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Urteil Versicherungsgericht (SG - FZG 2015/2)

Zusammenfassung des Urteils FZG 2015/2: Versicherungsgericht

Die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen forderte Familienzulagen zurück, die für Pflegekinder bezahlt wurden, da das Pflegeverhältnis nicht unentgeltlich war. Der Beschwerdeführer erhob Einspruch und argumentierte, dass er aufgrund des Vertrauensschutzes nicht zur Rückzahlung verpflichtet sei. Das Versicherungsgericht wies die Einsprache ab und entschied, dass die Rückforderung rechtens sei. Der Beschwerdeführer legte erneut Beschwerde ein, argumentierte gegen die Regelung der Unentgeltlichkeit und forderte die Prüfung der Verordnung auf ihre Gesetzmässigkeit hin. Das Gericht entschied, dass die Verordnung im Rahmen der Delegationskompetenz des Bundesrats liegt und wies die Beschwerde ab. Der Beschwerdeführer musste die Familienzulagen zurückzahlen, da die relative Verwirkungsfrist eingehalten wurde. Die Beschwerde wurde abgewiesen, und es wurden keine Gerichtskosten erhoben.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts FZG 2015/2

Kanton:SG
Fallnummer:FZG 2015/2
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:FL - Familienzulagen in der Landwirtschaft
Versicherungsgericht Entscheid FZG 2015/2 vom 12.10.2015 (SG)
Datum:12.10.2015
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 4 Abs. 1 lit. c. und Abs. 2 FamZG i.V.m. Art. 5 FamZV. Die Regelung, wonach der Anspruch auf Familienzulagen für Pflegekinder an die Unentgeltlichkeit des Pflegeverhältnisses im Sinne von Art. 49 Abs. 1 AHVV anknüpft, hält sich an den Rahmen der vom Gesetzgeber an den Bundesrat delegierten Kompetenzen und ist weder gesetz- noch verfassungswidrig (akzessorische Normenkontrolle). Art. 25 Abs. 2 ATSG. Die relative Verjährungsfrist für Rückforderungen von unrechtmässig bezogenen Leistungen wird durch die zumutbare Kenntnis des Fehlers der Verwaltung (z.B. anlässlich einer Rechnungskontrolle) ausgelöst. Verjährungsfrist eingehalten (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 12. Oktober 2015, FZG 2015/2).
Schlagwörter: Pflege; Familie; Bundes; Familienzulagen; Pflegekinder; FamZG; Bundesrat; Anspruch; FamZV; Verordnung; Pflegeverhältnis; Leistung; Kinder; Pflegeverhältnisse; Unentgeltlichkeit; Regelung; Rückforderung; Fehler; Verfassung; Einsprache; Voraussetzung; Verordnungsbestimmung; Delegation; Gericht; Kompetenz; Recht; Gallen
Rechtsnorm: Art. 116 BV ;Art. 190 BV ;Art. 25 ATSG ;Art. 47 AHVG ;Art. 8 BV ;Art. 9 BV ;
Referenz BGE:110 V 304; 126 II 522; 131 V 480; 133 V 569;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts FZG 2015/2

Entscheid vom 12. Oktober 2015

Besetzung

Vizepräsidentin Marie-Theres Rüegg Haltinner, Versicherungsrichter Joachim Huber, Versicherungsrichterin Marie Löhrer; a.o. Gerichtsschreiber Jaison Parampett

Geschäftsnr. FZG 2015/2

Parteien

  1. ,

    Beschwerdeführer,

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Roland Zahner, Studer Anwälte AG,

    Hauptstrasse 11a, Postfach 2125, 8280 Kreuzlingen,

    gegen

    Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen,

    Familienausgleichskasse, Brauerstrasse 54, Postfach, 9016 St. Gallen,

    Beschwerdegegnerin,

    Gegenstand

    Anspruch und Rückforderung von Familienzulagen Sachverhalt

    A.

    1. A. meldete sich am 28. Oktober 2008 bei der Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen (SVA) zum Bezug von Familienzulagen für seine Pflegekinder B. und C. an (act. G3.1/1). Mit Verfügung vom 12. November 2008 sprach die SVA dem Antragssteller die entsprechenden Familienzulagen rückwirkend ab September 2004 zu (act. G3.1/4; 5). Am 29. August 2014 verfügte die SVA die Einstellung der Familienzulagen für die Pflegekinder ab August 2009 (act. G3.1/13). Mit Verfügung vom

      5. September 2014 forderte sie die bezahlten Familienzulagen von August 2009 bis August 2014 im Umfang von Fr. 24'400.-- zurück. Sie begründete die Rückforderung damit, dass für Pflegekinder ein Anspruch auf Familienzulagen nur bestehe, wenn diese unentgeltlich zu dauernder Pflege und Erziehung aufgenommen worden seien. Als unentgeltlich gelte das Pflegeverhältnis, wenn die von dritter Seite erbrachten Leistungen an die Pflegeeltern weniger als einen Viertel der tatsächlichen Unterhaltenskosten deckten. Eine interne Überprüfung habe ergeben, dass seit September 2003 für die Pflegekinder eine Leistung erbracht werde, die höher sei als die vorgeschriebenen Höchstansätze (act. G3.1/15).

    2. Gegen diese Verfügung erhob der Versicherte, vertreten durch Rechtsanwalt Roland Zahner, am 25. September 2014 bzw. am 18. November 2014 Einsprache und beantragte, die Verfügung vom 5. September 2014 sei aufzuheben und die Familienzulagen für die beiden Pflegekinder seien weiterhin auszurichten, unter Kosten und Entschädigungsfolge zu Lasten der Beschwerdegegnerin. Bezüglich der Rückforderung machte er geltend, der Vertrauensschutz gebiete es, auf eine Rückforderung zu verzichten, wenn die versicherte Person aufgrund des Verhaltens des Versicherungsträgers davon habe ausgehen dürfen, der Leistungsbezug erfolge rechtmässig wenn angenommen werden könne, der Versicherungsträger hätte die Leistung auch ausgerichtet, wenn er um ihre Unrechtmässigkeit gewusst hätte. Da sein Antrag vom 28. Oktober 2008 problemlos gutgeheissen worden sei, habe er davon ausgehen können, dass der Bezug von Familienzulagen rechtens sei. Zudem müsse vermutet werden, die Beschwerdegegnerin habe trotz Kenntnis der Entgeltlichkeit des Pflegeverhältnisses Familienzulagen ausgerichtet. Seinen Antrag, die Familienzulagen für beide Pflegekinder seien weiterhin auszurichten, begründete er unter Verweis auf eine Dissertation von Karin Anderer, wonach von der in Art. 5 der Verordnung vom 31. Oktober 2007 über die Familienzulagen (FamZV; SR 836.21) statuierten Voraussetzung der Unentgeltlichkeit des Pflegeverhältnisses abzusehen sei. Es sei fraglich, ob die Voraussetzung der Unentgeltlichkeit im Lichte des Obhutsprinzips vom Gesetzgeber gewollt sei. Im Rahmen einer akzessorischen Normenkontrolle sei es Aufgabe des Gerichtes, Art. 5 FamZV als gesetzesvertretende Verordnungsbestimmung auf ihre Gesetzes- und Verfassungsmässigkeit hin zu überprüfen (act. G3.1/17).

    3. Im Einspracheentscheid vom 12. Januar 2015 wies die SVA die Einsprache ab. Zur Begründung führte sie an, es treffe nicht zu, dass die in Art. 5 FamZV statuierte Voraussetzung des unentgeltlichen Pflegeverhältnisses vom Gesetzgeber nicht gewollt sei. Der Versicherte erhalte ca. Fr. 6'480.-- im Monat für die Pflege der beiden Kinder und sei somit offensichtlich nicht auf zusätzliche Familienzulagen angewiesen. Die Regelung in Art. 5 FamZV sei nachvollziehbar und sinnvoll. Sie verhindere eine sozialpolitisch nicht gewollte Überentschädigung von Pflegeeltern. Der Vertrauensschutz komme nur zur Anwendung, wenn es sich um eine falsche behördliche Auskunft handle, was vorliegend nicht der Fall sei. Der Versicherte berufe sich somit zu Unrecht auf den Vertrauensschutz. Aus der Anmeldung des Beschwerdeführers für den Bezug von Familienzulagen vom 28. Oktober 2008 sei

zudem klar hervorgegangen, dass es sich bei B. und C. um Pflegekinder des Versicherten handle. Demnach sei bei der ersten Verfügung betreffend Ausrichtung von Familienzulagen von einem Fehler der SVA auszugehen. Rückforderungen könnten auch geltend gemacht werden, wenn die unrechtmässige Leistungsausrichtung auf einem Fehler der Verwaltung beruhe. Die relative Verwirkungsfrist von einem Jahr beginne in diesem Fall ab dem Zeitpunkt zu laufen, an dem die Verwaltung bei zumutbarer Aufmerksamkeit den Fehler hätte erkennen können. Dies sei mit der Anmeldung des Beschwerdeführers zur individuellen Prämienverbilligung geschehen. Demnach sei die relative Verwirkungsfrist eingehalten und die SVA sei befugt, die Familienzulagen innerhalb der 5-jährigen absoluten Verwirkungsfrist zurückzufordern (act. G3.1/19).

B.

    1. Mit Beschwerde vom 12. Februar 2015 lässt der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter beantragen, der Einspracheentscheid sei aufzuheben und die Familienzulagen für die beiden Pflegekinder seien weiterhin auszurichten, unter Kosten und Entschädigungsfolge zu Lasten der Beschwerdegegnerin. Diese gebe an, infolge der Anmeldung für die individuelle Prämienverbilligung für die beiden Pflegekinder vom

      16. Juli 2014 sei bemerkt worden, dass die Kosten für die Pflegekinder stets durch das Sozialamt D. übernommen worden seien. Es gehe aus den Akten jedoch nicht hervor, ob nicht schon im Zusammenhang mit dem auf den 1. Januar 2009 erfolgten Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Familienzulagen vom 24. März 2006 (FamZG; SR 836.2) eine Überprüfung des Dossiers erfolgt sei. Falls eine Untersuchung stattgefunden habe, sei der Rückforderungsanspruch verwirkt. Eine solche Untersuchung liege auf der Hand, da der Kanton St. Gallen in Bezug auf die Pflegekinder eine Änderung des positiven Rechts habe hinnehmen müssen. Er beantrage deshalb die Edition sämtlicher Akten. Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, er erhalte - entgegen der Angabe der Beschwerdegegnerin im Einspracheentscheid - für seine beiden Pflegekinder ca. Fr. 4'200.-- pro Monat, was die Aufwendungen der Familie nur knapp decke. Ausserdem habe sich die Beschwerdegegnerin nur am Rande mit der in der Einsprache vorgebrachten Argumentation bezüglich der in Art. 5 FamZV geforderten Unentgeltlichkeit des Pflegeverhältnisses auseinandergesetzt. Die verordnete Regelung verstosse aber

      gegen das Willkürverbot und das Gebot der rechtsgleichen Behandlung. Er beantrage deshalb erneut die Prüfung der Verordnungsbestimmung auf ihre Gesetzmässigkeit hin. Zudem habe der Kanton Aargau im Rahmen der Vernehmlassung zur FamZV im Lichte des Grundsatzes "Jedem Kind eine Familienzulage" zur Prüfung vorgeschlagen, ob Pflegekinder einen Anspruch auf Familienzulagen auch dann haben sollten, wenn die Aufnahme von Pflegekindern gegen Entgelt erfolge, falls keines der leiblichen Elternteile Familienzulagen bezöge. Im vorliegenden Fall treffe dies zu, da beide Eltern in E. wohnten und keine Kinderzulagen erhielten (act. G1).

    2. Die Beschwerdegegnerin beantragt am 6. März 2015 die Abweisung der

      Beschwerde und verweist zur Begründung auf den Einspracheentscheid (act. G3).

    3. Mit Schreiben vom 25. März 2015 stellt das Versicherungsgericht dem Beschwerdeführer wunschgemäss die von der Beschwerdegegnerin eingereichten Akten zur Einsichtnahme zu (act. G6). Mit Schreiben vom 16. April 2015 retourniert der Beschwerdeführer diese Akten kommentarlos (act. G7).

Erwägungen

1.

    1. Gemäss Art. 4 Abs. 1 lit. c FamZG berechtigen Pflegekinder zum Anspruch auf Familienzulagen, wobei der Bundesrat nach Art. 4 Abs. 2 FamZG die Einzelheiten regelt. Nach Art. 5 FamZV besteht ein Anspruch auf Familienzulagen für Pflegekinder, wenn sie im Sinne von Art. 49 Abs. 1 der Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV; SR 831.101) unentgeltlich zu dauernder Pflege und Erziehung aufgenommen worden sind. Gemäss Rz 3310 der Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherungen über die Renten in der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, gültig ab 1. Januar 2003, ist das Pflegeverhältnis unentgeltlich, wenn die an die Pflegeeltern für das Kind von dritter Seite erbrachten Leistungen weniger als einen Viertel der tatsächlichen Unterhaltskosten decken. Vorliegend ist unbestritten, dass das Pflegeverhältnis des Beschwerdeführers zu B. und C. nicht unentgeltlich ist, sondern die Lebenshaltungskosten der Kinder weitgehend durch Sozialhilfeleistungen der

      Gemeinde D. gedeckt werden. Der Beschwerdeführer macht indes geltend, die Verordnungsbestimmung von Art. 5 FamZV widerspreche Sinn und Zweck des FamZG, welches das Obhutsprinzip anstelle des Unterhaltsprinzips in den Vordergrund rücke. Insoweit sei die in Art. 5 FamZV für die Zulagenberechtigung vorausgesetzte Unentgeltlichkeit des Pflegeverhältnisses nicht gesetzmässig.

    2. Gemäss Lehre und Praxis dürfen die in Art. 190 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV; SR 101) nicht genannten Bundeserlasse im Rahmen einer akzessorischen Normenkontrolle durch alle Gerichte des Bundes und der Kantone auf ihre Gesetz- und Verfassungsmässigkeit hin überprüft werden. Bei unselbstständigen Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, ist abzuklären, ob sich der Bundesrat an die Grenzen der ihm im Gesetz eingeräumten Befugnisse gehalten hat. Soweit das Gesetz den Bundesrat nicht ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen, befindet das Gericht auch über die Verfassungsmässigkeit der unselbstständigen Verordnung. Räumt das Gesetz dem Bundesrat einen weiten Ermessensspielraum für die Regelung auf Verordnungsstufe ein, ist dieser für das Gericht allerdings verbindlich. Es darf in diesem Fall nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle jenes des Bundesrates setzen, sondern kann lediglich prüfen, ob die Verordnung den Rahmen der dem Bundesrat delegierten Kompetenzen offensichtlich sprenge sich aus anderen Gründen als gesetz- verfassungswidrig erweise. Dabei ist ebenfalls zu untersuchen, ob mit der fraglichen Verordnungsregelung der im Gesetz genannte Zweck überhaupt erfüllt werden könne (Ulrich Häfelin/Walter Haller/ Helen Keller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 8. Auflage Zürich/Basel/Genf 2012, N 2093 und N 2099; BGE 126 II 522 E 41).

    3. Der vom Beschwerdeführer gerügte Art. 5 FamZV ist eine Verordnungsbestimmung und somit nicht von Art. 190 BV erfasst. Die FamZV wurde vom Bundesrat erlassen und stützt sich vorwiegend auf den in Art. 27 Abs. 1 FamZG enthaltenen Vollzugsauftrag an den Bundesrat. Diese Bestimmung schliesst jedoch nicht aus, dass das FamZG in einer Einzelbestimmung dem Bundesrat eine weitergehende Rechtsetzungsbefugnis einräumt. Bei einer solchen unselbstständigen Verordnungsbestimmung ist entscheidend, ob die folgenden vier Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind; die Gesetzesdelegation darf nicht durch die Verfassung ausgeschlossen sein, die Delegationsnorm muss in einem formellen Gesetz enthalten

      sein, sie muss sich auf eine bestimmte, genau umschriebene Materie beschränken und die Grundzüge der Regelung enthalten (Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Auflage Zürich/St. Gallen 2010, N 407 ff.; Ueli Kieser/ Marco Reichmuth, Bundesgesetz über die Familienzulagen, Praxiskommentar, Zürich/ St. Gallen 2010, N 7 f. zu Art. 27 FamZG). Auf Verfassungsstufe regelt Art. 116 BV die Kompetenz des Bundes, Vorschriften über Familienzulagen zu erlassen. Eine Gesetzesdelegation an den Bundesrat wird aber - mangels gegenteiliger Bestimmung in der BV - nicht ausgeschlossen. Die Delegationsnorm ist auch in einem formellen Gesetz enthalten. Das FamZG regelt in Art. 4 Abs. 1 lit. c, dass Pflegekinder zum Anspruch auf Familienzulagen berechtigen, während in Art. 4 Abs. 2 FamZG bestimmt wird, dass der Bundesrat die Einzelheiten regelt. Diese Bestimmungen delegieren dem Bundesrat den Auftrag und gleichzeitig die Kompetenz, den Anspruch auf Familienzulagen - u.a. auch für Pflegekinder - im Einzelnen zu bestimmen (Kieser/ Reichmuth, a.a.O., N 8 zu Art. 27 FamZG). Weiter ist die Delegationsnorm auch auf eine bestimmte, genau umschriebene Materie beschränkt, da sich die Kompetenz lediglich auf die Regelung von Einzelheiten der in Art. 4 Abs. 1 FamZG bereits definierten Anspruchspersonen bezieht. Die Grundzüge der Regelung sind mit Art. 4 Abs. 1 FamZG ebenfalls in einem formellen Gesetz enthalten. Somit sind sämtliche Delegationsvoraussetzungen erfüllt. Da das FamZG den Bundesrat nicht ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen, ist auch die Verfassungsmässigkeit der Verordnungsbestimmung überprüfbar. Ausserdem wird dem Bundesrat im Rahmen von Art. 4 Abs. 1 FamZG ein weiter Ermessenspielraum eingeräumt, da keine weiteren Kriterien zur Bestimmung von Einzelheiten der Anspruchsvoraussetzungen umschrieben werden. Es kann folglich überprüft werden, ob die Verordnung den Rahmen der dem Bundesrat delegierten Kompetenzen offensichtlich sprengt sich aus anderen Gründen als gesetz- verfassungswidrig erweist.

    4. Der Rahmen der dem Bundesrat delegierten Kompetenz ist durch Art. 4 Abs. 1

      i.V.m. Art. 4 Abs. 2 FamZG gegeben. Danach kann er Einzelheiten zur Anspruchsberechtigung der in Art. 4 Abs. 1 FamZG genannten Kinder bestimmen. Es fällt somit in die Kompetenz des Bundesrates, nach seinem Ermessen zusätzliche Kriterien für die Anspruchsberechtigung zu formulieren. Mit Bezug auf Pflegekinder hat er dies mit Art. 5 FamZV umgesetzt, indem er den Anspruch zusätzlich davon abhängig macht, dass die Pflegekinder im Sinne der AHVV unentgeltlich zu dauernder Pflege und

      Erziehung aufgenommen worden sind. Die Verordnungsbestimmung bewegt sich also im Rahmen der dem Bundesrat delegierten Kompetenzen.

    5. Im Weiteren ist mangels gegenteiliger gesetzlicher Bestimmungen auch keine Gesetzwidrigkeit festzustellen. Der Beschwerdeführer macht unter Bezugnahme auf eine Dissertation von Karin Anderer (Karin Anderer, Das Pflegegeld in der Dauerfamilienpflege und die sozialversicherungsrechtliche Rechtsstellung der Pflegeeltern, Diss. Zürich 2012, S. 224 ff.) geltend, dass die Voraussetzung der Unentgeltlichkeit vom Gesetzgeber nicht gewollt sei. Das Obhutsprinzip habe sich durchgesetzt, wonach im Fall einer Anspruchskonkurrenz der Anspruch jener Person zustehe, der die Obhut über das Kind anvertraut sei. Dieses Prinzip gelte auch dann, wenn für ein Kind hohe Unterhaltsbeiträge geleistet werden. Kinderzulagen seien deshalb auch Pflegekindern zu gewähren, die entgeltlich aufgenommen werden. Auf der Grundlage dieses Prinzips sei in der Revision des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1952 über die Familienzulagen in der Landwirtschaft (SR 836.1; FLG) vom 14. Dezember 1979 von der Voraussetzung der Unentgeltlichkeit des Pflegeverhältnisses abgesehen worden. Mit Inkrafttreten des FamZG sei diese Voraussetzung jedoch wieder eingeführt worden, auch für das FLG. Aufgrund der Materialien sei aber anzuzweifeln, ob dem Gesetzgeber diese Kehrtwende bewusst gewesen sei (act. G1). Den Gesetzesmaterialien sind nun aber keine Anhaltspunkte zu entnehmen, wonach bei der Zulagenberechtigung für Pflegekinder auf das Erfordernis der Unentgeltlichkeit verzichtet werden sollte. So ist dem Zusatzbericht der zuständigen Kommission des Nationalrates zur Behandlung der parlamentarischen Initiative „Leistungen für die Familie“ vom 8. September 2004 zu entnehmen, dass der Bundesrat die Einzelheiten hinsichtlich der Bestimmung der zulagenberechtigten Kinder festlegen solle, damit in allen Kantonen die gleichen Anspruchsvoraussetzungen gälten (BBl 2004, 6902). In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. November 2004 führte der Bundesrat aus, dass der Bund die materiellen Anspruchsvoraussetzungen einheitlich regeln und dort, wo dies sinnvoll sei, sich auf die Regelungen der AHV stützen wolle (BBl 2004, 6944). Die im Gesetzesentwurf der parlamentarischen Kommission vorgesehene Umschreibung des Kreises der anspruchsbegründenden Kinder samt Delegation an den Bundesrat zur Regelung der Einzelheiten (BBl 2004, 6928) wurde unverändert in das geltende FamZG übernommen. In Art. 5 FamZV knüpft nun der Bundesrat die Anspruchsvoraussetzung für Pflegekinder an die Unentgeltlichkeit des

      Pflegeverhältnisses an, wie sie in Art. 49 Abs. 1 AHVV geregelt ist. Dabei wird Unentgeltlichkeit angenommen, wenn die an die Pflegeeltern für das Kind von dritter Seite erbrachten Leistungen weniger als ein Viertel der tatsächlichen Kosten des Unterhalts decken, wie sie im Anhang III zur RWL festgesetzt sind. Im Lichte der Harmonisierungsbestrebungen des Bundesgesetzgebers im Bereich der Familienzulagen kann nicht zum Vorneherein gesagt werden, die Anknüpfung an Art. 49 Abs. 1 AHVV widerspreche den Absichten des Gesetzgebers und halte sich nicht mehr an den Delegationsrahmen von Art. 4 FamZG. Dass der Bundesrat die an ihn delegierte Regelungskompetenz auch anders hätte wahrnehmen können, etwa im Sinn der nicht auf die Unentgeltlichkeit abstellenden Regelung des früheren Art. 9 FLG (in Kraft von April 1980 bis Dezember 2008, vgl. BBl 1979 II 784 f., AS 1980, 276 ff., SR 836.1), steht angesichts des weiten Delegationsrahmens fest. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Gerichtes, im Rahmen einer akzessorischen Normenkontrolle in das dem Verordnungsgeber zustehende Ermessen einzugreifen.

    6. Der Beschwerdeführer rügt, Art. 5 FamZV verstosse gegen das Willkürverbot und das Gebot der rechtsgleichen Behandlung. Eine Verordnungsbestimmung verstösst namentlich gegen das Willkürverbot nach Art. 9 BV, wenn sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den tatsächlichen Verhältnissen fehlt, Unterscheidungen unterlässt, die richtigerweise hätten getroffen werden sollen (BGE 133 V 569 E. 5.1 mit Hinweisen). Art. 5 FamZV trifft für die Anspruchsberechtigung eine rechtliche Unterscheidung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Pflegeverhältnissen. Diese Unterscheidung rechtfertigt sich jedoch im Hinblick auf den Zweck von Familienzulagen, nämlich finanzielle Lasten durch ein mehrere Kinder teilweise auszugleichen (Art. 2 FamZG). Da bei entgeltlichen Pflegeverhältnissen ein erheblicher Teil der Kinderkosten durch Unterhaltszahlungen andere Leistungen Dritter (Pflege- und Kostgelder, Sozialversicherungsleistungen) bereits gedeckt werden, folgt die Unterscheidung einem sachlichen Grund. Selbst in der zitierten Dissertation wird nicht vorbehaltslos eine Gleichstellung von entgeltlichen und unentgeltlichen Pflegeverhältnissen unter dem Gesichtspunkt der Zulagenberechtigung für Pflegekinder verlangt. So sei insbesondere bei professionell ausgerichteten Pflegefamilien, denen Leistungen finanziell voll abgegolten würden, eingehend zu prüfen, ob die betreffenden Pflegeverhältnisse von der Anspruchsberechtigung ausgenommen werden müssten (Karin Anderer, a.a.O., Rz

650). Auch ein Verstoss gegen das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 8 Abs. 1 BV ist nicht festzustellen, da die Unterscheidung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Pflegeverhältnissen im Hinblick auf den Zweck des FamZG sachlich gerechtfertigt ist.

7 Gemäss den obigen Erwägungen ist im Rahmen der akzessorischen Normen­

kontrolle keine Gesetz- Verfassungswidrigkeit des Art. 5 FamZV festzustellen.

2.

    1. Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Der Rückforderungsanspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Jahren nach der Entrichtung der einzelnen Leistung (Art. 25 Abs. 1 und 2 ATSG).

    2. Mit Bezug auf den Beginn der einjährigen relativen Verwirkungsfrist ist nicht die tatsächliche, sondern die zumutbare Kenntnis des zur Rückforderung Anlass gebenden Sachverhalts massgebend, wobei das Eidgenössische Versicherungsgericht im Zusammenhang mit aArt. 47 Abs. 2 AHVG nicht das erstmalige unrichtige Handeln der Verwaltung als fristauslösend hat genügen lassen. Vielmehr stellte es auf jenen Tag ab, an dem sich die Amtsstelle später - beispielsweise anlässlich einer Rechnungskontrolle

      - unter Anwendung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit über ihren Fehler hätte Rechenschaft geben müssen (BGE 110 V 304 E. 2b in fine S. 306; 124 V 380 E. 1 S. 383; SVR 2002 IV Nr. 2 S. 5, I 678/00 E. 3b). Dieser Grundsatz, wonach nicht der ursprüngliche Irrtum, sondern erst ein "zweiter Anlass" die relative einjährige Verwirkungsfrist auslöst, wurde in der Folge verschiedentlich bestätigt (Urteil 8C_824/2007 E. 3.2.2 vom 15. Mai 2008) und ist auch in Anwendung von Art. 25 Abs. 2 ATSG zu beachten (Urteil des Bundesgerichts 9C_482/2009 vom 19. Februar 2010

      E. 3.3.2).

    3. Mit Verfügung vom 12. November 2008 sprach die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer Familienzulagen für die beiden Pflegekinder rückwirkend ab September 2004 bis September 2016 bzw. Mai 2018 zu (act. G3.1/5). Für einen Teil des Beurteilungszeitraumes, d.h. für die Zeit bis Ende 2008, richtete sich der Anspruch

auf Familien- bzw. Kinderzulagen nach kantonalem Recht. Unter der Geltung des damaligen Kinderzulagengesetzes des Kantons St. Gallen vom 11. April 1996 (KZG; sGS 371.1) hatten Pflegekinder gemäss Art. 1 lit. b Anspruch auf Kinderzulagen und dies unabhängig davon, ob das Pflegeverhältnis entgeltlich unentgeltlich war. Mit Inkrafttreten des FamZG und der FamZV am 1. Januar 2009 wurden die kantonalen Erlasse jedoch angepasst, insbesondere wurde Art. 1 lit. b KZG aufgehoben. Hinsichtlich der Anspruchsberechtigung waren fortan allein das FamZG und die FamZV verbindlich, wonach Familienzulagen nur für Pflegekinder gewährt werden, wenn sie - wie erwähnt - unentgeltlich zu dauernder Pflege und Erziehung aufgenommen wurden. Folglich hätte die Beschwerdegegnerin zu diesem Zeitpunkt unter Beachtung der neuen rechtlichen Lage die gewährten Familienzulagen ab 1. Januar 2009 einstellen müssen, was sie unterlassen hat. Demnach ist zu diesem Zeitpunkt von einem Fehler der Beschwerdegegnerin auszugehen. Dieser löste die relative Verwirkungsfrist jedoch nicht aus; dafür ist auf jenen Tag abzustellen, an dem die Beschwerdegegnerin unter Anwendung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit ihren Fehler hätte entdecken können. Die Beschwerdegegnerin führt an, sie habe den Fehler im Zusammenhang mit der Anmeldung des Beschwerdeführers zur individuellen Prämienverbilligung vom 16. Juli 2014 (act. G3.1/11) entdeckt. Aus den Akten gehen keine Hinweise hervor, dass schon früher eine Kontrolle stattgefunden hat, durch welche die Beschwerdegegnerin ihren Fehler hätte entdecken können. Auch sind keine anderen Anhaltspunkte ersichtlich, die darauf schliessen lassen, dass die Beschwerdegegnerin den Fehler bei der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit schon früher hätte entdecken können müssen. Es ist somit davon auszugehen, dass die Anmeldung zur individuellen Prämienverbilligung am 16. Juli 2014 die relative Verwirkungsfrist von einem Jahr ausgelöst hat. Sie ist damit eingehalten, wenn die Beschwerdegegnerin mit Verfügung vom 5. September 2014 unrechtmässig bezogene Familienzulagen zurückforderte.

3.

In quantitativer Hinsicht werden keine Einwendungen gegen die verfügte Rückforderung vorgebracht. Auch die im Einspracheverfahren erfolgte Berufung auf den Vertrauensschutz (zu deren Vorausserzungen vgl. BGE 131 V 480 f. E. 5 mit Hinweisen) lässt der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren zu Recht fallen, nachdem weder eine falsche Auskunft der Behörde noch eine gestützt darauf erfolgte

nachteilige Disposition des Beschwerdeführers im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung dargetan sind. Über die Voraussetzungen eines Erlasses im Sinn von Art. 25 Abs. 1 Satz 2 ATSG ist nicht im vorliegenden Verfahren zu befinden.

4.

Im Sinn der vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde abzuweisen. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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