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Urteil Verwaltungsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:B 2015/37
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid B 2015/37 vom 27.09.2016 (SG)
Datum:27.09.2016
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Alimentenbevorschussung, Inkassohilfe, Zuständigkeit, Art. 6 Abs. 1, Art. 290
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 122 BV ; Art. 25 ZGB ; Art. 287 ZGB ; Art. 289 ZGB ; Art. 290 ZGB ; Art. 293 ZGB ; Art. 308 ZGB ; Art. 95 ZPO ;
Referenz BGE:106 II 283; 137 III 193; 138 II 506; 140 V 328; 141 II 161; 141 V 255;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
und Art. 293 Abs. 2 ZGB, Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 5 Abs. 1 und Art. 10 GIVU, Art. 3 und Art. 9 VV GIVU. Eine einmal begründete örtliche Zuständigkeit für die Bevorschussung resp. die Inkassohilfe hat auch für rückwirkend geltend gemachte ausstehende Alimente Bestand (E. 3.1

ff.). Mangels Inanspruchnahme der gesetzlichen Inkassohilfe oder anderweitiger Inkassoversuche steht der Beschwerdeführerin kein Anspruch auf Bevorschussung der ausstehenden Unterhaltsbeiträge zu (E. 4.2), (Verwaltungsgericht, B 2015/37). Entscheid vom 27. September 2016

Besetzung

Präsident Eugster; Verwaltungsrichter Heer, Bietenharder, Zindel, Ersatzrichter Engeler; Gerichtsschreiber Bischofberger

Verfahrensbeteiligte

Politische Gemeinde St. Gallen, Soziale Dienste St. Gallen, Brühlgasse 1, Postfach 563, 9004 St. Gallen,

Beschwerdeführerin,

gegen

Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, Wassergasse 44, 9001 St. Gallen,

Vorinstanz,

und

Politische Gemeinde X., Gemeinderat,

Beschwerdegegnerin,

Gegenstand

Inkasso und Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen

Das Verwaltungsgericht stellt fest:

  1. A.Y., geboren 1983, und B.Y., geboren 1968, heirateten am 30. November 2011 in T. Ihre beiden gemeinsamen Kinder C.Y., geboren 2006, und D.Y., geboren 2007, stehen unter gemeinsamer elterlicher Sorge. Wegen eingeschränkter Erziehungsfähigkeit entzog das damalige Vormundschaftsamt St. Gallen (neu: Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB Region St. Gallen) A.Y. und B.Y. am 14. Juni 2012 die Obhut über ihre gemeinsamen Kinder. C.Y. und D.Y. wurden auf Kosten der Politischen Gemeinde St. Gallen in einer Pflegefamilie in L. fremdplatziert und verbeiständet. Am 31. Juli 2012 zog A.Y. nach M. (Politische Gemeinde N.). B.Y. zog in der Folge nach O. (Politische Gemeinde P.). Mit Entscheid des Kreisgerichts St. Gallen vom 31. Juli 2013 wurde die Ehe geschieden und B.Y. rückwirkend ab 1. August 2012 zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen (bis Ende Fremdplatzierung monatlich CHF 500 pro Kind) zu Gunsten seiner Kinder verpflichtet. Dieser Entscheid wurde am

    5./6. August 2013 rechtskräftig und vollstreckbar. Mit Beschluss der KESB Region St. Gallen vom 13. August 2013 wurden C.Y. und D.Y. zu ihrer Grossmutter (K.S.) nach St.

    Gallen umplatziert, wo sie sich bereits seit dem 11. August 2013 aufhielten (act. 9/7/1/1-4).

  2. Am 20. August 2013 ersuchten die Sozialen Dienste der Politischen Gemeinde St. Gallen anstelle von C.Y. und D.Y. bei der Politischen Gemeinde X. um Alimentenbevorschussung für den Zeitraum von Mai bis Juli 2013 und um Inkassohilfe für den Zeitraum von August 2012 bis April 2013. Mit Verfügung vom 18. Dezember 2013 wies der Gemeinderat X. das Gesuch ab (act. 9/1.1 und act. 9/7/1). Dagegen rekurrierte die Politische Gemeinde St. Gallen am 14. Januar 2014 beim Versicherungsgericht (act. 9/1). Mit Entscheid vom 28. Januar 2015 wies das Versicherungsgericht den Rekurs ab (act. 2). Es begründete seinen Entscheid damit, dass die örtliche Zuständigkeit für die Alimentenbevorschussung und die Inkassohilfe lediglich den zivilrechtlichen Wohnsitz zum Zeitpunkt der Gesuchstellung voraussetze. Der zivilrechtliche Wohnsitz müsse nicht zusätzlich während des gesamten Zeitraums erfüllt sein, für den die Alimentenbevorschussung oder die Inkassohilfe in Anspruch genommen werde bzw. in Anspruch genommen werden könne. Dafür sprächen hauptsächlich verfahrensökonomische Gründe. Ziehe ein Kind um, wäre es bzw. der zur Entgegennahme des Beitrags befugte Elternteil in Konstellationen, wie sie im vorliegenden Fall gegeben seien, gezwungen, bei zwei Gemeinden gleichzeitig ein Gesuch um Inkassohilfe und Bevorschussung einzureichen. Für ein solch doppelspuriges Vorgehen spreche weder der Wortlaut des Gesetzes noch sei ersichtlich, dass der Gesetzgeber diese Erschwernis bezweckt habe. Die Regelung von Art. 9 der Vollzugsverordnung zum Gesetz über Inkassohilfe und Vorschüsse für Unterhaltsbeiträge (sGS 911.511, VV GIVU) sei auch auf Fälle anzuwenden, in denen bei Gesuchseinreichung ein neuer Wohnsitz vorliege und für drei rückliegende Monate Alimentenbevorschussung beantragt werde. Die Zuständigkeit der Politischen Gemeinde X. habe mit dem Wegzug der Kinder geendet. Die einmal begründete örtliche Zuständigkeit der neuen Wohnsitzgemeinde habe auch für die Geltendmachung allfälliger rückwirkender Alimente Bestand. Gleiches gelte auch für die Inkassohilfe.

  3. Gegen den Entscheid des Versicherungsgerichtes (Vorinstanz) vom 28. Januar 2015 (expediert am 19. Februar 2015) erhob die Politische Gemeinde St. Gallen (Beschwerdeführerin) am 4. März 2015 Beschwerde beim Verwaltungsgericht (act. 1). Am 30. März 2015 ergänzte sie ihre Beschwerde mit einer Begründung und dem

    Rechtsbegehren, in Gutheissung der Beschwerde sei der angefochtene Entscheid unter Kosten- und Entschädigungsfolge aufzuheben und die Politische Gemeinde X. (Beschwerdegegnerin) zu verpflichten, die Alimentenbevorschussung der Kinder C.Y. und D.Y. im Zeitraum vom 1. Mai 2013 bis 31. Juli 2013 auszurichten und für die im Zeitraum vom 1. August 2012 bis 30. April 2013 ausstehenden Alimente Inkassohilfe zu leisten. Überdies sei festzustellen, dass sich die zeitlich exakt auf die Dauer des zivilrechtlichen Wohnsitzes der anspruchsberechtigten Person begrenzte Zuständigkeit der Gemeinden für die Alimentenbevorschussung und die Inkassohilfe ausschliesslich auf die während dieser Zeit fällig werdenden Alimente beziehe (act. 5). Mit Stellungnahme vom 1. Mai 2015 (act. 11) beantragte die Beschwerdegegnerin, die Beschwerde sei unter Kostenfolge abzuweisen.

    Auf die weiteren Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Begründung ihrer Anträge und die Akten wird, soweit wesentlich, in den Erwägungen eingegangen.

    Darüber zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

    1. Die sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ist gegeben (Art. 59bis Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1, VRP). Die Beschwerdeeingabe vom 4. März 2015 (act. 1) erfolgte rechtzeitig und erfüllt zusammen mit der Ergänzung vom 30. März 2015 (act. 5) formal und inhaltlich die gesetzlichen Anforderungen (vgl. Art. 64 in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 1 und 2 VRP). Die Beschwerdebefugnis setzt ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids voraus (vgl. Art. 64 in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 VRP und zum Grundsatz der Einheit des Verfahrens Art. 111 Abs. 1 sowie Art. 89 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht, Bundesgerichtsgesetz; SR 173.110, BGG).

Gemäss Art. 289 Abs. 2 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (SR 210, ZGB) geht der Anspruch auf Unterhalt, den das Kind gegenüber seinen Eltern hat, mit allen Rechten auf das Gemeinwesen über, wenn dieses für den Unterhalt des Kindes aufkommt (gesetzliche Subrogation im Sinne von Art. 166 des Bundesgesetzes

betreffend die Ergänzung des ZGB, Fünfter Teil: Obligationenrecht, SR 220, OR, vgl. hierzu BGE 137 III 193 E. 2.1 und BGer 5P.193/2003 vom 23. Juli 2003 E. 1.1.2, und zur Inkassovollmacht und Abtretung unabhängig von Unterstützungsleistungen des Gemeinwesens Art. 6 des Gesetzes über Inkassohilfe und Vorschüsse für Unterhaltsbeiträge, sGS 911.51, GIVU). Der Unterhaltsanspruch des Gemeinwesens kommt beispielsweise dann zum Tragen, wenn der zivilrechtliche Wohnsitz des mit der elterlichen Sorge betrauten Elternteils bei einer Fremdplatzierung des Kindes nicht identisch ist mit dem Unterstützungswohnsitz des Kindes (vgl. hierzu Art. 3 Abs. 2 des Sozialhilfegesetzes, sGS 381.1, SHG, in Verbindung mit Art. 7 Abs. 3 lit. c des Bundesgesetzes über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger, Zuständigkeitsgesetz; SR 851.1, ZUG, und VerwGE B 2014/5 vom 24. März 2015 E. 2, www.gerichte.sg.ch, siehe auch BGE 141 V 255 E. 2.2, allerdings in Bezug auf Art. 21 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, SR 831.30, ELG). Dementsprechend schreibt Art. 5 lit. d VV GIVU in Verbindung mit Art. 289 Abs. 2 ZGB vor, dass das Gemeinwesen in diesem Fall zur Einreichung eines Gesuchs um Bevorschussung berechtigt ist (vgl. Bericht des Departements für Inneres und Militär zum Entwurf eines II. Nachtrags zur VV GIVU vom

17. Mai 2001 Ziff. 3/3). Gleiches muss auch für ein Gesuch um Inkassohilfe gemäss Art. 290 ZGB in Verbindung Art. 1 Abs. 1 GIVU gelten (vgl. hierzu C. Hegnauer, in: Berner Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Band II/2/2/1, Bern 1997, Art. 290 N 11 ff.). Im konkreten Fall ist erstellt (vgl. Schreiben des Sozialamtes vom 26. Juni 2012, act. 9/7/4), dass die Beschwerdeführerin im Sinne von Art. 9 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 SHG für die Kosten der Fremdplatzierung von C.Y. und D.Y. in L. (Politische Gemeinde X.) ab 14. Juni 2012 bis 31. Juli 2013 aufkam und der rückwirkende Unterhaltsanspruch von C.Y. und D.Y. im Zeitraum vom 1. August 2012 bis 31. Juli 2013 damit auf sie übergegangen ist. Auch wird nicht bestritten, dass sich der zivilrechtliche Wohnsitz (Art. 25 Abs. 1 ZGB) von C.Y. und D.Y. vom 1. August 2012 bis

31. Juli 2013 in X. befand (vgl. Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom

1. Mai 2015, act. 11, S. 6 f. Ziff. 2.4). Demzufolge war die unterstützungspflichtige Beschwerdeführerin berechtigt, bei der Beschwerdegegnerin ein Gesuch um rückwirkende Bevorschussung und Inkassohilfe im Sinne von Art. 5 lit. d VV GIVU in Verbindung mit Art. 289 Abs. 2 ZGB zu stellen, obschon sich aus den Akten keine Anhaltspunkte für ein entsprechendes Gesuch des Beistands von C.Y. und D.Y.

zuhanden der Beschwerdeführerin ergeben (vgl. Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB in Verbindung mit Art. 5 lit. b VV GIVU) und sich sowohl der zivilrechtliche Wohnsitz als auch der Unterstützungswohnsitz von C.Y. und D.Y. zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung am 20. August 2013 in St. Gallen befand. Als Gesuchstellerin tritt die Beschwerdeführerin nicht hoheitlich, sondern ohne Entscheidungsbefugnis auf. In dieser Konstellation ist sie gleich wie ein Bürger zu behandeln und ihr die Beschwerdebefugnis nach Art. 64 in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 VRP zuzugestehen. Offen bleiben kann bei diesem Ergebnis, ob sie vorliegend auch in spezifischer, schutzwürdiger Weise in der Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe betroffen wird (vgl. BGer 2C_20/2016 vom 8. April 2016 E. 2.2 mit Hinweisen auf BGE 141 II 161 E. 2.1-2.3, BGer 8C_918/2014 vom 27. Januar 2015 E. 3.2.2.1, BGE 140 V 328 E. 4.1 und

BGE 138 II 506 E. 2.1.1, sowie M. Pflüger, Die Legitimation des Gemeinwesens zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, Zürich/St. Gallen 2013, N 315 ff.) und ihr lediglich mit Verweis auf das Kriterium der Verfügungskompetenz die Berufung auf Art. 64 in Verbindung mit 45 Abs. 2 VRP zu versagen wäre (vgl. VerwGE B 2014/166 vom 17. Dezember 2015 E. 1 und VerwGE B 2014/169 vom 28. Mai 2015

E. 1 je mit Hinweis auf GVP 1992 Nr. 43, www.gerichte.sg.ch, kritisch: Cavelti/Vögeli, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen, 2. Aufl. 2003, N 456 f.). Auf die Beschwerde ist somit grundsätzlich einzutreten.

Nicht einzutreten ist auf das Feststellungsbegehren der Beschwerdeführerin. Ihre Interessen werden dadurch gewahrt, dass nachfolgend – im Rahmen eines gestaltenden Verwaltungsgerichtsentscheides – die strittige Zuständigkeit für die Alimentenbevorschussung und die Inkassohilfe überprüft wird. Damit fehlt es ihr an dem für einen Feststellungsentscheid notwendigen schutzwürdigen Interesse (vgl. zur Subsidiarität des Feststellungsanspruchs VerwGE B 2014/41-45 vom 25. August 2015

E. 1.3 mit Hinweisen und VerwGE B 2011/177 vom 29. August 2012 E. 2.5.1,

www.gerichte.sg.c h).

2. Im hier zu beurteilenden Fall ist nicht umstritten, dass sich der zivilrechtliche

Wohnsitz (Art. 25 Abs. 1 ZGB) von C.Y. und D.Y. im Zeitraum vom 1. August 2012 bis

31. Juli 2013 in X. und ab 1. August 2013 in St. Gallen befand. Auch steht fest, dass die ausstehenden Unterhaltsbeiträge für den Zeitraum vom 1. August 2012 bis 31. Juli

2013 mit Rechtskraft des Scheidungsurteils vom 31. Juli 2013 (act. 9/7/1/1) am 5./6.

August 2013 entstanden, fällig und vollstreckbar wurden. Damit bestand für C.Y. und

D.Y. gemäss Art. 290 ZGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GIVU seit dem 5./6. August 2013 rückwirkend ab 1. August 2012 Anspruch auf gesetzliche Inkassohilfe für ausstehende Unterhaltsbeiträge. Zu untersuchen bleibt, ob die Beschwerdegegnerin für die Beurteilung des Gesuchs um Alimentenbevorschussung und Inkassohilfe örtlich zuständig war und der Beschwerdeführerin, auf welche der Unterhaltsanspruch von

C.Y. und D.Y. übergangen ist (vgl. E. 1 hiervor), im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung

am 20. August 2013 ein Anspruch auf Bevorschussung der im Zeitraum vom 1. Mai bis

31. Juli 2013 ausstehenden Unterhaltsbeiträge zustand.

  1. Hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit stellt sich die Beschwerdeführerin auf den Standpunkt (act. 5, S. 3 ff. Ziff. IV), gemäss Art. 5 Abs. 1 GIVU würden sowohl inner- als auch interkantonal Unterhaltsbeiträge, die fällig geworden seien, nur für denjenigen Zeitraum bevorschusst, in welchem sich der zivilrechtliche Wohnsitz des anspruchsberechtigten Kindes in der betroffenen Gemeinde befunden habe. Ebenso werde gemäss Art. 1 Abs. 2 GIVU das Inkasso für ausstehende Alimente gehandhabt. Eine Ausweitung der Zuständigkeit auf die Bevorschussung und das Inkasso von Unterhaltsbeiträgen, die in einem Zeitraum fällig geworden seien, in welchem sich der zivilrechtliche Wohnsitz des anspruchsberechtigten Kindes nicht in der betroffenen Gemeinde befunden habe, sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Da die Kinder im vorliegenden Fall fremdplatziert seien und die für die Kostenregelung zuständige Gemeinde selbst ein Gesuch um Alimentenbevorschussung und Inkassohilfe bei der ehemaligen Wohnsitzgemeinde gestellt habe, könne nicht von doppelspurigem

    Vorgehen oder einer Erschwernis für das Kind bzw. den sorgeberechtigten Elternteil die Rede sein. Ohnehin könne einem anspruchsberechtigten Kind im Hinblick darauf, dass die jeweils zuständige Gemeinde es fachlich unterstütze, zugemutet werden, in zwei Gemeinden ein Gesuch um Alimentenbevorschussung und Inkassohilfe zu stellen. Art. 9 Abs. 1 VV GIVU beziehe sich nur auf künftige, nach dem Wechsel des zivilrechtlichen Wohnsitzes des anspruchsberechtigten Kinds fällig werdende Alimente.

    1. Zuständig für die Inkassohilfe resp. die Bevorschussung ist gemäss Art. 1 Abs. 2 bzw. Art. 5 Abs. 1 GIVU die politische Gemeinde am zivilrechtlichen Wohnsitz des Kindes. Nicht geregelt ist darin, welche politische Gemeinde im Falle eines Wohnsitzwechsels (rückwirkend) für die Inkassohilfe resp. die Bevorschussung

      zuständig sein soll. Art. 10 GIVU, wonach der Regierungsrat durch Verordnung Vorschriften über das Verfahren erlässt, kann aber entnommen werden, dass es der Kantonsrat dem Verordnungsgeber überliess, die örtliche Zuständigkeit genauer zu regeln (vgl. zur Auslegung und Lückenfüllung VerwGE B 2014/171 vom 25. Februar 2016 E. 2.3 mit zahlreichen Hinweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, www.gerichte.sg.ch). Nach dem Willen des Verordnungsgebers endet die Vorschusspflicht und Inkassovollmacht der bisherigen Wohnsitzgemeinde, wenn der zivilrechtliche Wohnsitz des anspruchsberechtigten Kindes verlegt wird (Art. 9 Abs. 1 VV GIVU). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin (vgl. Beschwerdeergänzung vom 30. März 2015, act. 5, S. 4 Ziff. IV/3) besteht kein Anlass, den Wortlaut dieser Bestimmung dahingehend restriktiv auszulegen, als sie lediglich auf die Änderung der Zuständigkeit durch Wohnsitzwechsel bei laufender Bevorschussung und Inkassohilfe anzuwenden wäre, auch wenn sich Art. 9 Abs. 2 VV GIVU lediglich auf diesen Fall beziehen kann. Vielmehr ist mit der Vorinstanz (act. 2, S. 6 E. 2.3) davon auszugehen, dass nach den allgemeinen Regeln der Gesetzesauslegung (vgl. hierzu VerwGE B 2015/32 vom 19. Juli 2016 E. 4.7.1 mit Hinweisen, www.gerichte.sg.ch) nichts dagegen spricht, Art. 9 Abs. 1 VV GIVU auch in denjenigen Fällen anzuwenden, in welchen nach einem Wohnsitzwechsel um rückwirkende Bevorschussung und Inkassohilfe ersucht wird. Auch in diesem Fall endet somit die örtliche Zuständigkeit der bisherigen Wohnsitzgemeinde mit dem Wegzug des anspruchsberechtigten Kindes.

    2. Hinzu kommt im konkreten Fall, dass die rückwirkend festgesetzten Unterhaltsbeiträge erst nach dem Wohnsitzwechsel von C.Y. und D.Y. entstanden sowie fällig und vollstreckbar geworden sind. Wenn die Zuständigkeit einer politischen Gemeinde gemäss der Darstellung der Beschwerdeführerin (vgl. act. 5, S. 4 f. Ziff. IV/1 und 3) voraussetzen würde, dass einerseits das Erfordernis des zivilrechtlichen Wohnsitzes während des gesamten Zeitraums der Alimentenbevorschussung oder Inkassohilfe – und nicht nur im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung – erfüllt sein müsste und andererseits die ausstehenden Unterhaltsbeiträge während des Wohnsitzes des anspruchsberechtigten Kindes in der betreffenden Gemeinde fällig geworden sein müssten, bestände in Konstellationen wie der vorliegenden die Gefahr, dass die betroffenen Gemeinden versucht sein könnten, sich unter Verweis auf eine dieser Voraussetzungen der gesetzlich vorgesehenen Leistungspflicht (Art. 1 Abs. 1 und Art. 2

      Abs. 1 und Abs. 2 Ziff. 2 GIVU) zu entziehen (negativer Kompetenzkonflikt) und damit gar keine Ansprüche des Kindes bestünden. Zudem widerspricht das letztgenannte Kriterium der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts, wonach es entgegen dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 2 Ziff. 2 GIVU genügt, wenn das Erfordernis der Fälligkeit auch für die zurückliegenden Monatsbetreffnisse erst im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung erfüllt ist (vgl. hierzu VerwGE B 5/1998 vom 4. Juni 1998 E. 2c/cc a.E., insbesondere den Passus „die das Gesetz zulässt“, in: GVP 1998 Nr. 46).

    3. Nach dem Gesagten ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz mit der Beschwerdegegnerin in Erwägung 2.3 f. des angefochtenen Entscheides (act. 2, S. 6 f.) zum Schluss gelangte, dass die einmal begründete örtliche Zuständigkeit der Beschwerdeführerin für die Bevorschussung resp. die Inkassohilfe auch für die rückwirkend geltend gemachten ausstehenden Alimente Bestand hat und die Beschwerdeführerin damit rückwirkend im Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Juli 2013 für die Bevorschussung und im Zeitraum vom 1. August 2012 bis 30. April 2013 für die Inkassohilfe örtlich zuständig war. Daran vermag im Übrigen nichts zu ändern, dass in anderen Kantonen bisweilen kein Anspruch auf rückwirkende Bevorschussung bestehen mag (vgl. act. 5, S. 5 Ziff. IV/4 Abs. 6 f.). Allfällige daraus resultierende finanzielle Vor- oder Nachteile beim Wohnsitzwechsel sind angesichts des nach wie vor geltenden Grundprinzips des föderalen Staatsaufbaus (vgl. Art. 3, Art. 42 ff. und Art. 122 Abs. 1 BV in Verbindung mit Art. 6 und Art. 293 Abs. 2 ZGB und BGE 137 III 193 E.

      3.4 mit Hinweis auf BGE 106 II 283 E. 3 sowie BGer 1P.254/2002 vom 6. November 2002 E. 4.1 f. mit Hinweisen) von den Beteiligten hinzunehmen. Des

      Weiteren räumt die Beschwerdeführerin selbst ein (act. 5, S. 5 Ziff. IV/4 Abs. 3), dass die neue Wohnsitzgemeinde in Konstellationen wie der vorliegenden das Inkasso rückwirkend übernimmt. Darüber hinaus tut nichts zur Sache, ob einem anspruchsberechtigten Kind zugemutet werden könnte, in zwei Gemeinden ein Gesuch um Alimentenbevorschussung und Inkassohilfe zu stellen.

  2. Hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen macht die Beschwerdegegnerin in ihrer Stellungnahme vom 1. Mai 2015 (act. 11, S. 4 ff. Ziff. 2.3) geltend, vor Rechtskraft des Scheidungsurteils am 5./6. August 2013 habe für den Vater noch keine Pflicht zur Bezahlung der im Scheidungsurteil festgesetzten Unterhaltsbeiträge bestanden. Erst ab diesem Zeitpunkt sei es möglich gewesen, angemessene Inkassoversuche

    durchzuführen. Solche seien aber bisher unterblieben, weshalb kein Anspruch auf die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte rückwirkende Alimentenbevorschussung gegeben sei. Ausserdem komme eine rückwirkende Ausrichtung von Vorschüssen für die letzten drei Monate vor der Anmeldung nur in Frage, wenn schon vor Beginn dieser Dreimonatsfrist ein vollstreckbares Urteil oder ein vollstreckbarer Unterhaltsvertrag gemäss Art. 287 ZGB vorhanden gewesen sei.

    1. Massgebend für die Ausrichtung von Vorschüssen für den Unterhalt der Kinder ist das öffentliche Recht der Kantone (vgl. Art. 6 Abs. 1 und Art. 293 Abs. 2 ZGB sowie VerwGE B 5/1998 vom 4. Juni 1998 E. 2c/aa, a.a.O. und E. 3.3 hiervor). Im Kanton St. Gallen setzt ein Anspruch auf Vorschüsse für elterliche Unterhaltsbeiträge zum einen voraus, dass der zu bevorschussende Unterhaltsbeitrag in einem vollstreckbaren Urteil oder in einem Unterhaltsvertrag nach Art. 287 ZGB festgesetzt ist (Art. 2 Abs. 2 lit. a GIVU, vgl. zur Bindung der Alimentenbevorschussungsstelle an rechtskräftige Unterhaltstitel ZVW 2006 S. 147 ff.). Demnach sieht das GIVU nicht vor, dass im Sinn einer vorsorglichen Massnahme Alimente bevorschusst werden können, bevor feststeht, ob und in welchem Umfang diese geschuldet sind (vgl. VerwGE B 5/1998 vom 4. Juni 1998 E. 2c/cc, a.a.O., und zum vorsorglichen Unterhalt Art. 303 der Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zivilprozessordnung, SR 272, ZPO). Zum anderen setzt Art. 2 Abs. 1 lit. b GIVU voraus, dass die Unterhaltsbeiträge trotz angemessener Inkassoversuche nicht rechtzeitig eingehen. Gemäss Art. 3 VV GIVU sind angemessene Inkassoversuche namentlich die Inanspruchnahme der gesetzlichen Inkassohilfe (lit. a), die schriftliche Zahlungsaufforderung (lit. b), die Anhebung der Betreibung (lit. c) oder die Eingabe der Forderung im Konkurs des Schuldners (lit. d). Nach Art. 2 Abs. 2 GIVU werden Unterhaltsbeiträge bevorschusst, die ab Beginn des Monats fällig werden, in dem die Anmeldung des Anspruchs erfolgt (Ziff. 1) oder in den letzten drei Monaten vor Anmeldung des Anspruchs fällig geworden sind (Ziff. 2). Wie bereits unter E. 3.2 hiervor ausgeführt, genügt es entgegen dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 2 Ziff. 2 GIVU und trotz gegenteiliger Auffassung der Beschwerdegegnerin, wenn das Erfordernis der Fälligkeit auch für die zurückliegenden Monatsbetreffnisse erst im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung erfüllt ist (vgl. hierzu auch E. 2.2 des angefochtenen Entscheides, act. 2, S. 5 f., und Vernehmlassung der Vorinstanz vom 15. April 2015, act. 8, S. 2).

    2. Im konkreten Fall kann der Beschwerdeführerin nicht zum Nachteil gereichen, dass sie bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils vom 31. Juli 2013 am 5./6. August 2013 keine Inkassoversuche durchgeführt hat, zumal sie vom Kreisgericht St. Gallen offenbar angewiesen wurde, keinen Elternbeitrag für die Dauer der Platzierung festzulegen (act. 9/7/1). Nach Rechtskraft des Scheidungsurteils am 5./6. August 2013 hat sie zwar bei der Beschwerdegegnerin am 20. August 2013 (act. 9/7/1) um Inkassohilfe für C.Y. (damals sieben Jahre alt) und D.Y. (damals sechs Jahre alt) im Sinne von Art. 3

lit. a VV GIVU ersucht. Sie tat dies jedoch ausdrücklich lediglich für die im Zeitraum vom 1. August 2012 bis 30. April 2013 ausstehenden Unterhaltsbeiträge. Damit fehlt es vorliegend hinsichtlich der im Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Juli 2013 ausstehenden Unterhaltsbeiträge an der Inanspruchnahme der gesetzlichen Inkassohilfe. Überdies bestehen keine Anhaltspunkte für anderweitige Inkassoversuche der Beschwerdeführerin im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. b GIVU in Verbindung mit

Art. 3 VV GIVU bezüglich der im Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Juli 2013 ausstehenden Unterhaltsbeiträge. Solche werden von ihr denn auch nicht dargetan. Vielmehr räumt sie in ihrem Gesuch vom 20. August 2013 selbst ein, dass durch sie – abgesehen von ihrem Gesuch vom 20. August 2013 – nach Rechtskraft des Scheidungsurteils vom

31. Juli 2013 am 5./6. August 2013 und der am 13. August 2013 von der KESB Region St. Gallen verfügten Umplatzierung von C.Y. und D.Y. nach St. Gallen keine Inkassobemühungen erfolgt seien. Ebenfalls nicht aktenkundig sind sodann allfällige Inkassoversuche des Beistands oder der Mutter von C.Y. und D.Y., auf welche sich die Beschwerdeführerin allenfalls berufen könnte. Darüber hinaus bestand für die Beschwerdegegnerin nach Eingang des Gesuchs am 20. August 2013 keine Pflicht, die Beschwerdeführerin zur Durchführung von Inkassoversuchen anzuhalten (vgl. demgegenüber Rekursergänzung vom 27. Januar 2014, S. 3 Ziff. 2, act. 9/3). Der Beschwerdeführerin, auf welche der Unterhaltsanspruch von C.Y. und D.Y. übergangen ist (vgl. E. 1 hiervor), steht somit ungeachtet des vollstreckbaren Scheidungsurteils vom

31. Juli 2013 (act. 9/7/1/1, vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. a GIVU) für den Zeitraum vom

1. Mai 2013 bis 31. Juli 2013 mangels angemessener Inkassoversuche kein Anspruch auf Bevorschussung der ausstehenden Unterhaltsbeiträge für C.Y. und D.Y. zu. Auch aus diesem Grund hat die Vorinstanz den Rekurs im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

5. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten wird. Dem Verfahrensausgang entsprechend trägt die

Beschwerdeführerin die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens (Art. 95 Abs. 1 VRP). Eine Entscheidgebühr von CHF 1500 ist angemessen (Art. 7 Ziff. 222 der Gerichtskostenverordnung, sGS 941.12). Auf die Erhebung wird nicht verzichtet (Art. 95 Abs. 3 VRP). Die Entscheidgebühr wird mit dem geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet.

Die Beschwerdegegnerin war weder berufsmässig vertreten noch belegt und begründet sie zu entschädigende Auslagen. Soweit ihr Rechtsbegehren – „unter Kostenfolge“ – einen Antrag auf ausseramtliche Entschädigung mitenthalten sollte, kann ihr deshalb weder eine Partei- noch eine Umtriebsentschädigung zugesprochen werden (vgl. 98ter VRP in Verbindung mit Art. 95 Abs. 3 ZPO, sowie VerwGE K 2014/2 vom 25. Februar 2016 E. 4 mit Hinweis auf VerwGE B 2013/178 vom 12. Februar 2014

  1. 4 f., www.gerichte.sg.ch). Damit erübrigt sich vorliegend auch die Frage, ob der Beschwerdegegnerin überhaupt ein Anspruch auf die Entschädigung ausseramtlicher Kosten zustehen würde (vgl. VerwGE B 2014/203 vom 25. Mai 2016 E. 5.2 mit Hinweisen).

    Demnach erkennt das Verwaltungsgericht zu Recht:

    1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

    2. Die amtlichen Kosten von CHF 1500 bezahlt die Beschwerdeführerin unter Verrechnung mit dem geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe.

    3. Ausseramtliche Kosten werden nicht entschädigt.

Der Präsident Der Gerichtsschreiber

Eugster Bischofberger

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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