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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:BV 2018/1
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:BV - berufliche Vorsorge
Versicherungsgericht Entscheid BV 2018/1 vom 21.11.2019 (SG)
Datum:21.11.2019
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 23 BVG. Art. 331c OR. Die Erkrankungen des Klägers welche zur Zusprache einer Rente der Invalidenversicherung geführt hatten, unterliegen dem Gesundheitsvorbehalt der Beklagten 1. Sie ist daher nur im obligatorischen Bereich leistungspflichtig. Festlegung des Rentenbeginns und des Anspruchs auf Zinszahlung. Teilweise Gutheissung der Klage (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 21. November 2019, BV 2018/1).
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 105 OR ; Art. 24 BV ; Art. 26 BV ; Art. 324a OR ; Art. 73 BV ;
Referenz BGE:118 V 169; 123 V 263; 123 V 264; 129 V 450; 133 V 488;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Entscheid
Entscheid vom 21. November 2019

Besetzung

Präsident Joachim Huber, Versicherungsrichterinnen Christiane Gallati Schneider und Miriam Lendfers; Gerichtsschreiberin Katja Meili

Geschäftsnr. BV 2018/1

Parteien

A. ,

Kläger,

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Stephan Müller, c/o Procap Schweiz,

Frohburgstrasse 4, Postfach, 4601 Olten 1 Fächer,

gegen

  1. B. ,

  2. C.

Beklagte, Gegenstand Invalidenrente Sachverhalt

A.

    1. A. war vom 1. November 2007 bis 30. November 2009 bei der D. beschäftigt und dadurch bei der Personalvorsorgestiftung C. berufsvorsorgerechtlich versichert (act. G12.5).

    2. Der Versicherte war vom 9. bis 25. April 2008 aufgrund einer Panikstörung und akzentuierter Persönlichkeitszüge stationär behandelt worden (vgl. act. G12.20, S. 3). Nachdem der Versicherte am 1. Mai 2009 von unbekannten Personen tätlich angegriffen worden war, hatten ihm die behandelnden Ärzte der Psychiatrischen Dienste E. aufgrund einer Panikstörung als Anpassungsstörung nach schwerem Trauma vom 1. Mai bis Ende Juni 2009 eine Arbeitsunfähigkeit von 100% und ab 1. bis

      14. Juli 2009 eine solche von 50% attestiert (vgl. act. G12.20, S. 4). Weiter hatte der Versicherte der C. eine Arbeitsunfähigkeit vom 30. Oktober bis 31. Dezember 2009 gemeldet (vgl. act. G12.10).

    3. Der Versicherte hatte sich am 16. Oktober 2009 erstmals zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung (IV) angemeldet (vgl. act. G12.18, S. 6).

    4. In den Jahren 2010 und 2011 befand sich der Versicherte in ambulanter psychia­

      trischer Behandlung. Dr. med. F. , Innere Medizin FMH, hielt den Versicherten am

      11. April 2011 in einer adaptierten Tätigkeit als zu 100% arbeitsfähig (vgl. act. G12.20, S. 7).

    5. Die Vorsorgeeinrichtung G. , bei welcher der Versicherte aufgrund seiner im April 2011 angetretenen Tätigkeit bei der H. AG (vgl. act. G23) versichert war, teilte mit Schreiben vom 16. Juni 2011 mit, sie werde die Leistungen bei Invalidität und Todesfall, welche die BVG-Minimalrisikoleistungen überstiegen, mit einem Vorbehalt versehen. Dieser sei auf fünf Jahre befristet und beziehe sich auf eine längere oder dauernde Arbeitsunfähigkeit oder das Eintreten des Todes im Zusammenhang mit dem Leiden, welches die regelmässige Einnahme der antidepressiv wirkenden Medikamente Temesta, Prazine und Citalopram erfordere. Für das Leiden, welches zur Anmeldung bei der Invalidenversicherung geführt habe, schliesse sie die Gewährung von Risikoleistungen aus (act. G21.4).

    6. Ab 1. Januar 2012 war der Versicherte bei der I. beschäftigt, deren Arbeitnehmer bei der Vorsorgestiftung der I. (Rechtsnachfolgerin: Pensionskasse B. ) berufsvorsorgerechtlich versichert waren (vgl. act. G1). Der Versicherte erklärte am 15. Februar 2012 gegenüber der B. , er leide unter Panikattacken und nehme das Medikament Temesta ein (act. G21.2).

    7. Dr. F. berichtete am 12. Juni 2012 über Panikattacken und eine Dyslipidämie. Die letzte Arbeitsunfähigkeit wegen einer Panikattacke sei vom 5. bis 23. Oktober 2011 gewesen. Seither bestünden keine Arbeitsunfähigkeiten mehr, der Versicherte werde mit Citalopram und Temesta behandelt. Eine Anmeldung bei der IV sei erfolgt, der Versicherte arbeite aber weitgehend normal (act. G21.9).

    8. Die B. bestätigte dem Versicherten am 9. Juli 2012, dass er seit dem 1. Januar 2012 unter Vorbehalt bei ihr versichert sei. Der Vorbehalt betreffe die Verminderung oder den Verlust der Erwerbsfähigkeit aufgrund von Panikattacken und deren Folgen sowie alle Leiden, die im Zusammenhang mit der regelmässigen Einnahme der Medikamente Temesta und Citalopram stünden. Sie führe den Vorbehalt der Vorsorgeeinrichtung G. weiter. Dieser erlösche am 15. Juni 2016 (act. G21.10).

    9. Am 20. Februar 2013 wies die IV-Stelle des Kantons K. das Leistungsbegehren um weitere berufliche Eingliederungsmassnahmen sowie die Ausrichtung einer Invalidenrente ab (act. G12.12).

    10. Am 30. September 2014 meldete sich der Versicherte erneut zum Bezug von Leistungen der IV an (act. G12.19).

    11. Dr. med. L. , Spezialarzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, berichtete am

      4. November 2014 über eine Panikstörung (ICD-10: F41.0). Diese sei erstmals 2005 aufgetreten, dann zunehmend rezidivierend ab April 2006 und seit Sommer 2014 wieder mit zunehmender Kadenz der Attacken. Der Versicherte arbeite seit 1. Januar 2012 als Aussendienstmitarbeiter bei der I. . Wegen Leistungsmangels sei ihm am

      20. August 2014 gekündigt worden. Der Hausarzt habe ihn vom 13. Mai bis 11. Juni 2014 infolge eines Burnouts zu 100% krankgeschrieben. Seit 5. Juni 2014 habe Dr.

      L. dem Versicherten aufgrund der mittelgradigen Depression eine Arbeitsunfähigkeit von 100% attestiert. Dem Versicherten sei höchstens noch eine Tätigkeit in einem geschützten Umfeld auf minimalem Leistungsniveau zumutbar (act. G21.12).

    12. Im Auftrag der IV-Stelle des Kantons K. wurde der Versicherte im Juli 2015 durch Dr. med. M. , Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, abgeklärt. In seinem Gutachten vom 20. Juli 2015 listete dieser als Diagnosen mit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit eine episodisch-paroxysmale Angst (Panikstörung, ICD-10: F41.0), eine schizotype Störung (ICD-10: F21), akzentuierte ängstlich-vermeidende Persönlichkeitszüge (ICD-10: Z73.1) und eine Somatisierungsstörung (ICD-10: F45.0) auf. In der angestammten Tätigkeit sei der Versicherte seit Mitte Mai 2014 zu 100% arbeitsunfähig. In adaptierten Tätigkeiten bestehe eine Arbeitsfähigkeit von 30% (act. G12.20). RAD-Arzt Dr. med. N. , Facharzt Allgemeine Medizin FMH, befand gestützt darauf am 4. September 2015, in einer adaptierten Tätigkeit habe von Mai 2014 bis zur Begutachtung eine Arbeitsfähigkeit von 0%, danach eine solche von 30% bestanden (act. G12.16).

    13. Mit Verfügung vom 3. Juni 2016 sprach die IV-Stelle K. dem Versicherten mit Wirkung ab 1. Mai 2015 eine ganze Invalidenrente zu. Sie errechnete für den Zeitraum vom 1. Mai bis 13. Juli 2015 einen Invaliditätsgrad von 100%, ab 14. Juli 2015 einen solchen von 71% (act. G12.18).

    14. Die B. und die C. verneinten mit Schreiben vom 13. September 2016 bzw.

24. November 2017 ihre Leistungspflicht (act. G1.3, G12.11).

B.

    1. Der Versicherte (nachfolgend: Kläger) erhob am 4. Januar 2018 die vorliegende Klage gegen die B. (nachfolgend: Beklagte 1) und die C. (nachfolgend: Beklagte 2). Er beantragte, die Beklagte 1 sei zu verpflichten, ihm aus dem Vorsorgeverhältnis spätestens ab dem 1. Mai 2014 (gemeint wohl: 2015) eine Invalidenrente aufgrund eines Invaliditätsgrades von 100% und ab dem 1. Juli 2015 eine Invalidenrente aufgrund eines Invaliditätsgrades von 71% gemäss den gesetzlichen und reglementarischen Bestimmungen auszurichten. Weiter sei die Beklagte (gemeint: Beklagte 1) zu verpflichten, ihn auf den frühestmöglichen Zeitpunkt von der Beitragspflicht zu befreien und ihm auf den Invalidenleistungen einen Verzugszins von 5% spätestens ab dem Zeitpunkt der Klageeinreichung zu bezahlen. Es sei ihm die unentgeltliche Rechtsverbeiständung zu gewähren; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (act. G1).

    2. Mit Schreiben vom 31. Januar 2018 wies die Verfahrensleitung das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege formlos ab (act. G6).

    3. Die Beklagte 2 beantragte mit Klageantwort vom 8. März 2018, die Klage sei bezüglich ihr abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei; unter Kostenfolge zu Lasten des Klägers (act. G12).

    4. Die Verfahrensleitung sistierte das Verfahren auf Antrag der Beklagten 1 zwecks Vergleichsbemühungen am 4. April 2018 (act. G15 f.). Nachdem diese gescheitert waren (vgl. act. G19), hob die Verfahrensleitung die Sistierung am 10. Juli 2018 auf (act. G20).

    5. Mit Klageantwort vom 17. August 2018 beantragte die Beklagte 1, die Klage gegen sie sei teilweise abzuweisen. Sie führte aus, sie habe den Kläger unter einem Gesundheitsvorbehalt aufgenommen. Die Ursachen, die zur Invalidität des Klägers ab Mai 2015 geführt hätten, seien identisch mit jenen, welche Anlass zum Vorbehalt gegeben hätten. Aufgrund des Beweismangels bezüglich der Arbeitsunfähigkeit bei Aufnahme der Tätigkeit bei der I. anerkenne sie die grundsätzliche Leistungspflicht gegenüber dem Kläger. Diese beschränke sich aufgrund des Vorbehalts jedoch auf die obligatorischen Mindestleistungen (act. G21).

    6. In seiner Replik vom 13. September 2018 hielt der Kläger an seinen Rechtsbegehren fest. Er machte geltend, es sei zu seinen Gunsten davon auszugehen, dass der Vorbehalt der G. unverändert weitergeführt worden sei. Die im Gutachten von Dr. M. erwähnten Diagnosen seien von den fraglichen Vorbehalten nicht tangiert (act. G23).

    7. Die Beklagte 2 verzichtete auf die Einreichung einer Duplik (act. G25).

    8. Mit Duplik vom 6. November 2018 hielt die Beklagte 1 an ihrem Antrag fest und führte aus, sämtliche psychischen Beschwerden des Klägers seien vom Vorbehalt erfasst (act. G28).

Erwägungen

1.

Gemäss Art. 73 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; SR 831.40) bezeichnet jeder Kanton ein Gericht, das als letzte kantonale Instanz über Streitigkeiten u.a. zwischen Vorsorgeeinrichtungen und Anspruchsberechtigten entscheidet. Im Kanton St. Gallen ist nach Art. 65 Abs. 1 lit. ebis des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRP; sGS 951.1) das Versicherungsgericht zuständig für Streitigkeiten nach Art. 73 BVG. Gerichtsstand ist nach Art. 73 Abs. 3 BVG der Sitz oder Wohnsitz des Beklagten oder der Ort des Betriebes, bei dem der Versicherte angestellt wurde. Vorliegend ist die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Versicherungsgerichts zu bejahen, weil die Beklagte 1 ihren Sitz in St. Gallen hat (act. G1). Infolge der vorliegenden passiven subjektiven Klagenhäufung besteht ein einheitlicher Gerichtsstand und die örtliche Zuständigkeit ist bezüglich der Klage gegen die Beklagte 2 ebenfalls zu bejahen (vgl. BGE 133 V 488, E. 4). Da auch sämtliche übrigen prozessualen Voraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Klage einzutreten.

2.

Vorliegend zu prüfen ist der Anspruch des Klägers auf eine Invalidenrente gegenüber der Beklagten 1. Die Beklagte 1 hat inzwischen ihre grundsätzliche Leistungspflicht anerkannt, womit ein Anspruch des Klägers gegenüber der Beklagten 2 entfällt (vgl. act. G21). Dieser Schluss erweist sich - wie sich nachfolgend ergibt - als korrekt.

    1. Nach Art. 23 lit. a BVG hat (im Obligatoriumsbereich) Anspruch auf Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge, wer im Sinne der Invalidenversicherung

      zu mindestens 40 % invalid ist und bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, versichert war. Nach Art. 24 Abs. 1 BVG setzt der Anspruch auf eine volle Invalidenrente eine mindestens 70%-ige Invalidität im Sinn der IV voraus (lit. a). Eine Dreiviertelsrente kommt zur Ausrichtung bei mindestens 60%-iger Invalidität (lit. b). Eine halbe Rente wird bei mindestens hälftiger Invalidität (lit. c) und eine Viertelsrente bei mindestens 40%-iger Invalidität ausgerichtet (lit. d). Gemäss Art. 14 Abs. 1 bis 3 des Reglements (gültig ab 1. Januar 2014) der Beklagten 1 besteht ein Anspruch auf eine Invalidenrente für versicherte Personen, die im Sinne der IV zu mindestens 40% invalid sind. Der Grad der Invalidität entspricht dem von der IV festgestellten Invaliditätsgrad. Beträgt der Invaliditätsgrad 70% oder mehr, wird eine volle Invalidenrente ausgerichtet. Bei einem Invaliditätsgrad zwischen 40% und 70% besteht Anspruch auf eine Invalidenrente im Umfang des Invaliditätsgrades (act. G21.1).

    2. Invalidenleistungen nach BVG werden von derjenigen Vorsorgeeinrichtung geschuldet, welcher der Ansprecher bei Eintritt des versicherten Ereignisses angeschlossen war. Dieser Zeitpunkt fällt mit dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zusammen, deren Ursache zur Invalidität geführt hat. Die Versicherteneigenschaft muss nur bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit gegeben sein, dagegen nicht notwendigerweise auch im Zeitpunkt des Eintritts oder der Verschlimmerung der Invalidität. Für eine einmal - aus während der Versicherungsdauer aufgetretenen Arbeitsunfähigkeit - geschuldete Invalidenleistung bleibt die Vorsorgeeinrichtung leistungspflichtig, selbst wenn sich nach Beendigung des Vorsorgeverhältnisses der Invaliditätsgrad ändert (Art. 26 Abs. 3 BVG e contrario; BGE 123 V 263 f. E. 1a, 118 V 45 E. 5). Damit die frühere Vorsorgeeinrichtung leistungspflichtig bleibt, ist allerdings nicht nur erforderlich, dass die Arbeitsunfähigkeit zu einer Zeit einsetzte, als die versicherte Person ihr angeschlossen war, sondern auch, dass zwischen dieser Arbeitsunfähigkeit und der Invalidität sowohl ein sachlicher als auch ein zeitlicher Zusammenhang besteht (BGE 123 V 264 f. E. 1c, 120 V 117 ff. E. 2c/aa f. mit Hinweisen).

    3. Die IV-Stelle des Kantons K. ging in ihrer Verfügung vom 3. Juni 2016 gestützt auf das Gutachten von Dr. M. (vgl. act. G12.20) von einer durchgehenden erheblichen Arbeitsunfähigkeit seit 13. Mai 2014 (Beginn des Wartejahres im Sinne von Art. 28 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [IVG; SR 831.20]) aus (act. G12.18). In diesem Zeitpunkt war der Kläger bei der Beklagten 1 versichert. Für die Zeit davor sind zwar wiederholt kurzzeitige Arbeitsunfähigkeiten aktenkundig (act. G12.10, G12.20, G21.9), eine relevante Arbeitsunfähigkeit über einen längeren Zeitraum ist jedoch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt. Der

Kläger war im Gegenteil vom 1. November 2007 bis 30. November 2009 bei der D. und im Jahr 2011 bei der H. AG offenbar ohne erhebliche Einschränkungen arbeitstätig (vgl. act. G12.5, G23). Es ist damit davon auszugehen, dass die Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache schlussendlich zur Invalidität geführt hat, während der Versicherungsdeckung durch die Beklagte 1 eingetreten ist. Der zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen der Arbeitsunfähigkeit und der Invalidität ist sodann unbestritten gegeben. Die Leistungspflicht der Beklagten 1 ist somit grundsätzlich zu bejahen. Im Folgenden ist jedoch deren Umfang zu beurteilen.

3.

Die Beklagte 1 macht geltend, sämtliche beim Kläger gestellten Diagnosen unterlägen dem Gesundheitsvorbehalt, weshalb sie nur die obligatorischen Mindestleistungen zu entrichten habe (act. G21). Der Kläger bestreitet dies (act. G23).

    1. Gemäss Art. 331c des Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (OR; SR 220) dürfen Vorsorgeeinrichtungen für die Risiken Tod und Invalidität einen Vorbehalt aus gesundheitlichen Gründen machen. Dieser darf höchstens fünf Jahre betragen. Vorbehalte dürfen nur im überobligatorischen Bereich der beruflichen Vorsorge angebracht werden (Hans-Ulrich Stauffer/Basile Cardinaux, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht zur beruflichen Vorsorge, 4. Aufl. Zürich/Basel/Genf 2019, S. 506 ff.). Beim Vorbehalt handelt es sich um eine individuelle, konkrete und zeitlich begrenzte Einschränkung des Versicherungsschutzes in Einzelfällen. Der gesundheitliche Vorbehalt muss somit explizit ausformuliert und datumsmässig festgesetzt sein sowie der versicherten Person mit der Aufnahme in die Vorsorgeeinrichtung mitgeteilt werden (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts [EVG] vom 24. November 2003, B 110/01, B111/01, E. 4.3). Der Vorbehalt muss ausdrücklich, das heisst unter Angabe der Beeinträchtigung, datiert und schriftlich zum Zeitpunkt des Eintritts in die Vorsorgeeinrichtung erfolgen (SVR 2017 BVG Nr. 39 [9C_806/2015]). Laut Art. 3 des Reglements der Beklagten 1 haben die aufzunehmenden Arbeitnehmer nach Antritt des Arbeitsverhältnisses mittels eines von der Pensionskasse zur Verfügung gestellten Formulars eine Erklärung über ihren Gesundheitszustand abzugeben. Die Pensionskasse kann diese Erklärung ihrem Vertrauensarzt zur Begutachtung vorlegen oder aufgrund der Angaben in der Erklärung auf Kosten der Pensionskasse eine ärztliche Untersuchung anordnen. Bis zur Bestätigung der vorbehaltlosen Aufnahme durch die Pensionskasse entspricht der Versicherungsschutz den obligatorischen Leistungen gemäss BVG. Die Pensionskasse kann aufgrund der Ergebnisse der Gesundheitsprüfung einen Gesundheitsvorbehalt für

      die Risikoleistungen aussprechen, der jedoch höchstens 5 Jahre - ab Eintritt in die Pensionskasse gerechnet - dauert. Tritt innerhalb dieser Vorbehaltsdauer ein Vorsorgefall oder eine Arbeitsunfähigkeit ein, deren Ursache zur Invalidisierung oder zum Tod führt, und bestand für dessen bzw. deren Ursache ein Vorbehalt, werden die von der Pensionskasse auszurichtenden Risikoleistungen lebenslang auf die obligatorischen Leistungen gemäss BVG gekürzt. Für einen Vorbehalt ist die in der früheren Vorsorgeeinrichtung bereits abgelaufene Dauer des Vorbehalts anzurechnen (act. G21.1).

    2. Die G. brachte am 16. Juni 2011 einen Vorbehalt an. Dieser bezog sich auf eine längere oder dauernde Arbeitsunfähigkeit oder das Eintreten des Todes "im Zusammenhang mit dem Leiden, [...] welches die regelmässige Einnahme der antidepressiv wirkenden Medikamente Temesta, Prazine und Citalopram erfordert." Sie hielt weiter fest, sie schliesse die Gewährung von Risikoleistungen für das Leiden, welches zur Anmeldung bei der Invalidenversicherung geführt habe, aus (act. G21.4). Die Beklagte 1 legte am 9. Juli 2012 folgenden Vorbehalt fest: "Verminderung oder Verlust der Erwerbsfähigkeit aufgrund von Panikattacken und deren Folgen, allen Leiden, die im Zusammenhang mit der regelmässigen Einnahme der Medikamente Temesta und Citalopram stehen, ergibt keinen Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsleistungen. Das heisst, wir führen den Vorbehalt der G. weiter. Er erlischt am 15. Juni 2016." (act. G21.10). Der Kläger erachtet den Vorbehalt der Beklagten 1 als unklar und widersprüchlich (act. G23). Wie nachfolgend ausgeführt, trifft dies jedoch nicht zu.

    3. Temesta wird zur Behandlung von Angst-, Spannungs- und Erregungszuständen verwendet. Ebenfalls ist eine Zusatzbehandlung von Angstzuständen bei Depressionen und Schizophrenien möglich. Citalopram ist zur Behandlung von Depressionen, Panik- und Zwangsstörungen indiziert. Prazine wird schliesslich zur Therapie von psychotischen Störungen sowie Erregbarkeit und Hyperaktivität bei Verhaltensstörungen eingesetzt (vgl. die entsprechenden Einträge unter https:// compendium.ch). Citalopram und allenfalls (unterstützend) Temesta sind damit zur Behandlung von Panikstörungen indiziert. Damit entsteht kein Widerspruch zur Übernahme des Vorbehalts der G. und dem Ausschluss für den Verlust der Erwerbsfähigkeit aufgrund von Panikattacken und deren Folgen. Zudem geht aus dem Schreiben der Beklagten 1 klar hervor, dass sie den Vorbehalt der G. übernehmen wollte, auch wenn das Medikament Prazine nicht konkret erwähnt wurde. Wie die Beklagte 1 plausibel ausführt, wurden wohl nur Temesta und Citalopram aufgeführt, weil der Kläger in seiner Erklärung vom 15. Februar 2012 sowie Dr. F. in seinem

      Bericht vom 12. Juni 2012 eine entsprechende Medikation angegeben hatten (act. G21.2). Auch der ursprüngliche Vorbehalt der G. ist nicht als widersprüchlich zu betrachten. Wie der Kläger richtig vorbringt, ist Prazine entgegen dem Wortlaut des Vorbehalts (vgl. act. G21.4) nicht antidepressiv wirkend (act. G23). Die G. wollte jedoch offensichtlich mit Prazine behandelte Beeinträchtigungen ebenfalls vom Vorbehalt erfassen. Dass es der G. nicht ausschliesslich um den Ausschluss von depressiven Erkrankungen ging, ergibt sich zudem aus dem Zusatz, wonach sie Leistungen ausschloss für das Leiden, welches zur Anmeldung bei der Invalidenversicherung geführt hatte (act. G21.4). Der Kläger bzw. die behandelnden Ärzte hatten stets über Panikattacken berichtet (vgl. act. G12.20).

    4. Die IV-Stelle des Kantons K. stützte sich bei ihrer Rentenverfügung vom 3. Juni 2016 aus medizinischer Sicht im Wesentlichen auf die Beurteilung von Dr. M. . Dieser hatte in seinem Gutachten vom 20. Juli 2015 als Diagnosen mit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit eine episodisch-paroxysmale Angst (Panikstörung; ICD-10: F41.0), eine schizotype Störung (ICD-10: F20.3), akzentuierte ängstlich-vermeidende Persönlichkeitszüge (ICD-10: Z73.1) sowie eine Somatisierungsstörung (ICD-10: F45.0) aufgelistet (act. G12.20). Die Panikstörung und die ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitszüge fallen unter den Vorbehalt, da sie mit Citalopram bzw. Temesta behandelt werden können. Da Prazine bei psychotischen Störungen, zu welchen auch die von Dr. M. diagnostizierte schizotype Störung gehört, indiziert ist, wird auch jene vom Vorbehalt erfasst (vgl. https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/icd/

      icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2014/block-f20-f29.htm, zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2019). Eine Somatisierungsstörung ist durch mehrere persistierende körperliche Beschwerden, die mit den mit diesen Symptomen im Zusammenhang stehenden übermässigen und maladaptiven Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen verbunden sind, charakterisiert. Die Symptome werden nicht absichtlich produziert oder vorgetäuscht und können bekannte medizinische Krankheiten begleiten. Unabhängig davon, ob die Symptome auf eine andere medizinische Störung zurückzuführen sind, sorgen sich die Patienten extrem über die Symptome und ihre möglichen katastrophalen Folgen und sind sehr schwer zu beruhigen. Typisch ist eine anhaltend hohe Angst um die Gesundheit oder die Symptome. Eine krankhafte Angststörung hat ähnliche Manifestationen, mit der Ausnahme, dass körperliche Symptome fehlen oder minimal sind (vgl. https://www.msdmanuals.com/de/ profi/psychische-st%C3%B6rungen/somatische-symptome-und-%C3%A4hnliche-st

      %C3%

      B6rungen/somatisierungsst%C3%B6rung, zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2019).

      Eine Somatisierungsstörung ist folglich mit Angst verbunden und daher allenfalls der Behandlung mit Temesta zugänglich.

    5. Zusammenfassend fallen damit sämtliche Erkrankungen des Klägers, welche die zur Invalidität führende Arbeitsunfähigkeit verursachten, unter den Vorbehalt. Selbst wenn die Somatisierungsstörung vom Vorbehalt ausgenommen wäre, bestünde insofern keine Leistungspflicht, als diese offenbar nur eine nebensächliche Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit hat. Dr. M. hatte diesbezüglich festgehalten, diagnostisch sei von einer schizotypen Störung auszugehen. Daneben bestehe eine Panikstörung mit deutlich depressiver Färbung. Die vom Kläger geltend gemachten somatischen Beschwerden ohne organisches Korrelat würden die Diagnose einer somatoformen Störung nahelegen (act. G12.20). Letztere, bzw. die von Dr. M. synonym diagnostizierte Somatisierungsstörung, liegt damit nur vermutungsweise vor und steht offensichtlich nicht im Vordergrund. Die Beklagte 1 trifft damit aufgrund des Gesundheitsvorbehalts im überobligatorischen Bereich keine Leistungspflicht.

4.

Weiter sind sich die Parteien uneinig über den Beginn des anerkannten Rentenanspruchs aus dem obligatorischen Bereich. Die IV-Stelle des Kantons K. hielt in ihrer Verfügung vom 3. Juni 2016 fest, der Kläger sei seit 13. Mai 2014 dauernd nicht mehr arbeitsfähig und sprach ihm nach Ablauf des Wartejahres ab 1. Mai 2015 eine ganze Invalidenrente zu (act. G1.2). Die Beklagte 1 verweist jedoch zu Recht auf Art. 14 Abs. 4 ihres Reglements (act. G21). Demgemäss beginnt der Anspruch auf eine Invalidenrente nach einer Wartefrist von 24 Monaten, sofern die versicherte Person anstelle des vollen Lohnes Taggelder erhält, die mindestens 80% des entgangenen Lohnes betragen und die Taggeldversicherung vom Arbeitgeber mindestens zur Hälfte finanziert wurde. Ansonsten beginnt der Anspruch auf eine Invalidenrente mit dem Beginn des Anspruchs auf eine Rente der IV (act. G21.1). Der Kläger erhielt unbestritten bis zum 11. Mai 2016 Krankentaggelder (vgl. act. G21.13 f.). Dementsprechend hat der Kläger ab dem 12. Mai 2016 einen Rentenanspruch.

5.

Praxisgemäss sind die kantonalen Berufsvorsorgegerichte nicht gehalten, die Rentenberechnung detailliert vorzunehmen, sondern es reicht aus, wenn sie nur dem Grundsatz nach über den Leistungsanspruch entscheiden und die Sache zur Ermittlung des Rentenbetrags an die zuständige Vorsorgeeinrichtung überweisen. Dies hat das Bundesgericht insbesondere mit Hinweis auf die Gebote der Einfachheit und Raschheit des Verfahrens nach Art. 73 Abs. 2 BVG begründet, wobei es auch die Nähe zum

Sozialversicherungsprozess betont hat (BGE 129 V 450 E. 3.4). Die Sache ist damit zur Festsetzung der Rentenbeträge an die Beklagte 1 zu überweisen.

6.

Laut dem Reglement der Beklagten 1 (Abkürzungen und Begriffe bzw. Anhang 5; act. G21.1) richtet sich der Verzugszinssatz nach Art. 7 der Verordnung über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (FZV; SR 831.425). Demnach entspricht der Verzugszinssatz dem BVG-Mindestzinssatz plus einem Prozent. Der BVG-Mindestzinssatz beträgt seit 1. Januar 2017 ein Prozent (vgl. Art. 12 lit. j der Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVV 2; SR 831.441.1]). Der Verzugszinssatz beträgt folglich zwei Prozent. Die Leistungspflicht besteht gestützt auf Art. 105 Abs. 1 OR ab dem Datum der Klageerhebung vom 4. Januar 2018 (act. G1).

7.

Bezüglich der Beitragsbefreiung hält Art. 14 Abs. 11 des Reglements der Beklagten 1 Folgendes fest: "Wird eine versicherte Person arbeitsunfähig, leistet die Pensionskasse nach Ablauf der Lohnfortzahlung die Beiträge des Rentenplans im Rahmen der Arbeitsunfähigkeit. Eine Arbeitsunfähigkeit von weniger als 40% begründet keinen Anspruch auf eine Befreiung von der Beitragszahlung. Nach Anspruchsbeginn auf eine Invalidenrente werden die Beiträge im Rentenplan von der Pensionskasse nach Massgabe der Rentenabstufung geleistet" (act. G21.1). Dementsprechend hat der Kläger nach Ende der Lohnfortzahlung, das heisst ab 12. Mai 2016, einen Anspruch auf Beitragsbefreiung (vgl. Art. 324a Abs. 1 und 4 OR, Urteil des Bundesgerichts vom 5. Dezember 2002, 4C.275/2002, E. 2.1).

8.

    1. Nach dem Gesagten ist die Klage insofern teilweise gutzuheissen, als die Beklagte 1 zu verpflichten ist, dem Kläger im obligatorischen Bereich mit Wirkung ab 12. Mai 2016 eine ganze Invalidenrente auszurichten. Ferner hat die Beklagte 1 dem Kläger auf die Leistungen einen Verzugszins von zwei Prozent seit 4. Januar 2018 zu bezahlen. Die Sache ist zur Rentenberechnung an die Beklagte 1 zu überweisen. Weiter hat die Beklagte 1 den Kläger ab 12. Mai 2016 von Beitragszahlungen zu befreien. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.

    2. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 73 Abs. 2 BVG).

    3. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind dem teilweise obsiegenden Kläger in

Anwendung von Art. 98 Abs. 1 und Art. 98bis des st. gallischen Gesetzes über die

Verwaltungsrechtspflege (VRP; sGS 951.1) die Parteikosten teilweise von der unterliegenden Beklagten 1 zu erstatten. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen spricht in BVG-Prozessen gestützt auf Art. 22 Abs. 1 lit. b der Honorarordnung (HonO; sGS 963.75 in der vorliegend anwendbaren, seit 1. Januar 2019 gültigen Fassung, siehe Art. 30 bis HonO) bei vollem Obsiegen regelmässig eine pauschale Entschädigung zwischen Fr. 1'500.-- und Fr. 15'000.-- zu. In der vorliegend zu beurteilenden Angelegenheit erscheint bei teilweisem Obsiegen des Klägers eine pauschale Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) als angemessen. Die Beklagten 1 und 2 haben als mit öffentlich- rechtlichen Aufgaben betraute Versicherungen keinen Anspruch auf Parteientschädigung (vgl. BGE 118 V 169 f. E. 7).

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

Die Klage wird insofern teilweise gutgeheissen, als die Beklagte 1 verpflichtet wird, dem Kläger im obligatorischen Bereich mit Wirkung ab 12. Mai 2016 eine ganze Invalidenrente auszurichten. Die Beklagte 1 hat dem Kläger auf die Leistungen einen Verzugszins von zwei Prozent seit 4. Januar 2018 zu bezahlen. Die Sache wird zur Rentenberechnung an die Beklagte 1 überwiesen.

2.

Die Beklagte 1 hat den Kläger ab 12. Mai 2016 von Beitragszahlungen zu befreien.

3.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

5.

Die Beklagte 1 hat dem Kläger eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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