Zusammenfassung des Urteils B 2018/72: Verwaltungsgericht
Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass Zweifel an der Fahreignung eines 82-jährigen Beschwerdeführers bestehen und eine vertrauensärztliche Untersuchung angeordnet werden darf. Der Beschwerdeführer hatte zuvor mehrere Verkehrsvorfälle, die zu Bedenken bezüglich seiner Fahrtauglichkeit führten. Obwohl ärztliche Untersuchungen die Fahreignung bestätigten, gab es weiterhin Zweifel. Das Gericht entschied, dass die Anordnung der Untersuchung rechtens ist und wies die Beschwerde des Fahrers ab.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | B 2018/72 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 11.07.2018 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Strassenverkehr, Art. 15d Abs. 1 SVG.Die Generalklause gemäss Art. 15d Abs. 1 SVG ist mit Blick auf Art. 14 Abs. 2 SVG auszulegen und anzuwenden. Dass keiner der in lit. a-e aufgezählten Gründe erfüllt ist, schliesst deshalb die Rechtmässigkeit der angeordneten verkehrsmedizinischen Untersuchung nicht aus. Die Zweifel an der Fahreignung des mittlerweile 82- jährigen Beschwerdeführers sind nachvollziehbar und hinreichend begründet. Die Fähigkeit zum sicheren Führen eines Motorfahrzeugs setzt voraus, dass der Lenker Gefahren nicht bagatellisiert, insbesondere nicht einfach davon ausgeht, Streifkollisionen seien unvermeidlich und sozusagen normal (Verwaltungsgericht, B 2018/72). |
Schlagwörter: | Fahreignung; Untersuch; Untersuchung; Strassenverkehr; Beschwerdeführers; Recht; Zweifel; Vorinstanz; Beschwerdegegner; Anordnung; Fahrzeug; Entscheid; Strassenverkehrs; Gallen; Abklärung; Polizei; Motorfahrzeug; Verwaltungsgericht; Schifffahrtsamt; Führerausweis; Zustand; Stufe; Polizisten; Zweifeln |
Rechtsnorm: | Art. 14 SVG ;Art. 15d SVG ;Art. 16 SVG ;Art. 24 SVG ; |
Referenz BGE: | 130 II 425; 133 II 384; 134 I 140; |
Kommentar: | - |
Die Generalklause gemäss Art. 15d Abs. 1 SVG ist mit Blick auf Art. 14 Abs. 2 SVG auszulegen und anzuwenden. Dass keiner der in lit. a-e aufgezählten Gründe erfüllt ist, schliesst deshalb die Rechtmässigkeit der angeordneten verkehrsmedizinischen Untersuchung nicht aus. Die Zweifel an der Fahreignung des mittlerweile 82-jährigen Beschwerdeführers sind nachvollziehbar und hinreichend begründet. Die Fähigkeit zum sicheren Führen eines Motorfahrzeugs setzt voraus, dass der Lenker Gefahren nicht bagatellisiert, insbesondere nicht einfach davon ausgeht, Streifkollisionen seien unvermeidlich und sozusagen normal (Verwaltungsgericht, B 2018/72).
Entscheid vom 11. Juli 2018
Besetzung
Abteilungspräsident Zürn; Verwaltungsrichterin Bietenharder, Verwaltungsrichter Steiner; Gerichtsschreiber Scherrer
Verfahrensbeteiligte
A. ,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwältin M.A.HSG in Law Marion Enderli, Hänzi & Koch,
Achslenstrasse 13, 9016 St. Gallen,
gegen
Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Unterstrasse 28, 9001 St.
Gallen, Vorinstanz, und
Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt, Frongartenstrasse 5, 9001 St. Gallen,
Beschwerdegegner,
Gegenstand
vertrauensärztliche Kontrolluntersuchung
Das Verwaltungsgericht stellt fest:
A. , geb. 1935, besitzt den Führerausweis seit 1964. Im Administrativmassnahmen- Register ist er mit einer Verwarnung vom 30. Juni 2005 wegen Missachtens des Vortritts sowie mit drei Entzügen des Führerausweises vom 12. August 2008 für die Dauer von einem Monat wegen Missachtens des Vortrittsrechts, vom 9. April 2013 für die Dauer von sechs Monaten wegen Fahrens in übermüdetem Zustand – begangen
am 16. August 2012 – und vom 5. Mai 2015 wegen Verursachens eines Auffahrunfalls
verzeichnet.
Nach dem Vorfall vom 16. August 2012 hatte das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt am 23. Oktober 2012 eine vertrauensärztliche Abklärung der Fahreignung von A. durch Dr. med. X. (Vertrauensarzt für die Stufe 3; https:// medtraffic.ch) angeordnet. Gestützt auf die Anamnese, den körperlichen Untersuch sowie deutlich pathologische Ergebnisse beim Uhrentest und bei den Trail Making Tests A und B sowie den leichte Einschränkungen der kognitiven Fähigkeiten zeigenden Mini-Mental-Test verneinte dieser am 14. November 2012 wegen kognitiver Leistungseinbussen die Fahreignung. Weil der Hausarzt von A. , Dr. med. Y. (Vertrauensarzt für die Stufe 2; https://medtraffic.ch) am 11. November 2012 zu einer abweichenden Beurteilung gekommen war, wurde am 21. Januar 2013 eine verkehrsmedizinische Untersuchung durch Dr. med. Q. am Institut für Rechtsmedizin Zürich angeordnet. Gemäss dessen Beurteilung vom 14. Februar 2013 bestand in psychischer Hinsicht zwar eine leichte, altersgemässe allgemeine Verlangsamung, jedoch konnten keine Hinweise für verkehrsrelevante kognitive Defizite gefunden werden. Der Mini-Mental-Status habe eine maximale Punktzahl gezeigt, der Uhrentest sei völlig unauffällig und perfekt ausgeführt und die beiden Trail Making Tests in der Normzeit und fehlerfrei absolviert worden. Zusammenfassend wurde festgestellt, die Fahreignung von A. sei weiterhin gegeben. Am 11. März 2015 und am 26. April 2017 bejahte Dr. med. Y. die Fahreignung ohne Auflagen.
Am Montag, 22. Mai 2017, um die Mittagszeit, streifte A. beim Manövrieren mit einem Lieferwagen an seinem Wohnort auf dem Garagenvorplatz einen an der Grenze zum Nachbargrundstück stehenden Betonsockel. Die von einer Drittperson herbeigerufene Polizei hielt im Bericht zuhanden des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts vom 7. Juni 2017 fest, A. habe während des Gesprächs einen ziemlich verwirrten Eindruck gemacht und sei mit der Situation überfordert gewesen. Zudem seien an seinen beiden Fahrzeugen – einem Liefer- und einem Personenwagen
– viele kleinere bis sehr grosse Kratzspuren und Dellen zu erkennen gewesen. Aufgrund
der gesamten Umstände dränge sich eine Fahrtauglichkeitsabklärung auf.
Gestützt auf den Polizeibericht ordnete das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt am
Juli 2017 zur Abklärung der Fahreignung eine ärztliche Untersuchung der Stufe 3 beim Institut für Rechtsmedizin am Kantonsspital St. Gallen an. Der Hausarzt von A. bestätigte am 17. August 2017 dessen Fahreignung. Die Verwaltungsrekurskommission hiess den gegen die Anordnung der verkehrsmedizinischen Fahreignungsabklärung erhobenen Rekurs am 22. Februar 2018 teilweise gut. Dass das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt Bedenken an der Fahreignung von A. gehabt und eine Fahreignungsuntersuchung angeordnet habe, sei angesichts der konkreten Umstände nicht zu beanstanden. Indessen hätte er Gelegenheit erhalten müssen, sich zur Wahl der Begutachtungsstelle zu äussern. Gegebenenfalls sei der Untersuchung durch Dr. med. Q. zuzustimmen.
A. (Beschwerdeführer) erhob gegen den am 23. Februar 2018 versandten und am
Februar 2018 zugestellten Entscheid der Verwaltungsrekurskommission
(Vorinstanz) durch seine Rechtsvertreterin mit Eingabe vom 12. März 2018 Beschwerde beim Verwaltungsgericht mit den Rechtsbegehren, unter Kosten- und Entschädigungsfolge sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und von der Anordnung einer vertrauensärztlichen Untersuchung abzusehen, eventualiter die Sache zur Abklärung des Sachverhalts an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Vorinstanz verwies mit Vernehmlassung vom 9. April 2018 auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid und beantragte die Abweisung der Beschwerde. Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt (Beschwerdegegner) hielt in seiner Vernehmlassung vom 17. April 2018 fest, eine Untersuchung der Stufe 3 am Institut für
Rechtsmedizin des Kantonsspitals St. Gallen habe im Vergleich zu einer Untersuchung durch einen – freiberuflichen – Vertrauensarzt – anders als im angefochtenen Entscheid ausgeführt – keine nachteiligen finanziellen Auswirkungen für den Betroffenen. Einen ausdrücklichen Antrag stellte der Beschwerdegegner nicht. Der Beschwerdeführer nahm dazu am 28. Mai 2018 Stellung.
Auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid und die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Begründung seines Rechtsbegehrens sowie die Akten wird, soweit wesentlich, in den Erwägungen eingegangen.
Darüber zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung: 1. (…).
2. Der Beschwerdegegner wendet sich in seiner Vernehmlassung vom 17. April 2018 gegen die Auffassung der Vorinstanz, die Anordnung einer verkehrsmedizinischen Untersuchung der Stufe 3 durch das Institut für Rechtsmedizin führe für den Beschwerdeführer im Vergleich zur Untersuchung durch einen freiberuflich tätigen Verkehrsmediziner zu höheren Kosten. Die Vorinstanz hat mit dem angefochtenen Entscheid die Angelegenheit an den Beschwerdegegner zurückgewiesen mit der Anordnung, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben, zur Wahl des Gutachters Stellung zu nehmen, und neu darüber zu entscheiden. Der Beschwerdegegner hat gegen diese Rückweisung keine Beschwerde erhoben, obwohl er – nachdem mit der Gutheissung ein Endentscheid in dieser Frage im Sinn der Anordnung des Beschwerdegegners hätte herbeigeführt werden können (vgl. Art. 111 Abs. 1 und
Art. 93 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes über das Bundesgericht; Bundesgerichtsgesetz, SR 173.11, BGG) – dazu befugt gewesen wäre (vgl. Art. 111 Abs. 1 und Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG in Verbindung mit Art. 24 Abs. 2 lit. a des Strassenverkehrsgesetzes, SR 741.01, SVG; Rütsche/Schneider, in: Niggli/Probst/ Waldmann [Hrsg.], Basler Kommentar Strassenverkehrsgesetz, Basel 2014, N 33 zu Art. 24 SVG). Mangels Zulässigkeit der Anschlussbeschwerde (vgl. Art. 63 VRP;
Cavelti/ Vögeli, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen, 2. Aufl. 2003, Rz. 945)
hat der Beschwerdegegner im Übrigen zu Recht in seiner Vernehmlassung vom
17. April 2018 auch keinen entsprechenden Antrag gestellt. Auf die Rüge ist
dementsprechend nicht weiter einzugehen.
Umstritten und im Beschwerdeverfahren zu prüfen ist somit einzig, ob die Vorinstanz den Rekurs hinsichtlich der Anordnung einer vertrauensärztlichen Untersuchung der Stufe 3 zur Abklärung der Fahreignung des Beschwerdeführers zu Recht abgewiesen hat.
In tatsächlicher Hinsicht bestreitet der Beschwerdeführer die Richtigkeit seiner von der Polizei zusammengefassten „Aussagen“. Die Befragung sei trotz des „happigen“ Vorwurfs nicht protokolliert worden. Das – vorliegend eine äusserst bedeutende Rolle spielende – vorverurteilende, arrogante und forsche Verhalten der Polizisten habe ihn sehr verunsichert. Er habe sich in die Enge gedrängt gefühlt und – auch im Rahmen einer Deeskalation – versucht, sehr besonnen und wohlüberlegt zu reagieren. Dieses Verhalten werde zu seinem Nachteil als verwirrt, verlangsamt und gebrechlich ausgelegt. Die Vorinstanz lasse offen, ob dieser Zustand Ursache Folge der Kollision mit dem Betonpfeiler gewesen sei. Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei noch äusserst vital. Anders wäre es ihm nicht möglich, weiterhin zu 100 Prozent als Gärtner zur vollsten Zufriedenheit seiner Kunden tätig zu sein. Auch der Amtsarzt habe seine körperliche und geistige Fähigkeit zur Führung eines Fahrzeugs bestätigt.
Wie die beiden den Beschwerdeführer befragenden Polizisten aufgetreten sind und ob ihr Auftreten Grund für das von ihnen beschriebene Verhalten des Beschwerdeführers war, liesse sich auch mit der beantragten Zeugenbefragung nicht schlüssig klären. Der entsprechende Beweisantrag des Beschwerdeführers ist dementsprechend in antizipierter Beweiswürdigung – die Beweiserhebung erscheint nicht geeignet, zur Klärung des rechtserheblichen Sachverhalts beizutragen (vgl. BGer 2C_58/2012 vom
1. Oktober 2012 E. 1.4 mit Hinweis auf BGE 130 II 425 E. 2.1 und 124 I 208 E. 4a; BGE 134 I 140 E. 5.3) – abzuweisen. Unabhängig vom Ergebnis der Zeugenbefragung ist – insbesondere auch mit Blick darauf, dass die Tendenz des Beschwerdeführers zur Verunsicherung sich auf seine kognitive Leistungsfähigkeit ungünstig auswirkt (vgl. das Ergebnis der verkehrsmedizinischen Untersuchung vom 13. November 2011,
act. 12/30 ff.) – nicht auszuschliessen, dass der als verwirrt, verlangsamt und
gebrechlich beschriebene Zustand des Beschwerdeführers zumindest teilweise auf die Befragung durch die Polizisten zurückzuführen war. Ausschlaggebend ist in tatsächlicher Hinsicht allerdings, dass sich der Beschwerdeführer – unabhängig der Ursachen – anlässlich der Befragung durch die Polizei in einem Zustand befand, der geeignet war, ihn als verwirrt, verlangsamt und gebrechlich erscheinen zu lassen. Dass er in ihm bekannten Situationen – insbesondere bei dem ihm vertrauten Hausarzt – einen anderen, insbesondere sichereren Eindruck hinterlässt, ist nicht ausgeschlossen. Für die Fahreignung kann aber durchaus von Bedeutung sein, wie der Beschwerdeführer auf Stresssituationen reagiert und ob er in der Lage ist, in seinem Verhalten im Verkehr adäquat darauf zu reagieren.
Die Rüge, Vorinstanz und Gesuchsgegner seien von unvollständigen beziehungsweise unrichtigen Tatsachen ausgegangen und hätten das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt, indem sie der beantragten Zeugeneinvernahme nicht entsprochen hätten, erweisen sich damit als unbegründet.
3.2.
In rechtlicher Hinsicht macht der Beschwerdeführer geltend, für die Anordnung der vertrauensärztlichen Untersuchung zur Abklärung seiner Fahreignung fehle es an der gesetzlichen Grundlage. Der Beschwerdegegner stütze sich auf keinen der in
Art. 15d Abs. 1 SVG aufgeführten Tatbestände. Auch wenn die Aufzählung nicht abschliessend sei, gehe es um Fälle mit begründeten, ernsthaften Zweifeln an der Fahreignung; abstrakte Zweifel genügten nicht. Weder das Touchieren des Betonpfeilers am 22. Mai 2017 noch das Alter des Beschwerdeführers dürften als Grund für die Abklärung der Fahreignung dienen. Die alle zwei Jahre durchgeführten Kontrolluntersuchungen seien durchwegs, letztmals am 17. August 2017, positiv ausgefallen. Obwohl sie der amtsärztlichen Beurteilung der Fahrfähigkeit grösseres Gewicht beimesse als der Beurteilung durch medizinisch nicht geschulte Polizisten, gehe die Vorinstanz von begründeten und ernsthaften Zweifeln an der Fahrfähigkeit des Beschwerdeführers aus.
Motorfahrzeugführer müssen gemäss Art. 14 Abs. 1 SVG über Fahreignung und
Fahrkompetenz verfügen. Fahreignung setzt unter anderem die erforderliche
körperliche und psychische Leistungsfähigkeit zum sicheren Führen von Motorfahrzeugen voraus (Art. 14 Abs. 2 lit. b SVG). Über Fahrkompetenz verfügt, wer die Verkehrsregeln kennt und Fahrzeuge der Kategorie, für die der Ausweis gilt, sicher führen kann (Art. 14 Abs. 3 SVG). Gemäss Art. 16 Abs. 1 SVG sind Ausweise zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht nicht mehr bestehen. Der Lernfahr- und Führerausweis wird dementsprechend entzogen, wenn die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit nicht nicht mehr ausreicht, ein Motorfahrzeug sicher zu führen (Art. 16d Abs. 1 lit. a SVG). Bestehen Zweifel an der Fahreignung wird der Betroffene gestützt auf Art. 15d Abs. 1 SVG einer Fahreignungsuntersuchung unterzogen. Bestehen Zweifel an der Fahrkompetenz, kann der Betroffene gestützt auf Art. 15d Abs. 5 SVG einer Kontrollfahrt, einer Theorieprüfung, einer praktischen Führerprüfung einer andern geeigneten Massnahme wie einer Aus- Weiterbildung einer Nachschulung unterzogen werden.
Der mittlerweile über 82-jährige Beschwerdeführer unterliegt gemäss Art. 15d Abs. 2 SVG der Verpflichtung, sich alle zwei Jahre auf Anordnung der kantonalen Behörde vertrauensärztlich auf die Fahreignung hin untersuchen zu lassen (verkehrsmedizinische Kontrolluntersuchung im Sinn von Art. 27 Abs. 1 lit. b der Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr; SR 741.51, VZV). Diese Regel schliesst nicht aus, dass von diesem Rhythmus abweichend bei Zweifeln an der Fahrkompetenz gestützt auf Art. 15d Abs. 5 SVG beispielsweise eine Kontrollfahrt und/oder bei Zweifeln an der Fahreignung gestützt auf Art. 15d Abs. 1 SVG eine entsprechende Untersuchung angeordnet wird. Die in
Art. 15d Abs. 1 lit. a-e SVG genannten Gründe für die Anordnung einer solchen Untersuchung sind nicht abschliessend. Vielmehr gilt die Generalklausel gemäss Art. 15d Abs. 1 Ingress SVG, die mit Blick auf Art. 14 Abs. 2 SVG auszulegen und anzuwenden ist.
Mit dem Begriff der Fahreignung umschreiben alle betroffenen wissenschaftlichen Disziplinen (insbesondere Medizin, Psychologie und Jurisprudenz) die körperlichen und geistigen Voraussetzungen des Individuums, ein Fahrzeug im Strassenverkehr sicher lenken zu können. Die Fahreignung muss grundsätzlich dauernd vorliegen (vgl. BGE 133 II 384 E. 3.1). Der Umstand, dass – wie der Beschwerdeführer geltend macht –
keiner der in Art. 15d Abs. 1 lit. a-e SVG namentlich aufgezählten Gründe erfüllt ist, schliesst deshalb die Rechtmässigkeit der angeordneten verkehrsmedizinischen Untersuchung nicht aus.
Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid dargelegt, der Beschwerdegegner habe die Anordnung der Untersuchung mit Zweifeln aufgrund der Darstellungen im Polizeibericht vom 7. Juni 2017 und dem fortgeschrittenen Alter des Beschwerdeführers begründet. Den Vorfall vom 22. Mai 2017 bestreite der Beschwerdeführer nicht. Die Polizisten hätten eine Abklärung der Fahrtauglichkeit veranlasst, weil sie anlässlich ihrer Befragung beim Beschwerdeführer eine gewisse Verwirrtheit festgestellt hätten, er zudem sehr langsam reagiert und einen gebrechlichen Eindruck gemacht habe. Dem stehe das Ergebnis der Kontrolluntersuchung durch den Hausarzt vom 17. August 2017, welcher die Fahreignung ohne Vorbehalte bestätigt und insbesondere weder kognitive Defizite noch Anhaltspunkte für eine beginnende Demenz festgestellt habe, entgegen. Unklar sei, ob der Hausarzt Kenntnis vom Polizeibericht und den darin geschilderten Beobachtungen gehabt habe. Auch wenn der ärztlichen Beurteilung des Gesundheitszustandes zweifellos grösseres Gewicht zukomme als derjenigen einer medizinisch nicht geschulten Person, stelle sich die Frage, weshalb sich der Beschwerdeführer nach dem Ereignis vom 22. Mai 2017 verwirrt und in den Reaktionen verlangsamt gezeigt habe. Insbesondere sei unklar, ob dieser Zustand Folge Ursache der Kollision mit dem Betonpfeiler gewesen sei. Der Polizeibericht enthalte keine Hinweise auf eine bewusst ungünstige Darstellung des Zustandes des Beschwerdeführers, sondern führe auch zu seinen Gunsten sprechende Umstände, wie die für ihn günstigen ärztlichen Berichte zu seiner Fahrtauglichkeit auf. An den beiden Fahrzeugen des Beschwerdeführers seien aber auffallend viele Karosserieschäden festgestellt worden. Ein Fahrzeughalter müsse Auskunft darüber geben können, welche Schäden von ihm selbst verursacht worden seien und welche nicht, zumal es sich insbesondere bei jenem am Lieferwagen nicht um leichte Parkschäden handle. Belege dafür, dass der Beschwerdeführer wie behauptet, die Fahrzeuge bereits mit diversen Beulen gekauft habe, lege er nicht vor, obwohl er nach eigenen Angaben dazu in der Lage gewesen wäre. Es sei nicht auszuschliessen, dass die Karosserieschäden vom Beschwerdeführer verursacht worden seien. Nach dem neuesten Ereignis vom 22. Mai
2017 müsse geprüft werden, ob allenfalls eine altersbedingte unsichere Fahrweise vorliege.
Psychologische beziehungsweise geistige (vgl. die abweichenden Wortlaute von Art. 14 Abs. 2 lit. b und Art. 16d Abs. 1 lit. a SVG) Aspekte der Fahreignung sind – ausserhalb der Frage der charakterlichen Eignung im Sinn von Art. 16d Abs. 1 lit. c
SVG – nicht direkt näher geregelt. Allerdings setzt Art. 16d Abs. 1 lit. a SVG das sichere Führen des Motorfahrzeugs voraus. Für die hier zur Diskussion stehenden psychologischen Aspekte wird der Begriff der psychophysischen Leistungsfähigkeit verwendet. Mit anderen Worten geht es darum, ob bei einem Menschen aus verkehrspsychologischer Sicht Hirnleistungsdefizite (kognitive Beeinträchtigungen in den Bereichen optische Orientierung, Konzentrationsfähigkeit, Aufmerksamkeit, Reaktionsfähigkeit und Belastbarkeit) in einem Ausmass bestehen, dass eine Teilnahme als Lenker der entsprechenden Fahrzeugkategorie am Strassenverkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Überforderung darstellen würde (vgl. BGE 133 II 384
E. 3.5).
Die vom Beschwerdegegner und der Vorinstanz angenommenen Zweifel an der Fahreignung des Beschwerdeführers sind nachvollziehbar und hinreichend begründet. Die festgestellten Karosserieschäden und die Ausführungen des Beschwerdeführers dazu – die Beschädigungen seien doch normal, im Strassenverkehr komme es halt ab und an zu kleinen Streifern, er habe schon öfters mal irgendwo leicht gestreift, dies sei auch ein grosses Fahrzeug – deuten darauf hin, dass der Beschwerdeführer selbst nicht ausschliesst, die Schäden seien auf sein Verhalten im Strassenverkehr zurückzuführen. Dass der Beschwerdeführer durch das Auftreten der Polizisten eingeschüchtert war, kann zwar nicht ausgeschlossen werden. Seine im Bericht festgehaltenen Antworten – Streifer seien normal und er finde es unerhört und eine Unterstellung, dass an seiner Fahrfähigkeit gezweifelt werde – weisen allerdings nicht unmittelbar auf eine solche Einschüchterung hin. Hinzu kommt, dass – wie bereits dargelegt – Reaktionen, wie sie der Beschwerdeführer – aus welchen Gründen auch immer – anlässlich der polizeilichen Befragung zeigte, geeignet sind, Zweifel an der Fähigkeit aufkommen zu lassen, ein Motorfahrzeug im Strassenverkehr auch in Situationen sicher zu führen, welche geeignet sein könnten, den Beschwerdeführer zu irritieren. Die Fähigkeit zum sicheren Führen eines Motorfahrzeuges setzt sodann auch
voraus, dass der Beschwerdeführer Gefahren nicht bagatellisiert, insbesondere nicht einfach davon ausgeht, Streifkollisionen seien unvermeidlich sozusagen normal.
Der Beschwerdeführer begründet seine Auffassung, die angeordnete vertrauensärztliche Untersuchung sei nicht zulässig, auch damit, dass bei begründeten und ernsthaften Zweifeln an seiner Fahrfähigkeit ihm der Führerausweis vorsorglich hätte entzogen werden müssen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind indessen die Anforderungen an die Anordnung einer Fahreignungsuntersuchung nicht dieselben wie für den vorsorglichen Führerausweisentzug, obschon diese beiden Massnahmen häufig zusammen ergehen: Während für Erstere hinreichende Anhaltspunkte ausreichen, welche die Fahreignung in Frage stellen, setzt der vorsorgliche Führerausweisentzug voraus, dass ernsthafte Zweifel an der Fahreignung einer Person bestehen (vgl. BGer 1C_384/2017 vom 7. März 2018 E. 2.2 mit Hinweisen).
4. (…).
5. (…).
Demnach erkennt das Verwaltungsgericht auf dem Zirkulationsweg zu Recht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Der Beschwerdeführer bezahlt die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens von CHF 1‘500 unter Verrechnung mit seinem in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss.
Ausseramtliche Kosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht entschädigt.
Der Abteilungspräsident Der Gerichtsschreiber
Zürn Scherrer
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