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Urteil Versicherungsgericht (SG - EL 2010/29)

Zusammenfassung des Urteils EL 2010/29: Versicherungsgericht

Die Beschwerdeführerin war wohnhaft im Kanton E. und erhielt aufgrund einer Invalidität von 50 Prozent eine halbe Invalidenrente. Nach einem Umzug in den Kanton St. Gallen beantragte sie Ergänzungsleistungen. Trotz ärztlicher Bestätigung ihrer 100-prozentigen Arbeitsunfähigkeit lehnte die IV-Stelle die Erhöhung der Invalidenrente ab. Die Vormundin der Beschwerdeführerin erhob Einspruch gegen die Anpassung der Ergänzungsleistungen und argumentierte, dass die psychischen Beschwerden eine Erwerbstätigkeit unmöglich machten. Die EL-Durchführungsstelle wies den Einspruch ab, ohne die Argumente der Beschwerdeführerin angemessen zu prüfen. Das Versicherungsgericht hob den Entscheid auf und wies die Sache zur weiteren Abklärung an die Beschwerdegegnerin zurück.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts EL 2010/29

Kanton:SG
Fallnummer:EL 2010/29
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:EL - Ergänzungsleistungen
Versicherungsgericht Entscheid EL 2010/29 vom 21.02.2019 (SG)
Datum:21.02.2019
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG; Art. 14a ELV: Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens für die teilinvalide EL-Bezügerin. Rückweisung an die EL-Durchführungsstelle zur weiteren Sachverhaltsabklärung und zur neuen Entscheidung (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 21. Februar 2011, EL 2010/29).
Schlagwörter: Arbeit; Anpassung; Einsprache; Sachverhalt; Invaliden; Verfügung; Erwerbseinkommen; Invalidität; IV-Stelle; Anspruch; Prozent; Vormundschaft; Gericht; Vormundin; Einspracheentscheid; Invaliditätsgrad; Gallen; Ergänzungsleistung; Kanton; Invalidenrente; Anpassungsgesuch; Abklärung; Erwerbstätigkeit; Sachverhalts; Entscheid; Ergänzungsleistungen; Invalidenversicherung
Rechtsnorm: Art. 369 ZGB ;Art. 392 ZGB ;
Referenz BGE:128 V 39; 130 V 64;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts EL 2010/29

Entscheid Versicherungsgericht, 21.02.2011

Abteilungspräsidentin Karin Huber-Studerus, Versicherungsrichterin Monika Gehrer- Hug, Versicherungsrichter Joachim Huber; a.o. Gerichtsschreiber Adrian Zogg

Entscheid vom 21. Februar 2011 in Sachen

  1. ,

    Beschwerdeführerin, vertreten durch B. , gegen

    Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, Ausgleichskasse des Kantons St.

    Gallen, Brauerstrasse 54, Postfach, 9016 St. Gallen,

    Beschwerdegegnerin,

    betreffend Ergänzungsleistung zur IV Sachverhalt:

    A.

    1. A. war wohnhaft im Kanton E. . Sie erhielt aufgrund eines Invaliditätsgrads von 50 Prozent ab 1. April 2004 eine halbe Invalidenrente (act. G 7.1.88, 90, 97). In der Folge zog die Versicherte nach F. im Kanton St. Gallen. Am 9. November 2007 meldete sie sich bei der AHV-Zweigstelle für den Bezug von Ergänzungsleistungen (nachfolgend: EL) an (act. G 4.1.31).

    2. Mit Beschluss vom 19. Dezember 2007 ordnete das Gericht G. bei der Versicherten eine Vormundschaft an (act. G 4.1.37). Es stützte sich hierbei unter anderem auf einen Bericht des Spitals H. vom 5. Juli 2007 (act. G 4.1.38). Obwohl die Versicherte im Verlauf des Entmündigungsverfahrens in den Kanton St. Gallen gezogen war, erklärte sich das Gericht G. für zuständig, da es auf die Sachlage zur Zeit der Anhebung des Verfahrens ankomme.

    3. Mit Schreiben vom 4. Januar 2008 (sowie Erinnerungsschreiben vom 2. Mai,

      20. August 2008 und 9. Februar 2009) bat Dr. med. C. , Facharzt FMH für Allgemeinmedizin, die IV-Stelle des Kantons St. Gallen (nachfolgend: IV-Stelle) um Durchführung einer Anpassung betreffend die Invalidenrente der Versicherten. Er erwähnte unter anderem, dass die Versicherte aus medizinischen Gründen zu 100 Prozent arbeitsunfähig sei. Aufgrund der ausgeprägten körperlichen Beeinträchtigung, welche voraussichtlich von langanhaltender Dauer sein dürfte, erachte er die Durchführung einer Anpassung als äusserst wichtig (act. G 7.1.115, 133, 145). Am

      7. Januar 2008 bestätigte Dr. D. , Fachärztin FMH für Innere Medizin und Rheumatologie, dass die Versicherte seit Januar 2003 zu 100 Prozent arbeitsunfähig sei (act. G 7.1.116). Mit Anpassungsgesuch vom 11. Januar 2008 (sowie Erinnerungsschreiben vom 14. Juli, 25. Juli, 4. August, 14. August, 25. August und

      12. September 2008) beantragte die Versicherte ihrerseits bei der IV-Stelle eine Anpassung auf eine ganze Invalidenrente (act. G 7.1.1, 125, 126, 131, 132, 135, 138).

    4. Mit Verfügung vom 20. März 2008 teilte die EL-Durchführungsstelle der Versicherten mit, dass sie ab 1. November 2007 einen Anspruch auf EL habe. Bei der EL-Anspruchsberechnung sowie bei den folgenden Anpassungen berücksichtigte die EL-Durchführungsstelle jeweils ein hypothetisches Erwerbseinkommen von

      Fr. 18'140.-- (act. G 4.1.4, 9, 13, 19, 20).

    5. Mit Verlaufsbericht vom 28. Mai 2008 an die IV-Stelle bestätigte Dr. C. , dass sich der Gesundheitszustand der Versicherten verschlechtert habe. Sie leide neu an einer Fibromyalgie sowie in deren Rahmen an einem chronischen Erschöpfungssyndrom DD. Seit Anfang 2003 habe sie Schmerzen in allen Muskeln, daneben anhaltende chronische Schmerzen im linken Fuss verbunden mit Dysästhesien der linken Fusssohle und einem allgemeinen Überempfindlichkeitsgefühl im Unterschenkel. Ausserdem leide sie an generalisierten Wirbelsäulenschmerzen von ischialgiformem Charakter mit Schmerzausstrahlungen in den linken Arm sowie in das rechte Bein. Zusätzlich bestünden wiederkehrende Arthralgien der rechten Schulter sowie am rechten Daumengrundgelenk. Dr. C. hielt weiter fest, dass ihm die Versicherte mitgeteilt habe, sie sehe sich ausser Stande, aufgrund der rezidivierenden Beschwerden von Seiten des Bewegungsapparats sowie der Schlafstörungen und der zunehmenden Erschöpfung einer auch nur leichten Arbeitstätigkeit nachzugehen. Sie habe ihn weiter darüber informiert, dass sie bereits anstrengendere Haushaltsarbeiten wie Staubsaugen, Fensterputzen das Tragen von schweren Einkaufstaschen nur mit Mühe bewältigen könne. Zusätzlich habe sie darauf hingewiesen, dass die regelmässigen Kontakte mit der Sozialbehörde sie demütigen und ihre seelischen Probleme weiter verstärken würden. Dr. C. wies darauf hin, dass es unter regelmässiger Physiotherapie zu einer vorübergehenden Schmerzlinderung käme. Die Beschwerden am linken Fuss seien physiotherapeutisch nicht beeinflussbar. Entzündungshemmende Analgetika hätten sich als wirkungslos erwiesen. Eine antidepressive Therapie sei von der Versicherten mehrfach abgelehnt worden. Sie bevorzuge eine homöopathische Behandlung. Der Arzt wies zusätzlich darauf hin, dass er berufliche Massnahmen als nicht zielführend erachte. Selbst eine leichte Tätigkeit mit der Möglichkeit regelmässig die Arbeitshaltung zu wechseln sei der Versicherten nicht zumutbar. Es bestehe eine Arbeitsunfähigkeit im Umfang von 100 Prozent und die Prognose bezüglich der Arbeitsfähigkeit sei langfristig betrachtet ungünstig. Ausserdem erachte er eine ergänzende fachärztliche rheumatologische und

      psychiatrische Abklärung als sinnvoll (act. G 7.1.122). Am 23. April 2009 beantwortete der RAD Ostschweiz (Regionaler Ärztlicher Dienst der Invalidenversicherung) eine interne Anfrage dahingehend, dass sich der Gesundheitszustand der Versicherten nicht relevant verändert habe. Weitere medizinische Abklärungen seien nicht notwendig. Ein medizinischer Anpassungsgrund bestehe nicht (act. G 7.1.163).

    6. Mit Verfügung vom 1. September 2009 teilte die IV-Stelle der Vormundin der Versicherten, B. (act. G 1.9), mit, dass das gestellte Anpassungsgesuch betreffend die Erhöhung der Invalidenrente (vgl. Sachverhalt A.c) abgewiesen werde. Zur Begründung führte die IV-Stelle aus, dass sich der Gesundheitszustand der Versicherten nach den zur Verfügung stehenden medizinischen Unterlagen nicht relevant verändert habe und kein Anpassungsgrund vorliege (act. G 7.1.173).

    7. Die EL wurde letztmals am 28. Dezember 2009 mit Wirkung ab 1. Januar 2010 einzig aufgrund einer Veränderung bei der Pauschalen der individuellen Prämienverbilligung angepasst (act. G 4.1.4).

B.

    1. Die Vormundin erhob für die Versicherte am 26. Januar 2010 Einsprache gegen die Verfügung vom 28. Dezember 2009. Sie beantragte, dass bei der Anspruchsberechnung der EL kein hypothetisches Erwerbseinkommen zu berücksichtigen sei. Zur Begründung führte sie aus, dass die Versicherte bereits seit der Entmündigung nicht in der Lage sei, ihre Angelegenheiten adäquat zu erledigen.

      Unter anderem sei bei ihr eine Anosognosie diagnostiziert worden. Seither habe sich ihr Zustand verschlimmert. Sie könne keine Gesprächstermine wahrnehmen. Zwischen der Vormundin und der Versicherten habe erst eine einzige Begegnung stattfinden können. Diese sei in Anwesenheit der Polizei, des Sozialamts und des Betreibungsamts erfolgt. Sie lebe sehr einsam, zurückgezogen und abgeschieden in einer kleinen Wohnung. Es sei für sie unmöglich, Arbeitsbemühungen beizubringen, geschweige denn eine reguläre Arbeit aufzunehmen. (act. G 4.1.2).

    2. Mit Entscheid vom 20. April 2010 wies die EL-Durchführungsstelle die Einsprache

ab. Sie begründete die Abweisung damit, dass die Vormundin ausschliesslich

psychische Beschwerden und somit medizinische Gründe geltend mache, die eine Verwertung der Restarbeitsfähigkeit verhindern solle. Der medizinische Sachverhalt sei im IV-Verfahren abgeklärt worden. Aus medizinischer Sicht stehe fest, dass eine Restarbeits- und Resterwerbsfähigkeit von 50 Prozent vorliege. Die geltend gemachten medizinischen Gründe seien somit nicht geeignet, die Vermutung von Art. 14a Abs. 2 der Verordnung über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELV; SR 831.301) zu widerlegen. Da nach April 2008 keine Änderung der Berechnungsgrundlage manuell eingegeben worden sei, habe man das hypothetische Erwerbseinkommen nicht auf Fr. 18'720.-- angepasst, sondern auf Fr. 18'140.-- belassen (act. G 4.1.42).

C.

    1. Die Versicherte liess am 14. Mai 2010 durch die Vormundin Beschwerde gegen den Einspracheentscheid erheben mit dem sinngemässen Antrag, für die Berechnung der EL sei kein hypothetisches Erwerbseinkommen zu berücksichtigen. Zur Begründung führte sie aus, es sei für das soziale Leben, für die Erledigung von Verpflichtungen sowie für die Regelung persönlicher Angelegenheiten (insbesondere Arbeitssuche und Arbeitsaufnahme) erforderlich, dass eine Person sich an Vereinbarungen halte und Termine wahrnehme. Die Beschwerdeführerin sei nicht in der Lage, in geregeltem Kontakt mit Behörden, Ämtern und Arbeitgebern zu treten. Trotz intensiver Bemühungen seitens der Behörden ihres Wohnortes habe sie jeglichen Kontakt verweigert und auch die Wohnungstüre nicht geöffnet. Selbst Arzttermine, die nötig wären, um die IV-Rente zu ihren Gunsten anzupassen, nehme sie nicht wahr. Eine Erwerbstätigkeit im Umfang von 50 Prozent sei unter diesen Umständen und mit dieser krankhaft verweigernden Haltung unmöglich. Ob aus psychischen den daraus resultierenden sozialen Gründen sei es für sie unmöglich, eine Arbeitsstelle zu finden (act. G 1).

    2. Die Beschwerdegegnerin beantragte am 21. Mai 2010 die Abweisung der Beschwerde. Zur Begründung verwies sie auf die Erwägungen im Einspracheentscheid (vgl. B.b; act. G 4).

    3. Am 14. Oktober 2010 stellte die Beschwerdegegnerin dem Versicherungsgericht die IV-Akten der Beschwerdeführerin zu (act. G 7). Das Versicherungsgericht leitete diese am 21. Oktober 2010 der Vormundin zur Einsichtnahme weiter (act. G 10). Ein weiterer Schriftenwechsel fand nicht statt (act. G 13).

Erwägungen:

1.

    1. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den Einspracheentscheid vom

      20. April 2010. Dieser hat die Behandlung der Einsprache vom 26. Januar 2010 zum Inhalt, mit welcher die Verfügung vom 28. Dezember 2009 angefochten wurde. Vorab ist zu prüfen, ob die Beschwerdegegnerin auf die Einsprache überhaupt hätte eintreten dürfen. Bei der EL handelt es sich um eine Dauerleistung. EL-Verfügungen sind daher zeitlich unbeschränkt rechtsbeständig. Sie bestehen also über ein Kalenderjahr hinaus (Ralph Jöhl, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, in: SBVR XIV-Meyer, Soziale Sicherheit,

      2. Aufl., Basel 2007, S. 1655 ff.; anders die Rechtsprechung des Bundesgerichts

      [BGE 128 V 39 E. 3b S. 40 f.]). Die jährliche Anpassung des EL-Anspruchs auf das neue Kalenderjahr hin hat dementsprechend keine umfassende Neuüberprüfung zur Folge. Vielmehr hat sie den Zweck, den EL-Anspruch an veränderte Positionen wie beispielsweise die Pauschale der individuellen Prämienverbilligung Erhöhungen der AHV-Renten etc. anzupassen. Die Anpassung dieser einzelnen Positionen bedarf eines Anpassungsgrunds nach Art. 17 Abs. 2 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1), also primär einer Sachverhaltsveränderung.

    2. Am 28. Dezember 2009 hat die Beschwerdegegnerin mit Wirkung ab 1. Januar 2010 eine Anpassung der Pauschalen der individuellen Prämienverbilligung verfügt (act. G 4.1.4). Die Einsprache vom 26. Januar 2010 hat sich jedoch lediglich gegen die Einnahmenposition des hypothetischen Erwerbseinkommens gerichtet. Diese ist mit der Verfügung vom 28. Dezember 2009 nicht verändert worden. Entsprechend fehlt diesbezüglich ein Anfechtungsgegenstand, sodass die Beschwerdegegnerin auf die Einsprache nicht hätte eintreten dürfen. Die Beschwerdegegnerin hätte indessen prüfen

müssen, ob die Einsprache als Anpassungsgesuch, als prozessuales Revisionsgesuch als Wiedererwägungsgesuch zu interpretieren gewesen wäre.

2.

    1. Im Zusammenhang mit einer Invalidenrente ist in einem Anpassungsgesuch glaubhaft zu machen, dass sich der Sachverhalt in einer für den Anspruch erheblichen Weise geändert hat (Art. 87 Abs. 3 der Verordnung über die Invalidenversicherung [IVV; SR 831.201]). Gemäss BGE 130 V 64 beruht Art. 87 Abs. 3 IVV auf dem Gedanken, dass die Rechtskraft der früheren Verfügung einer neuen Prüfung so lange entgegensteht, als der seinerzeit beurteilte Sachverhalt sich in der Zwischenzeit nicht erheblich geändert hat. Damit soll verhindert werden, dass sich die Verwaltung nach vorangegangener rechtskräftiger Anspruchsprüfung immer wieder mit gleich lautenden und nicht näher begründeten, d.h. keine Veränderung des Sachverhalts darlegenden Gesuchen befassen muss. Da es sich bei einer EL wie bei einer Invalidenrente um eine Dauerleistung handelt (vgl. E. 1.1), ist Art. 87 Abs. 3 IVV analog auf Anpassungen im Bereich der EL anwendbar.

    2. Gemäss Art. 369 Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB; SR 210) kann bei einer mündigen Person eine Vormundschaft angeordnet werden, wenn diese Person infolge von Geisteskrankheit Geistesschwäche ihre Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag, wenn sie zu ihrem Schutze dauernd des Beistandes und der Fürsorge bedarf wenn sie die Sicherheit anderer gefährdet. Das Gericht G. hat mit Beschluss vom 19. Dezember 2007 bei der Beschwerdeführerin eine Vormundschaft gemäss Art. 369 Abs. 1 ZGB angeordnet. Es hat sich hierbei auf einen Bericht des Spitals H. vom 5. Juli 2007 (act. G 4.1.38) und auf Zeugenaussagen gestützt. Das Gericht G. hat in Erwägung gezogen, dass die Beschwerdeführerin an einer psychischen Krankheit in Form einer wahnhaften Störung leide. Wegen dieser Störung, welche sie selbst nicht erkenne, sei sie unfähig ihre administrativen Angelegenheiten zu besorgen. Sie erschwere aufgrund ihrer Abschottung die Hilfeleistung. Ausserdem weise sie jegliche medizinische Betreuung von sich. Das Gericht G. hat weiter ausgeführt, dass die psychische Krankheit, an der die Beschwerdeführerin leide, sie auch daran hindere, persönliche Angelegenheiten (auch die Gesundheit betreffende) wahrzunehmen (act. G 4.1.37). Nach dem Umzug in die

      Gemeinde F. ist die Vormundschaft aufrechterhalten worden. Die kommunale Vormundschaftsbehörde hat die heutige Vormundin am 10. Dezember 2008 ernannt (act. G 1.9).

    3. Dr. C. hat erstmals am 4. Januar 2008 attestiert, dass die Beschwerdeführerin zu 100 Prozent arbeitsunfähig sei (act. G 7.1.115). Dr. D. hat am 7. Januar 2008 eine vollständige Arbeitsunfähigkeit seit Januar 2003 bestätigt (act. G 7.1.116). Dr. C. hat zusätzlich im Verlaufsbericht vom 28. Mai 2008 (wie das Spital H. , auf dessen Bericht sich die Anordnung der Vormundschaft unter anderem stützt, vgl. E. 2.2) auf die psychischen Probleme der Beschwerdeführerin hingewiesen (act. G 7.1.122).

    4. Vor dem Hintergrund, dass bei der Beschwerdeführerin eine Vormundschaft gemäss Art. 369 Abs. 1 ZGB angeordnet wurde und eine solche nur erfolgt, wenn keine mildere Massnahme (wie beispielsweise eine Beistandschaft [Art. 392 ff. ZGB]) den nötigen Schutz bieten würde (BSK ZGB I-Langenegger, Art. 369 N 34), ist eine erhebliche Sachverhaltsveränderung im Vergleich zur ursprüngliche EL-Verfügung vom

      20. März 2008 zumindest glaubhaft gemacht. Diese Glaubhaftmachung wird zusätzlich

      durch die vorliegenden Arztberichte gestützt. Demzufolge hätte die Einsprache vom

      26. Januar 2010 als Anpassungsgesuch interpretiert werden können. Käme man jedoch aufgrund der zeitlichen Abfolge betreffend Anordnung der Vormundschaft, der Arztberichte und der EL-Verfügung zum Schluss, dass sich der Sachverhalt nicht verändert hat, sondern bereits bei der EL-Verfügung so vorlag, wäre die Einsprache entsprechend als Wiedererwägungsgesuch zu interpretieren gewesen. Ob es sich um ein Anpassungsgesuch, ein Wiedererwägungsgesuch allenfalls ein Gesuch um prozessuale Revision handelt, kann im Rahmen dieses Verfahrens offen bleiben. Diese Frage wird von der Beschwerdegegnerin zu beantworten sein.

    5. Die Beschwerdegegnerin hat sich im Einspracheentscheid mit den Argumenten der Beschwerdeführerin nicht materiell auseinandergesetzt, sondern, ohne weitere Abklärungen zu treffen, lediglich summarisch Stellung genommen. Auch ist den Akten keine Aufforderung an die Beschwerdeführerin zur Mitwirkung an den Abklärungen zu entnehmen. Die Beschwerdegegnerin muss ein entsprechendes Verwaltungsverfahren eröffnen. Da die Beweisführungslast bei ihr liegt, hat sie diesbezüglich die nötigen Abklärungen zu veranlassen. Obwohl vorliegend die Möglichkeit besteht, dass die

Beschwerdeführerin allfällige Untersuche ablehnen wird, darf nicht zum Vornherein auf den Versuch, die Abklärungen vorzunehmen, verzichtet werden. Um der möglicherweise schlechten gesundheitlichen Verfassung der Beschwerdeführerin gerecht zu werden, ist beispielsweise zu prüfen, ob die nötigen Untersuche bei ihr zu Hause stattfinden könnten. Selbstverständlich ist bei einer allfälligen (von der Beschwerdeführerin zu vertretenden) Verletzung der Mitwirkungspflicht nach erfolgter Abmahnung zu prüfen, inwieweit der Sachverhalt genügend erstellt ist, damit eine Anpassung, eine prozessuale Revision eine Wiedererwägung auch tatsächlich vorgenommen werden kann bzw. muss. Unter Umständen wird eine neue medizinische (namentlich eine psychiatrische) Untersuchung notwendig sein.

3.

    1. Die Beschwerdegegnerin stützt sich im Einspracheentscheid lediglich auf die Sachverhaltsabklärungen im IV-Verfahren (act. G 4.1.42). Wie nachfolgend dargelegt wird, darf der Sachverhalt und der IV-Grad von der EL-Durchführungsstelle nicht ohne weiteres für die Anspruchsberechnung übernommen werden.

    2. Gemäss Art. 11 Abs. 1 lit. a und g des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG; SR 831.30) i.V.m. Art. 14a Abs. 2 lit. b ELV ist Invaliden unter sechzig Jahren bei einem Invaliditätsgrad von 50 bis unter 60 Prozent als Erwerbseinkommen mindestens der Höchstbetrag für den Lebensbedarf eines Alleinstehenden anzurechnen. Rechtsprechungsgemäss ist damit eine Vermutung für die Erzielbarkeit eines Erwerbseinkommens in dieser Höhe für den Fall aufgestellt worden, dass der invalide EL-Ansprecher keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Diese Vermutung kann durch den Beweis des Gegenteils umgestossen werden (vgl. Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, bearbeitet von Urs Müller, 2. Aufl., ELG Rz 489). Hinter dieser Verordnungsbestimmung steht die (in Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG verankerte) Überlegung, dass die teilinvaliden EL-Ansprecher eine EL-spezifische "Schadenminderungspflicht" treffe: Soweit ihnen dies möglich und zumutbar ist, haben sie selbst für ihren Existenzbedarf zu sorgen. Dazu gehört auch, dass sie ihre verbliebene Arbeitsfähigkeit soweit als möglich und zumutbar einsetzen, um ein

      Erwerbseinkommen zu erzielen. Unmöglich ist die Ausübung einer Erwerbstätigkeit, soweit eine Arbeitsunfähigkeit besteht soweit die Restarbeitsfähigkeit aufgrund einer unüberwindbaren Arbeitslosigkeit nicht verwertet werden kann. Die Vermutung des Art. 14a Abs. 2 ELV bezieht sich allerdings nur auf die Arbeitslosigkeit. In Bezug auf die Invalidität wird ohne weiteres unterstellt, dass die invaliditätsbedingte teilweise Unfähigkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, nicht überwunden werden könne. Dabei wird auf das Ergebnis des IV-Verfahrens in Bezug auf die rentenspezifische Invalidität verwiesen, d.h. der Invaliditätsgrad wird EL-rechtlich von der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Ergebnis als Sachverhaltselement qualifiziert. Tatsächlich handelt es sich aber um eine ausschliesslich verwaltungsökonomisch begründete Übernahme des Ergebnisses einer rechtlichen Würdigung durch einen anderen Sozialversicherungsträger. Das ausnahmslose Abstellen auf den im IV- Verfahren ermittelten Invaliditätsgrad zur Ermittlung der behinderungsbedingten teilweisen Unmöglichkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, lässt sich mit dem Untersuchungsgrundsatz nicht in Übereinstimmung bringen. Kann ein EL-Ansprecher nämlich belegen, dass die Invaliditätsbemessung durch die IV-Stelle fehlerhaft gewesen ist, fehlt es an einer mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit belegten behinderungsbedingten teilweisen Unfähigkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. In einer solchen Situation auf der Richtigkeit der Invaliditätsbemessung durch die IV-Stelle zu beharren und für die EL- Anspruchsberechnung auf den entsprechenden - falschen -Invaliditätsgrad abzustellen, wäre stossend. Ist aber der zutreffende Invaliditätsgrad nachgewiesen, so muss die EL-

      Durchführungsstelle darauf abstellen, um Art. 14a Abs. 2 ELV korrekt zur Anwendung

      zu bringen.

    3. Selbst wenn der von der IV-Stelle ermittelte Invaliditätsgrad übernommen wird, ist dies nicht so zu verstehen, dass die behinderungsbedingten Nachteile eines EL- Ansprechers auf dem Arbeitsmarkt auch bei der Frage, ob die Arbeitslosigkeit überwunden werden könnte, keine Beachtung finden dürften. Behinderungsbedingte Nachteile gegenüber gesunden Arbeitnehmern sind nämlich durchaus geeignet, das Finden einer Arbeitsstelle zu erschweren, denn viele Arbeitgeber schrecken davor zurück, eine gesundheitlich angeschlagene Person anzustellen. Diese indirekt behinderungsbedingten Nachteile (wie beispielsweise die Unfähigkeit, unter starkem Leistungsdruck zu arbeiten, bei Bedarf Überstunden zu machen, flexibel den

Arbeitsplatz zu wechseln usw.) können also durchaus die Überwindung der Arbeitslosigkeit erschweren. Sie sind deshalb bei der Beantwortung der Frage, ob die mit Art. 14a Abs. 2 ELV geschaffene Vermutung, dass ein Erwerbseinkommen erzielt werden könnte, widerlegt sei, zu berücksichtigen. Die in Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG als "Sanktionsnorm" zum Ausdruck gelangende EL-spezifische Schadenminderungspflicht, die sich im vorliegenden Fall auf die anrechenbare Einnahme "Erwerbseinkommen" (Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG) bezieht, ist erst dann erfüllt, wenn tatsächlich ein Erwerbseinkommen im Ausmass mindestens des in Art. 14a Abs. 2 lit. b ELV vorgesehenen Betrages erzielt wird. Sie entfällt dann, wenn nachweislich keine Möglichkeit besteht, die Arbeitslosigkeit zu überwinden und die verbliebene Arbeitsfähigkeit an einer Arbeitsstelle zu verwerten. Der EL-Ansprecher hat also den Tatbeweis zu erbringen (nicht zu verwechseln mit der Beweisführungslast, welche vorliegend bei der Beschwerdegegnerin liegt [vgl. E. 2.5]), dass er unverschuldet arbeitslos ist. Dies entspricht der Lösung in der Arbeitslosenversicherung (Art. 17 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung [AVIG; SR 837.0]), auch wenn dort ein anderes Sanktionssystem zur Anwendung gelangt (Art. 30 Abs. 1 lit. c AVIG).

4.

Im Sinne der vorstehenden Ausführungen ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen und der Einspracheentscheid vom 20. April 2010 aufzuheben. Die Sache ist für die Durchführung des Anpassungsverfahrens bzw. für die Durchführung des Verfahrens betr. prozessuale Revision Wiedererwägung zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.

Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP entschieden:

1. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird der Einspracheentscheid vom

20. April 2010 aufgehoben und die Sache wird zur weiteren Sachverhaltsabklärung und

zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.

2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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