Zusammenfassung des Urteils B 2019/14 (02.04.19): Verwaltungsgericht
Ein minderjähriger Staatsangehöriger von A. reiste 2018 in die Schweiz zu seiner Grossmutter, die die Obhut über ihn hat. Nachdem das Migrationsamt sein Gesuch um vorübergehenden Aufenthalt ablehnte, zog die Grossmutter vor Gericht. Das Sicherheits- und Justizdepartement wies den Rekurs ab, da noch Abklärungsbedarf bestand. Der Beschwerdeführer kämpfte weiter für seinen Aufenthalt und das Gericht entschied letztendlich zugunsten der Grossmutter. Die Gerichtskosten betragen CHF 1'000, die der Beschwerdeführer tragen muss.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | B 2019/14 (02.04.19) |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 02.04.2019 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid2. April 2019 |
Schlagwörter: | Aufenthalt; Grossmutter; Familie; Schweiz; Bewilligung; Gesuch; Sorge; Ausländer; Beschwerdeführers; Eltern; Entscheid; Soziales; Ausland; Aufenthalts; Recht; Zulassung; Beziehung; Verfahren; Behörde; Massnahme; Zulassungsvoraussetzungen; Gesuchsverfahrens; önnen |
Rechtsnorm: | Art. 10 KRK ;Art. 126 AIG ;Art. 13 BV ;Art. 3 KRK ;Art. 5 BV ;Art. 8 EMRK ; |
Referenz BGE: | 139 I 37; 142 II 35; |
Kommentar: | - |
X. , in der Schweiz vertreten durch Y. ,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Advogada Fernanda Pontes Clavadetscher, Feldeggstrasse 13, 8008 Zürich,
gegen
Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen, Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen,
Vorinstanz,
Gegenstand
vorübergehender Aufenthalt während der Dauer des Gesuchsverfahrens (vorsorgliche Massnahmen)
Der Abteilungspräsident stellt fest:
X. ist 2006 geboren und Staatsangehöriger von A. . Er reiste am 15. Juli 2018 zu seiner Grossmutter Y. (geb. 1949, Schweizerbürgerin) in die Schweiz ein. Diese hält sich aus beruflichen Gründen in der Schweiz auf und hat seit 2015 faktisch die Obhut über ihren Enkel inne. Am 3. September 2018 wurde ihr mit dem Einverständnis von
X. Eltern die elterliche Sorge über X. für die Dauer seines Aufenthalts in der Schweiz übertragen. In der Folge reichte sie am 11. Oktober 2018 ein Gesuch um Familiennachzug für ihren Enkel ein.
Mit Verfügung vom 18. Oktober 2018 wies das Migrationsamt das Gesuch um Gewährung des vorübergehenden Aufenthalts während des Gesuchsverfahrens ZEMIS-Nr. 0000 bzw. das Gesuch um Erlass vorsorglicher Massnahmen ab und wies X. aus der Schweiz weg. Mit Entscheid vom 28. Dezember 2018 wies das Sicherheits- und Justizdepartement einen dagegen erhobenen Rekurs ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, sowohl hinsichtlich der Lebenssituation von X. und seiner Eltern als auch in Bezug auf die Zuteilung der elterlichen Sorge an die Grossmutter bestehe noch Abklärungsbedarf. Angesichts dieser Sachlage sei nicht davon auszugehen, dass das Amt für Soziales der Errichtung eines Pflegeverhältnisses zwischen X. und seiner Grossmutter ohne weiteres zustimmen bzw. ihr die entsprechende Bewilligung erteilen werde. Solange aber keine Bewilligung des Amtes für Soziales vorliege, werde das Migrationsamt den Familiennachzug nicht gewähren. Ein verfassungs- bzw. konventionsrechtlicher
Anspruch von X. auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei ebenfalls nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen für die vorsorgliche Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung seien damit nicht als offensichtlich erfüllt zu betrachten. Schliesslich sei es X. zumutbar, das angehobene Verfahren im Ausland abzuwarten.
X. (Beschwerdeführer) erhob gegen den am 7. Januar 2019 zugestellten Rekursentscheid des Sicherheits- und Justizdepartements (Vorinstanz) mit Eingabe vom 14. Januar 2019 Beschwerde beim Verwaltungsgericht mit den Anträgen, unter Kosten- und Entschädigungsfolge (inkl. MwSt.) sei der angefochtene Entscheid aufzuheben (zzgl. Rückerstattung der Verfahrenskosten bzgl. dem Rekursverfahren) und ihm sei der vorübergehende Aufenthalt während der Dauer des Gesuchsverfahrens zu gewähren. Mit Schreiben vom 21. Februar 2019 reichte der Beschwerdeführer den Eignungsbericht vom Amt für Soziales zur Aufnahme eines Kindes aus dem Ausland in Familienpflege vom 5. Februar 2019 sowie ärztliche Bescheinigungen die Eltern betreffend ein. Die Vorinstanz verwies mit Vernehmlassung vom 4. März 2019 auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid und beantragte, die Beschwerde sei abzuweisen. Ebenfalls am 4. März 2019 teilte das Migrationsamt mit, um abschliessend materiell entscheiden zu können, werde zwingend eine definitive Bestätigung der zuständigen ausländischen Behörde benötigt, wonach das Sorgerecht definitiv und nicht nur für einen beschränkten Zeitraum auf die Grossmutter übertragen worden sei. Der Beschwerdeführer erhielt Gelegenheit, sich dazu zu äussern, wovon er mit Eingabe vom 1. April 2019 Gerbrauch machte.
Auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid und die Vorbringen des Beschwerdeführers zur Begründung seiner Anträge sowie die Akten wird – soweit wesentlich – in den Erwägungen eingegangen.
Der Abteilungspräsident erwägt:
Anfechtungsobjekt ist ein gestützt auf Art. 44 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (sGS 951.1, VRP) ergangener departementaler Rekursentscheid über den – von einem Amt verweigerten – Erlass einer vorsorglichen
Massnahme (prozeduraler Aufenthalt gemäss Art. 17 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer, AuG [seit 1. Januar 2019: Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration, Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG, SR 142.20]; vgl. BGer 2C_852/2014 vom 2. Oktober 2015 E.
2.2 mit Hinweis auf BGer 2C_1130/2013 vom 23. Januar 2015 E. 2.2 f.). Dieser kann mittels Beschwerde an ein hauptamtliches Mitglied des Verwaltungsgerichts angefochten werden (Art. 60 Abs. 1 Ingress und lit. a VRP). Der Abteilungspräsident ist somit zur Beurteilung zuständig (Art. 4 Abs. 3 des Reglements über die Organisation und den Geschäftsgang des Verwaltungsgerichts, sGS 941.22).
Die Beschwerdeeingabe vom 14. Januar 2019 erfolgte rechtzeitig und erfüllt formal und inhaltlich die gesetzlichen Anforderungen (Art. 64 in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 1 VRP). Der minderjährige Beschwerdeführer, der Adressat der angefochtenen Verfügung und dessen Anwesenheitsrecht in der Schweiz für die Dauer des Bewilligungsverfahrens umstritten ist, ist zur Beschwerde befugt (Art. 64 in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 VRP). Im Übrigen kann im konkreten Fall unbestrittenermassen auch von der Zustimmung der Grossmutter des Beschwerdeführers, welche die Eltern in der Ausübung der elterlichen Sorge während dessen Aufenthalts in der Schweiz vertritt (vgl. act. 2/2), ausgegangen werden. Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.
Mit der am 1. Januar 2019 in Kraft getretenen Revision des (vormaligen) Ausländergesetzes (AuG), welches neu Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG) heisst, erfuhr das Gesetz einige – für die vorliegende Streitsache jedoch nicht massgebende – Anpassungen. Art. 126 Abs. 1 AIG bestimmt, dass auf Gesuche, die vor dem Inkrafttreten des AIG eingereicht worden sind, das bisherige Recht anwendbar bleibt. Das Verfahren richtet sich demgegenüber nach dem neuen Recht (Art. 126 Abs. 2 AIG). Da das Gesuch um Familiennachzug am 11. Oktober 2018 gestellt worden ist, ist die Angelegenheit nach bisherigem, bis zum 31. Dezember 2018 geltenden Ausländergesetz (im Folgenden mit "AuG" bezeichnet) zu beurteilen.
3.
3.1. Gemäss Art. 17 Abs. 1 AuG haben Ausländerinnen und Ausländer, die für einen vorübergehenden Aufenthalt rechtmässig eingereist sind und nachträglich eine Bewilligung für einen dauerhaften Aufenthalt beantragen, den Entscheid im Ausland abzuwarten. Dies gilt auch für illegal Anwesende, die ihren Aufenthalt nachträglich durch ein entsprechendes Bewilligungsgesuch legalisieren wollen (BGE 139 I 37 E. 2.1;
M. Spescha, Migrationsrecht, 4. Aufl. 2015, Art. 17 AuG N 1). Gemäss Art. 17 Abs. 2 AuG kann die zuständige kantonale Behörde den Aufenthalt während des Verfahrens (sog. prozeduraler Aufenthalt) aber gestatten, wenn die Zulassungsvoraussetzungen offensichtlich erfüllt werden. Da die Verweigerung des prozeduralen Aufenthalts unverhältnismässig wäre, wenn die Zulassungsvoraussetzungen offensichtlich erfüllt sind, und das Ermessen verfassungskonform und damit auch verhältnismässig zu handhaben ist (vgl. Art. 5 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, SR 101, BV; Art. 96 AuG), muss der Aufenthalt in diesem Fall trotz der Kann-Formulierung des Gesetzes gestattet werden (vgl. BGE 139 I 37 E. 2.2; Spescha, a.a.O., Art. 17 AuG N 2). Folglich ist eine Wegweisung ausgeschlossen, wenn die Zulassungsvoraussetzungen offensichtlich erfüllt sind.
3.2.
Die Zulassungsvoraussetzungen nach Art. 17 Abs. 2 AuG sind insbesondere dann offensichtlich erfüllt, wenn die eingereichten Unterlagen einen gesetzlichen völkerrechtlichen Anspruch auf die Erteilung einer Kurzaufenthalts- Aufenthaltsbewilligung belegen, keine Widerrufsgründe nach Art. 62 AuG vorliegen und die betroffene Person der Mitwirkungspflicht nach Art. 90 AuG nachkommt (Art. 6
Abs. 1 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit, SR 142.201,
VZAE).
Aus Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (SR 0.101, EMRK) bzw. Art. 13 BV lässt sich zwar grundsätzlich kein Anspruch darauf ableiten, den Ausgang eines ausländerrechtlichen Bewilligungsverfahrens entgegen der Grundsatzregelung in Art. 17 Abs. 1 AuG im Inland abwarten zu dürfen. Die Pflicht, nach Art. 17 Abs. 1 AuG den Bewilligungsentscheid im Ausland abwarten zu müssen, ist aber grundrechtskonform zu konkretisieren (BGE 139 I 37 E. 2.2 und E. 3.5.1; BGer
2D_74/2015 vom 28. April 2016 E. 2.2 f., 2C_532/2015 vom 23. Dezember 2015 E. 2.2).
Wenn zwischen einer ausländischen Person und einem Familienangehörigen eine tatsächlich gelebte und intakte familiäre Beziehung besteht, der Familienangehörige in der Schweiz ein gefestigtes Anwesenheitsrecht hat (Schweizer Bürgerrecht, Niederlassungsbewilligung, auf einem gefestigten Rechtsanspruch beruhende Aufenthaltsbewilligung) und es ihm nicht möglich und von vornherein ohne Weiteres zumutbar ist, das Familienleben mit der ausländischen Person im Ausland zu führen, stellt es einen Eingriff in das in Art. 8 Ziff. 1 EMRK und Art. 13 Abs. 1 BV garantierte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens dar, wenn der ausländischen Person der Aufenthalt in der Schweiz untersagt wird (vgl. BGE 142 II 35 E. 6.1, 137 I 247
E. 4.1.2, 135 I 153 E. 2.1, 135 I 143 E. 1.3.1, 130 II 281 E. 3.1, 126 II 377 E. 2b.aa, 122 II
1 E. 1e). Diese Rechtsprechung wurde im Rahmen des Schutzes des Familienlebens
einer Kernfamilie mit minderjährigen Kindern entwickelt.
Nach der Rechtsprechung (vgl. BGE 139 I 37 E. 2.2; BGer 2D_74/2015 vom
28. April 2016 E. 2.2) sind im Anwendungsbereich von Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV die Zulassungsvoraussetzungen bereits dann als offensichtlich erfüllt zu betrachten, und daher der betroffenen Person der prozedurale Aufenthalt in Anwendung von Art. 17 Abs. 2 aAuG zu gestatten, wenn die Chancen, dass die Bewilligung zu erteilen sein wird, bedeutend höher einzustufen sind als jene, dass sie zu verweigern sein wird (vgl. BGE 139 I 37 E. 4.1; BGer 2D_74/2015 vom 28. April 2016 E. 2.2, 2C_532/2015 vom
23. Dezember 2015 E. 2.2, 2C_1001/2013 vom 4. Februar 2014 E. 2.2.3). Wenn die Chancen der Bewilligungserteilung hingegen nicht bedeutend höher sind als diejenigen der Bewilligungsverweigerung, überwiegt das öffentliche Interesse an der Einwanderungskontrolle grundsätzlich die privaten Interessen, die Beziehung bis zum Bewilligungsentscheid leben zu können (vgl. BGE 139 I 37 E. 3.5.1). In diesem Fall stellt die Pflicht, den Bewilligungsentscheid im Ausland abzuwarten, eine auf einer gesetzlichen Grundlage beruhende, im öffentlichen Interesse liegende sowie verhältnismässige und damit zulässige Einschränkung des Rechts auf Achtung des Familienlebens dar.
Allein aus Vorkehren wie der Einleitung ehe- und familienrechtlicher Verfahren, der Einschulung von Kindern, dem Liegenschaftserwerb, der Wohnungsmiete, dem Abschluss eines Arbeitsvertrags der Geschäftsgründung -beteiligung können keine Ansprüche im Bewilligungsverfahren abgeleitet werden (Art. 6 Abs. 2 VZAE). Die
Behörden müssen diese Aspekte bei der Prüfung des Anspruchs auf prozeduralen Aufenthalt allerdings in ihre summarische Würdigung mit einbeziehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn bereits ein schützenswertes Familienleben nach Art. 8 EMRK besteht, in das mit Art. 17 Abs. 1 AuG eingegriffen würde (BGE 139 I 37 E. 2.2).
Ob die Zulassungsvoraussetzungen offensichtlich erfüllt werden, ist in Fällen wie dem vorliegenden im Rahmen einer summarischen Würdigung der Erfolgsaussichten (sog. Hauptsachenprognose) zu entscheiden; wie dies bei der Anordnung vorsorglicher Massnahmen regelmässig der Fall ist (BGE 139 I 37 E. 2.2; BGer 2C_532/2015 vom
23. Dezember 2015 E. 2.2).
3.3.
Der Schutzbereich von Art. 8 Ziff. 1 EMRK erfasst abgesehen von der Kernfamilie, das heisst den Beziehungen zwischen Ehepartnern sowie zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern, auch solche zu anderen nahen Verwandten, soweit die entsprechenden Beziehungen intakt sind und tatsächlich gelebt werden. Doch muss in diesem Fall zwischen der über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügenden Person und dem um die Bewilligung nachsuchen Ausländer ein über die üblichen familiären Beziehungen bzw. emotionalen Bindungen hinausgehendes, besonderes Abhängigkeitsverhältnis bestehen (BGer 2C_1/2013 vom 16. Januar 2013 E. 3.2.1).
Gemäss den vom Amt für Soziales getätigten Eignungsabklärungen im Rahmen der Aufnahme eines Pflegekindes aus dem Ausland in Familienpflege wurde der Beschwerdeführer während den ersten fünf Lebensjahren durch seine Eltern betreut, welche jedoch nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebten. Ab dem 5. Lebensjahr lebte er hauptsächlich bei der Mutter und verbrachte einzelne Tage beim Vater. Bereits seit der Geburt übernahm die Grossmutter väterlicherseits jedoch regelmässig Betreuungsaufgaben, so insbesondere an Wochenenden und während der Ferien. Hinreichend erstellt ist, dass aufgrund dessen zwischen der Grossmutter und ihrem nunmehr bald 13-jährigen Enkel, wie auch zu dessen Onkel, verlässliche und tragfähige Beziehungen entstanden sind (vgl. act. 15). Fest steht, dass der Beschwerdeführer seit 2015 vollumfänglich von seiner Grossmutter betreut wird (act. 2/2, 16/5). Dies daher, weil die Eltern zum einen aus beruflichen, insbesondere aber aus gesundheitlichen
Gründen nicht mehr für ihren Sohn sorgen können (act. 8). Gegenüber der Fachmitarbeiterin des Amts für Soziales gab der Beschwerdeführer überdies an, seine Grossmutter sei seine wichtigste Bezugs- und Vertrauensperson. Mit ihr könne er über alles reden, insbesondere auch über Sorgen und Ängste. Schliesslich bestätigte die Fachmitarbeiterin, dass zwischen dem Beschwerdeführer, der Grossmutter und dem Onkel vertraute Beziehungen bestehen würden (vgl. act. 15). Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Grossmutter, aber auch zum ebenfalls in der Schweiz wohnenden Onkel, intakt sind und auch tatsächlich gelebt werden. Weiter verfügt die Grossmutter über das Schweizer Bürgerrecht und damit über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht in der Schweiz. Damit ist der Schutzbereich von Art. 8 Ziff. 1 EMRK tangiert.
Im ausführlich begründeten Eignungsbericht vom 5. Februar 2019 beantragt die zuständige Fachmitarbeiterin des Amts für Soziales, der Grossmutter die Eignung zur Aufnahme des Beschwerdeführers in langfristige Familienpflege zu bescheinigen und seine Aufnahme zu bewilligen (vgl. act. 15 in fine). Im Verfügungsentwurf zum rechtlichen Gehör hielt das Amt für Soziales ferner fest, dass die Grossmutter die Voraussetzungen für eine verlässliche und konsequente Begleitung des Beschwerdeführers bis ins junge Erwachsenenalter biete und sie als Erziehungsperson geeignet sei. Das Pflegeverhältnis entspreche dem Wohl des Kindes. In der gegenwärtigen Situation bestehe keine Indikation, das Kind aus seiner heutigen Familiensituation herauszulösen. Eine solche Massnahme wäre für das Kind nicht nachvollziehbar und würde es aus entwicklungspsychologischer Sicht mit grosser Wahrscheinlichkeit nachhaltig negativ beeinflussen. Die Verfügung könne jedoch erst Wirkung entfalten, wenn das Migrationsamt den Aufenthalt bewillige und die definitive Bestätigung der zuständigen ausländischen Behörde zur Übertragung des Sorgerechts vorliege (vgl. act. 14 E. 1c S. 4, E. 2). Das Migrationsamt benötigt gemäss eigenen Angaben dagegen die Bestätigung, dass die elterliche Sorge nunmehr definitiv auf die Grossmutter übertragen worden sei. Hierfür verlangen die Behörden in A. wiederum, dass die Bewilligung zur Aufnahme eines Pflegekinds vorliege. Damit schieben sich die involvierten in- und ausländischen Behörden jeweils gegenseitig den "Ball" zu, was jedoch dem Beschwerdeführer mit Blick auf den angestrebten prozeduralen Aufenthalt nicht zum Nachteil gereichen darf. Zu berücksichtigten ist weiter, dass die zuständige Behörde in A. angesichts der offenkundig bestehenden Notlage, aber auch um die
faktisch und tatsächlich ausgeübte elterliche Sorge der Grossmutter formell-rechtlich zu regeln, Letzterer – wenn wiederum auch nur provisorisch – die elterliche Sorge über ihren Enkel und nunmehrigen Beschwerdeführer übertrug. Aus dem ausländischen Beschluss geht ferner hervor, dass die Eltern des Beschwerdeführers mit der Übertragung der elterlichen Sorge auf die Grossmutter, solange sie in der Schweiz wohnt, einverstanden sind (vgl. act. 2/2). Schliesslich erklärte die Kindsmutter, ihr Sohn wohne seit 2016 [recte: 2015] bei der Grossmutter und unterstehe deren Aufsicht, die in der Schweiz wohne und das Sorgerecht für ihn mit ihrer vollen Zustimmung übernommen habe. Sie sei der Überzeugung, dass das Kind eine geregelte Routine und einen Verantwortlichen brauche, der ihm die notwendige Aufmerksamkeit geben könne. Sie bestätige deshalb nochmals ihre bereits abgegebene Zustimmung, dass ihr Sohn bei seiner Grossmutter wohnen dürfe, auch im Ausland, solange ihre Arbeit es ihr nicht erlaube, ihm die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken (vgl. act. 16/5). Unter Berücksichtigung, dass die Kindsmutter ausserdem bzw. insbesondere auch aus gesundheitlichen Gründen gar nicht in der Lage ist, sich um ihren Sohn zu kümmern (vgl. act. 8), erscheint wahrscheinlich, dass der Grossmutter die elterliche Sorge definitiv übertragen werden wird. Die Chancen, dass bei dieser Sachlage die Bewilligung für den Familiennachzug zu erteilen sein wird, sind damit bedeutend höher einzustufen als jene, dass sie zu verweigern sein wird, weshalb die Zulassungsvoraussetzungen als offensichtlich erfüllt zu betrachten und dem Beschwerdeführer der prozedurale Aufenthalt in Anwendung von Art. 17 Abs. 2 AuG vorsorglich zu gestatten ist.
Gegen eine sofortige Wegweisung bzw. das Abwarten des definitiven Entscheides im Ausland spricht im konkreten Fall insbesondere auch die seit Jahren tatsächlich gelebte Familienbeziehung zur Grossmutter als enge Bezugsperson einerseits, sowie zum Onkel und dessen Familie anderseits. Ob die leiblichen Eltern für den finanziellen Unterhalt des Beschwerdeführers aufkommen können – was
angesichts der aktenkundigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu bezweifeln ist –, ist vorliegend nicht von Belang. Vielmehr ist in Übereinstimmung mit dem vom fachkundigen Amt für Soziales gezogenen Schluss davon auszugehen, dass in der gegenwärtigen Situation keine Indikation besteht, den Beschwerdeführer aus seiner heutigen Familiensituation herauszulösen. Eine solch einschneidende Massnahme wäre für den Jugendlichen nicht nachvollziehbar und würde ihn aus
entwicklungspsychologischer Sicht mit grosser Wahrscheinlichkeit nachhaltig negativ beeinflussen (vgl. act. 14 E. 1c S. 4). Damit erwiese sich eine Wegweisung im heutigen Zeitpunkt trotz laufendem Verfahren unter Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles auch als nicht verhältnismässig (Art. 5 Abs. 2 BV, Art. 96 AuG).
Es ist unter diesen Umständen nicht ersichtlich, inwiefern das öffentliche Interesse an einer Fernhaltung des Beschwerdeführers während des Bewilligungsverfahrens sein privates Interesse überwiegen sollte, bis zum entsprechenden Sachentscheid bei seiner Grossmutter, welche ihn seit 2015 betreut und seit Geburt eine wichtige Bezugsperson ist, verbleiben zu können. Im Rahmen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK ist wertend auch den Leitgedanken der UNO- Kinderrechtskonvention (SR 0.107, KRK) Rechnung zu tragen. Entsprechend Art. 3 Abs. 1 KRK muss bei allen Massnahmen, welche Kinder betreffen, deren Wohl vorrangig berücksichtigt werden, unabhängig davon, ob sie von öffentlichen privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden Gesetzgebungsorganen ausgehen. Zudem sind zwecks Familienzusammenführung gestellte Anträge auf Einreise in einen Vertragsstaat "wohlwollend, human und beschleunigt" zu behandeln (Art. 10 Abs. 1 KRK; BGer 2C_76/2013 vom 23. Mai 2013 E. 2.3.5).
3.4. Zusammenfassend erweist sich die Beschwerde dementsprechend als begründet. Die Beschwerde ist gutzuheissen und der angefochtene Entscheid der Vorinstanz vom
28. Dezember 2018 aufzuheben. Der Beschwerdeführer ist – eine Änderung des rechtlich relevanten Sachverhalts vorbehalten – berechtigt, sich für die Dauer des Gesuchsverfahrens ZEMIS-Nr. 0000 in der Schweiz aufzuhalten.
4. Die amtlichen Kosten werden nach Massgabe des Obsiegens und Unterliegens verlegt (Art. 95 Abs. 1 VRP). Von diesem Grundsatz abweichend hat gemäss Art. 95 Abs. 2 VRP jener Beteiligte die Kosten zu übernehmen, die durch nachträgliches Vorbringen von Begehren, Tatsachen Beweismitteln entstehen, deren rechtzeitige Geltendmachung ihm möglich und zumutbar gewesen wäre. Dasselbe gilt, wenn die Voraussetzungen für eine Gutheissung des Rechtsmittels durch die Mitwirkung des Beschwerdeführers erst im Beschwerdeverfahren geschaffen wurden. Der Beschwerdeführer obsiegt zwar mit seinem Begehren, ihm sei der vorübergehende
Aufenthalt für die Dauer des Gesuchsverfahrens zu gewähren. Entscheidend zur Gutheissung der Beschwerde geführt hat indes das Ergebnis der zwischenzeitlich abgeschlossenen Eignungsabklärung sowie der aktenkundige Verfügungsentwurf des Amts für Soziales, welche erst während laufendem Beschwerdeverfahren beigebracht werden konnten. Demgegenüber handelt es sich beim Schreiben vom 25. Oktober 2018 – entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers – lediglich um eine Bestätigung einer einfachen Gesuchsanfrage (vgl. act. 2/3/1). Um die Bewilligung zur Aufnahme des Beschwerdeführers in langfristige Familienpflege wurde dagegen erst mit Eingabe vom 11. Dezember 2018 ersucht und die für eine Beurteilung erforderlichen Gesuchsunterlagen lagen erst am 18. Februar 2019 vor (vgl. act. 14 Sachverhalt D und E). Entsprechend rechtfertigt es sich, die amtlichen Kosten trotz Gutheissung der Beschwerde dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. Eine Entscheidgebühr von CHF 1'000 erscheint angemessen (Art. 7 Ziff. 222 der Gerichtskostenverordnung, sGS 941.12, GKV). Sie ist mit dem vom Beschwerdeführer in der gleichen Höhe geleisteten Kostenvorschuss zu verrechnen. Ausseramtliche
Kosten sind nicht zu entschädigen (Art. 98 Abs. 1 und 98bis VRP).
Demnach erkennt der Abteilungspräsident zu Recht:
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid vom
28. Dezember 2018 aufgehoben.
Dem Beschwerdeführer wird erlaubt, sich für die Dauer des Gesuchsverfahrens ZEMIS-Nr. 0000 in der Schweiz aufzuhalten.
Der Beschwerdeführer bezahlt die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens von CHF 1'000 unter Verrechnung mit dem von ihm in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss.
Ausseramtliche Kosten werden nicht entschädigt.
Der Abteilungspräsident
Zürn
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.