Zusammenfassung des Urteils B 2019/225, B 2019/229: Verwaltungsgericht
Die Beschwerdeführerinnen X. und Y. sind eritreische Staatsangehörige, die illegal in die Schweiz eingereist sind und erfolglos Asylgesuche gestellt haben. Nachdem sie eine Ausreisefrist verstreichen liessen, wurden sie zur Nothilfe zugewiesen. Das Verwaltungsgericht wies ihre Beschwerden gegen diese Zuweisung und den Ausschluss von Sozialhilfe ab. Die Kosten des Verfahrens wurden den Beschwerdeführerinnen auferlegt.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | B 2019/225, B 2019/229 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 20.02.2020 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 80a und Art. 82 AsylG; Sozialhilfe bzw. Nothilfe für abgewiesene Asylbewerber, Zuweisung an Gemeinde. Art. 82 Abs. 1 AsylG beschränkt den Rechtssetzungsspielraum der Kantone, indem abgewiesenen Asylbewerbern, die innerhalb der Ausreisefrist und auch später die Schweiz nicht verlassen, lediglich ein Anspruch auf Nothilfe zukommt. Deshalb bedarf die Reduktion der Unterstützung auf Nothilfe weder einer eigenständigen kantonalen Rechtsgrundlage noch einer entsprechenden Verfügung. Die Zu- oder Umteilung von Nothilfebezügern greift grundsätzlich nicht in die Rechtsstellung des Nothilfeempfängers ein und kann somit regelmässig formlos ergehen. Sie ist damit in der Regel auch nicht anfechtbar. Anders kann es sich dann verhalten, wenn ein legitimes Rechtsschutzinteresse der Nothilfebezüger im Raum steht. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn die Einheit der Familie durch die Zuweisung nicht gewahrt würde (Verwaltungsgericht, B 2019/225, B 2019/229). Die gegen dieses Urteil erhobene Beschwerde ans Bundesgericht wurde mit Urteil vom 9. Juni 2020 abgewiesen (Verfahren 8C_225/2020, vorher 2D_14/2020). |
Schlagwörter: | Recht; Nothilfe; Sozial; Sozialhilfe; Beschwerdeführerinnen; Verfahren; Migration; Ausreise; Migrationsamt; Gemeinde; Verfügung; Quot; Zuweisung; Dossier; Kanton; Entscheid; Vilters; Verwaltungsgericht; Nothilfezentrum; Gewährung; Kinder; Bezug; Schweiz; Rechtsvertreter; Asylsuchende; Vilters-Wangs; Beschwerdeverfahren; Person |
Rechtsnorm: | Art. 12 BV ;Art. 12 KRK ;Art. 19 BV ;Art. 190 BV ;Art. 19a ZGB ;Art. 19c ZGB ;Art. 2 KRK ;Art. 28 KRK ;Art. 3 KRK ;Art. 62 BV ; |
Referenz BGE: | 139 I 265; |
Kommentar: | - |
Besetzung
Abteilungspräsident Zürn; Verwaltungsrichterin Reiter, Verwaltungsrichter Zogg; Gerichtsschreiberin Blanc Gähwiler
Verfahrensbeteiligte
X. ,
Y. ,
Beschwerdeführerinnen,
beide vertreten durch Rechtsanwältin MLaw Aileen Rose Kreyden, LL.M.,
Militärstrasse 76, Postfach 4115, 8021 Zürich 1,
gegen
Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen, Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen,
Vorinstanz,
Gegenstand
Rechtsverweigerungsbeschwerde / Sozialhilfe bzw. Zuweisung an Gemeinde zum Bezug von Nothilfe (Art. 82 AsylG)
Das Verwaltungsgericht stellt fest: A.
X. (geb. 1987) und ihre Tochter Y. (geb. 2009) sind eritreische Staatsangehörige. Sie reisten am 14. September 2017 illegal in die Schweiz ein und stellten gleichentags ein Asylgesuch. Mit Verfügung vom 2. November 2017 lehnte das Staatssekretariat für Migration (SEM) die Asylgesuche mangels Flüchtlingseigenschaft ab und wies beide aus der Schweiz weg (vgl. in B 2019/229 act. 9 Dossier X. [nachfolgend: Dossier Beschwerdeführerin 1] S. 18 ff.). Mit Urteil vom 3. Juli 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht eine dagegen erhobene Beschwerde ab (Dossier Beschwerdeführerin 1 S. 46 ff.), worauf das SEM eine Ausreisefrist bis 6. August 2019 ansetzte (Dossier Beschwerdeführerin 1 S. 64).
B.
Mit Eingabe vom 27. und 31. Juli 2019 teilte der damalige, vor Verwaltungsgericht nicht
zugelassene Rechtsvertreter von X. und Y. dem Migrationsamt des Kantons
St. Gallen mit, beim SEM sei ein "Erstasylgesuch" der minderjährigen Tochter hängig;
Letztere habe deshalb Anrecht auf Sozialhilfe nach den für Asylsuchende geltenden
Regeln. Weiter bedürfe es für den Wechsel von ihrem bisherigen Aufenthaltsort im Zentrum A. in B. in das Ausreise- und Nothilfezentrum Sonneberg in Vilters nach Ablauf der Ausreisefrist einer rechtsmittelfähigen Verfügung (Dossier Beschwerdeführerin 1 S. 72, 75). Anlässlich des Ausreisegesprächs vom 6. August 2019 gab X. gegenüber dem Migrationsamt an, sie wolle zunächst den Ausgang des Asylverfahrens der Tochter abwarten, bevor sie sich konkret zu einer (freiwilligen) Rückkehr äussere. In der Folge verzichtete das Migrationsamt einstweilen auf eine Nothilfezuweisung und erlaubte X. und Y. die Rückkehr in das Zentrum A. (Dossier Beschwerdeführerin 1 S. 80). Trotz Mitteilung des SEM, wonach das Ausreisedatum des 6. August 2019 nach wie vor gelte (Dossier Beschwerdeführerin 1
S. 95), reisten X. und Y. nicht aus der Schweiz aus. In der Folge lud das Migrationsamt Mutter und Tochter mit Schreiben vom 20. August 2019 auf den
23. August 2019 zum Gespräch betreffend Nothilfezuweisung vor (Dossier Beschwerdeführerin 1 S. 97). Am 21. August 2019 teilte der damalige Rechtsvertreter dem Migrationsamt mit, es sei nie eine rechtsmittelfähige Verfügung betreffend Entzug der Sozialhilfe ergangen, weshalb unter anderem deswegen die Vorladung per
23. August 2019 gegenstandslos sei (Dossier Beschwerdeführerin 1 S. 101). X. und Y. blieben dem Vorladungstermin unentschuldigt fern (Dossier Beschwerdeführerin 1 S. 104).
C.
Mit Verfügung vom 23. August 2019 wies das Migrationsamt X. und Y. der politischen Gemeinde Vilters-Wangs mit Aufenthaltsort Ausreise- und Nothilfezentrum Sonnenberg Vilters zum Bezug der Nothilfe zu (Dossier Beschwerdeführerin 1 S. 108). Bereits mit Eingabe vom 22. August 2019 hatten X. und Y. Rechtsverweigerungsbeschwerde beim Sicherheits- und Justizdepartement erhoben und beantragten, es sei festzustellen, dass das Migrationsamt den Erlass einer rechtsmittelfähigen Verfügung betreffend Gewährung von Sozialhilfe an Y. zu Unrecht verweigere (act. 10/1 [B 2019/225]). Am 27. August 2019 erhoben sie beim Sicherheits- und Justizdepartement zudem Rekurs gegen die Zuweisungsverfügung des Migrationsamts vom 23. August 2019 (act. 9/1 [B 2019/229]). Mit Entscheiden vom
14. Oktober 2019 wies das Sicherheits- und Justizdepartement sowohl die Rechtsverweigerungsbeschwerde als auch den Rekurs gegen die Zuweisung an die Gemeinde Vilters-Wangs zum Bezug von Nothilfe ab, soweit es darauf eintrat (vgl. jeweils act. 2 [B 2019/225, B 2019/229]).
Bereits mit Verfügung vom 9. Oktober 2019 trat das SEM auf das "Erstasylgesuch", welches als Wiedererwägungsgesuch entgegengenommen worden war, nicht ein und erklärte die Verfügung vom 2. November 2017 für rechtskräftig und vollstreckbar. Die
dagegen erhobene Beschwerde mit dem Feststellungsantrag, das SEM sei zu Unrecht auf das Erstasylgesuch von Y. nicht eingetreten, wies das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid vom 4. Dezember 2019 ebenfalls ab, soweit es darauf eintrat (vgl. BVGE D-5400/2019; Beilage zu act. 22 [B 2019/225]).
D.
Mit Eingaben vom 23. Oktober 2019 erhob X. (Beschwerdeführerin 1) und Y. (Beschwerdeführerin 2) gegen den Entscheid des Sicherheits- und Justizdepartement (Vorinstanz) betreffend Rechtsverweigerungsbeschwerde vom 14. Oktober 2019 Beschwerde beim Verwaltungsgericht (Verfahren B 2019/225) mit den Anträgen, der Entscheid sei aufzuheben und die Streitsache an das Migrationsamt zurückzuweisen mit der Anweisung, über den Entzug bzw. der Gewährung der Sozialhilfe im engeren Sinn zu befinden. Weiter sei festzustellen, dass den Beschwerdeführerinnen die Sozialhilfe nach den Ansätzen für Asylsuchende zurzeit nicht entzogen sei, sondern zustehe. Gleichzeitig erhoben sie gegen den vorinstanzlichen Entscheid desselben Datums betreffend Zuweisung an die Gemeinde Vilters-Wangs zum Bezug von Nothilfe ebenfalls Beschwerde beim Verwaltungsgericht (Verfahren B 2019/229) und beantragten, der angefochtene Entscheid sei aufheben und das Migrationsamt anzuweisen, über das Gesuch betreffend Zuweisung an eine Gemeinde zwecks Ausrichtung von Sozialhilfe im engeren Sinn und Beschulung in einer öffentlichen Schule zu befinden. In beiden Verfahren wurde zudem ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (inkl. unentgeltliche Rechtsverbeiständung) gestellt. Auf die Erhebung eines Kostenvorschusses wurde seitens des Abteilungspräsidenten einstweilen verzichtet. Mit Vernehmlassungen vom 30. Oktober 2019 beantragte die Vorinstanz die Abweisung der Beschwerden und verwies zur Begründung auf die Erwägungen in den angefochtenen Entscheiden. Mit Schreiben vom 31. Oktober 2019 gewährte der Abteilungspräsident den Beschwerdeführerinnen die unentgeltliche Rechtspflege; mit Schreiben vom 20. November 2019 bestimmte er zudem Rechtsanwältin Aileen Kreyden, Zürich, mit Wirkung ab 30. Oktober 2019 zur unentgeltlichen Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerinnen in den beiden Beschwerdeverfahren
B 2019/225 und B 2019/229. Die Beschwerdeführerinnen behielten mit Eingaben ihrer Rechtsvertreterin vom 23. Dezember 2019 das letzte Wort.
Auf die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten und die Akten wird, soweit wesentlich, in den Erwägungen eingegangen.
Darüber zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
1.
1.1.
Die Verfahren B 2019/225 und B 2019/229 betreffen die gleichen Verfahrensparteien. Die sich in den Verfahren stellenden Fragen hängen aktenmässig und inhaltlich eng zusammen. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Vereinigung der beiden Verfahren und Erledigung der Streitfragen in einem Entscheid sachgerecht. Die beiden Verfahren werden daher vereinigt.
1.2.
Die sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ist gegeben (Art. 59bis Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1, VRP). Die Beschwerdeeingaben vom 23. Oktober 2019 erfolgten rechtzeitig und erfüllen formal und inhaltlich die gesetzlichen Anforderungen (Art. 64 in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 1 VRP). Die Beschwerdeführerin 2 ist knapp elf Jahre alt und damit unmündig (Art. 14 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, SR 210, ZGB). Unabhängig davon, ob die vorliegenden Verfahrensgegenstände in höchstpersönliche Rechte im Sinn von Art. 19c Abs. 1 ZGB eingreifen und es dafür überhaupt einer Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bedarf, kann im konkreten Fall von der stillschweigenden Zustimmung der Mutter der Beschwerdeführerin 2 ausgegangen werden (vgl. Art. 19a Abs. 1 ZGB), nachdem die Beschwerden gemeinsam von Mutter – der Beschwerdeführerin 1 – und der Tochter eingereicht worden sind. Die Beschwerdeführerinnen sind damit zur Ergreifung der Rechtsmittel legitimiert (Art. 64 in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 VRP).
1.3.
Die von den Beschwerdeführerinnen eingereichten und offensichtlich von einer rechtskundigen Person verfassten Eingaben vom 23. Oktober 2019 enthielten jeweils einen Antrag, eine Darstellung des Sachverhalts und eine Begründung, weshalb auf eine Aufforderung zur Ergänzung der Beschwerde verzichtet werden konnte. Die mit den Stellungnahmen vom 23. Dezember 2019 gestellten Rechtsbegehren erfolgten folglich nach Ablauf der Beschwerdefrist und sind somit unbeachtlich (vgl. Art. 48 VRP; Cavelti/Vögeli, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen – dargestellt an den Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, 2. Aufl. 2003, Rz 920). Massgebend sind demnach lediglich die bereits mit den Beschwerden vom 23. Oktober 2019 gestellten Anträge.
1.4.
Verfahrensgegenstand ist zum einen einzig der Zuweisungsentscheid des Migrationsamts in die Gemeinde Vilters-Wangs zum Bezug von Nothilfe (B 2019/229) sowie zum andern, ob das Migrationsamt gehalten bzw. gar verpflichtet gewesen wäre, über den mit der Zuweisung einhergehenden Entzug der Sozialhilfe bzw. die Gewährung von Sozialhilfe im engeren Sinn explizit eine Verfügung zu erlassen
(B 2019/225). Soweit die Beschwerdeführerinnen in den vorliegenden Verfahren weitere Fragen aufwerfen, welche ausserhalb dieser beiden Prozessgegenstände liegen, ist darauf nicht einzutreten.
1.5.
Auf die Beschwerden ist daher – mit den dargelegten Einschränkungen – grundsätzlich
einzutreten.
2.
Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, das Migrationsamt habe nie in einer anfechtbaren Verfügung darüber befunden, dass ihnen die Sozialhilfe im engeren Sinn entzogen werde, das heisst dass ihnen nunmehr lediglich Nothilfe zu gewähren sei.
2.1.
Mit der Rechtsverweigerungsbeschwerde kann gemäss Art. 88 Abs. 2 Ingress und lit. a VRP geltend gemacht werden, eine Behörde weigere sich, eine vorgeschriebene Amtshandlung vorzunehmen. Voraussetzung für eine formelle Rechtsverweigerung ist ein Anspruch des Betroffenen auf Erlass einer Verfügung (vgl. Zogg/Wyss, in: Rizvi/ Schindler/Cavelti [Hrsg.], Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Praxiskommentar, Zürich/St. Gallen 2020, N 8 zu Art. 88 VRP).
2.1.1.
Für die Ausrichtung von Sozialhilfeleistungen und Nothilfe gilt gemäss Art. 82 Abs. 1 Satz 1 des Asylgesetzes (SR 142.31, AsylG) kantonales Recht. Im Zusammenhang mit dem V. Nachtrag zum Sozialhilfegesetz (sGS 381, SHG; in Vollzug seit 1. Januar 2019) wurden spezifische sozialhilferechtliche Aufgaben des Asylbereichs dem Kanton zugewiesen; an der grundsätzlichen Zuständigkeitsregelung wurde jedoch keine Änderung vorgenommen (vgl. ABl 2018 2333, S. 2344 f.). Gestützt auf den neuen
Art. 6ter Abs. 2 SHG hat der Kanton St. Gallen in der Folge die Asylverordnung
(sGS 381.12, AsylVo; in Vollzug seit 1. Juli 2019) erlassen. Gemäss Art. 2 AsylVo vollzieht das Migrationsamt die Bestimmungen des eidgenössischen und des kantonalen Rechts im Asylbereich, soweit nicht andere Behörden zuständig sind. Der Kanton ist unter anderem zuständig für die Gewährung der Sozialhilfe für Asylsuchende
im erweiterten Verfahren (Art. 3 lit. a AsylVo) und für die Gewährung der Nothilfe für Personen mit einer rechtskräftigen Wegweisungsverfügung deren Asylgesuch mit einem rechtskräftigen Nichteintretensentscheid abgeschlossen wurde (Art. 3 lit. b Ziff. 2 AsylVo). Des Weiteren leistet der Kanton Sozialhilfe für Asylsuchende in Kollektivunterkünften mit Integrationscharakter, wobei der Aufenthalt bis zum rechtskräftigen Asylentscheid dauert (Art. 4 AsylVo). Die Zuständigkeiten der
politischen Gemeinde sind in Art. 8 AsylVo geregelt.
2.2.
Gemäss Art. 82 Abs. 1 Satz 2 AsylG werden Personen mit einem rechtskräftigen Wegweisungsentscheid, denen eine Ausreisefrist angesetzt worden ist, von der (ordentlichen) Sozialhilfe ausgeschlossen. In der bis 31. März 2014 geltenden Fassung galt die gleiche Regelung als "kann"-Bestimmung. Mit der neuen Formulierung wurde der Rechtssetzungsspielraum der Kantone, in deren Zuständigkeit die Sozial- und Nothilfe gemäss Art. 82 Abs. 1 Satz 1 AsylG fällt, beschränkt. Der Ausschluss von der Sozialhilfe steht folglich seit dem 1. Februar 2014 nicht mehr im Ermessen der zuständigen Kantone, sondern ist verpflichtend. Kommen die Betroffenen ihrer Ausreiseverpflichtung innerhalb dieser Frist und auch später nicht nach, kommt ihnen kraft Bundesrechts lediglich ein Anspruch auf Nothilfe zu. Unter diesen Umständen ist für die Reduktion der Unterstützungsleistung von der Sozialhilfe auf die Nothilfe weder eine eigenständige kantonale gesetzliche Grundlage noch eine Verfügung im Einzelfall erforderlich (vgl. VerwGE B 2013/218 vom 16. April 2014 E. 2.3.1 mit weiteren Hinweisen; C. Hruschka, in: Spescha/Zünd/Bolzli/Hruschka/ de Weck [Hrsg.], Kommentar zum Migrationsrecht, 5. Aufl. 2019, N 3 zu Art. 82 AsylG).
2.3.
Soweit die Beschwerdeführerinnen geltend machen, ein "Erstasylgesuch" für die minderjährige Beschwerdeführerin 2 gestellt zu haben, weshalb für die Tochter kein rechtskräftiger Wegweisungsentscheid im Sinn von Art. 82 Abs. 1 Satz 2 AsylG vorliege, kann ihnen nicht gefolgt werden. Das Asylverfahren der Beschwerdeführerin 2 wurde gemeinsam mit demjenigen der Mutter mit Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts D-6858/2017 vom 3. Juli 2019 rechtskräftig abgeschlossen (vgl. Rubrum des Beschwerdeurteils; Dossier Beschwerdeführerin 1 S. 46 ff.). Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht mittlerweile entschieden, sofern die Beschwerdeführerin 2 die Eröffnung eines eigenen ersten Asylverfahrens ausschliesslich sie betreffend beantragt habe, sei dieses Begehren unbegründet erfolgt (vgl. BVGE D-5400/2019 vom 4. Dezember 2019 E. 1.4.5).
2.4.
Mit Verfügung vom 23. August 2019 wies das Migrationsamt die Beschwerdeführerinnen der politischen Gemeinde Vilters-Wangs mit Aufenthaltsort Ausreise- und Nothilfezentrum Sonnenberg Vilters zum Bezug von Nothilfe zu. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerinnen gestützt auf Art. 82 AsylG von der Sozialhilfe ausgeschlossen seien, jedoch Anspruch auf Gewährung von Nothilfe hätten. Die Verfügung ist mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und wurde der Beschwerdeführerin 1 am 26. August 2019 ausgehändigt (vgl. Dossier Beschwerdeführerin 1 S. 121 ff.). Dass die Verfügung lediglich der Beschwerdeführerin 1 ausgehändigt wurde, schadet dabei nicht, da die minderjährige Beschwerdeführerin 2 das ausländerrechtliche Schicksal des sorge- bzw. betreuungsberechtigten Elternteils – mithin der Beschwerdeführerin 1 – teilt (vgl. BGer 2C_515/2016 vom 22. August 2017
E. 3.2). Damit wurde den Beschwerdeführerinnen in rechtsgenügender Form mitgeteilt, dass und weshalb sie nur noch Nothilfe und keine Asylfürsorgeleistungen mehr erhalten würden.
2.5.
Hält man sich vor Augen, dass gegenüber den Beschwerdeführerinnen ein rechtskräftiger Wegweisungsentscheid vorliegt und dass sie die Ausreisefrist bis
6. August 2019 ungenutzt verstreichen liessen, erhellt unschwer, dass die Beschwerdeführerinnen gestützt auf Art. 82 Abs. 1 Satz 2 AsylG von Gesetzes wegen von der Sozialhilfe ausgeschlossen sind. Entsprechend besteht gar kein Raum für eine diesbezügliche Feststellungsverfügung. Die Vorinstanz verneinte deshalb zu Recht das Vorliegen einer Rechtsverweigerung seitens des Migrationsamts. Die Beschwerde im Verfahren B 2019/225 ist folglich abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
3.
Zu prüfen ist weiter, ob die Vorinstanz den Rekurs gegen die Zuweisung an die Gemeinde Vilters-Wangs zum Bezug von Nothilfe zu Recht abgewiesen hat.
3.1.
Art. 80a Satz 1 AsylG bestimmt, dass die Zuweisungskantone Sozialhilfe Nothilfe für Personen gewährleisten, die sich gestützt auf dieses Gesetz in der Schweiz aufhalten. Gemäss Art. 82 Abs. 1 AsylG gilt für die Ausrichtung von Sozialhilfeleistungen und Nothilfe kantonales Recht. Personen mit einem rechtskräftigen Wegweisungsentscheid, denen eine Ausreisefrist angesetzt worden ist, werden von der Sozialhilfe ausgeschlossen. Aus den dargelegten Bestimmungen geht ohne weiteres hervor, dass diejenigen Personen, deren Asylgesuch mit einem rechtskräftigen Nichteintretensentscheid erledigt deren Asylgesuch rechtskräftig
abgewiesen worden und deren Wegweisung vollstreckbar ist, von Bundesrechts wegen keinen Anspruch mehr auf gewöhnliche Sozialhilfe gemäss Art. 81 AsylG haben, sondern nur noch einen Anspruch auf Nothilfe im Sinne von Art. 12 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (SR 101, BV) geltend machen können. Die Umsetzung von Art. 12 BV wiederum obliegt den Kantonen. Vorbehältlich der aus Art. 12 BV fliessenden verfassungsmässigen Mindestgarantien sind die Kantone in der Ausgestaltung der Art und Weise von Nothilfeleistungen frei. Für Asylsuchende und Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung ist die Unterstützung nach Möglichkeit in Form von Sachleistungen auszurichten. Der Ansatz für die Unterstützung liegt unter dem Ansatz für die einheimische Bevölkerung (Art. 82 Abs. 3 AsylG). Die Kantone verfügen in dem von Verfassung und Völkerrecht gesetzten Rahmen dabei über einen vollständigen Ermessensspielraum bei der Zuteilung an die Gemeinden, sowohl bezüglich der ihnen zugewiesenen Asylbewerber als auch bezüglich der für den Vollzug der Wegweisung in ihre Zuständigkeit fallenden Ausländer (vgl. BGE 139 I 265 E. 3.1, 3.3).
3.2.
Die Zu- Umteilung von Nothilfebezügern entfaltet in der Regel keine Aussenwirkung, sondern stellt eine die beteiligte(n) Gemeinde(n) betreffende organisatorische Anordnung dar, geht es doch darum, die öffentliche Unterstützung auf die Gemeinden zu verteilen. Sie greift daher grundsätzlich nicht in die Rechtsstellung des Nothilfeempfängers ein und kann somit regelmässig formlos ergehen. Sie ist damit in der Regel auch nicht anfechtbar. Anders kann es sich dann verhalten, wenn ein legitimes Rechtsschutzinteresse der Nothilfebezüger im Raum steht. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn die Einheit der Familie durch die Zuweisung nicht gewahrt würde (BGer 8C_435/2014 vom 25. August 2014 E. 2.3). Die Beschwerdeführerinnen wurden indes gemeinsam dem Ausreise- und Nothilfezentrum Sonnenberg in Vilters zugeteilt, welches im Übrigen auf die gemeinsame Beherbergung von Erwachsenen und Kindern ausgerichtet ist (vgl. www.sg.ch unter Sicherheit / Asyl und Flüchtlinge / Zentren für Asylsuchende). Der Grundsatz der Einheit der Familie ist damit gewahrt.
3.3.
Die Beschwerdeführerinnen wenden in diesem Zusammenhang weiter ein, die Zuweisung zur Nothilfe verletze in verschiedener Hinsicht das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (SR 0.107, KRK).
3.3.1.
Nach Art. 2 Abs. 2 KRK treffen die Vertragsstaaten alle geeigneten Massnahmen, um sicherzustellen, dass das Kind von allen Formen der Diskriminierung Bestrafung wegen des Status, der Tätigkeiten, der Meinungsäusserungen der Weltanschauung der Eltern geschützt wird. Bei allen Massnahmen, die Kinder betreffen, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigten ist (vgl. Art. 3 Abs. 1 KRK). Ob diese Normen unmittelbar anwendbar sind und Rechtsansprüche verleihen und inwieweit davon abweichende bundesgesetzliche Regelungen unter der Optik von Art. 190 BV trotzdem anzuwenden sind, kann offenbleiben. Zwar bedeutet Nothilfe im Vergleich mit der Sozialhilfe unbestrittenermassen eine Beschränkung der einer Person zustehenden Unterstützungsleistungen. Indes kann weder der Umfang der Sozialhilfe noch insbesondere jener der Nothilfe quantitativ eindeutig festgelegt werden. In beiden Fällen handelt es sich unbestimmte Rechtsbegriffe – "laufende Bedürfnisse für den Lebensunterhalt" (Art. 11 Abs. 1 des Sozialhilfegesetzes; sGS 381.1, SHG), "Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind" (Art. 12 BV) – welche auszulegen und anzuwenden sind. Die Grenze ist dementsprechend fliessend (VerwGE B 2013/218 vom 16. April 2014 E. 2.3.2). Eine konventionsrechtlich relevante Verletzung ist unter diesem Aspekt jedenfalls keine ersichtlich und wird denn auch nicht substantiiert vorgebracht.
3.3.2.
Soweit die Beschwerdeführerinnen eine Verletzung von Art. 28 KRK geltend machen, ist ihnen entgegenzuhalten, dass im Ausreise- und Nothilfezentrum Sonnenberg schulpflichtige Kinder im Umfang der Lektionentafel der St. Galler Volksschule unterrichtet werden (vgl. Art. 6 Abs. 1 der Asylverordnung, sGS 381.12; Medienmitteilung des BLD "Beschulung in Asylzentren vereinheitlichen" vom
18. Oktober 2019; www.sg.ch unter Sicherheit / Asyl und Flüchtlinge / Zentren für Asylsuchende). Festzuhalten ist, dass den Kantonen bei der Ausgestaltung der aus Art. 19 und Art. 62 Abs. 2 BV fliessenden Ansprüche auf ausreichenden, unentgeltlichen, obligatorischen und allen Kindern offenstehenden
Grundschulunterricht ein erheblicher Gestaltungsspielraum zusteht. Bei der Beurteilung der Frage, ob der im Ausreise- und Nothilfezentrum Sonnenberg angebotene
Grundschulunterricht ausreichend im Sinn von Art. 19 BV ist, ist die besondere Situation, in welcher sich die sich im Asylzentrum aufhaltenden Kinder befinden, zu berücksichtigen. Da sie nun aber – wie ihre Eltern – über kein gefestigtes Anwesenheitsrecht in der Schweiz verfügen, sind sie mit diesen zur umgehenden Rückkehr in ihre Heimat verpflichtet. Entsprechend prägt eine grosse Unsicherheit ihr Leben und belastet ihren Alltag. Je individueller die schulische Betreuung dieser Kinder ist, desto besser kann den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung getragen werden. Der Schulstoff, wie beispielsweise die Frage, welche Sprachen unterrichtet werden sollen welche zusätzlichen schulischen Fördermassnahmen allenfalls geboten sind, bedarf einer individuellen Ausrichtung. Wichtig ist, dass diesen Kindern in der beschränkten Zeit ihres Aufenthalts im Ausreise- und Nothilfezentrum in konzentrierter Form wenigstens elementare Fähigkeiten vermittelt und ihr Selbstwertgefühl gestärkt werden können. Im Hinblick auf das Fortkommen in ihrem Heimatland ist deshalb sinnvoll, wenn – was in überschaubaren Verhältnissen besser möglich ist als in einer Regelklasse der üblichen Grösse – auch vom Stoffplan abgewichen und den individuellen Bedürfnissen und Möglichkeiten angemessen Rechnung getragen werden kann. Dafür, dass dies im Ausreise- und Nothilfezentrum nicht der Fall ist, bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte (vgl. auch VerwGE B 2013/218 vom 16. April 2014 E. 2.2.2).
3.3.3.
Nach Art. 12 Abs. 1 KRK ist dem Kind das Recht zuzusichern, seine eigene Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äussern. Nach Abs. 2 wird dem Kind zu diesem Zweck insbesondere Gelegenheit gegeben, in allen das Kind berührenden Gerichts- Verwaltungsverfahren entweder unmittelbar durch einen Vertreter eine geeignete Stelle im Einklang mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften gehört zu werden. Wie sich aus dem Wortlaut von Art. 12 Abs. 2 KRK ergibt, ist allerdings eine persönliche Anhörung nicht in jedem Fall unerlässlich; wenn die Kinder durch ihre Eltern vertreten werden und beider Interessen gleichläufig sind, kann die Ansicht der Kinder auch ohne persönliche Anhörung durch ihre Eltern eingebracht werden, sofern der rechtserhebliche Sachverhalt auch ohne diese Anhörung rechtsgenüglich festgestellt werden kann (vgl. BGer 2C_724/2017 vom
18. Juli 2018 E. 3.2). Dies ist mit Blick auf die vorliegend zur Beurteilung stehende Frage (Sozialhilfe bzw. Zuweisung an eine Gemeinde zum Bezug von Nothilfe) offensichtlich der Fall, wie es die Vorinstanz in Erwägung 2c des angefochtenen Entscheids bereits zutreffend festgehalten hat. Anstelle von Wiederholungen kann darauf verwiesen werden. Im Übrigen besteht nach innerstaatlichem Recht in Fällen
wie dem zur Beurteilung stehenden für das Verwaltungsverfahren ebenfalls kein Anspruch auf öffentliche Verhandlung auf persönliche (mündliche) Anhörung. Auf eine persönliche Anhörung der Beschwerdeführerin 2 durfte auch daher zu Recht verzichtet werden. Davon abzuweichen besteht auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren kein Anlass.
3.4.
Zusammenfassend ergibt sich, dass keine Gründe ersichtlich sind, inwiefern die Beschwerdeführerinnen aufgrund der Zuweisung an die Gemeinde Vilters-Wangs zur Nothilfe einen rechtlich relevanten Nachteil erleiden würden. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass sie bei einer Unterbringung im Ausreise- und Nothilfezentrum Sonnenberg in Vilters wirtschaftlich benachteiligt und ungenügend betreut wären. Die Beschwerde im Verfahren B 2019/229 ist demnach ebenfalls abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Mit dem Entscheid in der Hauptsache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
4.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die amtlichen Kosten der Beschwerdeverfahren B 2019/225 und B 2019/229 den Beschwerdeführerinnen aufzuerlegen (Art. 95 Abs. 1 VRP). Entscheidgebühren von je CHF 1'500 – insgesamt somit CHF 3'000 – sind angemessen (Art. 7 Ziff. 222 der Gerichtskostenverordnung, sGS 941.12). Der Betrag geht zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege zulasten des Staates. Auf
die Erhebung wird verzichtet (Art. 95 Abs. 3 VRP). Ausseramtliche Kosten sind nicht zu entschädigen (Art. 98 Abs. 1 und 98bis VRP).
Hingegen ist die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerinnen bei diesem Ausgang zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung in den Beschwerdeverfahren B 2019/225 und B 2019/229 insgesamt mit CHF 2'000 (80 % von CHF 2'500, Art. 31 Abs. 3 des Anwaltsgesetzes, sGS 963.70) zuzüglich CHF 100
pauschale Barauslagen (4 % von CHF 2'500) und CHF 161.70 Mehrwertsteuer (7.7 % von CHF 2'100; Art. 28bis Abs. 1 und Art. 29 der Honorarordnung, sGS 963.75, HonO) zu entschädigen. Die Rechtsvertreterin darf von ihren Mandantinnen kein zusätzliches Honorar fordern (Art. 11bis HonO).
Demnach erkennt das Verwaltungsgericht auf dem Zirkulationsweg zu Recht: 1.
Die Beschwerdeverfahren B 2019/225 und B 2019/229 werden vereinigt.
2.
Die Beschwerde im Verfahren B 2019/225 wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.
3.
Die Beschwerde im Verfahren B 2019/229 wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.
4.
Die amtlichen Kosten der Beschwerdeverfahren B 2019/225 und B 2019/229 von je CHF 1'500, insgesamt CHF 3'000, werden den Beschwerdeführerinnen auferlegt. Der Betrag geht zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege zulasten des Staates. Auf die Erhebung der Kosten wird verzichtet.
5.
Der Staat entschädigt die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerinnen aus unentgeltlicher Rechtsverbeiständung für das Beschwerdeverfahren mit CHF 2'261.70 (einschliesslich 4 % Barauslagen und 7.7 % Mehrwertsteuer).
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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