Kanton: | SG |
Fallnummer: | BV 2007/8 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | BV - berufliche Vorsorge |
Datum: | 09.04.2008 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 5 Abs. 1 Lit. 6 und Abs. 2 FZG (SR 831.42), Art. 1 Abs. 1 Lit. c BVV 2 (SR 831.441.1): Rückerstattung einer ausbezahlten Austrittsleistung. Zustimmung des Ehegatten zur Barauszahlung (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 9. April 2008, BV 2007/8). |
Zusammenfassung: | Die Vorsorgeeinrichtung der Zürich Versicherungs-Gruppe verklagte L. auf Rückerstattung von Vorsorgeleistungen in Höhe von Fr. 251'147.65. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen gab der Klage statt, doch das Bundesgericht hob diesen Entscheid teilweise auf. Es entschied, dass die Zürich Versicherungs-Gruppe L. nicht zur Rückerstattung verpflichten kann, da die Barauszahlung rechtmässig war. Es wurde festgestellt, dass die ehemalige Ehefrau von L. der Barauszahlung nicht zugestimmt hatte. Das Versicherungsgericht entschied schliesslich, dass L. der Vorsorgeeinrichtung den Betrag von Fr. 131'878.85 zuzüglich Zinsen zurückzahlen muss. |
Schlagwörter: | Ehefrau; Barauszahlung; Beweis; Vorsorge; Zustimmung; Entscheid; Beklagten; Recht; Bundes; Versicherungsgericht; Bundesgericht; Quot; Gallen; Vorsorgeeinrichtung; Betrag; Kanton; Kantons; Verwaltungsgericht; Zeugeneinvernahme; Rückerstattung; Rückforderung; Dokument; Verfahren; Versicherungs-Gruppe |
Rechtsnorm: | Art. 124 ZGB ; Art. 22 ZG ; Art. 64 OR ; Art. 8 ZGB ; |
Referenz BGE: | 133 V 205; 133 V 209; 133 V 215; |
Kommentar: | - |
Entscheid vom 9. April 2008
In Sachen
Vorsorgeeinrichtung der Zürich Versicherungs-Gruppe, Postfach, 8085 Zürich,
Klägerin,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. iur. Monika Brenner, Marktgasse 3, 9004 St. Gallen,
gegen L.
Beklagter,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Daniel Bachmann, Rosenbergstrasse 42, 9000 St. Gallen,
betreffend
Rückerstattung von Vorsorgeleistungen Sachverhalt:
A.
Mit Klage vom 9. Juli 2004 stellte die Vorsorgeeinrichtung der Zürich Versicherungs- Gruppe beim Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen das Rechtsbegehren, L. sei zu verpflichten, ihr den Betrag von Fr. 251'147.65 nebst Zinsen, eventuell den Betrag von Fr. 131'878.85 nebst Verzugszinsen seit 8. März 2004, zu bezahlen. Grund der Forderung sei, dass er unrechtmässig die Barauszahlung seiner Freizügigkeitsleistung erwirkt habe. Das Eventualbegehren betreffe die Zahlung, welche die Vorsorgeeinrichtung im Rahmen des Vorsorgeausgleichs gemäss Entscheid des Verwaltungsgerichts von Appenzell Ausserrhoden vom 27. August 2003 der ehemaligen Ehefrau von L. , H. , zu entrichten gehabt habe. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die Klage mit Entscheid vom 17. Mai 2006 (BV 2004/11) gut und verpflichtete L. , der Vorsorgeeinrichtung den Betrag von Fr. 251'147.65 zuzüglich 5% Zins ab 16. Februar 2004 auf 131'878.85 und 5% Zins ab 9. Juli 2004 auf 251'147.65 zu bezahlen. Das Gericht begründete seinen Entscheid damit, dass L. nach der Anstellung bei der Zürich Versicherungs-Gruppe wiederum als Arbeitnehmer tätig gewesen sei, weshalb das Begehren um Barauszahlung und die Ausrichtung der Leistung zu Unrecht erfolgt seien. Da L. bösgläubig gewesen sei, habe er die zu Unrecht bezogene Leistung auch dann zurückzuerstatten, wenn die Bereicherung nicht mehr vorhanden sei. Das Bundesgericht hiess eine von L. erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut, hob den kantonalen Entscheid auf und wies die Sache im Umfang von Fr. 131'878.85 zuzüglich 5% Zins ab 16. Februar 2004 an das Versicherungsgericht zurück, damit es im Sinne der Erwägungen verfahre. Im Übrigen wies es die Klage ab (Urteil B 93/06 vom 22. Januar 2007, publiziert in BGE 133 V 205 ff.). Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Zürich Versicherungs-Gruppe L. gegenüber mit der Barauszahlung befreiend geleistet habe, weshalb bereicherungsrechtliche Überlegungen einem Rückerstattungsanspruch entgegenstünden. Der blosse Umstand, dass die Barauszahlung geleistet worden sei, ohne dass die Voraussetzungen gemäss Freizügigkeitsgesetz vorgelegen hätten, berechtige die
Vorsorgeeinrichtung nicht zur Rückforderung der Leistung (BGE 133 V 209 ff. E. 4.3-4.9). Indessen könne die Vorsorgeeinrichtung, sofern die Ehefrau der
Barauszahlung nicht, wie gesetzlich vorgesehen, zugestimmt habe und sie dieser in der Folge bei Scheidung ihren Anteil erneut habe bezahlen müssen, diesen vom insoweit bereicherten geschiedenen Ehemann zurückfordern, sofern dieser bezüglich der mangelnden Zustimmung nicht gutgläubig gewesen sei und deshalb mit einer Rückforderung habe rechnen müssen (BGE 133 V 215 E. 5.2). Soweit demnach eine Rückerstattung in Betracht falle (Fr. 131'878.85 zuzüglich 5% Zins ab 16. Februar 2004), wies das Bundesgericht das kantonale Versicherungsgericht an, den bisher unvollständig festgestellten rechtserheblichen Sachverhalt weiter abzuklären. In diesem Zusammenhang machte das Bundesgericht folgende Ausführungen, wobei grundsätzlich zwei Fälle denkbar seien:
"Entweder hat die (nunmehr geschiedene) Ehefrau dem Barauszahlungsbegehren nicht zugestimmt. In diesem Falle hätte die Barauszahlung richtigerweise nicht geleistet werden dürfen, so dass das Freizügigkeitsguthaben im Falle der Scheidung noch vorhanden gewesen und im Rahmen des Vorsorgeausgleichs gemäss Art. 22 FZG zu teilen gewesen wäre. Hat nun der Beschwerdeführer die gesamte Austrittsleistung in bar erhalten, so war er insoweit ungerechtfertigt bereichert, als ein Teil dieser Leistung seiner geschiedenen Ehefrau zustehen würde. Die Vorsorgeeinrichtung, welche die Barauszahlung irrtümlich geleistet hat und in der Folge der geschiedenen Ehefrau ihren Anteil erneut bezahlen muss, kann diesen vom Ehemann zurückfordern (…). Dass sie den Irrtum selber verschuldet hat, ändert daran nichts (…). Des Weiteren ist unerheblich, ob die Voraussetzungen nach Art. 5 Abs. 1 FZG vorgelegen haben, denn die in Abs. 1 und 2 statuierten Anforderungen müssen kumulativ erfüllt sein.
Oder die (nunmehr geschiedene) Ehefrau hat der Auszahlung zugestimmt und die Beschwerdegegnerin konnte bloss das Dokument mit der Unterschrift nicht mehr auffinden. In diesem Fall ist die Barauszahlung zu Recht erfolgt. Weder hat die Beschwerdegegnerin irrtümlich geleistet noch ist der Beschwerdeführer ungerechtfertigt bereichert. Die Barauszahlung war nicht in den Vorsorgeausgleich einzubeziehen (…), sondern es war allenfalls gemäss Art. 124 Abs. 1 ZGB eine angemessene Entschädigung zuzusprechen (…), wofür das Scheidungsgericht zuständig ist (…). Es bestand keine materielle Verpflichtung der Beschwerdegegnerin,
der geschiedenen Ehefrau erneut einen Teil auszubezahlen. Dass das Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden am 27. August 2003 anders entschieden hat, muss die Beschwerdegegnerin ihrer eigenen Nachlässigkeit zuschreiben - sie konnte das Dokument nicht mehr finden und daher den ihr obliegenden Nachweis der Rechtmässigkeit der Auszahlung nicht erbringen. Dabei geht es einzig um das Verhältnis zwischen der Beschwerdegegnerin und der ehemaligen Ehefrau des Beschwerdeführers. In diesem Fall besteht kein Rückerstattungsanspruch der Beschwerdegegnerin gegenüber dem Beschwerdeführer.
Der angefochtene Entscheid enthält keine Aussage darüber, welche dieser beiden
Sachverhaltsvarianten vorliegt (…)."
Weiter wird im Urteil des Bundesgerichts vom 22. Januar 2007 ausgeführt, dass das kantonale Versicherungsgericht im aufgehobenen Entscheid gestützt auf Erwägungen des Verwaltungsgerichts des Kantons Appenzell Ausserrhoden im Entscheid vom
27. August 2003 offensichtlich davon ausgegangen sei,
"dass die (nunmehr geschiedene) Ehefrau der Barauszahlung nicht zugestimmt hat, was allerdings nicht positiv bewiesen, sondern wegen Beweislosigkeit angenommen wurde. Auch die heutige Beschwerdegegnerin hat dies offensichtlich (damals zu ihrem Nachteil) eingestanden. Im vorliegenden Verfahren würde sich die fehlende Zustimmung der Ehefrau zum Vorteil der heutigen Beschwerdegegnerin auswirken. Der blosse Umstand, dass sie sich im früheren Verfahren das Fehlen der Zustimmung entgegenhalten liess, stellt allerdings noch keinen rechtsgenüglichen Beweis dar. Der heutige Beschwerdeführer hatte in jenem Verfahren kein Interesse, dieses Eingeständnis in Frage zu stellen, betraf es doch nur das Verhältnis zwischen seiner geschiedenen Ehefrau und der heutigen Beschwerdegegnerin. Er war durch den Entscheid auch nicht beschwert und hatte keinen Anlass, ihn anzufechten. Im vorliegenden Verfahren könnte er hingegen allfällige Gegenbeweise erbringen. Die Vorinstanz hatte aufgrund ihrer Rechtsauffassung keinen Grund, zur Zustimmung der Ehefrau Beweis zu führen. Da sich die Frage nach dem Gesagten indessen als rechtserheblich erweist, ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie den in diesem Punkt unvollständig festgestellten Sachverhalt ermittle, wozu namentlich eine
Zeugenaussage der geschiedenen Ehefrau des Beschwerdeführers in Betracht zu ziehen sein wird.
Im Hinblick auf das weitere Vorgehen ist zudem festzuhalten: Die Beschwerdegegnerin, welche gegenüber dem Beschwerdeführer einen Anspruch erhebt, trägt die materielle Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen (Art. 8 ZGB). Sie trägt somit die Beweislast dafür, dass die Ehefrau nicht zugestimmt hat, weil sie nur in diesem Fall eine Rückforderung geltend machen kann (…). Der Umstand, dass dazu negative Tatsachen bewiesen werden müssen, ändert nichts an der Beweislast, führt jedoch dazu, dass die Gegenpartei nach Treu und Glauben bei der Beweisführung mitwirken muss, namentlich indem sie einen Gegenbeweis erbringt (…). Soweit der rechtsgenügliche Nachweis erbracht werden kann, dass die Ehefrau nicht schriftlich zugestimmt hat, wird der Beschwerdeführer grundsätzlich rückerstattungspflichtig, unter Vorbehalt freilich von Art. 64 OR, worüber ebenfalls Beweis zu führen sein wird. Der in diesem Fall zu prüfende gute Glaube bezieht sich nach dem Gesagten nicht darauf, ob der Beschwerdeführer erkennen musste, dass er unselbständig erwerbend war, sondern ob er erkennen musste, dass die Ehefrau hätte zustimmen müssen und er mangels Zustimmung mit einer Rückforderung rechnen musste."
B.
Mit Schreiben vom 11. April 2007 erkundigte sich das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen bei den Parteien, ob die fragliche Zustimmungserklärung der ehemaligen Ehefrau zur Barauszahlung nachträglich noch beigebracht werden könne. L. liess dies mit Eingabe vom 4. Juni 2007 verneinen. Auch die Rechtsvertreterin der Zürich Versicherungs-Gruppe verneinte dies mit Eingabe vom 18. Juni 2007 sinngemäss, indem sie das Begehren stellte, darüber sei im Rahmen einer Zeugeneinvernahme von H. Beweis zu führen. Des weiteren reichte sie ein Bestellformular für Visitenkarten des Beklagten ein, aus welchem hervorgeht, dass
L. 1997 bei dieser die Funktion "Konsulent PVS" bekleidet hat. Am 31. Oktober 2007 führte der vorsitzende Richter die Zeugeneinvernahme von H. durch. Das Protokoll darüber wurde ihr und den an der Zeugeneinvernahme anwesenden Rechtsvertretern der Parteien am 5. November 2007 zugestellt und es wurde Gelegenheit gegeben, sich zum Ergebnis der Befragung zu äussern. Während die
Rechtsvertreterin der Zürich Versicherungs-Gruppe eine Stellungnahme vom
26. November 2007 einreichte, liess der Rechtsvertreter von L. die gesetzte Frist
ungenutzt verstreichen. Erwägungen:
1.
Im vorliegenden Fall war ursprünglich streitig die Rückerstattung einer ausbezahlten Austrittsleistung. Die massgeblichen rechtlichen Grundlagen, gemäss welchen sich diese Streitigkeit beurteilt, finden sich einerseits im aufgehobenen Entscheid des Versicherungsgerichts vom 17. Mai 2006 (BV 2004/11) und andererseits im Urteil des Bundesgerichts vom 22. Januar 2007 (B 93/06; publiziert - wie bereits erwähnt - in BGE 133 V 205 ff.). Darauf kann verwiesen werden. Den dortigen Sachverhaltsdarlegungen kann sodann die detaillierte Vorgeschichte entnommen werden, welche zum Entstehen der zu beurteilenden Streitigkeit geführt hat. Diese braucht hier nicht wiederholt zu werden.
Wie eingangs dargelegt, hat das Bundesgericht die Streitigkeit, soweit sie den Betrag von Fr. 131'878.85 zuzüglich Zins zu 5% ab 16. Februar 2004 überstiegen hat, mit besagtem Entscheid vom 22. Januar 2007 letztinstanzlich erledigt. Soweit die Streitigkeit unerledigt geblieben ist, muss sie gestützt auf die seitens des Bundesgerichts dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen auferlegten und von diesem durchgeführten Beweisabklärungen entschieden werden.
2.
Vorab zu beantworten ist die Frage, welche von - den vorstehend ausführlich geschilderten - zwei denkbaren Möglichkeiten sich tatsächlich abgespielt hat: Hat die (nunmehr geschiedene) Ehefrau dem Barauszahlungsbegehren zugestimmt hat sie diesem nicht zugestimmt? Art. 5 Abs. 2 FZG verlangt für eine zulässige Barauszahlung die schriftliche Zustimmung des Ehegatten. Weder die Klägerin noch der Beklagte vermochten im Rahmen der durchgeführten Beweisabklärung ein Dokument zu präsentieren, welches die Zustimmung der ehemaligen Ehefrau belegen würde. Dies obwohl der Beklagte in diesem Verfahren nach Treu und Glauben bei der
Beweisführung hätte mitwirken, das heisst ein entsprechendes, die Zustimmung belegendes Dokument hätte einreichen müssen, wenn er über ein solches verfügt hätte. Die Hypothese, dass die damalige Ehefrau zwar schriftlich der Barauszahlung zugestimmt habe, das entsprechende Schriftstück bei der Klägerin jedoch aus unerfindlichen Gründen verloren gegangen sei, bleibt damit ohne Nachweis. Im Übrigen finden sich auch für die in der Duplik des Vorverfahrens vom 13. Mai 2005 gemachte Darstellung, wonach die ehemalige Ehefrau erst finanzielle Morgenluft gewittert habe, als ihr gewahr geworden sei, dass die Klägerin die Zustimmungserklärung nicht mehr auffinden könne, keine Anhaltspunkte in den Akten. Fest steht, dass sich die Frage nach der Rechtmässigkeit der Barauszahlung schon im Zeitpunkt des Teilurteils des Kantonsgerichts Appenzell Ausserrhoden betreffend Ehescheidung vom 28. März 2001 und seither unverändert stellte und dass das Schreiben vom 29. Oktober 1997, mit welchem die Barauszahlung ursprünglich initiiert wurde, jedenfalls ausschliesslich die Unterschrift des Beklagten und keine seiner damaligen Ehefrau enthält. Im Rahmen der am 31. Oktober 2007 durchgeführten Zeugeneinvernahme gab die ehemalige Ehefrau an, dass sie weder von der Absicht ihres damaligen Ehemanns gewusst habe, sich sein Vorsorgeguthaben bei der Klägerin bar auszahlen zu lassen, noch dass er sie je um die dafür notwendige schriftliche Zustimmung ersucht habe. Sie habe aufgrund ihres Berufs als Versicherungsberaterin im Bereich AHV/BVG/Steuern gewusst, dass die schriftliche Zustimmung des Ehegatten Voraussetzung für eine zulässige Barauszahlung sei. Dieses Wissen habe sie von ihrem damaligen Ehemann vermittelt bekommen, der sie geschult habe. Sie habe, auch nachdem sie nicht mehr mit ihrem Ehemann gearbeitet habe und nach der Trennung, immer verfolgt, was er beruflich mache. Nachdem sich an das Anstellungsverhältnis bei der Klägerin nahtlos jenes bei der PAX-Versicherung angeschlossen habe, sei ihr bewusst gewesen, dass kein gesetzlich vorgesehener Barauszahlungsgrund vorhanden sein könne. Das habe sie beruhigt. Sie hätte die erforderliche Zustimmung nie erteilt.
Das Verwaltungsverfahren und das Verwaltungsgerichtsverfahren sind bestimmt vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Das bedeutet, dass die urteilende Instanz die Beweise frei von Beweisregeln nach ihrer Überzeugung würdigt. Frei heisst aber nicht willkürlich; die Behörde muss sachlich begründen können, weshalb sie einen Beweis als erbracht bzw. als nicht stichhaltig betrachtet (Rhinow/Koller/Kiss, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, Basel 1996, Rz
914). Dabei soll sich die Gewichtung der einzelnen Beweismittel aus ihrer inneren Qualität, d.h. aus der anzunehmenden Übereinstimmung mit der Wirklichkeit, ergeben und nicht durch deren äussere Eigenart. So ist es zulässig, einer Parteiaussage unter Umständen mehr Gewicht einzuräumen als einer dieser widersprechenden Zeugenaussage - vorausgesetzt allerdings, dem inneren Gehalt der Parteiaussage komme die Überzeugungskraft zu, sie für wahr zu halten. Ausfluss des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung ist schliesslich, dass das Gericht frei darüber befindet, ob das gesetzlich geforderte Beweismass erreicht ist. In diesem Zusammenhang ist es für den Nachweis einer Tatsache grundsätzlich erforderlich, dass diese zur vollen Überzeugung dargetan wird. Im Bereich des Sozialversicherungsrechts genügt indessen, wenn kein direkter Beweis möglich ist, in der Regel die überwiegende Wahrscheinlichkeit als Beweismass (Cavelti/Vögeli, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen - dargestellt an den Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, St. Gallen 2003, Rz 615 f. und 619 f. mit Hinweisen).
Im vorliegenden Fall hat die ehemalige Ehefrau des Beklagten die ihr anlässlich der Zeugeneinvernahme vom 31. Oktober 2007 gestellten Fragen inhaltlich angemessen und widerspruchsfrei sowie sprachlich genau und sachgerecht beantwortet. Wenn sie etwas nicht genau verstand ihr etwas unklar erschien, fragte sie unverzüglich nach. Konnte sie eine Antwort, etwa in zeitlicher Hinsicht, nicht sicher präzisieren, brachte sie einen entsprechenden Vorbehalt an und stellte eine Verifizierung in Aussicht. Insgesamt wirkten die Aussagen der ehemaligen Ehefrau in jeder Hinsicht überzeugend und wahr. Demgegenüber können Zweifel hinsichtlich der Möglichkeit, wonach die ehemalige Ehefrau der Barauszahlung schriftlich zugestimmt, die Klägerin das entsprechende Dokument aber verloren habe, nicht ausgeräumt werden. Einmal wirkt es seltsam, dass die Klägerin zum Beispiel die ausschliesslich vom Beklagten unterschriebene Bitte um Überweisung der Freizügigkeitsleistung vom 29. Oktober 1997, womit die ganze Streitigkeit letztlich ihren Anfang nahm, sowie die Mitteilung der Austrittsabrechnung vom 20. Januar 1998 samt vom Beklagten ausgefülltem Abschnitt über die Verwendung der Freizügigkeitsleistung (angekreuzt "Barauszahlung" und signiert am 22. Januar 1998) zu präsentieren vermag, wohingegen ausgerechnet das entscheidende Dokument mit der Unterschrift der damaligen Ehefrau verloren gegangen sein soll. Sodann erscheint es aufgrund der beruflichen Verbundenheit und persönlichen Vertrautheit der Beteiligten nicht als ausgeschlossen, dass das
Barauszahlungsbegehren des Beklagten seitens der Klägerin positiv beschieden und alsdann auch vollzogen wurde, obwohl die erforderliche schriftliche Zustimmung der damaligen Ehefrau nicht vorgelegen hatte. In diesem Zusammenhang ist immerhin erwähnenswert, dass der Beklagte nie ausdrücklich behauptet hat, seine damalige Ehefrau habe dem Barauszahlungsbegehren unterschriftlich zugestimmt, sondern ihr lediglich unterstellte, von Anfang an darüber im Bild gewesen zu sein. Schliesslich erscheint das Interesse der ehemaligen Ehefrau, anlässlich der Scheidung den Vorsorgeausgleich unter Einschluss der Barauszahlung vorzunehmen, absolut berechtigt. Denn anders als vom Beklagten ursprünglich dargestellt, wurde der bar ausbezahlte Betrag nicht zur Rückzahlung von gemeinsamen Schulden der beiden Ehepartner sowie für den gemeinsamen Lebensbedarf verwendet, sondern ausschliesslich zur Deckung persönlicher Schulden des Beklagten sowie für dessen Lebensbedarf. Gegen diese Darstellung der ehemaligen Ehefrau im Rahmen der Zeugeneinvernahme hat er auf jeden Fall trotz eingeräumter Gelegenheit nichts mehr eingewendet. In Betracht zu ziehen ist schliesslich, dass die Aussagen des Beklagten insofern Schutzbehauptungscharakter gehabt haben könnten, als dieser sich vom behaupteten Mitwissen der ehemaligen Ehefrau um die Barauszahlung Verschonung vor Rückforderungen und damit Abwendung eigener finanzieller Nachteile versprochen haben könnte. Bei diesen Gegebenheiten ist gestützt auf die erwähnten Zeugenaussagen mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erwiesen, dass die ehemalige Ehefrau des Beklagten dem Barauszahlungsbegehren nie zugestimmt hat. Demnach ist die Klägerin, welche den gesamten Betrag an den Beklagten bezahlt und der ehemaligen Ehefrau ihren Anteil noch einmal ausrichten musste, gemäss den Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil vom 22. Januar 2007 berechtigt, diesen Anteil vom Beklagten zurückzufordern.
3.
Zu prüfen bleibt damit, ob sich der Beklagte der Rückerstattungspflicht wegen Gutgläubigkeit entschlagen kann. Dies ist zu verneinen. Wie sich aus der Zeugeneinvernahme und der unbestrittenen Tatsache ergibt, dass der Beklagte bei der Klägerin als Konsulent in Personalvorsorgeangelegenheiten angestellt war, handelte es sich bei ihm um eine ausgewiesene Fachkraft bezüglich der im Bereich der beruflichen Vorsorge zur Anwendung gelangenden Regelungen. Er verdiente seinen
Lebensunterhalt damit, für seinen Arbeitgeber Vorsorgelösungen der 2. Säule an Kunden zu "verkaufen". Von daher kann auch ohne weitere Abklärungen kein Zweifel darüber bestehen, dass er erkennen musste, dass die Ehefrau einer Barauszahlung hätte zustimmen müssen und er mangels Zustimmung eine Rückforderung seitens der deren Anteil zweimal bezahlen müssenden Vorsorgeeinrichtung zu gewärtigen haben würde. Dies führt dazu, dass die Klage, soweit sie vom Bundesgericht mit Entscheid vom 22. Januar 2007 nicht bereits erledigt wurde, gutzuheissen und der Beklagte zu verpflichten ist, der Klägerin den Betrag von Fr. 131'878.85 zuzüglich Zins zu 5% ab
16. Februar 2004 zu bezahlen. Für die Begründetheit der Zinsforderung wird auf die einschlägigen Ausführungen im aufgehobenen Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 17. Mai 2006 verwiesen (E. 5a), welchen nichts beizufügen ist. Gleiches gilt bezüglich Gerichtskosten und Parteientschädigung (E. 5b).
Demgemäss hat das Versicherungsgericht
im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG entschieden:
Die Klage wird gutgeheissen und der Beklagte verpflichtet, der Klägerin den
Betrag von Fr. 131'878.85 zuzüglich Zins zu 5% ab 16. Februar 2004 zu bezahlen.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Es wird keine Parteientschädigung ausgerichtet.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.