sicheinschliessenlassen der Täterschaft kann als gewaltsames Eindringen qualifiziert werden. Eine in an einem versicherten Raum ausgeführte Gewaltanwendung nach gewaltlosem Eindringen in denselben ist jedoch aufgrund der Definition des versicherten Risikos in den AVB der Beklagten unbeachtlich, denn sie kommt einer aufgrund der Parteivereinbarungen nicht versicherten Beschädigung bei einem einfachen Diebstahl gleich. Ferner geht es – entgegen den Ausführungen des Parteigutachters M. K. – zu weit, ein nachträgliches leichtes Öffnen ohne grossen Widerstand der zuvor (nach dem erstmaligen gewaltlosen Eindringen) von innen her präparierten Lagertüre als gewaltsames Eindringen im Sinne der AVB der Beklagten zu qualifizieren. Selbst wenn man der Tathergangs-Hypothese der Parteigutachter C. / K. folgen würde, hätte die entscheidende Gewaltanwendung früher im Zeitpunkt der Manipulation an den Schliessgehäusen von der Lagerrauminnenseite her stattgefunden; dies im Zuge nicht eines "Einbruchs", sondern eines gewaltlosen Eindringens mit einem anschliessend gewaltsamen "Ausbruch" aus dem versicherten Lagerraum. Das nachträgliche "leichte Öffnen" der Lagerraumtüre "ohne grossen Widerstand" von aussen ist damit vielmehr dem Tatbestand des Eindringens durch eine unverschlossene Türe gleichzustellen, welches nach Art. 1 Ziff. 2 lit. a AVB nicht zu den versicherten Gefahren gehört.

    Wer gegenüber dem Versicherer einen Anspruch erhebt, ist für den Eintritt des Versicherungsfalls behauptungs- und beweispflichtig. Gemäss Art. 8 ZGB hat, wo es das Gesetz nicht anders bestimmt, derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. Demgemäss hat die Partei, die einen Anspruch geltend macht, die rechtsbegründenden Tatsachen zu beweisen, während die Beweislast für die rechtsaufhebenden bzw. rechtsvernichtenden rechtshindernden Tatsachen bei der Partei liegt, die den Untergang des Anspruchs behauptet dessen Entstehung Durchsetzbarkeit bestreitet. Da der Beweis für den Eintritt des Versicherungsfalls regelmässig mit Schwierigkeiten verbunden ist, geniesst der beweispflichtige Anspruchsberechtigte insoweit eine Beweiserleichterung und genügt seiner Beweislast, wenn er den Eintritt des Versicherungsfalls überwiegend wahrscheinlich zu machen vermag, was heisst, dass die Möglichkeit, dass es sich auch anders verhalten könnte, die überwiegende Wahrscheinlichkeit nicht ausschliesst, wobei aber gleichzeitig diese andere Möglichkeit für die betreffende Tatsache weder

    eine massgebende Rolle spielen noch vernünftigerweise in Betracht fallen darf. Die Beweiserleichterung setzt allerdings eine "Beweisnot" voraus. Diese Voraussetzung ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung erfüllt, wenn ein strikter Beweis nach der Natur der Sache nicht möglich nicht zumutbar ist, insbesondere wenn die von der beweisbelasteten Partei behaupteten Tatsachen nur mittelbar durch Indizien bewiesen werden können. Eine Beweisnot liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts aber nicht schon darin begründet, dass eine Tatsache, die ihrer Natur nach ohne weiteres dem unmittelbaren Beweis zugänglich wäre, nicht bewiesen werden kann, weil der beweisbelasteten Partei die Beweismittel fehlen. Blosse Beweisschwierigkeiten im konkreten Einzelfall können nicht zu einer Beweiserleichterung führen (BGE 130 III 321 ff. E. 3.2). Zudem steht dem Versicherer ein aus Art. 8 ZGB abgeleitetes Recht auf Gegenbeweis zu. Der Versicherer hat Anspruch darauf, zum Beweis von Umständen zugelassen zu werden, die beim Gericht erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Gegenstand des Hauptbeweises bildenden Sachbehauptungen wach halten und diesen dadurch vereiteln sollen. Für das Gelingen des Gegenbeweises ist mithin bloss erforderlich, dass der Hauptbeweis erschüttert wird und damit die Sachbehauptungen nicht mehr als überwiegend wahrscheinlich erscheinen. Gelingt es dem Versicherer im Rahmen des ihm zustehenden Gegenbeweises, an der Sachdarstellung des Anspruchsberechtigten erhebliche Zweifel zu wecken, so ist der Hauptbeweis des Anspruchsberechtigten gescheitert. (vgl. BGE 130 III 321 ff. E. 3.4).

    Die Beklagte führte anlässlich der Hauptverhandlung aus, es liege beim einfachen Diebstahl nicht selten Beweisnot vor, beim Einbruchdiebstahl dahingegen – wie er in den AVB der Beklagten umschrieben werde und für das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien gelte – sei dies nicht der Fall. Ein Einbruch in diesem Sinne bedinge Gewaltanwendung. Sie beziehe sich auf den Akt des Eindringens in ein geschlossenes Gebäude, einen geschlossenen Raum ein Behältnis. Im Wort "Einbruch" stecke der Terminus "Bruch", "Brechen", also die Beseitigung eines Widerstands durch den Täter. Und solche Gewalt hinterlasse Spuren. Ein Einbruch im Sinne der AVB ohne das geringste Spurenbild von Gewalt lasse sich nach Auffassung der Beklagten nicht vorstellen. Wenn also die Klägerin behaupte, es sei im Juli 1999 in ihr Kleiderlager eingebrochen und Ware im Wert eines sechsstelligen Betrags entwendet worden, dann habe sie die Gewaltanwendung von Aussen, das gewaltsame Eindringen in den Lagerraum mit entsprechenden Spuren zu beweisen. Überwiegende

    Wahrscheinlichkeit genüge nicht. Sie würde nur dann genügen, wenn das Gericht zur Auffassung gelangen würde, ein Einbruchdiebstahl sei theoretisch auch ohne Spuren von Gewaltanwendung denkbar.

  5. Die vom Gericht in Auftrag gegebene Expertise kommt zum Schluss, die bei der Eingangstür zum Lagerraum der Klägerin festgestellten Beschädigungen seien bei geschlossenem Zustand der Lagereingangstüre nicht möglich. Die entsprechenden Manipulationen seien somit bei offenstehender Lagertüre vorgenommen worden. Dadurch bestätigt der Gerichtsexperte, was bereits schon die von der Klägerin beauftragten Experten festgestellt haben: Die auf beiden sichergestellten Schliessgehäusen festgestellten Spuren weisen eindeutig auf eine Gewalteinwirkung bei offener Türe von der Lagerrauminnenseite her hin. Somit steht fest und ist unbestritten, dass die möglichen Täter nicht mit Gewalt über die Eingangstüre in den Lagerraum der Kläger eingedrungen sind.

    Des Weiteren stellt die Expertise fest, dass die bei der Verbindungstür vom Lagerraum zum Vorraum Warenlift festgestellten Aufbruchspuren von der Lagerseite gesetzt worden sind. Ein Eindringen vom Vorraum Warenlift durch diese Verbindungstür in den Lagerraum kann somit ebenfalls ausgeschlossen werden.

    Der Gerichtsexperte befasst sich schliesslich eingehend mit der Frage, ob allfällige Täter durch das Oberlicht-Kippfenster in den Lagerraum hätten eindringen können. Dabei stellt er fest, das Kippfenster sei überraschend schwer und es sei daher zum Absenken in die horizontale Lage, in welchem das Fenster aufgefunden worden ist, ein grosser Kraftaufwand nötig. Der Öffnungsvorgang sei von der Aussenseite her ausführbar, wenn auch um einiges schwieriger als von der Rauminnenseite her. Falls bei einem solchen Vorgehen nicht speziell beachtet worden sei, keine Spuren zu setzen, so wären erkennbare Spuren in den festgestellten Staubschichten auf der Verglasung als auch auf der umgebenden Mauer/Fensterbank gesetzt worden. Solche Spuren wurden aber von den Funktionären der Kantonspolizei St. Gallen nicht gefunden. Der Gerichtsexperte kommt auch zum Schluss, dass ein "spurenloser" Einstieg von aussen wegen dem Höhenunterschied vom Vordach zur gemauerten Fensterbank nicht erfolgen könne, wenn nicht die Möglichkeit gegeben sei, auf der ca. 30 cm breiten Fensterbank abzustehen. Falls aber auf der Fensterbank abgestanden

    worden wäre, so hätten die untersuchenden Polizeifunktionäre Spuren feststellen müssen. Nachdem es sich beim vor Ort tätigen Funktionär der Kantonspolizei St. Gallen gemäss den Aussagen des Zeugen S. um einen sehr erfahrenen und fachkundigen Mann handelte und der Zeuge S. auch ausführt, dass man die spurenkundliche Untersuchung minuziös und flächendeckend rund ums Fenster ausgeführt und dabei keinerlei Einstiegspuren festgestellt habe, müsse und dürfe abgeleitet werden, dass am und rund um das Kippfenster keine Einstiegspuren vorgelegen hätten, weshalb eben ein Einstieg durch dieses Kippfenster ausgeschlossen werden müsse (HG. Verf. act. 67, S. 6 - 10).

    Trotz der Überzeugung, dass bei einem über das Kippfenster erfolgten Einstieg auf der Fensterbank Spuren vorgelegen hätten und diese bei der erkennungsdienstlichen Spurenüberprüfung auch festgestellt worden wären, unternahm der Experte der Vollständigkeit halber Einstiegsversuche, die davon ausgingen, dass die Täterschaft spurenkundlich "unerkannt" auf der Fensterbank stehen konnte. Sämtliche Einstiegsversuche, die vom Gerichtsexperten geprüft wurden, hätten aber automatisch zu deutlich sichtbaren Wischspuren führen müssen, weshalb der Gerichtsexperte zusammenfassend feststellt, dass die Täterschaft nicht durch das Oberlicht- Kippfenster in den Lagerraum einstieg und auch nicht anderweitig durch Gewaltanwendung von aussen in die Räumlichkeiten der Klägerin eindrang.

  6. An diesen Feststellungen vermögen die Stellungnahmen der klägerischen Experten

C. / K. vom 19. Dezember 2003 und 3. Mai 2004 nichts zu ändern. Diese Stellungnahmen bezweifeln unter anderem die Arbeit des verstorbenen R. vom Erkennungsdienst der Kantonspolizei St. Gallen. Sie werfen die Frage auf, ob Herr R. alle geforderten Kenntnisse und Qualitäten habe, dass man ohne Zweifel behaupten könne, dass ihm keine noch so kleine Spur entgangen wäre. Nachdem die Zeugenaussage S. ergeben hat, dass es sich beim verstorbenen R. um einen Mann handelte, der zwanzig noch mehr Jahre beim Erkennungsdienst arbeitete und er vom Zeugen S. als sehr pingeliger Mensch beschrieben wurde, der immer dann auf dem Platz erschien, wenn es darum ging, schwere Tatbestände zu ermitteln, sind die aufgeworfenen Zweifel an der Arbeit von R. nicht begründet. Es kann davon ausgegangen werden, dass es für Herrn R. als Experten in seinem Fach mit langjähriger Erfahrung schnell einmal klar war, dass ein Eindringen durch das

Kippfenster ohne Hinterlassen von Spuren nicht möglich war. In diese Richtung gehen denn auch die Aussagen des Zeugen S.. Genau diese Einschätzung wird vom Gerichtsexperten bestätigt. Auch ein neutraler Beobachter kann sich bei Betrachtung von Bild 10 in HG. Verf. act. 14 nicht erklären, wie ein Einbrecher durch das Kippfenster in das Kleiderlager soll eindringen können, ohne auf dem Fenster irgendwelche Wischspuren zu hinterlassen. Vor allem stellt sich auch die Frage, warum denn ein Einbrecher gerade beim Eindringen durch dieses Kippfenster so sehr darauf bedacht sein soll, keine Wischspuren zu hinterlassen, lassen doch irgendwelche Wischspuren wohl kaum grosse Rückschlüsse auf die Täterschaft zu. Wenn es zudem primäres Ziel der Täter gewesen wäre, überhaupt keine Spuren zu hinterlassen, so hätten sie auch die beiden auf dem Boden liegenden Schlösser der Eingangstüre mitgenommen und nicht einfach liegen lassen.

Unbehelflich ist auch der Einwand, es sei nicht erwiesen, dass keine weiteren Spuren vorhanden gewesen seien. Fakt ist, dass Wm R. keine Spuren feststellte, die auf einen Einbruchdiebstahl schliessen lassen, ansonsten er diese in seinem Protokoll mit Sicherheit erwähnt hätte. Aber auch wenn Wm R. anlässlich der Tatbestandsaufnahme relevante Spuren im Inneren des Lagerraums übersehen haben sollte, so wie dies die klägerischen Experten zur Diskussion stellen, so würden diese Spuren auf Grund der Gerichtsexpertise nichts zur Beantwortung der Frage beitragen, ob durch das Kippfenster eingestiegen worden ist nicht. Ebenso unbeachtlich sind die von den klägerischen Experten erwähnten hypothetischen Einstiegsmöglichkeiten. Die Spezialisten vom wissenschaftlichen Dienst der Stadtpolizei Zürich haben vor Ort diverse Einstiegsvarianten geprüft und sind zum Schluss gekommen, dass ein Einstieg ohne Spuren zu hinterlassen nicht möglich sei. Es ist nicht einzusehen, warum die privaten Gutachter aus Lausanne besser in der Lage sein sollten, die Einstiegsmöglichkeiten zu beurteilen.

Insgesamt gibt es keinen Grund, von der Meinung des Gerichtsexperten abzuweichen, wonach die Täterschaft nicht durch das Oberlicht-Kippfenster in den Lagerraum und auch nicht anderweitig durch Gewaltanwendung von aussen in die Räumlichkeiten der Klägerin eingedrungen sind. Somit erweist sich die von der Klägerin aufgestellte Hypothese, wonach die Täter durch das Kippfenster eingedrungen sind und die Schlösser an der Eingangstüre manipuliert haben, um zu einem späteren Zeitpunkt von

aussen in den Lagerraum einzudringen und das Diebesgut abzuführen, als sehr unwahrscheinlich. Vielmehr ist es so, dass ein Eindringen über das Kippfenster ausgeschlossen werden muss. Andere Eindringungsmöglichkeiten sind nicht ersichtlich und wurden von der Klägerin auch nicht aufgezeigt bzw. fallen nicht unter die Definition des Einbruchdiebstahls gemäss den AVB der Beklagten. Die Gerichtsexpertise hegt nicht nur erhebliche Zweifel an einem Eindringen durch Gewaltanwendung in die Räumlichkeiten der Klägerin, sondern lässt den Schluss zu, dass mit allergrösster Wahrscheinlichkeit kein Einbruchdiebstahl vorliegt. Der Hauptbeweis der Klägerin ist somit gescheitert und die Klage ist abzuweisen.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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