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Urteil Verwaltungsgericht (SG - B 2020/112)

Zusammenfassung des Urteils B 2020/112: Verwaltungsgericht

Das Gesundheitsdepartement des Kantons St. Gallen erliess ein Besuchsverbot in Spitälern und Kliniken aufgrund von Massnahmen gegen das Coronavirus. Ein Beschwerdeführer reichte Beschwerde beim Verwaltungsgericht ein, um das Besuchsverbot aufzuheben. Das Verwaltungsgericht entschied jedoch, dass es nicht zuständig sei, auf die Beschwerde einzutreten, da die Weisung des Gesundheitsdepartements keine anfechtbare Verfügung im Sinne des Gesetzes war. Der Staat trägt die Gerichtskosten von CHF 1'000, und der Beschwerdeführer erhält keine Entschädigung.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts B 2020/112

Kanton:SG
Fallnummer:B 2020/112
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid B 2020/112 vom 12.06.2020 (SG)
Datum:12.06.2020
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:EntscheidVerfahrensbeteiligte
Schlagwörter: Weisung; Besuch; Recht; Besuchsverbot; Verwaltungsgericht; Ausnahmen; Vorinstanz; Kliniken; Verfügung; Allgemeinverfügung; Über; Gallen; Rechtsmittel; Verfügungen; Anordnung; Entscheid; Abteilungspräsident; Verwaltungsrechtspflege; Hinweis; Spitäler; Person; Spitälern; Quot;Allgemeinverfügungquot; Anordnungen; Einzelfall; Überprüfung; Umsetzung; Gesundheitsdepartement; Rechtsmittelbelehrung
Rechtsnorm: Art. 108 BGG ;
Referenz BGE:129 II 297; 134 II 272;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts B 2020/112

A. ,

Beschwerdeführer,

gegen

Gesundheitsdepartement des Kantons St. Gallen, Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen,

Vorinstanz,

Gegenstand

Weisung betreffend Besuchsverbot in Spitälern und Kliniken

Der Abteilungspräsident stellt fest:

Das Gesundheitsdepartement erliess im Rahmen der Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus am 16. März 2020 ein generelles Besuchsverbot (mit Ausnahmen) in Spitälern und Kliniken in Form einer von den Spital- und Klinikdirektionen zu vollziehenden, als "Allgemeinverfügung" bezeichneten Weisung. Die unverändert formulierte Weisung galt zunächst bis 30. April 2020 (ABl 2020-00.017.384). Deren Geltungsdauer wurde mehrfach (bis 11. Mai 2020, ABl 2020-00.020.082; bis 8. Juni

2020, ABl 2020-00.020.492), neuestens am 3. Juni 2020 bis und mit 18. Juni 2020, verlängert. Der Beschluss über die Verlängerung vom 3. Juni 2020 und der Inhalt der Weisung wurden vorab den Spitälern und Kliniken mitgeteilt und am 9. Juni 2020 im Amtsblatt veröffentlicht (ABl 2020-00.022.365). Als Rechtsmittel wurde jeweils die Beschwerde innert 14 Tagen an das kantonale Verwaltungsgericht angegeben. Jedenfalls dem Wortlaut der Weisung und der Rechtsmittelbelehrung lässt sich nicht entnehmen, dass eine allfällige Beschwerde gegen die Weisung – entgegen dem gesetzlichen Grundsatz – nicht aufschiebend wirken sollte.

A. (Beschwerdeführer) erhob gegen diese Weisung des Gesundheitsdepartements (Vorinstanz) mit Eingabe vom 8. Juni 2020 (Eingang beim Gericht am 11. Juni 2020) Beschwerde beim Verwaltungsgericht mit dem Rechtsbegehren, unter Kosten- und Entschädigungsfolge sei die angefochtene Weisung aufzuheben. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragt er, die Vorinstanz sei anzuweisen, die Klinikleitungen umgehend darüber zu informieren, dass die Weisung zufolge der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde vorerst nicht umgesetzt werden könne.

Der zuständige Abteilungspräsident hat der Beschwerde mit verfahrensleitender

Verfügung vom 11. Juni 2020 die aufschiebende Wirkung vorläufig entzogen, so dass die Weisung weiterhin anwendbar blieb. Auf die Einholung einer Vernehmlassung und allfälliger Akten bei der Vorinstanz wurde verzichtet. Auf die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Begründung seines Rechtsbegehrens wird, soweit wesentlich, in den Erwägungen eingegangen.

Der Abteilungspräsident erwägt:

1.

Ob das Verwaltungsgericht auf die Beschwerde eintreten kann, ist von Amtes wegen zu prüfen (vgl. Art. 64 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege; sGS 951.1, VRP).

1.1.

Gemäss Art. 59bis Abs. 1 VRP beurteilt das Verwaltungsgericht unter anderem Beschwerden gegen Verfügungen und Entscheide der Departemente. Als Verfügungen sind die erstinstanzlichen Anordnungen gekennzeichnet, während Entscheide Rechtsmittelentscheide sind (Cavelti/Vögeli, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton

St. Gallen, 2. Aufl. 2003, Rz. 512). Art. 24 Abs. 1 VRP regelt zwar den Inhalt von Verfügungen. Das st. gallische Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege verzichtet aber darauf zu umschreiben, welche Anordnungen der Behörden als Verfügungen gelten. Der Kerngehalt des Begriffs ist indessen in Schrifttum und Praxis unbestritten und einheitlich. Verfügungen sind hoheitliche Anordnungen im Einzelfall (individuell), die sich auf öffentliches Recht stützen und ein Rechtsverhältnis in verbindlicher Weise (konkret) regeln (vgl. Präsidialverfügungen B 2019/111 und B 2020/45 vom 13. Mai 2020 E. 1.1; Cavelti/Vögeli, a.a.O., Rz. 536). Eine abstrakte gerichtliche Überprüfung des generell-abstrakten Gesetzes- und Verordnungsrechts auf die Vereinbarkeit mit Verfassungs- und Bundesrecht sieht das Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege nicht vor. Art. 81 der Verfassung des Kantons St. Gallen (sGS 111.1, KV) beschränkt

die gerichtliche Überprüfung von Gesetzes- und Verordnungsvorschriften auf ihre Übereinstimmung mit übergeordnetem Recht denn auch auf den konkreten Anwendungsfall (sogenannte konkrete akzessorische Normenkontrolle; vgl. dazu H.-R. Arta, in: Rizvi/Schindler/Cavelti [Hrsg.], Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Praxiskommentar, St. Gallen 2020, N 89 des Überblicks).

Die Vorinstanz hat die vom Beschwerdeführer beanstandete Weisung als "Allgemeinverfügung" bezeichnet. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung

werden Allgemeinverfügungen in Bezug auf ihre Anfechtbarkeit, namentlich die Legitimation, jedenfalls dann den Verfügungen gleichgestellt, wenn sie ohne konkretisierende Anordnung einer Behörde angewendet und vollzogen werden können (vgl. BGer 9C_765/2012 vom 19. März 2013 E. 1.2 mit Hinweis auf BGer 2C_104/2012 vom 25. April 2012 E. 1.2). Zu klären ist damit der Inhalt der Weisung.

1.2.

Als Allgemeinverfügungen gelten Anordnungen, die nicht individuell-konkret, sondern generell-konkret sind. Sie betreffen eine unbestimmte Zahl von Adressaten, regeln aber einen spezifischen Sachverhalt (vgl. BGer 2C_348/2011 vom 22. August 2011 E. 3.1 und 2C_457/2011 vom 26. Oktober 2011 E. 4.2 je mit Hinweis auf BGE 134 II 272

E. 3.2, 126 II 300 E. 1a, 125 I 313 E. 2a und b). Sie sind ohne weitere Konkretisierungsverfügung unmittelbar durchsetzbar (vgl. BGer 1P.738/1999 vom 21. März 2000 E. 1c).

Die angefochtene Weisung der Vorinstanz richtet sich an Spitäler und Kliniken (Akutspitäler, psychiatrische Kliniken, Reha-Kliniken). Umzusetzen ist sie von der Leitung der jeweiligen Einrichtung (Direktion bzw. Betriebsleitung). Soweit sie Regeln für die Zulässigkeit von Besuchen enthält, betrifft sie das Verhältnis der Einrichtungen zu den Besucherinnen und Besuchern. Die Weisung enthält in Ziffer 1 ein Besuchsverbot und regelt in Ziffer 2 die Ausnahmen. Die Umsetzung eines ausnahmslos geltenden Besuchsverbots als de facto Zutrittsverbot bedürfte – vergleichbar mit einer Verkehrsanordnung – lediglich noch einer entsprechenden "Signalisation" an den Eingängen zu den Einrichtungen. Ergäbe sich aus der Weisung ein solches Besuchsverbot, könnte es als unmittelbar durchsetzbare generelle und konkrete, gegenüber allen Besucherinnen und Besuchern ausnahmslos geltende Anordnung und damit als Allgemeinverfügung im Rechtssinn behandelt werden.

Indessen erschöpft sich der Inhalt der umstrittenen Weisung nicht in einem umfassenden, generell geltenden und konkreten Besuchsverbot. Vielmehr ist es als Grundsatz mit Ausnahmen ausgestaltet. Dabei sind die möglichen Ausnahmen in Ziffer 2 Absatz 1 der Weisung unbestimmt und weit umschrieben. Für "einzelne Patientengruppen" können "generell im Einzelfall" Ausnahmen bewilligt werden. Die Ausnahmen müssen "sachlich begründet" sein. Als Beispiele werden "Eltern von Kindern", "Partner von Gebärenden", "Besuchende von dementen besonders unterstützungsbedürftigen Personen", "Besuchende von palliativen Patienten" und "Bewohner" genannt. Die Ausnahmeklausel belässt den Klinikleitungen damit einen erheblichen Entscheidungsspielraum bei der Umsetzung des Besuchsverbots: So sind

die Ausnahmetatbestände nicht abschliessend genannt, sondern werden beispielhaft aufgezählt. Ausnahmen vom Besuchsverbot können zudem ganz allgemein für "besonders unterstützungsbedürftige Personen" bewilligt werden. Bei der Umsetzung der Ausnahmeklausel wird die für den Entscheid zuständige Direktion bzw. die Betriebsleitung von der im jeweiligen Zeitpunkt herrschenden epidemiologischen Lage auszugehen haben. Mit Blick auf die seitens der Betroffenen gewünschte Gewährung von Ausnahmen vom Besuchsverbot wird sie zu beachten haben, dass die Ausnahmen sich sachlich begründen lassen und den gesundheitspolizeilichen Zweck des grundsätzlichen Verbots – nämlich in den Spitälern und Kliniken des Gesundheitswesens die Ansteckung von Personen, insbesondere von Personal und Patientinnen und Patienten, mit Covid-19 zu vermeiden – nicht unterlaufen. Insoweit kommt der Weisung seit erstmaligem Erlass der Charakter einer Ergänzung der ordentlichen Besuchsregelungen zu, die zwar in Abhängigkeit von der konkreten epidemiologischen Lage mehr weniger restriktiv wirkt, jedoch offenkundig noch einer Umsetzung im Einzelfall bedarf. Dass die Regelung als "generelles Besuchsverbot" und die Weisung als "Allgemeinverfügung" bezeichnet wurde und wird, vermag daran nichts zu ändern.

Angesichts der offenen Umschreibung der möglichen Ausnahmen vom Besuchsverbot würde die mit der vorliegenden Beschwerdeerhebung verlangte Überprüfung der vorinstanzlichen Weisung auf deren Vereinbarkeit mit dem übergeordneten Recht losgelöst vom konkreten Einzelfall auf eine dem Verwaltungsgericht nicht zustehende abstrakte Normenkontrolle hinauslaufen. Der Beschwerdeführer, der einen in einer öffentlich-rechtlichen Anstalt hospitalisierten Angehörigen besuchen will und konkrete Gründe vorbringt, aus denen ihm der Besuch zu erlauben ist, macht nicht geltend, die Einrichtung habe ihm den Besuch konkret mit dem Hinweis auf die von ihm beanstandete Weisung versagt. Ein ihm gegenüber von der Direktion bzw. der Betriebsleitung gestützt auf diese Weisung ausgesprochenes, individuell-konkret geltendes Verbot liegt nicht vor. Im Übrigen wird ein solches, gestützt auf diese Weisung erlassenes Besuchsverbot einer öffentlich-rechtlichen Anstalt der Überprüfung auf dem ordentlichen Rechtsmittelweg unterliegen (vgl. Art. 40 VRP); eine direkte Anfechtung beim Verwaltungsgericht ist nicht möglich. – Zusammenfassend ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht mangels Zuständigkeit auf die Beschwerde nicht eintreten kann. Damit erübrigt sich auch ein Entscheid zur aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.

1.3.

Über das Nichteintreten auf offensichtlich verspätete aus andern Gründen

offensichtlich unzulässige Eingaben kann gemäss Art. 39 bis Abs. 1 Ingress lit. a Ingress und Ziff. 1 VRP der Präsident im vereinfachten Verfahren verfügen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn – wie vorliegend – die Zuständigkeit offensichtlich fehlt (vgl. P. Egli, in: Rizvi/Schindler/Cavelti [Hrsg.], Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Praxiskommentar, St. Gallen 2020, N 14 zu Art. 39bis VRP). Der Einzelrichter entscheidet unabhängig davon, ob im ordentlichen Verfahren gemäss Art. 18 Abs. 3 des Gerichtsgesetzes (sGS 941.1, GerG) eine Dreier- eine Fünferbesetzung erforderlich wäre (zum vergleichbaren Art. 108 BGG vgl. Bacher/ Belser, in: Niggli/Uebersax/Wiprächtiger/Kneubühler [Hrsg.], in: Basler Kommentar BGG, 3. Aufl. 2018, N 8 zu Art. 108 BGG, H. Seiler, in: Seiler/von Werdt/Güngerich/ Oberholzer [Hrsg.], Stämpflis Handkommentar BGG, N 8 zu Art. 108 BGG, je mit Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung). Da das Verwaltungsgericht in Abteilungen gegliedert ist, steht die Befugnis, das Nichteintreten zu verfügen, dem Abteilungspräsidenten zu (Art. 4 Abs. 1 des Reglements über die Organisation und den Geschäftsgang des Verwaltungsgerichts, sGS 941.22, in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 VRP).

2.

Die offensichtliche Unzulässigkeit der Eingabe des Beschwerdeführers beruht auf dem Umstand, dass die von der Vorinstanz unverständlicherweise als "Allgemeinverfügung" bezeichnete und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene Weisung vom 3. Juni 2020 kein Anfechtungsobjekt im Sinn von Art. 59bis Abs. 1 VRP darstellt. Diesen Umstand hat die Vorinstanz zu vertreten. Dass der Beschwerdeführer sich an das Verwaltungsgericht wandte und einen Nichteintretensentscheid auslöste, ist ihm nicht anzulasten, da ihm als Angehörigem einer hospitalisierten Person allenfalls gestützt auf die Weisung das Besuchsrecht verweigert wird und er entsprechend der publizierten Rechtsmittelbelehrung vorgegangen ist. Die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind deshalb vom Staat zu tragen (Art. 95 Abs. 2 VRP). Eine Entscheidgebühr von CHF 1'000 ist angemessen (Art. 7 Ziff. 212 der Gerichtskostenverordnung, sGS 951.12).

Der Beschwerdeführer stellt seine Rechtsbegehren unter Entschädigungsfolge. Er ist zwar im st. gallischen Anwaltsregister eingetragener Rechtsanwalt, führt jedoch das Verfahren in eigener Sache. Führt eine Partei in eigener Sache Beschwerde, wird nur in Ausnahmefällen eine Parteientschädigung zugesprochen, was auch dann gilt, wenn ein Rechtsanwalt in eigener Sache auftritt. Voraussetzung für eine ausnahmsweise Entschädigung ist nach konstanter Rechtsprechung, dass es sich um eine komplexe Sache mit hohem Streitwert handelt und die Interessenwahrung einen hohen Arbeitsaufwand notwendig macht, der den Rahmen dessen überschreitet, was der

Einzelne üblicher- und zumutbarerweise nebenbei zur Besorgung der persönlichen Angelegenheiten auf sich zu nehmen hat (vgl. BGer 5A_599/2017 vom 25. August 2017 E. 2, 1C_447-448/2016 vom 31. August 2017 E. 8, 2C_101/2019 vom 18. Februar 2019

E. 6.2 und 8C_504/2017 vom 9. März 2018 E. 7 je mit Hinweis auf BGE 129 II 297 E. 5).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Demnach erkennt der Abteilungspräsident zu Recht: 1.

Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.

Der Staat trägt die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens von CHF 1'000. Auf

die Erhebung wird verzichtet.

3.

Ausseramtliche Kosten werden nicht entschädigt.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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