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Urteil Verwaltungsgericht (SG - B 2018/16, B 2018/17)

Zusammenfassung des Urteils B 2018/16, B 2018/17: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass A.Y. und ihr ehemaliger Ehemann, K.Y., gemeinsam für Nachsteuern der Jahre 2003 bis 2007 veranlagt werden. A.Y. hatte eine Selbstanzeige über nicht deklarierte Einkünfte eingereicht. Trotz ihrer Einsprüche wurden die Nachsteuern bestätigt. Das Gericht urteilte, dass die gemeinsame Veranlagung der Eheleute korrekt war, da sie zum Zeitpunkt der Steuerjahre rechtlich und faktisch noch verheiratet waren. A.Y.s Anträge auf separate Veranlagung und Aufhebung der Solidarhaftung wurden abgelehnt. Die Beschwerden von A.Y. wurden daher abgewiesen, und sie muss die Gerichtskosten tragen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts B 2018/16, B 2018/17

Kanton:SG
Fallnummer:B 2018/16, B 2018/17
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid B 2018/16, B 2018/17 vom 15.03.2018 (SG)
Datum:15.03.2018
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Steuerrecht, Art. 20 Abs. 1 StG, Art. 9 Abs. 1 DBG.Die Vorbringen der Beschwerdeführerin im Nachsteuerverfahren, es fehle der Nachweis, dass ihr aus der Delinquenz ihres Ehemannes in irgendeiner Weise Mittel zugeflossen seien, vermag nichts am Grundsatz zu ändern, dass das Einkommen der Ehegatten, die in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe leben, ohne Rücksicht auf den Güterstand zusammengerechnet wird (Verwaltungsgericht, B 2018/16 und B 2018/17).
Schlagwörter: Steuer; Steuern; Ehegatten; Bundes; Gemeinde; Recht; Kantons; Vorinstanz; Bundessteuer; Verfahren; Gemeindesteuern; Entscheid; Veranlagung; Ehemann; Ehefrau; Antrag; Einkommen; Verwaltungsgericht; Verfahrens; Steueramt; Beschwerden; Besteuerung; Bezug; Steuerjahr; Haftung; Gemeinschaft; Beschwerdeverfahren; äftig
Rechtsnorm: Art. 127 BV ;Art. 13 DBG ;Art. 140 DBG ;Art. 144 DBG ;Art. 42 DBG ;Art. 9 DBG ;
Referenz BGE:112 I 139; 135 II 260;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts B 2018/16, B 2018/17

Entscheid vom 15. März 2018

Besetzung

Abteilungspräsident Zürn; Verwaltungsrichterin Bietenharder, Verwaltungsrichter Engeler; Gerichtsschreiber Scherrer

Verfahrensbeteiligte

A.Y.,

Beschwerdeführerin,

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Matthias Gmünder, Gmünder Frischknecht &

Partner, Bahnhofstrasse 7, 9630 Wattwil,

gegen

Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Unterstrasse 28, 9001 St.

Gallen,

Vorinstanz,

und

Kantonales Steueramt, Davidstrasse 41, 9001 St. Gallen,

Beschwerdegegner,

sowie

Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Direkte Bundessteuer,

Eigerstrasse 65, 3003 Bern, Beschwerdebeteiligte, Gegenstand

Nachsteuern (Kantons- und Gemeindesteuern sowie direkte Bundessteuer 2003, 2004, 2006, 2007)

Das Verwaltungsgericht stellt fest:

  1. A.Y. (geboren 1950) und ihr ehemaliger Ehemann, K.Y. (geboren 1950), leben seit dem Jahre 2008 getrennt. Betreffend die Kantons- und Gemeindesteuern 2003 bis 2007 sowie für die direkte Bundessteuer 2003 bis 2007 wurden sie rechtskräftig veranlagt.

  2. A.Y. liess dem Kantonalen Steueramt am 2. Oktober 2012 eine Selbstanzeige über bisher nicht deklarierte Einkommens- und Vermögenswerte einreichen (act. 7/7-II/12). Das Nachsteuerverfahren betreffend die Jahre 2008 bis 2011 in Sachen A.Y. (getrennt lebend) wurde am 20. Februar 2015 abgeschlossen (act. 7/7-II/1). Das Nachsteuerverfahren betreffend die Kantons- und Gemeindesteuern (2003 bis 2007) und die direkte Bundessteuer (2003 bis 2007) gegen K.Y., S., und A.Y., X., wurde am

    13. Dezember 2013 eingeleitet (act. 7/7-I/28). Grund dafür waren, nebst der Selbstanzeige, Untersuchungen beim Untersuchungsrichteramt und ein Gerichtsverfahren, welche durch deliktische Handlungen des Ehemanns ausgelöst

    wurden (act. 7/7-I/1). Nach Abschluss des Nachsteuerverfahrens betreffend die Q. AG stellte das Kantonale Steueramt dem Ehepaar A.Y. und K.Y. am 17./18. November 2016 die Veranlagungsvorschläge für die Nachsteuern der Steuerperioden 2003 bis 2007 zu (act. 7/7-I/20 und 21). Am 23. Dezember 2016 ergingen korrigierte

    Veranlagungsverfügungen für das Steuerjahr 2003, 2004, 2006 und 2007 an A.Y. und ihren Ehemann (act. 7/7-I/11 und 12). Darin verfügte das Kantonale Steueramt folgende Nachsteuern samt Zinsen: Für die Kantons- und Gemeindesteuern 2003 der Stadt X. CHF 945.40, für die Kantons- und Gemeindesteuern 2003 der Gemeinde T.

    CHF 757.25, für die direkte Bundessteuer 2003 CHF 10‘158, für die Kantons- und Gemeindesteuern 2004 der Stadt X. CHF 26‘019.15, für die Kantons- und Gemeindesteuern 2004 der Gemeinde T. CHF 261.30, für die direkte Bundessteuer 2004 CHF 15‘472.65, für die Kantons- und Gemeindesteuern 2006 CHF 19‘263.70, für die direkte Bundessteuer 2006 CHF 11‘210.80, für die Kantons- und Gemeindesteuern 2007 CHF 15‘209.70 und für die direkte Bundessteuer 2007 CHF 8‘892.25 (act. 7/24-5 bis 24). Für das Steuerjahr 2005 wurden offenbar keine Nachsteuern verfügt.

    Am 26. Januar 2017 liess A.Y. gegen die Veranlagungsverfügungen beim Kantonalen Steueramt Einsprache erheben. Gleichzeitig ersuchte sie um Entlassung aus der Solidarhaftung beziehungsweise um Stundung Erlass (act. 7/7-I/I6). Die Einsprache wurde mit Entscheid vom 14. Februar 2017 abgewiesen (act. 7/7-I/1).

  3. Die Verwaltungsrekurskommission wies die gegen den Einspracheentscheid erhobenen Rechtsmittel (Rekurs für die Kantons- und Gemeindesteuern, Beschwerde für die direkte Bundessteuer) am 12. Dezember 2017 ab, soweit sie darauf eintrat.

  4. A.Y. (Beschwerdeführerin) liess gegen den am 13. Dezember 2017 versandten Entscheid der Verwaltungsrekurskommission (Vorinstanz) mit Eingabe ihres Rechtsvertreters vom 12. Januar 2018 Beschwerden beim Verwaltungsgericht mit den Anträgen erheben, unter Kosten- und Entschädigungsfolge sei der Entscheid der Vorinstanz aufzuheben (Antrag 1), es seien die Nachsteuern der Ehefrau aufgrund der Selbstdeklaration der Ehefrau Dossier act. II zu verfügen (Antrag 2), es sei davon

„Vormerk“ zu nehmen, dass das Verfahren betreffend Aufhebung der Solidarität nach rechtskräftigem Abschluss des vorliegenden Verfahrens erfolgen soll (Vorinstanz E. 5

letzter Satz) (Antrag 3); eventuell sei der Entscheid zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Antrag 4).

In der Vernehmlassung vom 2. Februar 2018 verwies die Vorinstanz auf die Erwägungen des angefochtenen Entscheides und beantragte die Abweisung der Beschwerden. Das Kantonale Steueramt (Beschwerdegegner) verzichtete am

7. Februar 2018 auf eine Vernehmlassung und beantragte die Abweisung der Beschwerden. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (Beschwerdebeteiligte) verzichtete stillschweigend auf eine Vernehmlassung.

Auf die Erwägungen des angefochtenen Entscheids und die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur Begründung ihrer Anträge sowie die Akten wird, soweit wesentlich, in den Erwägungen eingegangen.

Darüber zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

1. Da die steuerrechtlichen Vorschriften des Bundes und der Kantone zur Veranlagung des Einkommens hinsichtlich der Einkünfte und der Abzüge sowie der Voraussetzungen zur Veranlagung von Nachsteuern vereinheitlicht sind, hat die Vorinstanz die Rekurse betreffend die Kantons- und Gemeindesteuern 2003, 2004, 2006, 2007 einerseits und die Beschwerden betreffend die direkten Bundessteuern 2003, 2004, 2006, 2007 andererseits zu Recht im gleichen Urteil, aber mit getrennten Dispositivziffern erledigt (BGE 135 II 260 E. 1.3). Ebenso ist es zulässig, dass das Verwaltungsgericht über die Beschwerden im gleichen Akt entscheidet (vgl. BGer 2C_440 und 441/2014 vom 10. Oktober 2014 E. 1.2; VerwGE B 2014/222 und 223 vom

25. Februar 2016 E. 1; www.gerichte.sg.ch). Die Verfahren können dementsprechend

vereinigt und in einem einzigen Entscheid erledigt werden.

2. Das Verwaltungsgericht ist zum Entscheid in der Sache zuständig (Art. 59 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1, VRP; Art. 196 Abs. 1 des Steuergesetzes, sGS 811.1, StG; Art. 1 Abs. 3 und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, sGS 815.1; Art. 145 des Gesetzes über die direkte Bundessteuer, SR 642.11, DBG). Die Beschwerdeführerin ist in den im Streit liegenden Jahren als Ehepartnerin in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe (Art. 9

Abs. 1 DBG und Art. 20 Abs. 1 StG) zur Beschwerde legitimiert, und ihre Eingabe vom

12. Januar 2018 entspricht zeitlich, formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (Art. 196 Abs. 1 StG in Verbindung mit Art. 64 und Art. 48 Abs. 1 VRP; Art. 145 in Verbindung mit Art. 140 Abs. 1 und 2 DBG). Auf die Beschwerden ist somit einzutreten.

Die Kognition des Verwaltungsgerichts ist auf Rechtsverletzungen beschränkt; die beschwerdeführende Person kann sich sodann auch darauf berufen, die angefochtene Verfügung der angefochtene Entscheid beruhe auf einem unrichtig unvollständig festgestellten Sachverhalt (Art. 61 VRG). Das Verwaltungsgericht ist im Steuerrecht nicht an die Begehren der Verfahrensbeteiligten gebunden (Art. 196 Abs. 2 StG) und das Novenverbot im Sinne von Art. 61 Abs. 3 VRP gilt in diesem Rechtsbereich nicht (vgl. VerwGE B 2007/218 vom 13. März 2008 E. 2.1, B 2012/266 vom 12. Februar 2014 E. 2.4.1 und B 2013/8 und 9 vom 12. Februar 2014 E. 4.1, www.gerichte.sg.c h).

  1. Vor der Vorinstanz stellte die Beschwerdeführerin die Anträge, die Entscheide des Kantonalen Steueramtes vom 14. Februar 2017 und die solidarische Haftung zwischen den Ehegatten seien aufzuheben und es seien die Nachsteuern der Ehefrau aufgrund der Selbstdeklaration der Ehefrau zu verfügen (act. 2 Sachverhalt C; act. 7/1 und 7/17). Diese Anträge wurden von der Vorinstanz gemäss Dispositiv (Ziffern 1 und 2) abgewiesen, soweit darauf eingetreten wurde. Die Vorinstanz hält in ihren Erwägungen fest, dass die Nachsteuern der Jahre 2003, 2004, 2006 und 2007 betreffend die Kantons- und Gemeindesteuern sowie die direkten Bundessteuern zu Recht erhoben worden seien; zudem sei nichts vorgebracht worden, was eine Änderung der Höhe der veranlagten Nachsteuern zur Folge habe. Da sich die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann erst im Jahr 2008 getrennt hätten, sei die gemeinsame Veranlagung in den strittigen Steuerjahren zu Recht erfolgt (E. 3); eine separate Veranlagung der Ehefrau sei nicht möglich (E. 4). Nicht eingetreten wurde auf den Antrag, es sei die solidarische Haftung zwischen den Ehegatten aufzuheben (E. 5). Über diese Frage sei bei einem Nachsteuerverfahren erst im Bezugsverfahren zu entscheiden. Dementsprechend habe die Vorinstanz darüber erst nach rechtskräftigem Abschluss des vorliegenden Verfahrens zu befinden.

  2. Die Beschwerdeführerin beantragt, es sei davon „Vormerk“ zu nehmen, dass das Verfahren betreffend Aufhebung der Solidarität nach rechtskräftigem Abschluss des vorliegenden Verfahrens erfolgen soll (Antrag 3).

    Die Vorinstanz hält in ihrem Entscheid (E. 5) fest, dass zum Erlass einer Haftungsverfügung der Beschwerdegegner zuständig sei. Diese Frage sei beim Nachsteuerverfahren im Bezugsverfahren zu klären. Die Beschwerdeführerin widerspricht diesen Ausführungen nicht. Sie verlangt denn auch einzig in ihrem Rechtsbegehren, es sei „Vormerk“ zu nehmen, dass das Verfahren betreffend Aufhebung der Solidarität nach rechtskräftigem Abschluss des vorliegenden Verfahrens erfolgen soll. Das vorliegende Verfahren betrifft einzig die Veranlagungen respektive die Veranlagungsverfahren der Jahre 2003, 2004, 2006, 2007. Der verlangte „Vormerk“ bezieht sich jedoch auf das Bezugsverfahren dieser Veranlagungen, welches nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist. Deshalb kann auf diesen Antrag nicht eingetreten werden.

  3. Zu prüfen ist, ob die Nachsteuern der Ehefrau aufgrund der Selbstdeklaration der Ehefrau (act. 7/7-I/5) zu verfügen seien. Die Vorinstanz hat entschieden, die Nachbesteuerung habe mit dem Ehemann gemeinsam – so wie in den angefochtenen Einspracheentscheiden 2003, 2004, 2006, 2007 angewandt – zu erfolgen.

    1. Der Vertreter der Beschwerdeführerin bringt zur Begründung in seiner Beschwerde im Wesentlichen vor, es fehle ein Nachweis, dass der Ehefrau Mittel aus der Delinquenz des Ehemanns in irgendeiner Weise zugeflossen seien. Auch fehle es an der diesbezüglichen Beweisbeschaffung durch die Vorinstanz, was ein grober Fehler in der Sachverhaltsermittlung sei. Die Vorgehensweise von K.Y. entspreche einem patriarchalischen Verhalten, weshalb ein „Gefälle“ zwischen den Ehegatten bestehe. In der Begründung würde die unvollständige Wiedergabe eines Zitates der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Gehilfenschaft einer Straftat vorgebracht, womit der Grundsatz von Treu und Glauben verletzt werde. Zudem habe sich die Beschwerdeführerin an der Delinquenz des Ehemanns nicht beteiligt. Auch sei der Geldfluss der unversteuerten Gelder durch Bankkontos – nicht wie beantragt – durch den Beizug entsprechender Akten untersucht worden. Die Finanzmittel seien der Eigengutsfirma des Ehemanns auf unterschiedliche Weisen wieder zugeflossen. Dies

      könne aus den Bankakten, den Untersuchungsakten und den Aussagen des Ehemanns in den Strafakten und den übrigen Behauptungen aus dem Verfahren sowie aus den Beilagen 17 und 18 entnommen werden. Auch aus den Untersuchungen der Strafbehörden sei nicht mit einem Dokument nachgewiesen worden, dass Mittel an die Ehefrau zugeflossen seien sie dadurch bereichert sei. Angesichts des nicht nachgewiesenen Mittelzuflusses könne der Ehefrau kein Einkommen aufgerechnet werden. Jede andere Vorteilszurechnung an die Beschwerdeführerin sei aus den gesamten Akten nicht ersichtlich und von der Vorinstanz nicht nachgewiesen.

    2. Das Einkommen der Ehegatten, die in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe leben, wird ohne Rücksicht auf den Güterstand zusammengerechnet (Art. 9 Abs. 1 DBG und Art. 20 Abs. 1 StG).

    3. Das Legalitätsprinzip ist als einer der wichtigsten Grundsätze im Steuer- und Abgaberecht in Art. 127 Abs. 1 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (SR 101, BV) ausdrücklich verankert und inhaltlich umschrieben. Es verwirklicht einerseits die Ideen der Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit und dient andererseits der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns. Für die Steuern gilt ohne Ausnahmen, dass ihre wesentlichen Elemente durch ein Gesetz im formellen Sinn festzulegen sind. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, mit hinreichender Bestimmtheit diejenigen Elemente des Steuerrechtsverhältnisses selbst zu regeln, die für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger das Ausmass, den Umfang und die Grenzen der Steuerpflicht festlegen (Vallender/Wiederkehr, in: Ehrenzeller et al. [Hrsg.], Die Schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, N 5 ff. zu

      Art. 127 BV).

    4. Das Kreisschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung (EStV) Nr. 30 (zitiert KS 30) konkretisiert den Grundsatz der gemeinsamen Veranlagung von Ehepaaren nach Art. 9 DBG. Danach betrachtet der Gesetzgeber die Familie als wirtschaftliche Gemeinschaft. Sie bildet auch in steuerlicher Hinsicht eine Einheit. Die

      Gemeinschaftsbesteuerung wird durch die Heirat ausgelöst. Die Ehegatten unterliegen für die ganze entsprechende Steuerperiode der Gemeinschaftsbesteuerung. Bei Tod enden die Ehe und somit auch die Gemeinschaftsbesteuerung. Bei Scheidung sowie bei rechtlicher tatsächlicher Trennung werden die Ehegatten für die ganze

      Steuerperiode getrennt besteuert (Art. 42 Abs. 2 DBG). So ist auch ein Ehepaar, das zwar rechtlich noch in ungetrennter Ehe lebt, aber faktisch getrennt ist, nicht mehr zusammen zu veranlagen. Eine solche faktische Trennung liegt dann vor, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfolgt sind: (1) Keine gemeinsame eheliche Wohnung, Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes, Bestehen eines eigenen Wohnsitzes für jeden Ehegatten; (2) keine gemeinschaftlichen Mittel für Wohnung und Unterhalt mehr vorhanden; (3) kein gemeinsames Auftreten des Ehepaares in der Öffentlichkeit mehr; (4) die Trennung muss von Dauer sein (mindestens 1 Jahr) mit der Auflösung der Ehe enden. Der Beweis über das Bestehen einer faktischen Trennung ist von den Ehegatten zu erbringen (KS 30, Ziffer 1).

      Diese Ausführungen werden von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gestützt und ergänzt. Danach hat der Bundesgesetzgeber zwar die Gedanken der Gleichberechtigung der Ehegatten im neuen Recht voll verwirklicht, doch bleiben die Ehegatten weiterhin nicht nur zu einer rechtlich-sittlichen, sondern auch zu einer wirtschaftlichen Gemeinschaft verbunden. Obwohl die Errungenschaftsbeteiligung als neuer ordentlicher Güterstand innerhalb der ehelichen Gemeinschaft klarere Nutzungs- und Vermögensverhältnisse geschaffen und besonders den Grundsatz der bloss individuellen Haftung verwirklicht hat, bilden die Ehegatten weiterhin eine Erwerbs- und Verbrauchergemeinschaft. Daran knüpft auch das Steuerrecht an. Auch wenn der Bundesgesetzgeber in den harmonisierten Steuergesetzen den Gedanken der Gleichberechtigung und Partnerschaft der Ehegatten voll verwirklicht hat, behandelt er die Ehegatten nicht als voneinander völlig unabhängige Steuersubjekte. So hat er sich gegen die Individualbesteuerung der Ehegatten und für die Beibehaltung des Instituts der Familienbesteuerung, d.h. für die Zusammenrechnung der Steuerfaktoren, entschieden, was auch in der Doktrin als zulässig erachtet wird. Ferner hat er in Art. 13 DBG eine spezifische Haftungsnorm eingeführt, welche die Solidarhaftung bei den Ehegatten für die Gesamtdauer begründet. Zudem berücksichtigt das Steuerrecht nicht, unter welchem Güterstand die Ehegatten leben. Das kommt namentlich in der Faktorenaddition zum Ausdruck. Die Steuerfaktoren der in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe lebenden Ehegatten werden für die Steuerberechnung „ohne Rücksicht auf den Güterstand“ zusammengerechnet (so ausdrücklich Art. 3 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden, SR 642.14, StHG, und Art. 9 Abs. 1 DBG; BGE 112 I 139 E. 4). Dank der

      Faktorenaddition gibt es keine steuerlichen Schranken innerhalb der Ehegattengemeinschaft. Die Einkünfte eines Ehepartners werden nur einmal, nämlich anlässlich ihres Zuflusses bei einem der Partner, steuerlich erfasst (Richner/Frei/ Kaufmann/Meuter, Handkommentar zum DBG, 3. Aufl. 2016, N 25 zu Art. 9 DBG).

    5. Gemäss obigen Ausführungen zur Ehegattenbesteuerung nach Art. 9 Abs. 1 DBG und Art. 25 Abs. 1 StG kann nach dem klaren Wortlaut von der Zusammenrechnung der Steuerfaktoren nur dann abgewichen werden, wenn die Ehegatten in rechtlich und tatsächlich beziehungsweise faktisch getrennter Ehe leben einer der Beiden stirbt. Dies sind die einzigen Voraussetzungen, welche der Gesetzgeber vorsieht, um von der gemeinsamen Besteuerung der Ehegatten abzuweichen. Das Legalitätsprinzip bindet den Rechtsanwender an die vom Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen.

    6. Die Beschwerdeführerin bringt nicht vor, dass sie rechtlich tatsächlich in den im Streit liegenden Steuerjahren in getrennter Ehe gelebt habe. Ebenso ist der Ehemann in diesen strittigen Steuerperioden nicht verstorben. Sie macht im Wesentlichen geltend, dass sie von dem an den Ehmann zugeflossenen Einkommen aus Delikten nichts erhalten habe.

      Gemäss Art. 9 Abs. 1 DBG und Art. 25 Abs. 1 StG ist es unerheblich für die gemeinsame Besteuerung von Ehegatten, ob der Einkommenszufluss aus Delikt erfolgt und ob das entsprechende Einkommen nur einem der Ehegatten tatsächlich zugeflossen ist. Somit sind die Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht geeignet, eine getrennte Besteuerung betreffend die im Streit liegenden Nachsteuern zu bewirken. Deshalb sind auch die Rügen betreffend die Sachverhaltsermittlung in Bezug auf die Delinquenz sowie betreffend die unvollständige Wiedergabe eines Zitates der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Gehilfenschaft unerheblich. Die Beschwerdeführerin rügt zudem die Höhe der Nachsteuerveranlagungen nicht, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist.

  4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber betreffend die gemeinsame Veranlagung und Besteuerung von Ehegatten eine abschliessende Ordnung erlassen hat. Da die Ehegatten in den im Streit liegenden Steuerjahren in einer rechtlich und tatsächlich ungetrennten Ehe gelebt haben, hat der Beschwerdegegner in

    den Nachsteuerverfügungen zu Recht die Beschwerdeführerin und ihren Ehegatten gemeinsam veranlagt. Deshalb hat die Vorinstanz folgerichtig den Antrag, die Beschwerdeführerin sei aufgrund ihrer Selbstdeklaration eigenständig zu veranlagen, abgewiesen. Zu Recht ist die Vorinstanz auch nicht auf den Antrag eingetreten, die solidarische Haftung sei in den im Streit liegenden Steuerjahren zwischen den Ehegatten aufzuheben. Ein entsprechender „Vormerk“ für ein künftiges Verfahren kann in diesem Beschwerdeverfahren nicht erfolgen, da das Bezugsverfahren nicht Gegenstand ist. Auf dieses Rechtsbegehren ist deshalb nicht einzutreten.

  5. Aufgrund obiger Erwägungen ergibt sich:

    1. Die Beschwerden betreffend die Kantons- und Gemeindesteuern 2003, 2004, 2006, 2007 sowie der direkten Bundessteuern 2003, 2004, 2006, 2007 sind abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

    2. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die amtlichen Kosten der Beschwerdeverfahrens von der Beschwerdeführerin zu tragen (Art. 95 Abs. 1 VRP; Art. 144 Abs. 1 DBG). Entscheidgebühren für das Verfahren betreffend Kantons- und Gemeindesteuern 2003, 2004, 2006, 2007 von CHF 1‘500 und für das Verfahren

betreffend direkte Bundessteuer 2003, 2004, 2006, 2007 von CHF 1‘000, insgesamt CHF 2‘500, sind angemessen (Art. 7 Ziff. 222 der Gerichtskostenverordnung;

sGS 941.12, GKV; Art. 144 Abs. 5 DBG in Verbindung mit Art. 7 Ziff. 222 GKV). Sie sind mit den von der Beschwerdeführerin in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschüssen zu verrechnen. Ausseramtliche Kosten sind nicht zu entschädigen (Art. 98 Abs. 1 und Art. 98bis VRP; Art. 144 Abs. 4 DBG in Verbindung mit Art. 64 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren, SR 172.021).

Demnach erkennt das Verwaltungsgericht auf dem Zirkulationsweg zu Recht:

  1. Die Beschwerdeverfahren B 2018/16 und B 2018/17 werden vereinigt.

  2. Die Beschwerde B 2018/16 betreffend Kantons- und Gemeindesteuern (Nachsteuern Einkommen und Vermögen 2003, 2004, 2006 und 2007) wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

  3. Die Beschwerde B 2018/17 betreffend direkte Bundessteuer (Nachsteuern Einkommen 2003, 2004, 2006 und 2007) wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

  4. Die Beschwerdeführerin bezahlt die amtlichen Kosten von CHF 1‘500 für das Beschwerdeverfahren betreffend Kantons- und Gemeindesteuern und von CHF 1‘000 für das Beschwerdeverfahren betreffend direkte Bundessteuer unter Verrechnung mit den von ihr in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschüssen.

  5. Ausseramtliche Kosten für die Beschwerdeverfahren werden nicht entschädigt.

Der Abteilungspräsident Der Gerichtsschreiber Zürn Scherrer

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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