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Urteil Verwaltungsgericht (SG - B 2019/140)

Zusammenfassung des Urteils B 2019/140: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht hat in einem langwierigen Nachbarschaftsstreit zwischen der Q. AG und verschiedenen Nachbarn entschieden. Die Q. AG hatte den Bau eines Mehrfamilienhauses beantragt, was zu zahlreichen Einsprüchen führte. Nach mehreren Entscheiden und Rekursen wurde die Baubewilligung schliesslich aufgehoben, da das Bauvorhaben die zulässige Ausnützungsziffer überschritt. Die Q. AG legte Beschwerde ein, argumentierte aber später, dass die Ausnützungsziffer nach der Vereinigung der Grundstücke eingehalten werde. Das Gericht entschied, dass die Beschwerde gutgeheissen wird, der Entscheid aufgehoben wird und die Sache zur erneuten Prüfung an die Vorinstanz zurückverwiesen wird. Die Kosten des Verfahrens werden aufgeteilt, wobei die Beschwerdeführerin die Hälfte tragen muss. Es wird keine ausseramtliche Entschädigung gewährt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts B 2019/140

Kanton:SG
Fallnummer:B 2019/140
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid B 2019/140 vom 22.04.2020 (SG)
Datum:22.04.2020
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Baurecht, Baubewilligung, Abweichung vom Novenverbot, Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 110 BGG, Art. 61 Abs. 3 VRP, Art. 61 BauG. Bei der Beurteilung der vorliegenden Beschwerde war zu berücksichtigen, dass zwei Grundstücke während des laufenden Beschwerdeverfahrens mit dem Baugrundstück vereinigt wurden, was zur Gutheissung der Beschwerde und zur Rückweisung der Sache an die Vorinstanz führte (E. 3), (Verwaltungsgericht, B 2019/140).
Schlagwörter: Entscheid; Beschwerdegegner; Parzelle; Ausnützung; Vorinstanz; VerwGE; Ausnützungsziffer; Verfahren; Geschossfläche; Grundstück; Verwaltungsgericht; Gemeinde; Hinweis; Beschwerdebeteiligte; Verfahrens; Recht; Baudepartement; Parzellen; Entscheids; Hinweisen; Mehrfamilienhaus; Gemeinderat; Einsprache; Rekurs; Bauvorhaben; Quot; Beschwerdebeteiligten; Erwägung; Parzellenfläche; Gallen
Rechtsnorm: Art. 29 BV ;Art. 974b ZGB ;
Referenz BGE:133 II 35; 141 II 393;
Kommentar:
Aemisegger, Moor, Tschannen, Haag, Ruch, Praxis RPG: Baubewilligung, Art. 33 OR, 2020

Entscheid des Verwaltungsgerichts B 2019/140

Entscheid vom 22. April 2020

Besetzung

Abteilungspräsident Zürn; Verwaltungsrichterin Zindel, Verwaltungsrichter Steiner; Gerichtsschreiber Bischofberger

Verfahrensbeteiligte

Q. AG,

Beschwerdeführerin,

gegen

Baudepartement des Kantons St. Gallen, Lämmlisbrunnenstrasse 54, 9001 St. Gallen,

Vorinstanz,

und

A. und B. ,

Beschwerdegegner 1 und 2

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Othmar Somm, Senn Somm Bossart Anwälte,

Museumstrasse 47, 9000 St. Gallen,

sowie

C. und D. , E. ,

F. und G. , Beschwerdegegner 3 bis 7,

vertreten durch Fürsprecher Christoph A. Egli, Bartl Egli & Partner,

Berneckerstrasse 26, Postfach, 9435 Heerbrugg

und

Politische Gemeinde X. , Gemeinderat,

Beschwerdebeteiligte, Gegenstand Baubewilligung

Das Verwaltungsgericht stellt fest: A.

Zwischen der Q. AG, Eigentümerin der mit dem Mehrfamilienhaus Assek.-Nr. 0000 überbauten Parzelle Nrn. 0001 , Grundbuch X. (bis 13. Februar 2020 Parzellen

Nrn. 0002 , 0001 und 0003 ) und den Eigentümer der mit Einfamilienhäusern überbauten Parzellen Nrn. 0004 (A. und B. ), 0005 (E. ), 0006 (C. und D. ) sowie 0007 (F. und G. ) besteht seit rund acht Jahren ein Nachbarschaftsstreit. Nach dem Zonenplan der Politischen Gemeinde X. liegen all diese Grundstücke in der Wohnzone W2b. Nach Angaben des Baudepartements

bewilligte der Gemeinderat X. am 20. November 2012 ein erstes Gesuch der Q. AG vom 18. Juli 2012 für den Neubau eines Mehrfamilienhauses auf der damaligen Parzelle Nr. 0003 und wies die dagegen von den genannten Nachbarn erhobenen

Einsprachen ab. Die diesbezüglichen Rekursverfahren Nrn. 0008 und 0009 wurden vom Baudepartement nach Durchführung eines Augenscheins am 12. April 2013 offenbar sistiert. Am 14. Januar 2014 bewilligte der Gemeinderat X. ein zweites Gesuch der Q. AG vom 16. Oktober 2013 für den Neubau eines Mehrfamilienhauses auf der damaligen Parzelle Nr. 0003 und wies die dagegen von den Nachbarn erhobene Einsprache ab. Den dagegen von den Nachbarn am 30. Januar 2014 erhobenen Rekurs hiess das Baudepartement mit Entscheid vom 14. Januar 2015 gut und hob den Entscheid des Gemeinderates X. vom 14. Januar 2014 auf. Die gegen diesen Rekursentscheid von der Q. AG am 29. Januar 2015 erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht mit Entscheid VerwGE B 2015/14 vom 20. Januar 2017 ab (vgl. Sachverhalt lit. A/b des Rekursentscheids vom 24. Juni 2019, act. 11/3, S. 2 f.,

act. 17.1, act. 18/7/4, S. 2 und 13, act. 18/8/17, 18a, 21 f., 29 f., 38, Beilage zu act. 39,

www.geoportal.ch).

B.

Am 6./10./13./19. Juli 2017 reichte die Q. AG ein drittes Gesuch für den Neubau eines Mehrfamilienhauses (drei Wohnungen mit Tiefgarage) auf Parzelle Nr. 0001 (ehemals Parzelle Nr. 0003 ) ein. Während der öffentlichen Auflage vom 28. Juli 2017 bis 10. August 2017 gingen drei Einsprachen ein, darunter zwei der genannten Nachbarn. Mit Entscheid vom 20. März 2018 wies der Gemeinderat X. die Einsprachen in öffentlich-rechtlicher Hinsicht und teilweise auch in privatrechtlicher Hinsicht gemäss Art. 684 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (SR 210, ZGB) kostenfällig ab und bewilligte das Bauvorhaben (act. 18/7/1, 4, act. 18/8/4-6). Dagegen rekurrierten A. und B. am 5. April 2018 (act. 18/1, Verfahrensnummer 0010 ) bzw. C. und D. , E. , F. und G. am 6. April 2018 (act. 19/1, Verfahrensnummer

0011 ) an das Baudepartement. Mit Entscheid vom 24. Juni 2019 hiess das Baudepartement die Rekurse im Sinn der Erwägungen gut und hob den Entscheid des Gemeinderates X. vom 20. März 2018 auf (act. 11/3).

C.

Gegen den Entscheid des Baudepartements (Vorinstanz) vom 24. Juni 2019 erhob die

Q. AG (Beschwerdeführerin) am 2. Juli 2019 Beschwerde beim Verwaltungsgericht (act. 1). Am 23. Juli 2019 (act. 6), 5. September 2019 (act. 10 f.) resp.

12. September 2019 (act. 13 f.) ergänzte sie ihre Beschwerde unter anderem mit einer Begründung und dem Rechtsbegehren, es sei der angefochtene Entscheid unter Kosten- und Entschädigungsfolge aufzuheben und die Baubewilligung der Politischen Gemeinde X. (Beschwerdebeteiligte) vom 20. März 2018 mit folgender Auflage zu bestätigen:

"Die Fensterfläche des Raumes "Abstell" im Attikageschoss (gemäss eingefügten

Planausschnitt) ist auf ein Lichtmass von maximal 0.16 m2 zu reduzieren."

Mit Vernehmlassung vom 9. Oktober 2019 schloss die Vorinstanz auf Abweisung der Beschwerde (act. 16). Mit Eingabe vom 24. Oktober 2019 verzichtete die Beschwerdebeteiligte auf eine Vernehmlassung und eigene Rechtsbegehren (act. 21). Mit Stellungnahmen vom 4. November 2019 trugen A. und B. (Beschwerdegegner 1 und 2) bzw. C. und D. , E. , F. und G.

(Beschwerdegegner 3 bis 7) durch ihren jeweiligen Rechtsvertreter auf Abweisung der Beschwerde an, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (act. 22, 24). Mit Replik vom

24. Dezember 2019 bestätigte die Beschwerdeführerin ihre Anträge und Ausführungen (act. 28). Am 8. Januar 2020 duplizierten die Beschwerdegegner 3 bis 7 (act. 32) und

am 24. Januar 2020 die Beschwerdegegner 1 und 2 (act. 35) unter Festhalten an ihren Anträgen. Am 18. Februar 2020 reichte die Beschwerdeführerin Unterlagen zur Vereinigung der Grundstücke Nrn. 0002 , 0001 und 0003 zur Parzelle Nr. 0001 ein (act. 39). Dazu liessen sich die Beschwerdegegner 3 bis 7 am 11. März 2020

(act. 45) und die Beschwerdegegner 1 und 2 am 23. März 2020 (act. 46) abschliessend

vernehmen.

Auf die Erwägungen des angefochtenen Entscheids und die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Begründung ihrer Anträge sowie die Akten wird, soweit wesentlich, in den Erwägungen eingegangen.

Darüber zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

1.

Die sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ist gegeben (Art. 59bis Abs. 1 des

Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege; sGS 951.1, VRP). Die Beschwerdeführerin

ist zur Erhebung des Rechtsmittels befugt (vgl. Art. 64 in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 VRP). Die Beschwerde vom 2. Juli 2019 (act. 1) erfolgte rechtzeitig und erfüllt zusammen mit den Ergänzungen vom 23. Juli 2019 (act. 6), 5. September 2019

(act. 10 f.) und 12. September 2019 (act. 13 f.) die formellen und inhaltlichen Anforderungen (Art. 64 in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 sowie Art. 48 Abs. 1 und 2 VRP). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens kann nur sein, was bereits Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens bildete (vgl. VerwGE B 2019/82 vom 2. Juli 2019 E. 1 und BGE 133 II 35 E. 2 je mit Hinweis). Die Vorinstanz hob den Baubewilligungs- und Einspracheentscheid der Beschwerdebeteiligten vom 20. März 2018 (Beilage zu

act. 18/1) einzig mit der Begründung auf, das Bauvorhaben überschreite die in der Wohnzone W2b maximal zulässige Ausnützungsziffer (vgl. E. 5.6 des angefochtenen Entscheids, act. 11/3, S. 9-11). Folglich beschränkte sich die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung auf diesen Gesichtspunkt. Daran ändert nichts, dass sie beiläufig (S. 5 Ziff. 5) die Ausführungen der Vorinstanz zu weiteren Rügen der Beschwerdegegner erwähnte (vgl. dazu E. 8 [grosser Grenzabstand, S. 14-16], E. 9 [Erschliessung, S. 16-24], E. 10 [ausseramtliche Kosten im erstinstanzlichen Verfahren,

S. 25] des angefochtenen Entscheids), welche die Vorinstanz nicht abschliessend prüfte und welche nicht zur Aufhebung des erstinstanzlichen Entscheids führten. Deshalb kann der Beschwerdeführerin – trotz gegenteiliger Auffassung der Beschwerdegegner 3 bis 7 (act. 24 Ziff. II/3-5) – auch nicht vorgeworfen werden, sie habe ihre (Laien-)Beschwerde bezüglich dieser weiteren Aspekte nicht ausreichend begründet (vgl. dazu VerwGE B 2019/77; B 2019/78 vom 11. Februar 2020 E. 2 und VerwGE B 2018/82 vom 23. Mai 2019 E. 4.4 je mit Hinweisen).

Das Verwaltungsgericht hat sodann bereits im Entscheid VerwGE B 2015/14 vom

20. Januar 2017 festgehalten (E. 1 mit Hinweisen), dass auf die Eingaben der übrigen Verfahrensbeteiligten nicht einzutreten sei, soweit in deren Begründung einzelne, von der Beschwerdeführerin nicht angefochtene Punkte beanstandet werden. Demzufolge ist auch im vorliegenden Verfahren auf die Eingaben der Vorinstanz (act. 16 Ziff. II/2), der Beschwerdegegner 1 und 2 (act. 22, S. 6 Ziff. III/9, act. 35 Ziff. 5) sowie der

Beschwerdegegner 3 bis 7 (act. 24, S. 4-5, 7 Ziff. III/1, 2a und 3, act. 45 Ziff. II/3 und 5) nicht einzutreten, soweit darin über die von der Vorinstanz beanstandete Überschreitung der Ausnützungsziffer, welche die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Beschwerde kritisierte, einzelne, von der Beschwerdeführerin nicht angefochtene Punkte beanstandet werden. Deswegen braucht auch auf die diesbezüglichen

Entgegnungen der Beschwerdeführerin in ihrer Replik vom 24. Dezember 2019 (act. 28,

S. 4, 7, Ziff. 2 und 4) nicht eingegangen zu werden. Folglich kann dahingestellt bleiben (vgl. act. 32, Ziff. II/2 f.), ob die Replik der Beschwerdeführerin insoweit überhaupt zu hören gewesen wäre (vgl. dazu VerwGE B 2017/29 vom 20. Juli 2018, berichtigt am

13. August 2018 E. 4.3 mit Hinweisen).

2.

Der erstinstanzliche Entscheid der Beschwerdebeteiligten erging am 20. März 2018 (act. 18/7/4) und damit nach Inkrafttreten des Planungs- und Baugesetzes (sGS 731.1, PBG) am 1. Oktober 2017 (nGS 2017-049). Auf das strittige Bauvorhaben sind somit grundsätzlich die Bestimmungen des PBG anwendbar (vgl. Art. 173 Abs. 1 PBG sowie BGE 141 II 393 E. 2.4 mit Hinweisen, in: Pra 105 [2016] Nr. 52, und G. Müller, Zulässigkeit der begünstigenden Rückwirkung, in: ZBl 118/2017, S. 268 ff., S. 273 ff.).

Die Anwendung "neuen Rechts" (vgl. Art. 173 Abs. 2 PBG) setzt allerdings gemäss der Praxis im Kanton St. Gallen voraus, dass die ans PBG angepassten kommunalen Rahmennutzungspläne in Kraft sind (vgl. Planungs- und Baugesetz, Botschaft und Entwurf der Regierung vom 11. August 2015, in: ABl 2015 S. 2399 ff., S. 2531, sowie Kreisschreiben des Baudepartements, Übergangsrechtliche Bestimmungen im Planungs- und Baugesetz, vom 8. März 2017, S. 1-3 Ziff. 1). Das Baureglement der Beschwerdebeteiligten (BauR) mit dazugehörendem Zonenplan wurde noch nicht an das neue Recht angepasst. Von den neuen Regelungen kann daher praxisgemäss vorerst nur Gebrauch gemacht werden, sofern sie direkt anwendbar sind (vgl. dazu Anhang des zitierten Kreisschreibens). Ist dies nicht der Fall, ist das bis

30. September 2017 gültig gewesene Gesetz über die Raumplanung und das

öffentliche Baurecht (Baugesetz; nGS 32-47, BauG, in der Fassung vom

1. Januar 2015) heranzuziehen.

Die Vorinstanz führte in Erwägung 5.1 des angefochtenen Entscheids (act. 11/3, S. 8) demgemäss aus, dass auf das vorliegend strittige Baugesuch die Ausnützungsziffer im Sinne von Art. 61 BauG anwendbar bleibe, obgleich die Ausnützungsziffer im PBG abgeschafft wurde. Ob dieses Vorgehen – die Baumassenziffer (Art. 87 f. PBG) muss nicht zwingend anstelle der bisherigen Ausnützungsziffer eingeführt werden (vgl. Art. 79 Abs. 1 PBG) – mit Art. 173 Abs. 2 PBG vereinbar ist, wonach die Anwendung neuen Rechts vorbehalten bleibt, soweit es für die Baugesuchsteller günstiger ist, kann im vorliegenden Fall offenbleiben, da die Beschwerdeführerin den angefochtenen Entscheid in dieser Hinsicht nicht beanstandet hat.

3.

Nach Art. 8 des interkommunalen Baureglements der Politischen Gemeinden L. , M. , X. , N. und O. (BauR) gilt für den fraglichen Baugrund, welcher in der Wohnzone W2b liegt, eine Ausnützungsziffer von 0.5. Indem im BauR die Ausnützungsziffer vorgesehen ist, ist ihre Definition im BauG abschliessend geregelt, insbesondere auch was als anrechenbare Geschossfläche gilt. Die Ausnützungsziffer ist die Verhältniszahl der Summe aller anrechenbaren Geschossflächen zur anrechenbaren Parzellenfläche (Art. 61 Abs. 1 BauG). Die Begriffe „anrechenbare Geschossfläche“ und „anrechenbare Parzellenfläche“ werden in Art. 61 Abs. 2 und

3 BauG näher umschrieben (vgl. dazu VerwGE B 2018/206 vom 13. Mai 2019 E. 2.1, VerwGE B 2016/93 vom 14. Dezember 2017 E. 4.1 und VerwGE B 2015/14 vom

20. Januar 2017 E. 13.2 je mit Hinweis[en]).

3.1.

Die Beschwerdeführerin hat ausdrücklich anerkannt (act. 10, S. 3 f. Ziff. 3.2), dass der Abstellraum im Attikageschoss (vgl. Plan Grundrisse/Schnitt A-A vom 6. Juli 2017, act. 18/7/1c) gemäss der Vorinstanz (vgl. E. 5.6.2 des angefochtenen Entscheids,

act. 11/3, S. 10 f.) zur anrechenbaren Geschossfläche im Sinne von Art. 61 Abs. 1 Satz 1 BauG zählt. Anfänglich stellte sie sich im vorliegenden Beschwerdeverfahren

indessen auf den Standpunkt (act. 10, S. 4 f. Ziff. 4, act. 28, S. 1-3 Ziff. 1 f.), die daraus resultierende Überschreitung der in der Wohnzone W2b maximal zulässigen Ausnützungsziffer von 0.5 gemäss Art. 8 BauR könne mittels einer Auflage (Verkleinerung der Fensterfläche) beseitigt werden. Dieses Ansinnen ist mittlerweile allerdings dahingefallen, da sie mit Eingabe vom 14. Januar 2020 (act. 39) neu geltend macht, die massgebliche Ausnützungsziffer sei nach der Vereinigung der Grundstücke Nrn. 0002 , 0001 und 0003 zur Parzelle Nr. 0001 auf jeden Fall eingehalten. Auf dem vereinigten Grundstück Nr. 0001 verbleibe, selbst nach Abzug der für das vorliegend strittige Baugesuch sowie für den Bau des bestehenden Mehrfamilienhauses auf Grundstück Nr. 0001 beanspruchten anrechenbaren

Parzellenflächen, eine Ausnützungsreserve von 150.29 m2 (anrechenbarer

Geschossfläche).

3.2.

Das Verwaltungsgericht hat in Abweichung des in Art. 61 Abs. 3 VRP statuierten Novenverbots echte Noven zu berücksichtigen, falls die Vorinstanz des Verwaltungsgerichts, wie hier, keine richterliche Behörde ist (vgl. Art. 6 Ziff. 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, SR 0.101, EMRK, Art. 29a der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

SR 101, BV, und Art. 110 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht, Bundesgerichtsgesetz; SR 173.110, BGG, sowie VerwGE B 2015/6 vom

23. August 2016 E. 4.2 mit Hinweis auf VerwGE B 2013/254 vom 28. Juli 2015 E. 4.2 mit Hinweisen, bestätigt mit BGer 2C_980/2016 vom 7. März 2017).

Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegner 1 und 2 (act. 35 Ziff. 3, act. 46) und der Beschwerdegegner 3 bis 7 (act. 45 Ziff. II/2, 4 und 6) ist damit bei der Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin auf die im Baugesuch vom 6./10./13./19. Juli 2017 ursprünglich vorgesehene Ausscheidung des oberirdischen Parkplatzes P5 (vgl. Plan Grundrisse/Schnitt A-A vom 6. Juli 2017, act. 18/7/1c) verzichtet hat (act. 28, S. 4 Ziff. 2.3) und die Grundstücke Nrn. 0002 , 0001 und 0003 per 13. Februar 2020 zu Grundstück Nr. 0001 vereinigt

(Art. 974b ZGB) wurden (Beilage zu act. 39).

3.3.

Wie die Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe vom 14. Januar 2020 nachvollziehbar dargetan hat, weist die vereinigte Parzelle Nr. 0001 eine Gesamtfläche von 2'248 m2 auf (www.geoportal.ch). Aus ihrer Ausnützungsberechnung vom 18. Juli 2007

(act. 29/2), welche sie zusammen mit der Verfügung des Rates der Beschwerdebeteiligten vom 10. Mai 2010 antragsgemäss (vgl. Stellungnahme der Beschwerdegegner 1 und 2 vom 4. November 2019, act. 22, S. 4 f. Ziff. III/8.3) nachreichte, geht überdies hervor, dass für das Mehrfamilienhaus Assek.-Nr. 0000 auf Parzelle Nr. 0001 bei einer Summe aller anrechenbaren Geschossflächen von

684.79 m2 eine anrechenbare Parzellenfläche (Art. 61 Abs. 3 BauG) von 1'369.58 m2

(684.79 m2 : 0.5) beansprucht wurde. Danach verbleibt für das vorliegend strittige Bauprojekt auf der vereinigten Parzelle Nr. 0001 eine anrechenbare Parzellenfläche von 878.42 m2 (2'248 m2 – 1'369.58 m2). Zudem besteht Einigkeit darüber, dass dazu gemäss der Ausnützungszifferberechnung im Plan Fassaden/Ausnützung vom

6. Juli 2017 (act. 18/7/1d) für das ehemalige Grundstück Nr. 0003 eine abgetretene Strassenfläche (Art. 61 Abs. 3 Satz 2 BauG) von 52.72 m2 hinzuzurechnen ist. Allein daraus resultiert für das vorliegend strittige Bauvorhaben eine maximal zulässige anrechenbare Geschossfläche von 465.57 m2 ([878.42 m2 + 52.72 m2] x 0.5, vgl. dazu auch Beilage zur Verfügung des Rates der Beschwerdebeteiligten vom 10. Mai 2010, act. 29/1, wonach für das ehemalige Grundstück Nr. 0002 zusätzlich eine abgetretene Strassenfläche von 53.95 m2 anrechenbarer Parzellenfläche, d.h. 26.98 m2 [53.95 m2 x 0.5] anrechenbarer Geschossfläche, eingerechnet werden kann). Aus der Ausnützungszifferberechnung vom 6. Juli 2017 ergibt sich eine Summe aller anrechenbaren Geschossflächen von 368.21 m2 (147.69 m2 + 150.55 m2 + 69.97 m2,

vgl. dazu auch E. 5.3 des angefochtenen Entscheids, act. 11/3, S. 9). Selbst unter Einbezug der Bodenfläche des Abstellraums im Attikageschoss von 8 m 2 (vgl. Plan Grundrisse/Schnitt A-A vom 6. Juli 2017, act. 18/7/1c) hält das vorliegend strittige Bauvorhaben mit einer anrechenbaren Geschossfläche von insgesamt 376.21 m2

(368.21 m2 + 8 m2) demnach die vorgeschriebene Ausnützungsziffer von 0.5, d.h. die

sich daraus ergebende zulässige anrechenbare Geschossfläche von 465.57 m2, nach

der Vereinigung der Grundstücke Nrn. 0002 , 0001 und 0003 zur Parzelle

Nr. 0001 sowie nach Abzug der für das Mehrfamilienhaus Assek.-Nr. 0000 bereits beanspruchten Ausnützung ein. Es verbleibt eine Reserve von mindestens 89.36 m2 bzw. unter Berücksichtigung der für das ehemalige Grundstück Nr. 0002 abgetretenen Strassenfläche ein solche von maximal 116.34 m2 (89.36 m2 + 26.98 m2) anrechenbarer Geschossfläche.

Wie bereits ausgeführt (vgl. E. 1 hiervor), hat die Vorinstanz den Baubewilligungs- und Einspracheentscheid der Beschwerdebeteiligten vom 20. März 2018 lediglich mit der Begründung aufgehoben, das Bauvorhaben überschreite die in der Wohnzone W2b maximal zulässige Ausnützungsziffer von 0.5. Ob die weiteren Rügen der Beschwerdegegner im Rekursverfahren zur Aufhebung des erstinstanzlichen Entscheids geführt hätten, liess die Vorinstanz offen, obgleich dies der beförderlichen Erledigung des Verfahrens (Art. 29 Abs. 1 BV) zuwiderlaufen kann. Dadurch ist dem Verwaltungsgericht eine abschliessende materielle Beurteilung verwehrt. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Die Angelegenheit ist gestützt auf Art. 64 in Verbindung mit Art. 56 Abs. 2 VRP an die Vorinstanz zurückzuweisen, welcher – im Gegensatz zum Verwaltungsgericht (Art. 61 Abs. 1 und 2 VRP) – die volle überprüfungsbefugnis, d.h. entgegen dem Wortlaut von Art. 46 Abs. 2 Satz 1 VRP auch die Prüfung der Unangemessenheit (vgl. dazu Aemisegger/Haag, in: derselbe/Moor/Ruch/Tschannen [Hrsg.], Praxiskommentar RPG: Baubewilligung, Rechtsschutz und Verfahren, Zürich 2020, Art. 33 Rz. 82-84 und 100) zusteht (vgl. Art. 33 Abs. 3 lit. b des Bundesgesetzes über die Raumplanung, Raumplanungsgesetz; SR 700, RPG). Die Vorinstanz hat die Sache unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen erfolgten Grundstücksvereinigung und des Verzichts der Beschwerdeführerin auf die Ausscheidung des Parkplatzes P5 neu zu entscheiden.

4.

Dem Erfolgsprinzip – Rückweisung der Sache an die Vorinstanz mit noch offenem Ausgang (vgl. dazu Art. 95 Abs. 1 VRP und VerwGE B 2017/76 vom 16. August 2018

E. 5 mit Hinweisen) – und dem Verursacherprinzip – nachträgliches Vorbringen von

Tatsachen, deren rechtzeitige Geltendmachung möglich und zumutbar gewesen wäre

(vgl. hierzu Art. 95 Abs. 2 Satz 2 VRP und R. von Rappard-Hirt, in: Rizvi/Schindler/ Cavelti [Hrsg.], Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Praxiskommentar, Zürich/St. Gallen 2020, N 10 zu Art. 95) – entsprechend gehen die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zur Hälfte zu Lasten der Beschwerdeführerin und zu je einem Viertel zu Lasten der Beschwerdegegner 1 und 2 bzw. 3 bis 7. Eine Entscheidgebühr von CHF 3‘000 erscheint angemessen (Art. 7 Ziff. 222 der Gerichtskostenverordnung; sGS 941.12, GKV). Der der Beschwerdeführerin auferlegte Kostenanteil von CHF 1'500 ist mit dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss von CHF 4'500 zu verrechnen. Der Restbetrag von CHF 3'000 wird ihr zurückerstattet. Die Beschwerdegegner 1 und 2 bzw. 3 bis 7 bezahlen unter solidarischer Haftbarkeit (Art. 96 bis VRP) den sie je treffenden Anteil von CHF 750.

Der Beschwerdeführerin, welche ohnehin keine Angaben über getätigte (erhebliche) Aufwände gemacht hat, und den Beschwerdegegnern steht bei diesem Verfahrensausgang kein Anspruch auf Ersatz der ausseramtlichen Kosten zu (vgl. dazu Art. 98 Abs. 1, Art. 98bis und Art. 98ter VRP in Verbindung mit Art. 95 Abs. 3 lit. c der Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zivilprozessordnung; SR 272, ZPO, sowie VerwGE B 2019/192 vom 24. Februar 2020 E. 5.2 und VerwGE B 2019/223 vom

30. Oktober 2019 E. 3.1 je mit Hinweisen).

Demnach erkennt das Verwaltungsgericht auf dem Zirkulationsweg zu Recht:

1.

Die Beschwerde wird gutheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Angelegenheit zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.

Die amtlichen Kosten von CHF 3'000 werden zur Hälfte der Beschwerdeführerin und je zu einem Viertel den Beschwerdegegnern 1 und 2 resp. 3 bis 7 auferlegt. Der die Beschwerdeführerin treffende Kostenanteil von CHF 1'500 wird mit dem geleisteten Kostenvorschuss von CHF 4'500 verrechnet. CHF 3'000 werden ihr zurückerstattet. Die Beschwerdegegner 1 und 2 resp. 3 bis 7 bezahlen je CHF 750.

3.

Ausseramtliche Entschädigung werden nicht zugesprochen.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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