Zusammenfassung des Urteils EL 2010/31: Versicherungsgericht
Die Zuständigkeit zur Auszahlung von Ergänzungsleistungen bleibt beim Kanton, in dem die Person vor dem Aufenthalt in einem Heim oder Spital ihren Wohnsitz hatte, auch wenn sie danach einen neuen Wohnsitz begründet. Ein Wechsel der Zuständigkeit kann jedoch eintreten, wenn ein Ehegatte in eine ausserkantonale Einrichtung eintritt und der andere Ehegatte seinen Wohnsitz in einen anderen Kanton verlegt. Der Versicherungsträger hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Parteientschädigung. In einem konkreten Fall vor dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen ging es um die Zuständigkeit zur Auszahlung von Ergänzungsleistungen für ein Ehepaar, das unterschiedliche Wohnsitze hatte. Der Richterspruch fiel zugunsten des Kantons St. Gallen aus, der für die Auszahlung der Leistungen zuständig ist.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | EL 2010/31 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | EL - Ergänzungsleistungen |
Datum: | 23.11.2010 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 59 ATSG Verneint der Kanton A seine Zuständigkeit zur Ausrichtung von Ergänzungsleistungen, so ist der Kanton B durch die Nichteintretensverfügung direkt und unmittelbar betroffen. Der Kanton B ist daher im Sinne von Art. 49 Abs. 4 ATSG zur Ergreifung der gleichen Rechtsmittel wie die versicherte Person legitimiert. Art. 21 Abs. 1 ELG; Rz. |
Schlagwörter: | Wohnsitz; Kanton; Gallen; Zuständig; Stadt; Zuständigkeit; Ausrichtung; Einsprache; Kantons; Person; Ehegatte; Aufenthalt; Anspruch; Einspracheentscheid; Lebensmittelpunkt; Spital; Ergänzungsleistung; Durchführungsstelle; Verfügung; Heimeintritt; Ergänzungsleistungen; Ehegatten; Entscheid; EL-act |
Rechtsnorm: | Art. 13 ATSG ;Art. 23 ZGB ;Art. 29 ATSG ;Art. 49 ATSG ;Art. 61 ATSG ;Art. 776 ZGB ; |
Referenz BGE: | 131 I 145; 132 V 80; |
Kommentar: | Ueli Kieser, ATSG- 2. Auflage, Zürich, Art. 61 ATSG, 2009 |
Vizepräsidentin Miriam Lendfers, Versicherungsrichterinnen Monika Gehrer-Hug und Marie Löhrer; Gerichtsschreiber Matthias Burri
Entscheid vom 23. November 2010 in Sachen
Stadt A. ,
Beschwerdeführerin, gegen
Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, Ausgleichskasse des Kantons St.
Gallen, Brauerstrasse 54, Postfach, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin, und
B. und C. D. , Beigeladene, betreffend
Ergänzungsleistung zur AHV (Zuständigkeit) Sachverhalt:
A.
B. D. , Jahrgang 1931, meldete sich am 20. Juli 2009 zusammen mit seiner Ehefrau, C. D. , Jahrgang 1938, bei der Durchführungsstelle für Zusatzleistungen (ZL) der Stadt A. zum Bezug von ZL zu seiner AHV-Rente an. Mit Verfügung vom 4. September 2009 lehnte das Departement für Soziales der Stadt A. das Gesuch um ZL mangels Zuständigkeit ab. Der Wohnsitz der Versicherten würde sich im Kanton St. Gallen und nicht in A. befinden. Deshalb sei die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen (SVA) für die Ausrichtung der ZL zuständig (EL-act. 10-138/139).
In der Folge meldeten sich die Versicherten am 25. November 2009 bei der SVA St. Gallen zum Bezug von Ergänzungsleistungen (EL) an (EL-act. 9 ff.). Mit Verfügung vom 15. Dezember 2009 trat die EL-Durchführungsstelle der SVA St. Gallen nicht auf das Gesuch ein. Der Heimaufenthalt des Versicherten B. D. begründe keinen
Wohnsitz im Kanton St. Gallen. Der gesetzliche Wohnsitz sei nach wie vor A. (EL- act. 8-1/2).
Am 15. Januar 2010 erhob die Stadt A. gegen die Nichteintretensverfügung vom
15. Dezember 2009 Einsprache und beantragte deren Aufhebung. Es sei festzustellen, dass die Versicherten ihren Wohnsitz vor dem und im massgebenden Zeitraum nicht in A. gehabt hätten. Die SVA St. Gallen solle sich zur Ausrichtung der EL zuständig erklären. Eventualiter sei den Versicherten bis zum rechtskräftigen Entscheid über den massgeblichen zivilrechtlichen Wohnsitz provisorisch im Aufenthaltskanton St. Gallen EL auszubezahlen (EL act. 5).
Im Rahmen des Einspracheverfahrens tätigte die EL-Durchführungsstelle der SVA weitere Abklärungen. Mit Einspracheentscheid vom 14. Mai 2010 wies die SVA St. Gallen die Einsprache vom 15. Januar 2010 im Hauptantrag ab. Der Eventualantrag um provisorische Ausrichtung der EL im Kanton St. Gallen hingegen wurde gutgeheissen. Der Versicherte B. D. sei am 16. Mai 2008 ins Seniorenzentrum E. in F. SG eingetreten. Unmittelbar davor habe er seinen Wohnsitz in A. gehabt. Die Befragung der Versicherten C. D. vom 17. Februar / 1. März 2010 habe ergeben, dass sich die Versicherten nach dem Wegzug aus der Stadt G. im Jahr 1994 entweder im Haus ihres Sohnes in A. im Ferienhaus in H. in der Gemeinde I. an der Grenze zur Nachbargemeinde F. (Postadresse des Hauses in I. lautet auf die Gemeinde F. ) aufgehalten hätten. Im Haus ihres Sohnes hätten sie ein eigenes Zimmer mit ihren Einrichtungsgegenständen zur Verfügung gehabt. Ebenfalls hätten die Versicherten ihre Steuern in A. bezahlt. Es könne davon ausgegangen werden, dass das Steueramt A. die Frage des Wohnsitzes sorgfältig geprüft und bejaht habe. Die Versicherten hätten ihren Lebensabend in erster Linie in der Nähe der Familie des Sohnes verbringen wollen. Das Haus in I. sei stets als Ferienhaus betrachtet worden. Die Absicht des dauernden Verbleibens habe es nie gegeben. Der Versicherte
D. habe zwar seit längerem seinen Hausarzt, Dr. K. , in F. gehabt und sich einige Korrespondenz schon vor der Zeit des Heimeintritts an die Adresse in F. senden lassen, dies stelle jedoch kein eindeutiges Indiz dar, denn andere Dokumente, wie z.B. die Kontoauszüge der L. Bank F. -I. , würden die Postadresse A. aufweisen (G act. 1.1.2.1).
B.
Gegen diesen Einspracheentscheid richtet sich die Beschwerde der Stadt A. vom 3. Juni 2010. Es sei festzustellen, dass die Versicherten ihren zivilrechtlichen Wohnsitz vor und im massgebenden Zeitpunkt nicht in A. gehabt hätten. Der Einspracheentscheid sei demzufolge aufzuheben und die SVA St. Gallen als zuständig für die Ausrichtung der EL zu erklären. Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Versicherten sich zwar per 1. September 1994 an der Adresse ihres Sohnes in A. öffentlich-rechtlich angemeldet hätten, tatsächlich hätten sie ihren zivilrechtlichen Wohnsitz jedoch bereits seit längerer Zeit im Kanton St. Gallen gehabt. Die Versicherten seien seit 21. Januar 1983 Eigentümer eines Einfamilienhauses in
I. . Im Haus ihres Sohnes in A. hätten sie hingegen nie auch nur ein Zimmer bewohnt und auch keinerlei Möbel zur Nutzung zur Verfügung gehabt. Zahlreiche Unterlagen (Rechnungen für Arzt- und Zahnarztbesuche in der Region I. -F. , Rechnungen der Spitex F. , Bankkonti bei der L. Bank F. und der M. Bank sowie der Verkauf der Liegenschaft in I. an den Sohn mit Begründung eines lebenslänglichen Wohnrechts für die Versicherten) würden belegen, dass der Lebensmittelpunkt der Versicherten bereits vor dem Heimeintritt in I. gewesen sei. Sodann würden die Postanschrift und der Telefonanschluss der Versicherten seit vielen Jahren auf die Adresse in I. (F. ) lauten. Betreffend den behaupteten Wohnsitz
A. würden ausser der öffentlich-rechtlichen Anmeldung keinerlei Indizien für die Absicht des dauernden Verbleibens bestehen. Auch die mittels Fragebogens vorgenommene Abklärung der Beschwerdegegnerin vom 17. Februar / 1. März 2010 habe nicht belegen können, dass die Versicherten ihren Wohnsitz in A. gehabt hätten. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Versicherte C. D. jeweils zur Betreuung ihrer Enkelkinder während der Erwerbstätigkeit ihrer Schwiegertochter (40% Pensum) einmal pro Woche in A. übernachtet habe. Eventualiter sei darauf hinzuweisen, dass selbst wenn davon ausgegangen werden müsste, dass die Versicherten in A. Wohnsitz begründet hätten, die Zuständigkeit zur Ausrichtung der EL gemäss Rz. 1026.8 WEL gewechselt hätte. Der Versicherte B. D. sei in eine ausserkantonale Einrichtung eingetreten, währenddem seine Ehegattin in einem anderen als dem bisherigen Kanton, nämlich im Kanton St. Gallen, Wohnsitz begründet habe (G act. 1).
Am 10. Juni 2010 beantragt die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Beschwerde und verweist auf den Einspracheentscheid (G act. 3).
Mit Schreiben vom 7. Juli 2010 wurden die Versicherten zum Prozess beigeladen. Auf die Einreichung einer Stellungnahme haben die Versicherten sinngemäss verzichtet (G act. 5, 6).
Erwägungen:
1.
Streitig und vorliegend zu prüfen ist die Zuständigkeit der Beschwerdegegnerin zur
Ausrichtung der EL.
Zur Beschwerde ist berechtigt, wer durch den Einspracheentscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung Änderung hat (Art. 59 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts, ATSG;
SR 830.1). Diese Definition umfasst auch andere Versicherungsträger, sofern durch den Einspracheentscheid deren Leistungspflicht tangiert wird. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat entschieden, dass die mit mangelnder örtlicher Zuständigkeit begründete Nichteintretensverfügung der EL-Durchführungsstelle eines anderen Kantons für die Aufenthaltsgemeinde eine Bindungswirkung entfaltet, welche noch weiter geht als diejenige einer Invaliditätsbemessung der Invalidenversicherung für die obligatorische berufliche Vorsorge. Damit ist die Durchführungsstelle des Aufenthaltskantons durch die streitige Nichteintretensverfügung sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher (finanzieller) Hinsicht unmittelbar und direkt betroffen. Dieses
„Berührtsein" legitimiert die Durchführungsstelle am Aufenthaltsort als „anderen (Versicherungs-)Träger" im Sinne von Art. 49 Abs. 4 ATSG zur Ergreifung der gleichen Rechtsmittel wie die versicherte Person (BGE 132 V 80 Erw. 4.2). Vorliegend weicht der Sachverhalt von vorgenanntem Bundesgerichtsurteil ab. Gleichwohl sind sich die Parteien über die Aktivlegitimation der Stadt A. zu Recht einig. Die Stadt A. hat den EL-Anspruch der Versicherten mit Abweisungsverfügung vom 4. September 2009 verneint. Diese erwuchs unangefochten in Rechtskraft. Man könnte daher die Auffassung vertreten, dass die Stadt A. durch den Einspracheentscheid der SVA St. Gallen nicht tangiert ist. Es darf jedoch nicht ausser Acht gelassen werden, dass die Stadt A. anstelle der Abweisungsverfügung korrekterweise eine Nichteintretensverfügung mangels örtlicher Zuständigkeit hätte erlassen müssen.
Sodann wäre die SVA St. Gallen in das Verfahren miteinzubeziehen gewesen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Stadt A. die rechtskräftige Abweisungsverfügung mit Einspracheerhebung gegen die Nichteintretensverfügung der SVA St. Gallen implizit widerrufen zumindest ihre Wiedererwägungsbereitschaft in Bezug auf ihre Verfügung vom 4. September 2009 klar gemacht hat für den Fall, dass das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen die Zuständigkeit der SVA St. Gallen verneinen würde. Dementsprechend ist die gemäss § 2 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons G. über die Zusatzleistungen zur eidgenössischen
Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ZLG) mit der Durchführung betraute Stadt A. am angefochtenen Entscheid berührt und hat an dessen Überprüfung ein schutzwürdiges Interesse, sodass sie zu dessen Anfechtung legitimiert ist. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
Zuständig für die Festsetzung und die Auszahlung der EL ist gemäss Art. 21 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG; SR 831.30) der Kanton, in dem der EL-Bezüger seinen Wohnsitz hat. Der Aufenthalt in einem Heim, einem Spital einer andern Anstalt begründet keine neue Zuständigkeit. In der Wegleitung über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV (WEL, Stand 1. Januar 2010) des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) wird zu Art. 21 Abs. 1 Satz 2 ELG ausgeführt, dass bei in Heimen Spitälern lebenden Personen, was das interkantonale Verhältnis betrifft, immer der Kanton zuständig für die Ausrichtung von Ergänzungsleistungen ist, in welchem die Person ihren Wohnsitz vor dem Eintritt in das Heim, Spital die andere Anstalt hatte. Dies gilt auch dann, wenn die Person am Ort des Heimes, Spitals usw. einen neuen Wohnsitz begründet hat (Rz. 1026.2 WEL).
Art. 13 Abs. 1 ATSG hält fest, dass sich der Wohnsitz einer Person nach den Artikeln 23-26 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB; SR 210) bestimmt. Gemäss Art. 23 Abs. 1 ZGB befindet sich der Wohnsitz einer Person an dem Ort, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält. Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben (Abs. 2). In objektiver Hinsicht wird bei der Bestimmung des Wohnsitzes der physische Aufenthalt berücksichtigt, in subjektiver
Hinsicht die Absicht dauernden Verbleibens, wobei letzterer Aspekt nur insoweit von Bedeutung ist, als er nach aussen erkennbar geworden ist. Massgebend ist der Ort, wo sich der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen befindet (Daniel Staehelin, BSK-ZGB I, 3. Aufl., Basel/Genf/München 2006, N 5 zu Art. 23).
Freilich ist es einem EL-Bezüger unbenommen, seinen Wohnsitz zu verlegen. Hält sich ein EL-Ansprecher während längerer Zeit ferienhalber in einem anderen Kanton im Ausland auf, so begründet dies noch keinen neuen Wohnsitz, dies unter Umständen selbst dann nicht, wenn diese "Ferien" mehrere Monate im Jahr einnehmen. Wird der Bezug zum ursprünglichen Wohnsitz jedoch so schwach, dass nicht mehr ernsthaft davon ausgegangen werden kann, dass sich an jenem Ort der Lebensmittelpunkt des EL-Ansprechers befindet, so ist von einem Wohnsitzwechsel auszugehen. Die EL-Durchführungsstelle prüft den Wohnsitz eines EL-Ansprechers frei und ist nicht an diesbezügliche Annahmen des Einwohneramts Steueramts gebunden (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen EL 2009/39 vom 10. März 2010, Erw. 1.3).
3.
Der Versicherte trat per 16. Mai 2008 ins Seniorenzentrum E. in F. ein (EL- act. 10-78/139). Die örtliche Zuständigkeit zur Ausrichtung der EL richtet sich nach dem Kanton, in welchem der Versicherte vor Eintritt in das Seniorenzentrum seinen Wohnsitz hatte. Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Versicherte habe seinen Wohnsitz seit dem Wegzug aus der Stadt G. in I. , in A. habe er nie Wohnsitz begründet. Der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen befindet sich im Normalfall am Wohnort, wo man schläft, die Freizeit verbringt und wo sich die persönlichen Effekten befinden. Am Wohnort hat man üblicherweise einen Telefonanschluss und eine Postadresse. Auch ein von vornherein bloss vorübergehender Aufenthalt kann einen Wohnsitz begründen, wenn er auf eine bestimmte Dauer angelegt ist und der Lebensmittelpunkt dorthin verlegt wird (Daniel Staehelin, a.a.O., N 5 ff. zu Art. 23 m.H.). Aus der Tatsache, dass der Versicherte und seine Ehegattin seit ihrem Wegzug aus der Stadt G. zwar in A. angemeldet sind und auch dort Steuern bezahlen, kann noch nicht auf den zivilrechtlichen Wohnsitz A. geschlossen werden. Diese Kriterien sind lediglich als Indizien zu werten (Daniel Staehelin, a.a.O., N 23 zu Art. 23). Für den
Wohnsitz A. spricht vorliegend einzig das Zimmer im Haus des Sohns der Versicherten bzw. die Nähe zum Sohn und dessen Familie. Darüber hinaus sind den Akten jedoch keinerlei weitere Indizien zu entnehmen, dass der Lebensmittelpunkt der Versicherten in A. war (z.B. Belege über Bankbezüge, Belege über Freizeitaktivitäten in A. und Umgebung, z.B. Belege über Vereinstätigkeiten in A. , etc.). Im Gegensatz zu dem einen Zimmer im Haus des Sohnes in A. stand den Versicherten in I. immerhin ein – wenn offenbar auch flächenmässig bescheidenes – Haus mit
drei Zimmern zur Verfügung (EL act. 2-2/2). Unbestritten ist zudem, dass die Versicherten viel Zeit in I. verbrachten und dort auch ein soziales Umfeld aufgebaut haben (EL act. 2-2/2). In BGE 131 I 145 hatte das Bundesgericht über das Steuerdomizil eines Rentnerehepaars zu befinden, das sich regelmässig an zwei bis drei verschiedenen Orten aufhielt. Das Steuerdomizil befindet sich in der Regel am zivilrechtlichen Wohnsitz und ist demnach ebenfalls nach Art. 23 Abs. 1 ZGB zu ermitteln (vgl. Urteil vom 20. Januar 1994 in: ASA 63, S. 839, Erw. 2a). Das Bundesgericht hielt fest, dass sich der Lebensmittelpunkt und dementsprechend auch das Steuerdomizil an dem Ort befänden, wo die Ehegatten ein eigenes Haus hatten und nicht am Wohnort der Tochter, wo sie bloss über ein eigenes Zimmer mit Dusche und WC verfügten. Wendet man vorgenannte Rechtsprechung auf vorliegenden, durchaus vergleichbaren Sachverhalt an, dürfte I. bereits seit längerem Wohnsitz der Versicherten sein. Sodann erfolgten spätestens seit dem Jahr 2007 sämtliche Arzt-, Zahnarztbesuche und Spitalaufenthalte der Versicherten in der Region F. -I. bzw. im Kantonsspital St. Gallen (EL-act. 6-15/25, 10-96/139). Ein weiteres Indiz für den Wohnsitz I. ist der Heimeintritt des Versicherten in das Seniorenzentrum E. . Es ist davon auszugehen, dass ein Heimeintritt wenn immer möglich am Ort des Lebensmittelpunkts gewählt wird. Dass bezüglich des Heimeintritts der Ort A. überhaupt zur Diskussion gestanden hätte, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Gemäss den vorhandenen Akten spricht vieles dafür, dass der Lebensmittelpunkt der Versicherten bereits seit längerem in I. ist bzw. allmählich dorthin verlegt wurde. Zur abschliessenden Klärung der Wohnsitzfrage wären jedoch hinsichtlich des bei Art. 23 ZGB wohl kaum anwendbaren sozialversicherungsrechtlichen Beweisgrads der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, sondern des zivilrechtlich massgebenden Beweisgrads des strikten Nachweises zur vollen Überzeugung des Urteilenden, weitere Abklärungen zu treffen (vgl. Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St.
Gallen EL 2006/43 vom 20. Juni 2006, Erw. 2g). Dazu wären die genaue Wohnsituation zu ergründen und weitere Personen in I. und A. zu befragen. Ebenfalls wären die von der Beschwerdeführerin festgehaltenen und im Verhältnis zur Befragung vom 17. Februar / 1. März 2010 teilweise widersprüchlichen Gesprächsnotizen zu verifizieren (G act. 1.1.7, 1.1.8, EL-act. 2-2/2). Diesen Gesprächsnotizen kann nämlich mangels schriftlicher Bestätigung der Versicherten kaum Beweiswert zukommen (vgl. das Urteil des Bundesgerichts vom 22. Dezember 2004, C 116/04, Erw. 3.1.1 mit Hinweis auf RKUV 2003 Nr. U 473 S. 49 Erw. 3.2). Somit wäre die Streitsache grundsätzlich zur weiteren Sachverhaltsabklärung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Wie sich nachfolgend zeigt, kann in vorliegendem Fall auf eine Rückweisung jedoch verzichtet werden.
Die Beschwerdeführerin führt zutreffend aus, dass Rz. 1026.8 WEL einen Wechsel des zur EL-Ausrichtung zuständigen Kantons vorsieht, wenn Ehegatte A in eine ausserkantonale Einrichtung eintritt und Ehegatte B in einem anderen als dem bisherigen Kanton Wohnsitz begründet, ohne dass er/sie in eine Einrichtung eintritt. In diesem Fall werde der für den Ehegatten B neu zuständige Kanton auch für den Ehegatten A zuständig. Verwaltungsweisungen sind zwar für Durchführungsorgane, nicht jedoch für das Gericht bindend. Vorliegend sind keine Gründe ersichtlich, die es erfordern würden, dieser Weisung die Anwendung zu untersagen. Die Konkretisierung von Art. 21 Abs. 1 Satz 2 ELG durch die Rz. 1026.8 WEL stellt klar, dass für den oben geschilderten Fall der Wohnsitz des nicht im Heim wohnenden Ehegatten entsprechend Art. 21 Abs. 1 Satz 1 ELG für die Zuständigkeit zur Ausrichtung der EL ausschlaggebend bleibt, sodass nach wie vor ein Zuständigkeitswechsel stattfinden kann. Die Fixierung der Zuständigkeit nach Art. 21 Abs. 1 Satz 2 ELG knüpft an den Heimeintritt an. Verlegt nun der nicht im Heim wohnende Ehegatte seinen Wohnsitz in einen anderen Kanton, besteht kein Anknüpfungspunkt für die Anwendung von Art. 21 Abs. 1 Satz 2 ELG. Insbesondere bei – wie in vorliegendem Fall – Niederlassung des nicht im Heim wohnenden Ehegatten am Ort der betreuenden Einrichtung des Ehepartners erscheint der Zuständigkeitswechsel sachgerecht. Ein zusätzliches einschränkendes materiell-rechtliches Anspruchserfordernis ist in der Rz. 1026.8 WEL nicht zu erblicken. Somit wäre, selbst wenn man zum Schluss kommen würde, dass die Versicherten vor dem Eintritt von B. D. ins Seniorenzentrum E. Wohnsitz in A. gehabt hätten, in Anwendung der Rz. 1026.8 WEL neu der Kanton St. Gallen zur
Ausrichtung der EL zuständig. Denn spätestens mit dem Heimeintritt des Versicherten hat sich der Wohnsitz von C. D. nach I. verlegt. Dafür sprechen neben den in vorstehender Erwägung 3.1 genannten Indizien zusätzlich die von C. D. in I. bezogenen Spitex-Leistungen sowie die Tatsache, dass das Haus in I. am 16. Mai 2008 unter Einräumung eines lebenslänglichen Wohnrechts im Sinne von Art. 776 ff. ZGB zu Gunsten der Versicherten an den Sohn verkauft wurde (EL-act. 10-98/139 ff., G act. 1.1.6.2). Die Begründung des Wohnrechts kann wohl nur den Zweck haben, der Versicherten den dauerhaften Aufenthalt in I. zu ermöglichen bzw. sicherzustellen. Zur weiteren Nutzung des Hauses in I. als Feriendomizil wäre ein Wohnrecht nicht notwendig. Sodann ist hinsichtlich des Heimaufenthalts des Versicherten im Seniorenheim E. der Lebensmittelpunkt der Ehegattin klarerweise in I. zu erblicken. Zuständig für die Ausrichtung der EL ist daher der Kanton St. Gallen. Die Beschwerdegegnerin wird somit über den EL-Anspruch der Versicherten zu verfügen haben, wobei das Anmeldedatum bei der Stadt A. (Eingang Anmeldung 20. Juli 2009; EL-act. 10-39/139) für den Zeitpunkt der Anspruchsberechtigung massgebend ist (Art. 29 Abs. 3 ATSG).
4.
Aufgrund dieser Erwägungen ist der Kanton St. Gallen zur Ausrichtung der EL zuständig. Die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 14. Mai 2010 ist dementsprechend gutzuheissen.
Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).
Gemäss Art. 61 lit. g Satz 1 ATSG hat eine obsiegende beschwerdeführende
Person einen Anspruch auf den Ersatz ihrer Parteikosten. Vorliegend führt die Stadt
die Beschwerde in eigenem Namen und nicht in Vertretung der Versicherten. Sie ist die nach § 2 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 des ZLG zur Durchführung bestimmte Stelle und somit Versicherungsträgerin. Als solche hat sie grundsätzlich keinen Anspruch auf Parteientschädigung im Sinne von Art. 61 lit. g ATSG (Ueli Kieser, ATSG- Kommentar, 2. Auflage, Zürich 2009, Rz. 33 zu Art. 61 ATSG).
Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG entschieden:
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Einspracheentscheid vom 14. Mai 2010 wird aufgehoben und die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen, damit diese den EL-Anspruch berechne und darüber verfüge.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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