Zusammenfassung des Urteils BV 2017/14: Versicherungsgericht
Die Klägerin hat bei der Helvetia eine Lebensversicherung und eine Erwerbsunfähigkeitsrente abgeschlossen. Nach einer stationären Behandlung wurde die Versicherung gekündigt, da die Klägerin wichtige medizinische Informationen verschwiegen hatte. Die Klägerin reichte Klage ein, um die Kündigung für unrechtmässig zu erklären und die vertraglichen Leistungen einzufordern. Das Gericht entschied jedoch, dass die Klägerin ihre Anzeigepflicht verletzt hatte und wies die Klage ab. Es wurden keine Gerichtskosten erhoben.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | BV 2017/14 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | BV - berufliche Vorsorge |
Datum: | 11.12.2018 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 73 BVG. Art. 4 ff. VVG. Säule 3a. Anzeigepflichtverletzung. Es läuft dem Grundsatz von Treu und Glauben zuwider, wenn eine antragstellende Person einen (medizinischen) Tatbestand, der unzweifelhaft von einer unmissverständlichen Frage erfasst wird, im Antragsformular unter Berufung auf die Erklärung des Vermittlers nicht oder nur unvollständig aufführt. Abweisung der Klage (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 11. Dezember 2018, BV 2017/14). |
Schlagwörter: | Versicherung; Quot; Recht; Helvetia; Person; Anzeigepflicht; Versicherer; Fragen; Behandlung; Klage; Vermittler; Vorsorge; Anzeigepflichtverletzung; Erwerbsunfähigkeit; Vermittlers; Antrag; Hospitalisation; Beklagten; Träge; Parteien; Säule; Lebensversicherung; Psychotherapie; Versicherungsberater; Rechtsbegehren |
Rechtsnorm: | Art. 12 VVG ;Art. 23 OR ;Art. 34 VVG ;Art. 6 VVG ;Art. 73 BV ; |
Referenz BGE: | 120 V 302; 126 V 143; 128 V 323; 130 V 11; 134 III 511; 68 II 328; 96 II 204; |
Kommentar: | - |
Besetzung
Versicherungsrichterin Miriam Lendfers (Vorsitz), Versicherungsrichter Joachim Huber und Versicherungsrichterin Marie Löhrer;
Gerichtsschreiberin Annina Janett Geschäftsnr.
BV 2017/14
Parteien
,
Klägerin,
vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. Tanja Strauch-Frei, Kriessernstrasse 40, 9450 Altstätten SG,
gegen
Helvetia Schweizerische Lebensversicherungsgesellschaft AG, St. Alban-Anlage 26, 4052 Basel,
Beklagte,
vertreten durch Advokatin lic. iur. Iris Schönenberger Bossart, St. Alban-Anlage 26, 4002 Basel,
Gegenstand
Versicherungsdeckung und Leistungen aus gebundener Vorsorge (Säule 3a); Anzeigepflichtverletzung
Sachverhalt
A.
A. schloss am 22. Oktober 2007 bei der Helvetia Schweizerische Lebensversicherungsgesellschaft AG (Helvetia) gestützt auf einen Antrag vom 3. Oktober 2007 (vgl. act. G 2.8) eine Police für eine Lebensversicherung (Gebundene Vorsorge Säule 3a) sowie eine Police für eine Erwerbsunfähigkeitsrente (Gebundene Vorsorge Säule 3a) mit Versicherungsbeginn per 1. November 2007 ab (act. G 2.3, G 2.4).
Vom 29. Juli bis 16. Dezember 2014 war die Versicherte in der Psychiatrischen Klinik B. in stationärer Behandlung. Die Ärzte diagnostizierten im Wesentlichen eine mittelgradige depressive Episode (ICD-10 F32.1), eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung (F43.1), eine nicht näher bezeichnete dissoziative Störung (F44.9), Probleme durch sexuellen Missbrauch in der Kindheit durch eine Person innerhalb der
engeren Familie (Z61.4) sowie Probleme durch physische Misshandlung in der Kindheit durch eine Person innerhalb der engeren Familie (Z61.6). Angesichts der komplexen psychischen Erkrankung sei eine mehrjährige ambulante Psychotherapie, alternierend mit stationären, störungsspezifischen und ätiologieorientierten Traumatherapieintervallen, als äusserst indiziert zu erachten (vgl. den Austrittsbericht vom 3. Februar 2015, act. G 2.15).
Mit E-Mail vom 29. September 2014 meldete die C. AG, der Helvetia, dass die
Versicherte seit dem 16. Juli 2014 zu 100% arbeitsunfähig sei (act. G 2.5).
Am 3. Februar 2015 hielten die Ärzte der B. auf Anfrage der Helvetia im Wesentlichen fest, dass im Kindes- und Jugendalter Hospitalisationen stattgefunden hätten und damals eine emotionale Entwicklungsstörung diagnostiziert worden sei. Seit über 20 Jahren sei weder eine medikamentöse noch eine therapeutische Behandlung erfolgt. Depressive Episoden würden von der Versicherten verneint. Die ersten Symptome seien im Februar 2014 aufgetreten. Die Hospitalisation vom Juli bis Dezember 2014 sei der erste stationäre Aufenthalt in dieser Klinik gewesen. Die Versicherte sei seit dem Eintritt in die Klinik am 29. Juli 2014 zu 100% arbeitsunfähig (act. G 4.3).
Mit Schreiben vom 4. März 2015 kündigte die Helvetia die beiden Versicherungsverträge wegen einer Anzeigepflichtverletzung. Sie führte aus, dass die Versicherte mehrere Fragen im Antrag vom 3. Oktober 2007 nicht korrekt beantwortet habe. Sie habe insbesondere nicht angegeben, dass sie im Kindes- und Jugendalter wegen psychischer Probleme mehrmals hospitalisiert gewesen sei. Aufgrund der nicht wahrheitsgetreuen Beantwortung der Fragen habe der Gesundheitszustand zum Zeitpunkt der Annahme der Anträge nicht korrekt beurteilt werden können (act. G 2.6, G 2.8).
Dr. med. D. , Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie, teilte der Helvetia am
12. März 2015 im Wesentlichen mit, dass die Versicherte erstmals im September 2002 wegen einer Handverletzung bei ihm in Behandlung gewesen sei. Er führte aus, dass er in der Anamnese von 2003 den Eintrag „1998 Psychotherapie erfolgreich“ erfasst habe, er jedoch keine Unterlagen darüber habe. Ausser diesem Eintrag seien ihm keine
psychischen psychologischen Beschwerden der Versicherten vor dem 1. November 2007 bekannt. Er habe auch keine Kenntnis von Hospitalisationen im Kindes- und Jugendalter (act. G 4.4).
Mit Schreiben vom 4. Juni 2015 reichte die Versicherte der Helvetia einen Arztbericht von Dr. med. E. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Krankenhaus F. , vom 11. Mai 2015 ein (act. 4.7). Darin hielt dieser fest, dass die Versicherte zwischen dem 30. April 1988 und 2. November 1994 mit kürzeren Unterbrechungen durch Aufenthalte in anderen Kliniken und therapeutischen Einrichtungen unter der Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.31) in der psychiatrischen Abteilung des genannten Kreiskrankenhauses stationär behandelt worden sei (bei act. G 4.7).
Dr. med. G. , Facharzt für Innere Medizin und Gesellschaftsarzt der Helvetia, hielt in einem Aktengutachten vom 17. August 2015 fest, dass im Bericht der B. vom 3. Februar 2015 Hospitalisationen im Kindes- und Jugendalter mit der Diagnose einer emotionalen Entwicklungsstörung erwähnt würden. Dr. D. habe im Bericht vom 12. März 2015 eine Psychotherapie im Jahr 1998 festgehalten und untermauere somit den Tatbestand der Anzeigepflichtverletzung. Dabei sei zu erwähnen, dass in den Antragsfragen bei Versicherungsabschluss nicht nach einer spezifischen psychiatrischen Diagnose, sondern nach einer erfolgten Psychotherapie gefragt worden sei. Dass ein solches Leiden vorgelegen habe, sei gemäss den Informationen aus den erwähnten Berichten offensichtlich. Auf die psychiatrischen Behandlungen habe die Versicherte bei den Gesundheitsfragen mit keinem Wort hingewiesen, obwohl sich diese bis in das frühe Erwachsenenalter hineingezogen hätten. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Versicherte eine sechseinhalb Jahre andauernde, ununterbrochene psychiatrische Hospitalisation und Behandlung im Alter von 19 bis 25 Jahren vergessen bzw. verdrängt habe. Der Tatbestand der Anzeigepflichtverletzung sei somit eindeutig erfüllt. Dies betreffe insbesondere die Frage 14, bei welcher die langjährigen psychiatrischen Hospitalisationen verschwiegen und lediglich auf einen vereiterten Zahn mit Extraktion verwiesen worden sei (act. G 2.16).
B.
Am 8. Februar 2017 ersuchte die Rechtsvertreterin der Versicherten die Helvetia um Zustellung einer Verjährungsverzichtserklärung bis 31. Dezember 2017 (act. G 4.18). Mit Schreiben vom 20. Februar 2017 teilte die Helvetia der Rechtsvertreterin mit, dass sie auf die Einrede der Verjährung bis 30. Juni 2017 verzichte (act. G 2.2).
Die B. nahm im Schreiben vom 22. März 2017 auf Anfrage der Rechtsvertreterin der Versicherten dahingehend Stellung, dass es sich bei der erneuten Erkrankung im Jahr 2014 am ehesten um eine Reaktivierung des alten Traumas gehandelt habe. Es habe eine mehr als 10-jährige unauffällige Phase im Leben der Versicherten gegeben. Die Reaktivierung des Traumas sei nicht vorhersehbar gewesen und somit nicht wissentlich von der Versicherten geheim gehalten worden. Nach mehr als 10-jähriger Beschwerdefreiheit und entsprechender Beratung durch den Versicherungsberater der Helvetia könne der Versicherten nicht vorgeworfen werden, dass sie absichtlich etwas unterschlagen habe. Es müsse davon ausgegangen werden,
dass sie die Fragen zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet habe. Sie sei davon ausgegangen, dass die mehr als zehn Jahre zurückliegende Erkrankung für den Versicherungsabschluss nicht mehr von Belang sei (act. G 2.16).
C.
Mit Klage vom 29. Juni 2017 liess die Klägerin beantragen, es sei festzustellen, dass die Beklagte die zwei Versicherungsverträge am 4. März 2015 zu Unrecht gekündigt habe. Im Weiteren sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die vertraglichen Leistungen aus der Erwerbsunfähigkeitsversicherung basierend auf einer Erwerbsunfähigkeit von 100% für die Zeit ab dem 16. Juli 2016 bis 30. Juni 2017 zu bezahlen, also CHF 9‘400.00 zuzüglich 5% Zins ab Klageeinleitung, und ihr seien die vollen Prämienbefreiungen zu gewähren. Ausserdem sei vom Nachklagerecht Vormerk zu nehmen; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beklagten. In prozessualer Hinsicht liess die Klägerin um Durchführung einer mündlichen Verhandlung ersuchen (act. G 1).
Mit Klageantwort vom 13. September 2017 beantragte die Beklagte, auf die Klage sei nicht einzutreten; eventualiter sei sie abzuweisen; alles unter Kostenfolge zu Lasten der Klägerin (act. G 4).
Mit Replik vom 20. November 2017 ergänzte die Klägerin ihre Klage dahingehend, dass sie Prämienbefreiungen von jährlich CHF 5‘063.05 und CHF 1‘041.35 beantragte (act. G 8).
Mit Duplik vom 30. Januar 2018 hielt die Beklagte an ihren Rechtsbegehren fest und bestätigte ihre Standpunkte (act. G 12).
Am 28. November 2018 teilte die Rechtsvertreterin der Klägerin mit, dass an der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht festgehalten werde (act. G 14).
Erwägungen
1.
Streitig ist die Leistungspflicht der Beklagten aus einer gebundenen Vorsorgeversicherung der Säule 3a nach Art. 82 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; SR 831.40). Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Versicherungsgerichts blieb zwischen den Parteien zu Recht unbestritten (Art. 73 Abs. 1 lit. b BVG; Art. 73 Abs. 3 BVG; jeweils Ziff. 5.3 der allgemeinen Versicherungsbedingungen [AVB] zur Helvetia Erwerbsunfähigkeitsrente bzw. zur Lebensversicherung, Gebundene Vorsorge, Säule 3a; act. G 2.1).
Die Klägerin beantragt einerseits die Feststellung, dass die Beklagte die beiden Versicherungsverträge am 4. März 2015 zu Unrecht gekündigt habe (Rechtsbegehren 1). Andererseits stellt sie das Leistungsbegehren, dass die Beklagte zu verpflichten sei, ihr die vertraglichen Leistungen aus der Erwerbsunfähigkeitsversicherung basierend auf einer Erwerbsunfähigkeit von 100% für die Zeit ab dem 16. Juli 2016 bis 30. Juni 2017 zu bezahlen, also CHF 9‘400.00 zuzüglich 5% Zins ab Klageeinleitung, und ihr die vollen Prämienbefreiungen zu gewähren seien (Rechtsbegehren 2, act. G 1 S. 2). Beim Rechtsbegehren 1 handelt es sich um eine Feststellungsklage, die ein schutzwürdiges Interesse rechtlicher tatsächlicher Natur voraussetzt. An einem solchen schutzwürdigen Interesse am Erlass eines Feststellungsentscheides fehlt es insbesondere dann, wenn das Rechtsschutzinteresse der klagenden Person durch ein
rechtsgestaltendes Urteil gewahrt werden kann (BGE 120 V 302 E. 2a). Dies ist vorliegend der Fall, weshalb auf das Feststellungsbegehren der Klägerin (Rechtsbegehren 1) nicht einzutreten ist. Im Übrigen ist auf die Klage einzutreten.
2.
2.1
Die Beklagte verneint ihre Leistungspflicht mit der Begründung, dass die Klägerin ihre Anzeigepflicht verletzt habe, indem sie im Gesundheitsfragebogen vom 8. Oktober 2007 bewusst falsche Angaben gemacht habe (act. G 4 S. 4 ff.).
Nach der Rechtsprechung beurteilen sich die Verletzung der Anzeigepflicht und deren Folgen nach den statutarischen und den reglementarischen Bestimmungen der Vorsorgeeinrichtung, bei Fehlen entsprechender Normen analogieweise nach Art. 4 ff. des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG; SR 221.229.1; vgl. BGE 130 V 11 E. 2.1). Hat eine versicherte Person beim Abschluss bei der Wiederinkraftsetzung der Versicherung eine schriftlich gestellte Frage unvollständig falsch beantwortet, so ist die Beklagte berechtigt, innert vier Wochen seit Kenntnis der Anzeigepflichtverletzung den Vertrag per sofort zu kündigen. Wird der Vertrag durch eine solche Kündigung aufgelöst, so erlischt auch die Leistungspflicht für bereits eingetretene Schäden, deren Eintritt Umfang durch die unvollständig falsch mitgeteilte Tatsache beeinflusst worden ist. Sind für solche Schäden bereits Leistungen erbracht worden, können diese von der Beklagten zurückgefordert werden (vgl. Art. 6 VVG, vgl. auch Ziff. 5.4 Abs. 1 AVB zur Erwerbsunfähigkeitsrente, Ziff. 5.5 AVB zur Lebensversicherung; act. G 2.1). In den Policen vom 22. Oktober 2007 wird bezüglich der Anzeigepflicht bzw. der Folgen im Verletzungsfall zudem auf die Regelung von Art. 12 VVG verwiesen (vgl. act. G 2.3, G 2.4). Gemäss dieser Bestimmung hat der Versicherungsnehmer binnen vier Wochen nach Empfang der Urkunde deren Berichtigung zu verlangen, sollte der Inhalt der Police der Nachträge zu derselben mit den getroffenen Vereinbarungen nicht übereinstimmen, widrigenfalls ihr Inhalt als von ihm genehmigt gilt.
Wann die Anzeigepflicht verletzt ist, beurteilt sich verschuldensunabhängig nach subjektiven und objektiven Kriterien. Nicht erforderlich ist, dass die antragstellende Person vorsätzlich gehandelt hat. Die antragstellende Person hat dem Versicherer in Beantwortung entsprechender Fragen nicht nur die ihr tatsächlich bekannten (von ihrem positiven Wissen erfassten) erheblichen Gefahrstatsachen mitzuteilen, sondern auch diejenigen, die ihr bekannt sein müssen. Sie kommt ihrer Anzeigepflicht nur dann genügend nach, wenn sie ausser den ihr ohne Weiteres bekannten Tatsachen auch diejenigen angibt, deren Vorhandensein ihr nicht entgehen kann, wenn sie über die Fragen des Versicherers ernsthaft nachdenkt (vgl. BGE 134 III 511 E. 3.3.3 mit Hinweisen). Wird der Tatbestand von Art. 6 VVG erfüllt, kann sich der Versicherer nicht auf die allgemeinen Regeln der Art. 23 ff. OR berufen (vgl. das Urteil des Bundesgerichtes vom 20. August 2013, 4A_112/2013, E. 3.5.1 mit Hinweisen).
Die Klägerin hat im Antragsfragebogen vom 8. Oktober 2007 (act. G 2.8) die Frage, ob sie in den letzten fünf Jahren durch einen Arzt, Psychiater Psychologen untersucht behandelt worden eine Untersuchung, Nachkontrolle Operation vorgesehen sei, mit "Ja" beantwortet und eine Zahnbehandlung vom 31. Januar 2006 angegeben (Frage 1, S. 6 des Fragebogens). Die Frage nach in den letzten zehn Jahren erlittenen bzw. durchgemachten Krankheiten, Beschwerden, Gesundheitsstörungen Verletzungen beantwortete die Klägerin in allen Unterpunkten mit "Nein" (Frage 13). Die Frage 14, ob sie jemals in einem Spital, Sanatorium einer Kuranstalt behandelt worden sei, beantwortete die Klägerin mit "Ja" und verwies auf die bei Frage 1 angegebene Zahnbehandlung. Schliesslich beantwortete die Klägerin die Frage 15, ob sie in den letzten fünf Jahren jemals länger als vier Wochen ohne Unterbruch ganz teilweise arbeitsunfähig gewesen sei, mit "Nein" (S. 8 des Fragebogens).
Die im Hinblick auf den Abschluss eines Versicherungsvertrags aus dem Bereich der beruflichen Vorsorge gestellten Fragen beziehen sich unbestrittenermassen auf Tatsachen, die geeignet sind, den Entschluss der Beklagten zum Abschluss des Vertrags an sich aber zu den vereinbarten Bedingungen wesentlich zu beeinflussen. Entgegen der Argumentation der Klägerin (vgl. act. G 1 S. 9 f.) sind die vorliegend relevanten Fragen eindeutig und präzise formuliert. Insbesondere sind die vorliegend massgeblichen Zeiträume durch die jeweiligen Zeitangaben (Frage 13: "10
Jahre", Frage 14: "jemals", Frage 15: "5 Jahre") klar definiert. Insbesondere ist auch die Frage, ob ein bestimmtes medizinisches Ereignis "jemals" aufgetreten sei, objektiv klar und allgemein verständlich. Die genannten Fragen sind deshalb als zulässig zu erachten und die Klägerin war gehalten, sie wahrheitsgetreu und vollständig zu beantworten.
Nach Lage der Akten war die Klägerin zwischen Ende April 1988 und Anfang November 1994 bei der Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung in stationärer psychiatrischer Behandlung gewesen (vgl. insb. den Bericht von Dr. E. vom 11. Mai 2015, bei act. G 4.7). Dass in der Jugendzeit der Klägerin langjährige psychiatrische Behandlungen stattgefunden hatten, wird sowohl in den Berichten der B. vom 3. Februar 2015 (act. G 2.15, G 4.3) als auch von der Klägerin selbst bestätigt (vgl. insb. act. G 1 S. 4, S. 5 f., act. G 8 S. 6 ff.) und ist zwischen den Parteien denn auch nicht umstritten. Indem die Klägerin diese Behandlungen nicht angegeben hat, hat sie die Frage 14 (Wurden Sie jemals in einem Spital, Sanatorium einer Kuranstalt behandelt?) somit nicht wahrheitsgetreu bzw. nur unvollständig beantwortet.
2.4
Die Klägerin macht hinsichtlich der unvollständigen bzw. nicht wahrheitsgetreuen Beantwortung der Frage 14 geltend, dass sie einen Versicherungsberater der Beklagten zu Rate gezogen und dieser ihr eine falsche Auskunft erteilt habe (vgl. act. G 1 S. 10). Sie beruft sich insbesondere darauf, der Versicherungsberater habe ihre Frage, ob tatsächlich alle Aufenthalte in einem Spital, einem Sanatorium einer Kuranstalt seit Geburt angegeben werden müssten, dahingehend beantwortet, dass die Beklagte nur die letzten fünf Jahre vor dem Versicherungsabschluss interessieren würden. Die offenbar falsche Aussage des Versicherungsberaters könne ihr nicht zugerechnet werden (act. G 1 S. 10 f.).
Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Verantwortlichkeit hat der Versicherer für eine unrichtige Auskunft seines Vermittlers nicht einzustehen, wenn sich diese auf eine derart klar gefasste Frage bezieht, dass eine Erklärung dazu gar nicht nötig war, bzw. die antragstellende Person die Frage nicht missverstehen konnte. Die antragstellende Person kann sich unter solchen Umständen nicht auf ihren guten
Glauben berufen, mithin den Versicherer für eine solche Auskunft seines Beraters nicht verantwortlich machen. Gegen den klaren Wortlaut des vom Versicherer aufgestellten Fragebogens können allenfalls abweichende Angaben des Vermittlers keine Bedeutung haben. Wenn die antragstellende Person eine solche eindeutige Frage unrichtig beantwortet, handelt sie also auf eigene Gefahr. Der Versicherer muss sich somit eine unrichtige Angabe seines Vermittlers zu einer klaren, einfachen Frage, die eine antragstellende Person ohne Weiteres verstehen kann, nicht entgegenhalten lassen. Mit anderen Worten vermöchten allfällige unrichtige Erläuterungen des Vermittlers bei einer unmissverständlichen Frage das Rücktrittsrecht des Versicherers wegen einer Anzeigepflichtverletzung gemäss Art. 6 VVG nicht zu beeinträchtigen (vgl. zum Ganzen das Urteil des Bundesgerichtes vom 21. August 2011, 5C.104/2001 E. 2cc mit Verweis auf BGE 96 II 204 E. 6, BGE 68 II 328 S. 335).
An dieser Praxis ist auch nach der seit 1. Januar 2006 gültigen Neufassung der Bestimmung über die Verantwortlichkeit des Versicherers für seine Vermittler (Art. 34 VVG), wonach der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer für das Verhalten seines Vermittlers wie für sein eigenes einzustehen hat, festzuhalten (vgl. auch das Urteil des Bundesgerichtes vom 29. April 2011, 9C_1092/2009, E. 3.3 mit
Hinweisen; offen gelassen im Entscheid des Sozialversicherungsgerichtes des Kantons Zürich vom 9. August 2013, BV.2012.00055, E. 4.3.3 mit Hinweisen; vgl. auch U. NEF/
C. VON ZEDTWITZ: in Honsell/Vogt/Schnyder/Grolimund, Versicherungsvertragsgesetz, Nachführungsband, Basel 2012, S. 70). Auch unter der neuen Regelung der Verantwortlichkeit des Versicherers für seine Vermittler läuft es dem Grundsatz von Treu und Glauben zuwider, wenn eine antragstellende Person einen (medizinischen) Tatbestand, der unzweifelhaft von einer unmissverständlichen Frage erfasst wird, im Antragsformular unter Berufung auf die Erklärung des Vermittlers nicht nur unvollständig aufführt. Auch den Materialien zum neurechtlichen Art. 34 VVG (vgl. BBl 2003 3789, 3857) sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die eine Praxisänderung hinsichtlich klaren, einfachen und leicht verständlichen Fragen begünstigen würden. Der Grundgedanke, dass die antragstellende Person klare und einfache Fragen nicht in (blindem) Vertrauen auf die Erklärungen des Vermittlers unrichtig beantworten kann, muss somit weiterhin Bestand haben. Zweifelt die antragstellende Person daran, ob sie eine medizinische Tatsache ein Ereignis im Fragebogen anzugeben hat, so ist es ihr ohne Weiteres zumutbar, diesbezüglich beim
Versicherer nachzufragen zumindest ihre Unsicherheit bezüglich der Beantwortung der entsprechenden Frage schriftlich offenzulegen.
Wie in der vorstehenden E. 2.3.2 dargelegt, war der zeitliche Anwendungsbereich der umstrittenen Fragen im vorliegenden Fall klar und verständlich. Die Klägerin wäre also gehalten gewesen, die langjährigen psychiatrischen Behandlungen bei Frage 14 trotz einer allfälligen fehlerhaften Auskunft des Beraters der Beklagten anzugeben. Das hätte die Klägerin – allenfalls mit einem Vermerk über die Auskunft des Beraters – im Anschluss an die Ergänzung zu der mit "Ja" beantworteten Frage 14 unter der Rubrik "Bemerkungen" ohne Weiteres tun können.
2.5 Vor diesem Hintergrund erübrigen sich Beweisabnahmen zur Frage, welche Auskünfte der Versicherungsberater der Klägerin genau erteilt hat. Es ist jedenfalls von einer relevanten Anzeigepflichtverletzung auszugehen, womit die Beklagte berechtigt war, innert vier Wochen rückwirkend auf den Abschlusszeitpunkt von den Versicherungsverträgen zurückzutreten (vgl. E. 2.2).
3.
Nach dem Gesagten ist die Klage abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 73 Abs. 2 BVG). Eine anwaltlich vertretene Vorsorgeeinrichtung hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung, soweit – wie vorliegend – die Prozessführung der Gegenpartei nicht als mutwillig leichtsinnig zu bezeichnen ist (BGE 126 V 143 E. 4b, BGE 128 V 323 E. 1a mit weiteren Hinweisen). Der in der Duplik vom 30. Januar 2018 gestellte Antrag auf Ausrichtung einer Parteientschädigung (act. G 12 S. 3) ist deshalb abzuweisen.
Entscheid
im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP
1.
Die Klage wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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