Zusammenfassung des Urteils EL 2014/32: Versicherungsgericht
Die EL-Durchführungsstelle des Kantons St. Gallen forderte Ergänzungsleistungen von A. zurück. Trotz mehrerer Fristerstreckungen und Einsprachen entschied die EL-Durchführungsstelle am 7. August 2014, nicht auf die Einsprache einzutreten. Der Versicherte erhob daraufhin Beschwerde und forderte eine angemessene Nachfrist. Die Beschwerdegegnerin lehnte die Beschwerde ab, was zu weiteren rechtlichen Auseinandersetzungen führte. Schliesslich wurde entschieden, dass die Beschwerde gutgeheissen wird, der Nichteintretensentscheid aufgehoben wird und die Sache zur erneuten Prüfung an die Beschwerdegegnerin zurückverwiesen wird.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | EL 2014/32 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | EL - Ergänzungsleistungen |
Datum: | 21.10.2015 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 52 ATSG, Art. 10 Abs. 1 und 5 ATSV. Rechtsbegehren und Begründung als zwingende Voraussetzungen des Eintretens auf eine Einsprache.Die Einsprache ist ein niederschwelliges Rechtsmittel, so dass die Eintretensvoraussetzungen minimal sind. Aus diesem Grund verlangt Art. 52 ATSG bewusst keine Eintretensvoraussetzungen, die über das absolut Notwendige (Aktivlegitimation, Fristwahrung) hinausgehen. Art. 52 ATSG weist also keine ausfüllungsbedürftige Lücke auf, die durch Art. 10 ATSV dadurch ausgefüllt werden müsste, dass als zusätzliche Eintretensvoraussetzungen ein Rechtsbegehren und eine Begründung gefordert würden. Diesbezüglich ist Art. 10 Abs. 1 und 5 ATSV gesetzwidrig. (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 21. Oktober 2015, EL 2014/32).Entscheid vom 21. Oktober 2015BesetzungVizepräsident Ralph Jöhl, Versicherungsrichterinnen Monika Gehrer-Hug und Miriam Lendfers; Gerichtsschreiberin Lea LocherGeschäftsnr.EL 2014/32ParteienA. ,Beschwerdeführer,vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Markus Roos, Postgasse 5,Postfach, |
Schlagwörter: | Einsprache; Recht; Frist; Frist; Rechtsvertreter; Begründung; Fristen; Beschwerdeführers; Verfügung; Rechtsbegehren; Fristerstreckung; Fristenstillstand; Erstreckung; Nichteintreten; Termin; Gallen; Sachverhalt; Einsprachebegründung; Nichteintretensentscheid; Anforderungen; Voraussetzungen; Entscheid; Akten; üsse |
Rechtsnorm: | Art. 38 ATSG ;Art. 40 ATSG ;Art. 52 ATSG ; |
Referenz BGE: | 130 V 1; |
Kommentar: | - |
A. Mit einer Verfügung vom 3. Januar 2014 forderte die EL-Durchführungsstelle des Kantons St. Gallen von A. Ergänzungsleistungen im Gesamtbetrag von Fr. 28‘421.-- zurück. Dagegen liess der Versicherte am 31. Januar 2014 durch seinen Rechtsvertreter Einsprache erheben. Diese Einsprache hatte folgenden Wortlaut:
„Gegen die Verfügung der SVA St. Gallen betreffend Ergänzungsleistungen zur IV vom
3. Januar 2014 erhebe ich im Namen und im Auftrag des Einsprechers Einsprache. Da mir die entsprechenden Unterlagen seitens der SVA SG noch nicht zugestellt wurden,
ersuche ich Sie höflich, mir für die Begründung der Einsprache sowie für das Erstellen der Anträge eine Nachfrist bis Ende Februar 2014 zu gewähren. Mit Schreiben vom 27. Januar 2014 habe ich Sie gebeten, mir sämtliche Akten zuzustellen. Bis anhin sind mir diese noch nicht zugestellt worden. Ich ersuche Sie daher, mir umgehend die Akten zuzustellen. Die vorliegende Einspracheerklärung erfolgt innert Frist“. Die EL- Durchführungsstelle bestätigte dem Rechtsvertreter am 10. Februar 2014 den Eingang der Einsprache. Sie räumte ihm „für die Begründung der Einsprache sowie das Erstellen der Anträge“ eine Nachfrist bis 7. März 2014 ein. Gleichzeitig wies sie den Rechtsvertreter des Versicherten darauf hin, dass sie bei unbenütztem Fristablauf nicht auf die Einsprache eintreten könne. Am letzten Tag der Nachfrist, also am 7. März 2014, ersuchte der Rechtsvertreter um eine Nachfrist für die Einreichung einer Begründung der Einsprache sowie für das Erstellen der Anträge bis zum 7. April 2014, weil er sich noch nicht mit dem Versicherten habe besprechen können. Die EL- Durchführungsstelle erstreckte die Nachfrist „für die Einsprachebegründung samt Rechtsbegehren“ bis 7. April 2014. Sie verwies „im Übrigen“ auf ihr Schreiben vom 10. Februar 2014. Am 7. April 2014 ersuchte der Rechtsvertreter darum, die Nachfrist bis
15. Mai 2014 zu erstrecken, da er sich mit dem Versicherten immer noch nicht habe besprechen können. Die EL-Durchführungsstelle bewilligte eine Fristerstreckung bis 15. Mai 2014. Sie verwies wieder auf ihr Schreiben vom 10. Februar 2014. Am 15. Mai 2014 ersuchte der Rechtsvertreter erneut um eine Fristerstreckung. Diesmal begründete er sein Gesuch mit seiner Arbeitsüberlastung. Die EL-Durchführungsstelle erstreckte die Nachfrist „letztmals“ bis 16. Juni 2014. Sie verwies auch diesmal auf ihr Schreiben vom 10. Februar 2014. Am 16. Juni 2014 beantragte der Rechtsvertreter erneut eine Erstreckung der Nachfrist und zwar bis 16. Juli 2014. Er begründete dies damit, dass er den Versicherten immer noch nicht habe erreichen können, dass ihm diverse Unterlagen fehlten und dass er sich mit dem Versicherten noch besprechen müsse. Auf dem entsprechenden Schreiben des Rechtsvertreters notierte der Leiter des Rechtsdienstes am 18. Juni 2014: „Tel. Frist nochmals erstreckt mit entsprechender Ermahnung“. Am 7. August 2014 entschied die EL- Durchführungsstelle, nicht auf die Einsprache vom 31. Januar 2014 einzutreten. Sie begründete dies unter Verweis auf Art. 10 ATSV damit, dass die telefonisch bis 16. Juli 2014 erstreckte Frist unbenützt verstrichen sei.
B.
Gegen diesen Nichteintretensentscheid liess der Versicherte (im Folgenden: der
Beschwerdeführer) am 15. August 2014 Beschwerde erheben und die Aufhebung der
„Verfügung der SVA vom 7. August 2014“ sowie die Gewährung einer angemessenen Nachfrist für die Begründung der Einsprache gegen die Verfügung vom 3. Januar 2014 beantragen. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers begründete diese Beschwerdebegehren damit, dass das letzte Fristerstreckungsgesuch bis 16. Juli 2014 bewilligt worden sei. Da dieser Termin in die Gerichtsferien gefallen sei, sei die Frist ab
15. Juli 2014 gehemmt gewesen. Sie sei erst am 16. August 2014 abgelaufen. Am 7. August 2014, als der angefochtene Nichteintretensentscheid ergangen sei, sei sie also noch gar nicht abgelaufen gewesen, so dass Art. 10 ATSV gar nicht zur Anwendung kommen könne. Demnach sei der angefochtene Nichteintretensentscheid aufzuheben und es sei ihm im Nachhinein nochmals die Gelegenheit zu geben, die Einsprache vom
31. Januar 2014 zu begründen. Ihm sei eine angemessene Nachfrist anzusetzen, damit er die Einsprache in materieller Hinsicht kompetent begründen könne. Abschliessend ersuchte der Rechtsvertreter um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung im Beschwerdeverfahren.
Die Beschwerdegegnerin beantragte am 9. September 2014 die Abweisung der Beschwerde. Sie verwies zur Begründung darauf, dass gemäss Art. 38 Abs. 4 lit. b ATSG gesetzliche und behördliche Fristen, die nach Tagen und Monaten bestimmt seien, vom 15. Juli bis 15. August stillstünden. Die Fristen seien aber abzugrenzen vom Termin, der einen bestimmt festgelegten Zeitpunkt darstelle. Werde im Verwaltungsverfahren ein Termin festgesetzt, könne Art. 38 ATSG nur sinngemäss zur Anwendung gelangen, etwa wenn der Termin auf einen Samstag einen Sonntag angesetzt sei. Bei der letzten Nachfrist bis 16. Juli 2014 habe es sich um einen Termin gehandelt. Deshalb komme der Fristenstillstand nicht zur Anwendung. Der Nichteintretensentscheid sei somit zu Recht ergangen, da die Einsprachebegründung nicht fristgerecht eingereicht worden sei.
In seiner Replik vom 8. Oktober 2014 wandte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ein, der Fristenstillstand nach Art. 38 Abs. 4 ATSG gelte sowohl für gesetzliche als auch für behördliche Fristen, wobei auch Nachfristen, die durch Behörden angesetzt würden, und Fristerstreckungen vom Fristenstillstand erfasst würden. In casu gehe es um eine Nachfristansetzung und die jeweiligen
Fristerstreckungen. Demnach gelte für sie der Fristenstillstand. Die Nachfristansetzung und die entsprechenden Fristerstreckungen seien nämlich behördliche Fristen i.S. von Art. 40 Abs. 3 ATSG. Die Fristerstreckungen seien von der Beschwerdegegnerin nie mit einer Säumnisfolge angedroht worden. Das gelte insbesondere für die letzte mündlich erstreckte Frist vom 16. Juni bis 16. Juli 2014. Bei der Androhung von Säumnisfolgen handle es sich um eine Schutzbestimmung der rechtsuchenden Partei. Demnach sei der Stillstand der Frist bis 15. August 2014 zu beachten.
Die Beschwerdegegnerin wies am 14. Oktober 2014 darauf hin, dass dem Beschwerdeführer keine Fristen, sondern Termine angesetzt worden seien, weshalb der Fristenstillstand nicht zum Tragen gekommen sei. Die Säumnisfolgen seien bereits am 10. Februar 2014 angedroht worden. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers sei über die Rechtsfolgen eines nicht termingerechten Einreichens der Einsprachebegründung informiert gewesen.
Erwägungen
Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hat am 16. Juni 2014 schriftlich
eine Erstreckung der Nachfrist bis 16. Juli 2014 beantragt. Auf dieses (erneute) Fristerstreckungsgesuch hat die Beschwerdegegnerin am 18. Juni 2014 reagiert, indem sie es telefonisch bewilligt hat. Dass die Nachfrist dabei bis zum 16. Juli 2014 erstreckt worden ist, ist vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bestätigt worden (vgl. Beschwerde Ziff. II/C). Damit steht fest, dass die Beschwerdegegnerin für den Ablauf der Nachfrist das Datum 16. Juli 2014 genannt hat. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hat auch eingeräumt, dass er bis zu diesem Tag weder einen Antrag noch eine Begründung für seine Einsprache nachgeliefert hat.
Gemäss Art. 38 Abs. 4 lit. b ATSG stehen behördliche Fristen, die nach Tagen Monaten bestimmt werden, vom 15. Juli bis und mit dem 15. August still. Bei der am 18. Juni 2014 bewilligten Erstreckung der Nachfrist handelt es sich offensichtlich um eine behördliche Frist. Daraus darf aber entgegen der Auffassung des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers nicht der Schluss gezogen werden, dass die am 18. Juni 2014 erstreckte Nachfrist bis und mit dem 15. August 2014 stillgestanden habe. Diese Nachfrist hat sich nämlich nicht nach Tagen Monaten bestimmt.
Vielmehr hat die Beschwerdegegnerin ein bestimmtes Datum, nämlich den 16. Juli 2014, als Ablaufdatum festgesetzt. Wird für den Ablauf einer behördlichen Frist ein festes Datum genannt, gilt der Fristenstillstand nicht (vgl. Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. A., N. 585). Dies muss auch für die Interpretation des Art. 38 Abs. 4 ATSG gelten, wie dessen Wortlaut zeigt. Die bis 16. Juli 2014 erstreckte Nachfrist zur Einreichung eines Antrages und einer Begründung ist also an diesem Tag abgelaufen. Dies trägt auch dem in der Fristerstreckung vom 18. Juni 2014 umgesetzten Willen der Beschwerdegegnerin und des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers Rechnung. Die zuständige Person der Beschwerdegegnerin, welche die Fristerstreckung bewilligte, muss darum gewusst haben, dass das vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers beantragte Ablaufdatum der zu erstreckenden Nachfrist, der 16. Juli 2014, in den Fristenstillstand für nach Tagen Monaten bestimmte behördliche Fristen fallen würde. Hätte sie beabsichtigt, dem Fristenstillstand Rechnung zu tragen, hätte sie die Nachfrist nach Tagen erstreckt sie hätte, was viel naheliegender gewesen wäre, die Nachfrist nicht wie beantragt bis 16. Juli 2014, sondern bis 16. August 2014 erstreckt. Deshalb ist davon auszugehen, dass sie die Nachfrist bewusst bis 16. Juli 2014 erstreckt hat. Dasselbe muss für den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers gelten. Als Rechtskundiger muss er nämlich darum gewusst haben, dass die von ihm beantragte Erstreckung der Nachfrist bis 16. Juli 2014 in die Periode des Fristenstillstands gemäss Art. 38 Abs. 4 lit. b ATSG fallen würde. Wäre es ihm darum gegangen, in den Genuss dieses Fristenstillstandes zu gelangen, hätte er also entweder eine Erstreckung der Nachfrist um 30 Tage aber eine Erstreckung bis 16. August 2014 beantragt. Die erstreckte Nachfrist zur Einreichung eines Antrages und einer Begründung ist also am
16. Juli 2014 unbenützt abgelaufen.
3.
Der Wortlaut des Art. 52 ATSG enthält mit Ausnahme der dreissigtägigen Frist zur Erhebung der Einsprache und der Anordnung, dass die Einsprache bei der verfügenden Stelle erhoben werden müsse, keine formalen Anforderungen an eine Einsprache. Der Verordnungsgeber hat das offensichtlich als eine ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke interpretiert. Er hat nämlich im Rahmen seines Auftrages, die Ausführungsbestimmungen zu erlassen (Art. 81 Satz 2 ATSG),
zusätzliche formale Anforderungen an eine Einsprache aufgestellt: Eine Einsprache muss gemäss Art. 10 Abs. 1 ATSV ein Rechtsbegehren und eine Begründung enthalten. Diese beiden formalen Anforderungen sind nach der Auffassung der Verordnungsgebers so bedeutsam, dass ihre Nichterfüllung (allenfalls innerhalb einer dem Einsprecher anzusetzenden Nachfrist) dazu zwingt, nicht auf die Einsprache einzutreten (Art. 10 Abs. 5 ATSV). Der Verordnungsgeber hat sich dabei ganz offensichtlich an den formalen Voraussetzungen orientiert, die eine Beschwerde erfüllen muss, damit auf sie eingetreten werden kann. Gemäss Art. 61 lit. b ATSG muss eine Beschwerde eine gedrängte Darstellung des Sachverhalts, ein Rechtsbegehren und eine kurze Begründung enthalten. Da alle drei formalen Anforderungen an eine Beschwerde innert einer Nachfrist nachgeliefert werden können, muss eine Beschwerde notwendigerweise bereits dann erhoben sein, wenn die aktivlegitimierte Person innerhalb der dreissigtägigen Frist erklärt hat, dass sie erstens mit dem Einspracheentscheid nicht einverstanden sei und dass sie zweitens eine Überprüfung der Rechtmässigkeit dieses Einspracheentscheides durch das kantonale Versicherungsgericht verlange. Wäre eine Beschwerde erst wirksam, d.h. fristwahrend erhoben, wenn die drei formalen Voraussetzungen erfüllt wären, könnte nämlich über die Nachfristansetzung zur Erfüllung dieser drei Voraussetzungen eine Erstreckung der gesetzlichen Beschwerdefrist erreicht werden, was offensichtlich nicht gemeint sein kann. Warum es zusätzlich zur wirksamen Beschwerdeerklärung noch einer gedrängten Sachverhaltsdarstellung bedarf, wenn diese Darstellung doch völlig unzutreffend sein darf und wenn der angefochtene (und mitgelieferte) Einspracheentscheid doch in aller Regel eine Sachverhaltsdarstellung enthält (bzw. sich der Sachverhalt ohne weiteres aus den von Amtes wegen beizuziehenden Akten ablesen lässt), warum es eines ausformulierten Rechtsbegehrens bedarf, wenn das Nichteinverständnis mit dem Einspracheentscheid erklärt und das kantonale Versicherungsgericht angerufen worden ist und dieses gemäss Art. 61 lit. d ATSG gar nicht an dieses ausformulierte Rechtsbegehren gebunden ist, und warum eine Beschwerdebegründung geliefert werden muss, wenn auch diese völlig unzutreffend sein darf und das Versicherungsgericht in keiner Weise zu binden vermag, ist kaum nachzuvollziehen. Noch viel weniger ist nachzuvollziehen, warum die Erfüllung der beiden formalen Voraussetzungen des Rechtsbegehrens und der Begründung so wichtig sein soll, dass das Eintreten auf die Einsprache davon abhängen soll, womit das Fehlen einer
entsprechenden Regelung in Art. 52 ATSG als ausfüllungsbedürftige Lücke interpretiert und diese Lücke durch den Verordnungsgeber ausgefüllt werden muss. Die Einsprache ist nämlich, anders als die Beschwerde, ein betont niederschwelliges Rechtsmittel, d.h. an eine wirksame Einsprache dürfen möglichst wenige formale Anforderungen gestellt werden. Diese erschöpfen sich in den - zwingend notwendigen - Voraussetzungen der Legitimation, der Einhaltung der dreissigtägigen Einsprachefrist und der Erklärung, mit der angefochtenen Verfügung nicht einverstanden zu sein und deshalb eine Überprüfung durch den verfügenden Sozialversicherungsträger zu verlangen. Damit ist der Sozialversicherungsträger, der die angefochtene Verfügung erlassen und die Einspracheerklärung entgegen genommen hat, ohne weiteres in der Lage, über das Eintreten auf diese Einsprache zu entscheiden. Dazu benötigt er weder ein ausformuliertes Rechtsbegehren noch eine Begründung der Einsprache. Der Zugang zur einspracheweisen Überprüfung der Verfügungen würde in unzulässiger Weise erschwert, wenn als Eintretensvoraussetzungen tatsächlich ein ausformuliertes Rechtsbegehren und eine Begründung verlangt würden. Damit erweist sich Art. 10 Abs. 1 und 5 ATSV als allzu formalistisch und damit als gesetzwidrig, denn Art. 52 ATSG enthält keine ausfüllungsbedürftige Lücke in Bezug auf Rechtsbegehren und Begründung. Der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach in Anwendung von Art. 10 Abs. 1 ATSV eine Einsprache nach Art. 52 ATSG ein Rechtsbegehren und eine Begründung enthalten muss, kann deshalb nicht gefolgt werden (siehe z.B. Urteil des Bundesgerichts vom 26. Mai 2011, 8C_28/2011 E. 5.2, Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 19. November 2004, I 664/03 und BGE 130 V 1 E. 4; siehe auch Marco Reichmuth, ATSG - [erste] Erfahrungen in der IV, in: Schaffhauser/Kieser [Hrsg.], Praktische Anwendungsfragen des ATSG, St. Gallen 2004, S. 44).
Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hat am 31. Januar 2014 fristgerecht erklärt, dass er gegen die Verfügung vom 3. Januar 2014 Einsprache erhebe. Das kann nur so verstanden werden, dass er diese Verfügung durch die Beschwerdegegnerin auf ihre Rechtmässigkeit hat überprüfen lassen wollen. Damit hat er wirksam Einsprache erhoben, denn der Beschwerdegegnerin hat damit klar sein müssen, dass sie ein Einspracheverfahren würde durchführen müssen, um die Rechtmässigkeit der Verfügung vom 3. Januar 2014 zu prüfen und dann über den Gegenstand dieser Verfügung neu zu entscheiden. Dass die Beschwerdegegnerin in dieser Situation als Eintretensvoraussetzungen ein ausformuliertes Rechtsbegehren und eine
Einsprachebegründung verlangt hat, ist nach dem oben Ausgeführten allzu formalistisch gewesen. Die entsprechende Androhung allein vermag den vorliegend angefochtenen Entscheid, nicht auf die Einsprache vom 31. Januar 2014 einzutreten, nicht zu rechtfertigen. Dieser (verfahrensabschliessende) Entscheid ist deshalb aufzuheben und durch den (verfahrensleitenden) Entscheid zu ersetzen, auf die Einsprache vom 31. Januar 2014 gegen die Verfügung vom 3. Januar 2014 einzutreten. Demnach ist die Sache zur Durchführung des Einspracheverfahrens an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.
Da sich der Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens in der Frage des Ein tretens auf die Einsprache vom 31. Januar 2014 erschöpft, kann das Begehren des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers, es sei ihm eine angemessene Nachfrist für die Begründung der Einsprache anzusetzen, nicht beurteilt werden. Darüber wird die Beschwerdegegnerin im Rahmen des Einspracheverfahrens zu entscheiden haben. Die Beschwerdegegnerin hat dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers nie angedroht, dass sie ohne ein ausformuliertes Rechtsbegehren und ohne eine Einsprachebegründung entscheiden werde, wenn er die entsprechende Nachfrist unbenützt verstreichen lasse. Deshalb wird die Beschwerdegegnerin wohl nicht umhin können, eine solche Nachfrist zu bewilligen.
Die Beschwerde ist im Umfang des Streitgegenstandes vollumfänglich gutzu heissen, weshalb der Beschwerdeführer einen Anspruch auf eine ungekürzte Parteientschädigung hat. Diese ist angesichts des minimalen Aufwandes für Aktenstudium und Begründung auf Fr. 1‘000.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) festzusetzen. Die Beschwerdegegnerin wird den Beschwerdeführer also mit Fr. 1‘000.-- zu entschädigen haben.
Entscheid
im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP
1.
Die Beschwerde wird dahingehend gutgeheissen, dass der Nichteintretensentscheid
vom 7. August 2014 aufgehoben und durch den Entscheid ersetzt wird, auf die Einsprache vom 31. Januar 2014 einzutreten; die Sache wird zur Durchführung des Einspracheverfahrens an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von
Fr. 1‘000.-- zu bezahlen.
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