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Urteil Verwaltungsgericht (SG - B 2014/51)

Zusammenfassung des Urteils B 2014/51: Verwaltungsgericht

Eine Schülerin namens C.Z. wollte während des Unterrichts ein islamisches Kopftuch tragen, was von der Schulgemeinde untersagt wurde. Die Eltern von C.Z. erhoben Beschwerde, da sie die Religions- und Gewissensfreiheit beeinträchtigt sahen. Das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen entschied zugunsten von C.Z., erlaubte ihr das Tragen des Kopftuchs im Unterricht. Die Schulgemeinde legte dagegen Beschwerde ein. Es wurde festgestellt, dass das Kopftuchverbot in die Religions- und Gewissensfreiheit eingreift, jedoch die Durchsetzung des Verbots nicht erforderlich ist und eine Ausnahme gerechtfertigt sein kann. Das Verbot kann als Verletzung der Glaubens- und Gewissensfreiheit betrachtet werden, jedoch kann eine differenzierte Betrachtung je nach den individuellen Umständen erforderlich sein. Das Gericht hob das Kopftuchverbot auf und erlaubte C.Z. das Tragen des Kopftuchs im Unterricht.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts B 2014/51

Kanton:SG
Fallnummer:B 2014/51
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid B 2014/51 vom 11.11.2014 (SG)
Datum:11.11.2014
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Urteil Art. 15 BV (SR 101).Die Durchsetzung eines in der demokratisch legitimierten Schulordnung vorgesehenen Kopfbedeckungsverbots während des Unterrichts an der öffentlichen Schule stellt zurzeit einen unverhältnismässigen Eingriff in die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Beschwerdeführer und ihrer Tochter, welche das islamische Kopftuch tragen will, dar. Eine verfassungskonforme Handhabung des Verbots verlangt deshalb, dass der Tochter der Beschwerdeführer das Tragen des islamischen Kopftuches auch während des Unterrichts erlaubt wird (Verwaltungsgericht, B 2014/51).Entscheid vom 11. November 2014BesetzungPräsident Eugster; Verwaltungsrichter Linder, Heer, Rufener, Bietenharder; Gerichtsschreiber ScherrerVerfahrensbeteiligteA. und B.Z., Beschwerdeführer,vertreten durch den Islamischen Zentralrat Schweiz, Postfach 695, 3000 Bern 9,dieser vertreten durch Rechtsanwältin Evelyne Angehrn, Oberer Graben 44, 9000 St. Gallen,gegenBildungsdepartement des Kantons St. Gallen, Davidstrasse 31, 9001 St. Gallen,Vorinstanz,undSchulgemeinde St. Margrethen, Bahnhofplatz 8,
Schlagwörter: Kopftuch; Schule; Religion; Recht; Glauben; Schüler; Unterricht; Glaubens; Kopfbedeckung; Tochter; Unterrichts; Schülerin; Verbot; Gewissensfreiheit; Schülerinnen; Erwägung; Kopfbedeckungsverbot; Religionsfreiheit; Quot; Interesse; Ausdruck; Auffassung; Grundrecht; Schweiz; Verhalten; Islam
Rechtsnorm: Art. 11 BV ;Art. 15 BV ;Art. 303 ZGB ;Art. 304 ZGB ;Art. 36 BV ;Art. 41 BV ;Art. 62 BV ;Art. 72 BV ;Art. 8 BV ;Art. 9 EMRK ;
Referenz BGE:114 Ia 129; 119 Ia 178; 120 Ia 265; 123 I 296; 129 I 217; 134 I 114; 134 I 56; 135 I 233; 135 I 79; 136 I 345; 139 I 280;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts B 2014/51

9430 St. Margrethen SG,Beschwerdegegnerin,vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Urs Freytag, factum advocatur, Davidstrasse 1, Postfach 635,

9001 St. Gallen,GegenstandTragen des islamischen Kopftuchs im

SchulunterrichtDas Verwaltungsgericht stellt fest:

  1. C.Z. (geboren 2001) besuchte im Schuljahr 2013/14 die 6. Klasse im Schulhaus R. in St. Margrethen. Am 12. August 2013, dem ersten Schultag nach den Sommerferien, erschien sie ein islamisches Kopftuch (Hijab) tragend in Begleitung ihrer Mutter – B.Z. – in der Schule und teilte mit, sie werde in Zukunft den Unterricht mit dem Hijab besuchen. Die Schulleiterin wies auf die Schulordnung der Schulgemeinde St. Margrethen hin, die das Tragen von Kopfbedeckungen jeglicher Art während des Unterrichts untersage. Daraufhin verliessen C.Z. und ihre Mutter die Schule wieder.

    Anlässlich eines am Abend desselben Tages zwischen dem Präsidenten, dem

    Vizepräsidenten und dem Sekretär des Schulrats einerseits und dem Vater von C.Z. –

    A.Z. – anderseits geführten Gesprächs wurde letzterem eine Verfügung ausgehändigt, in welcher festgestellt wurde, für C.Z. gelte keine Ausnahme vom Kopfbedeckungsverbot. In der Folge beharrten einerseits die Eltern auf dem Anspruch ihrer Tochter, mit dem islamischen Kopftuch am Unterricht teilnehmen zu dürfen, und anderseits die Schulgemeinde auf der Durchsetzung des Kopfbedeckungsverbots. C.Z. nahm am Unterricht nicht mehr teil und erarbeitete den Schulstoff zu Hause.

  2. Die Eltern von C.Z. erhoben am 21. August 2013 beim Bildungsdepartement des Kantons St. Gallen gegen die Verfügung des Schulrates der Schulgemeinde St. Margrethen vom 12. August 2013 Rekurs. Das Gesuch, bis zum Abschluss des Verfahrens mit dem islamischen Kopftuch am Unterricht teilnehmen zu dürfen, wies das Bildungsdepartement am 30. September 2013 ab; die dagegen erhobene Beschwerde hiess der Präsident des Verwaltungsgerichts am 7. November 2013 gut (VerwGE B 2013/214, www.gerichte.sg. ch). C.Z. nimmt deshalb seit 12. November 2013 – mittlerweile in der 1. Realklasse des Oberstufenzentrums – das islamische Kopftuch tragend am Unterricht teil. Am 12. März 2014 wies das Bildungsdepartement den Rekurs ab.

  3. A. und B.Z. (Beschwerdeführer) erhoben gegen den Entscheid des Bildungsdepartements des Kantons St. Gallen (Vorinstanz) vom 12. März 2014 mit Eingabe der Rechtsvertreterin des Islamischen Zentralrats Schweiz, den die Beschwerdeführer zur Beschwerdeerhebung bevollmächtigt hatten, vom 26. März 2014 und Ergänzung vom 28. April 2014 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen mit den Rechtsbegehren, unter Kosten- und Entschädigungsfolge sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und C.Z. zu erlauben, während des Schulunterrichts ein Kopftuch (Hijab) zu tragen. Die Vorinstanz beantragte am 2. Mai 2014 die Abweisung der Beschwerde unter Kostenfolge zu Lasten der Beschwerdeführer. Die Schulgemeinde St. Margrethen (Beschwerdegegnerin) beantragte mit Eingabe ihres Rechtsvertreters vom 8. September 2014, die Beschwerde sei unter Kostenfolge abzuweisen.

    Das Verwaltungsgericht hat am 7. November 2014 in der Beschwerdeangelegenheit eine mündliche und öffentliche Verhandlung durchgeführt. Daran nahmen die Beschwerdeführer mit ihrer Tochter und der Präsident des Schulrats der Beschwerdegegnerin sowie deren Rechtsvertreter teil. Auf die schriftlichen und mündlichen Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Begründung ihrer Anträge, die Ausführungen im angefochtenen Entscheid und die Akten wird, soweit wesentlich, in den Erwägungen eingegangen.

    Darüber zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

    1. Das Verwaltungsgericht ist zum Entscheid in der Sache zuständig (Art. 59bis Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1, VRP). Die Eltern der noch nicht 16-jährigen C.Z. sind Adressaten des angefochtenen Entscheides und in der Ausübung ihrer Elternrechte betroffen (Art. 303 Abs. 1 und 3 sowie Art. 304 Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [SR 220, ZGB]); sie sind deshalb zur Beschwerdeerhebung befugt (Art. 64 in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 VRP). Die Beschwerde wurde mit Eingabe vom 26. März 2014 rechtzeitig erhoben und erfüllt zusammen mit der Ergänzung vom 28. April 2014 in formeller und inhaltlicher Hinsicht die gesetzlichen Anforderungen (Art. 64 in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 1 und 2 VRP). Auf die Beschwerde ist dementsprechend einzutreten.

    2. Die Beschwerdeführer machen geltend, das in Art. 14 Abs. 2 der Schulordnung der Beschwerdegegnerin vorgesehene Verbot, während des Unterrichts eine Kopfbedeckung zu tragen, verletze sie und ihre Tochter in verfassungsmässigen Rechten. Fällt die Pflicht zur Beachtung dieser Kleidervorschrift durch die Tochter der Beschwerdeführer, die während des Unterrichts das islamische Kopftuch (Hijab) tragen will, in den Geltungsbereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit (dazu nachfolgend Erwägung 3), ist die Zulässigkeit des Eingriffs zu prüfen (dazu nachfolgend Erwägung 4)

3.

    1. Art. 15 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (SR 101, BV) gewährleistet – ebenso wie Art. 2 Ingress und lit. i der Verfassung des Kantons St. Gallen (sGS 111.1, KV), Art. 9 der Europäischen Konvention zum Schutz

      der Menschenrechte und Grundfreiheiten (SR 0.101, EMRK) und Art. 18 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (SR 0.103.2, UNO-Pakt

      II) – die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Abs. 1) und erlaubt jeder Person, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen (Abs. 2). Das Recht der Eltern, über die religiöse Erziehung ihrer Kinder bis zu deren 16. Altersjahr zu verfügen (vgl. Art. 303 Abs. 1 und 3 ZGB), ist Bestandteil der elterlichen Religionsfreiheit (BGE 119 Ia 178 E. 2). In ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit geschützt ist aber auch die noch nicht 16- jährige Tochter der Beschwerdeführer (vgl. auch Art. 3 und 14 Abs. 1 UNO- Kinderrechtekonvention [SR 0.107, KRK] sowie Art. 11 BV); ihre Rechte werden durch die Eltern wahrgenommen (Art. 304 Abs. 1 ZGB).

      Die Religionsfreiheit garantiert die religiöse Bezeugung des einzelnen Menschen als selbstverantwortlichen Bereich. Davon erfasst werden grundsätzlich alle Arten von Vorstellungen über die Beziehung des Menschen zum Göttlichen beziehungsweise zum Transzendenten (BGE 119 Ia 178 E. 4b). Unter diesem Schutz stehen nicht nur die traditionellen Glaubensformen der christlich-abendländischen Kirchen und Religionsgemeinschaften, sondern alle Religionen, unabhängig von ihrer quantitativen Verbreitung in der Schweiz (BGE 134 I 56 E. 4.3). Die Religionsfreiheit umfasst sowohl die innere Freiheit, zu glauben, nicht zu glauben seine religiösen Anschauungen zu ändern, wie auch die äussere Freiheit, entsprechende Überzeugungen innerhalb gewisser Schranken zu äussern, zu praktizieren und zu verbreiten sie nicht zu teilen. Sie enthält den Anspruch des Einzelnen darauf, sein Verhalten grundsätzlich nach den Lehren des Glaubens auszurichten und den Glaubensüberzeugungen gemäss zu handeln. Zur derart gewährleisteten Religionsausübung zählen über kultische Handlungen hinaus auch die Beachtung religiöser Gebräuche und Gebote sowie andere Äusserungen des religiösen Lebens, soweit solche Verhaltensweisen Ausdruck der religiösen Überzeugung bilden. Das gilt auch für Religionsbekenntnisse, welche die auf den Glauben gestützten Verhaltensweisen sowohl auf das geistig- religiöse Leben wie auch auf weitere Bereiche des alltäglichen Lebens beziehen; auch religiös motivierte Bekleidungsvorschriften sind vom Schutz von Art. 15 BV erfasst (BGE 134 I 56 E. 4.3; 139 I 280 E. 4.1 mit zahlreichen Hinweisen auf weitere bundesgerichtliche Rechtsprechung). Unerheblich ist, ob entsprechende Gepflogenheiten von allen, von einer Mehrheit allenfalls lediglich von einer

      Minderheit der Angehörigen eines Glaubens befolgt werden (vgl. BGE 134 I 56 E. 4.3). Deshalb schmälert die Tatsache, dass der Koran nicht einheitlich interpretiert wird und ihm nicht alle islamischen Glaubensrichtungen ein Gebot zum Tragen des Kopftuchs entnehmen, den Schutz jener Frauen nicht, die eine solche religiöse Vorschrift anerkennen und danach leben (vgl. P. Karlen, Umstrittene Religionsfreiheit, in: ZSR NF 116/1997 I S. 193 ff., S. 207 f.; Y. Hangartner, Religionsfreiheit, in: AJP 19/2010 S. 441 ff., S. 447).

    2. Der Beschwerdeführer hat an der mündlichen Verhandlung ausgeführt, er sei überzeugter Moslem und möchte, dass Gott auch im Leben seiner Kinder eine zentrale Rolle spiele. Er glaube an ein nächstes Leben und strebe danach, mit seiner Familie ins Paradies einzugehen. Gott sei Dank hätten die Kinder bisher akzeptiert, was er und seine Frau von ihnen verlangten. Indem der Beschwerdeführer die Einhaltung eines – seiner Auffassung nach – islamischen Gebotes – die Verpflichtung der Frau, mit einem Kopftuch Haare, Hals und Brust zu bedecken – im jetzigen Leben mit dem Schicksal in einem nächsten Leben verbindet, beruft er sich in geradezu klassischer Weise auf den Schutzbereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit. Entsprechendes gilt auch für die noch nicht 16-jährige Tochter der Beschwerdeführer, die sich der familiären Tradition – auch ihre Mutter trägt das islamische Kopftuch – nicht entzieht und sich – wie sie

      selbst vor Gericht bestätigt hat – an das Gebot halten will.

      Die Beschwerdegegnerin leitet daraus, dass die Tochter der Beschwerdeführer von der Möglichkeit, während des Schulunterrichts ihrer Gebetspflicht nachzukommen, keinen Gebrauch macht, ab, das Kopftuchtragen der Tochter sei nicht religiös motiviert. Etwas anderes zu behaupten, entspreche einem "À la carte-Islam". Die Haltung des Beschwerdeführers kann in der Tat als widersprüchlich erscheinen, wenn er einerseits die strikte Einhaltung der islamischen Gebote verlangt – sich damit gegen einen "À la carte-Islam" wendet – und anderseits – ohne weitere Begründung – nicht auf der strikten Einhaltung der zu den fünf Säulen des Islam gehörenden Gebetspflicht (vgl. P. Bleisch Bouzar, Islamisches Recht, in: Pahud de Mortanges/Bleisch Bouzar/Bollag/ Tappenbeck, Religionsrecht, Zürich/Basel/Genf 2010, S. 253 ff., S. 313) besteht. Indessen hat der Staat von der Bedeutung der Glaubensregel auszugehen, die der Gläubige ihr selber beimisst (vgl. BGE 135 I 79 E. 4.4; Hangartner, a.a.O., in: AJP 19/2010 S. 441 ff., S. 447). Insbesondere liegt es nicht in der Befugnis der zur

      religiösen Neutralität verpflichteten staatlichen Organe, über die Modalitäten der gültigen Erfüllung der islamischen Gebetspflicht (vgl. immerhin zu möglichen Erleichterungen Bleisch Bouzar, a.a.O., S. 315) zu befinden. Soweit das Glaubensbekenntnis eine gewisse grundsätzliche, weltanschauliche Bedeutung erlangt und einer Gesamtsicht der Welt entspricht, das heisst, eine religiös fundierte, zusammenhängende Sicht grundlegender Probleme zum Ausdruck bringt (vgl. BGE 119 Ia 178 E. 4b), sind von der Glaubens- und Gewissensfreiheit deshalb – nach dem Verständnis im liberalen Verfassungsstaat – grundsätzlich auch "à la carte" gewonnene und gelebte Überzeugungen selbst von Einzelpersonen (BGer 2C_724/2011 vom 11. April 2012 E. 3.3; Hangartner, a.a.O., in: AJP 19/2010 S. 447) geschützt. Im Sinn der Voraussetzung eines minimalen kohärenten Verhaltens wäre wohl einzig dann anders zu entscheiden, wenn die Tochter der Beschwerdeführer das islamische Kopftuch ausserhalb der Schule nicht tragen würde (vgl. J.-F. Aubert, L'Islam à l'école publique, in: Ehrenzeller/Mastronardi/Schaffhauser/Schweizer/Vallender [Hrsg.], Der Verfassungsstaat vor neuen Herausforderungen, Festschrift für Yvo Hangartner, St. Gallen/Lachen SZ 1998, S. 479 ff., S. 484). Hinzu kommt, dass die strikte Einhaltung von Gebetszeiten durch einzelne Schülerinnen und Schüler während des Unterrichts im Gegensatz zur Beachtung der Bekleidungsvorschrift, so wie sie die Tochter der Beschwerdeführer umsetzt, seitens der Schule erhebliche organisatorische Rücksichten verlangen würde, so dass der Verzicht, in der Schule rituell zu beten, nicht zuletzt auch im Interesse an einem geordneten und effizienten Schulbetrieb liegt.

      Die Beschwerdegegnerin verweist sodann auf die permanente Verweigerungshaltung der Beschwerdeführer bei der Erfüllung der Pflichten, die mit dem Besuch der Volksschule verbunden sind, wie beispielsweise die Teilnahme der Kinder an obligatorischen Anlässen wie Schwimmunterricht und Lagern, die Zusammenarbeit mit weiblichen Lehrpersonen und die Teilnahme an Elternabenden. Sie bringt vor, die Beschwerdeführer fühlten sich einer puritanisch-traditionalistischen Richtung des sunnitischen Islams zugehörig, nach der das islamische Recht über dem geltenden schweizerischen Recht stehe. Diese Haltung der Beschwerdeführer schliesst es indessen nicht aus, dass auch sie den Schutz der Glaubens- und Gewissensfreiheit geniessen. Die Menschenrechte und Grundfreiheiten sind eine zentrale Errungenschaft der abendländischen Ideengeschichte. Sie setzen den auf den natur- und vernunftrechtlichen Theorien der Aufklärung beruhenden Gedanken, dass jeder

      Mensch angeborene und unveräusserliche Rechte hat, die vorstaatliche Geltung beanspruchen, um (vgl. Präambel zum UNO-Pakt II; Präambel zur französischen Déclaration des Droits de l'Homme et du Citoyen des Jahres 1789; Kiener/Kälin, Grundrechte, 2. Aufl. 2013, S. 3 mit Hinweisen auf die Virginia Bill of Rights vom 12. Juni 1776 und die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten vom 4. Juli 1776). Menschenrechte und Grundfreiheiten stehen dem Menschen zu, weil er Mensch ist. Sie sind weder durch Wohlverhalten verdient noch kann sie der Träger durch seine Auffassungen verwirken. Dies muss umso mehr dann gelten, wenn diese Auffassungen Ausdruck der Religionsfreiheit sind.

    3. Das Verbot, das islamische Kopftuch tragend am Unterricht der öffentlichen Schule teilzunehmen, greift dementsprechend in die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Beschwerdeführer und ihrer Tochter unabhängig davon ein, ob die Tochter in der Schule der Pflicht zum rituellen Gebet nachkommt, und auch unabhängig der Auffassungen der Beschwerdeführer zum Verhältnis des göttlichen islamischen zum geltenden schweizerischen Recht und der daraus resultierenden Verweigerungshaltung.

Die Feststellung, dass das Kopfbedeckungsverbot während des Unterrichts die Beschwerdeführer und ihre Tochter in ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit einschränkt, bedeutet allerdings nicht, dass sie sich unter Berufung auf ihre religiösen Überzeugungen der schweizerischen Rechtsordnung entziehen können. Vielmehr gilt diese Rechtordnung, zu der die ihnen zugutekommende Errungenschaft der Religionsfreiheit gehört, auch für sie. Inwieweit die Beschwerdeführer und ihre Kinder ihrer religiösen Auffassung widersprechende bürgerliche Pflichten, wie beispielsweise die Teilnahme ihrer Kinder am Schwimmunterricht und an Lagern, einzuhalten haben, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Zu klären ist einzig, ob sich die Verpflichtung der Tochter der Beschwerdeführer, das islamische Kopftuch während des Unterrichts in der öffentlichen Schule abzulegen, mit ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit vereinbaren lässt.

  1. Gemäss Art. 36 BV bedürfen Einschränkungen von Grundrechten einer gesetzlichen Grundlage (Abs. 1, dazu nachfolgend Erwägung 4.2); sie müssen durch ein öffentliches Interesse durch den Schutz von Grundrechten Dritter

    gerechtfertigt (Abs. 2, dazu nachfolgend Erwägung 4.3) und verhältnismässig (Abs. 3, dazu nachfolgend Erwägung 4.4) sein. Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar (Abs. 4, dazu nachfolgend Erwägung 4.1).

    1. Griffe das Verbot für Schülerinnen, während des Unterrichts in der öffentlichen Schule das islamische Kopftuch zu tragen, in den Kerngehalt der Glaubens- und Gewissensfreiheit ein, erwiese es sich von vornherein als unzulässig. Jedem staatlichen Zugriff entzogen sein soll der innerste Bereich der religiösen und ethischen Selbstverantwortung, das forum internum. Gemäss Art. 15 Abs. 4 BV darf – im Sinn einer Umschreibung des Kerngehalts der Glaubens- und Gewissensfreiheit (vgl. Müller/ Schefer, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 267; Kiener/Kälin, a.a.O., S. 326)

      – niemand gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen religiösem Unterricht zu folgen. Vom Kerngehalt nicht umfasst wird die äussere Ausübung eines Bekenntnisses. So ist das Recht, seine religiöse Überzeugung zu äussern, sich öffentlich dazu zu bekennen sie in gottesdienstlichen Handlungen auszuüben, nicht absolut geschützt (BGE 123 I 296 = Pra 87/1998 Nr. 47 E. 2b/cc).

      Abgesehen davon, dass über die konkrete Ausgestaltung der Pflicht der Frau, ein Kopftuch zu tragen, in der islamischen Welt höchst unterschiedliche Auffassungen bestehen, impliziert das Verbot des Tragens des Kopftuches kaum einen Zwang, den islamischen Glauben als solchen zu leugnen nicht ausüben zu dürfen, dies jedenfalls nicht bei einer Beschränkung des Verbots auf die Zeit des Unterrichts. Auch weist das Tragen des Kopftuches keine so enge Beziehung zum "inneren Glaubensbekenntnis" auf, dass der Kernbereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit tangiert wäre (vgl. Epiney/Mosters/ Gross, Islamisches Kopftuch und religiöse Neutralität an der öffentlichen Schule, in: Pahud de Mortanges/Tanner [Hrsg.], Muslime und schweizerische Rechtsordnung, Freiburg 2002, S. 129 ff., S. 133). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung greift denn auch das Verbot, als Primarlehrerin in einer staatlichen Schule das islamische Kopftuch zu tragen, nicht in den unantastbaren Kerngehalt der Religionsfreiheit ein, auch wenn die Kleidervorschrift nach Auffassung der Betroffenen besonders wichtig und nicht nur Ausdruck eines religiösen Bekenntnisses ist, sondern einer verbindlichen Vorschrift dieses Bekenntnisses entspricht (vgl. BGE 123 I 296 = Pra 87/1998 Nr. 47 E. 2b/cc). Nichts anderes ergibt

      sich auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wenn er die Einschränkung des Tragens des islamischen Kopftuchs unter bestimmten Umständen als zulässigen Eingriff in die Religionsfreiheit beurteilt hat (vgl. die Rechtsprechungshinweise bei J. Meyer-Ladewig, EMRK Handkommentar, 3. Aufl. 2011, Rz. 16 zu Art. 9 EMRK).

    2. Schwerwiegende Einschränkungen von Grundrechten (dazu nachfolgend Erwägung 4.2.1) müssen im Gesetz selbst vorgesehen (dazu nachfolgend Erwägung 4.2.2) sein (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BV).

      1. Ob ein Grundrechtseingriff schwer ist, beurteilt sich grundsätzlich nach objektiven Kriterien. Im Bereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit ist dies insofern schwierig, als religiöse Empfindungen und Überzeugungen stets subjektiv begründet sind; staatliche Organe haben von der Bedeutung auszugehen, welche die religiösen Normen für die Betroffenen – gemäss ihrem eigenen Bekunden – haben. Behinderungen, welche die Ausübung ihrer religiösen Überzeugung beeinträchtigen, werden Betroffene normalerweise als schwer empfinden. Entscheidend ist demnach für die Bestimmung der Schwere des Eingriffs, ob die Betroffenen die konkrete Beeinträchtigung substantiiert als wesentliches Element beziehungsweise als eine wichtige Verhaltensregel einer bestimmten Form religiöser Betätigung darlegen können, die sich herausgebildet hat, sodass die Schwere des Eingriffs objektiv nachvollziehbar wird und sich an äusseren Lebensumständen zeigt. Ein Kopftuchverbot an der Schule brächte Schülerinnen in den Konflikt, entweder einem staatlichen einem religiösen, durch ihre Herkunft und die Familie vermittelten Gebot zuwiderhandeln zu müssen. Solche Spannungen können die betroffenen Kinder stark belasten und dem Kindeswohl entgegenstehen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung stellt deshalb ein generelles Verbot, das islamische Kopftuch während des Unterrichts zu tragen, einen schweren Eingriff in das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit dar (vgl. BGE 139 I 280 E. 5.2; anders Epiney/Mosters/Gross, a.a.O., S. 133 f.).

        Die Beschwerdegegnerin erachtet den mit dem Kopfbedeckungsverbot während des Unterrichts verbundenen Eingriff in die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Beschwerdeführer und ihrer Tochter nicht als schwer, weil sie gleichzeitig der Gebetspflicht nicht nachkomme. Der Glaubensregel, welche durch eine staatliche

        Verhaltenspflicht eingeschränkt werden soll, ist wie dargelegt jene Bedeutung zuzugestehen, welche ihr der Gläubige selbst beimisst. Eine Beurteilung, ob die Durchsetzung des Kopfbedeckungsverbots gegenüber einer muslimischen Schülerin im konkreten Einzelfall objektiv einen schweren Eingriff in die Glaubens- und Gewissensfreiheit darstellt, setzte eine Prüfung der Glaubwürdigkeit religiösen Verhaltens und damit der Gesinnung voraus, mit der Folge, dass der einen muslimischen Schülerin erlaubt werden müsste, was der anderen verboten ist. Eine solche Prüfung und Beurteilung kann – nach einem liberalen Verständnis – offensichtlich nicht Aufgabe der zur religiösen Neutralität verpflichteten staatlichen Organe sein. Abgesehen davon sind die formellen Anforderungen an die gesetzliche Grundlage für eine schwerwiegende Einschränkung der Glaubens- und Gewissensfreiheit vorliegend erfüllt.

      2. Ein kommunaler Erlass ist einem formellen Gesetz gleichgestellt, wenn er von der nach dem kantonalen Recht ermächtigten Gemeindelegislative (Gemeindeversammlung Gemeindeparlament) beschlossen wurde aber dem (obligatorischen fakultativen) Referendum unterstand (vgl. für polizeilich begründete Eingriffe in die Meinungsfreiheit BGer 1P.336/2005 vom 20. September 2005 E. 5.4; für das Abgaberecht beispielsweise BGer 2C_365/2012 vom 11. Februar 2013 E. 5.1 mit Hinweis auf BGE 120 Ia 265 E. 2a; für Quoten und Kontingente für Zweitwohnungen BGE 135 I 233 E. 2.1)

        Art. 14 Abs. 2 der Schulordnung der Beschwerdegegnerin wurde am 17. September 2012 beschlossen und vom 7. November bis 6. Dezember 2012 dem fakultativen Referendum unterstellt. Die Bestimmung trat nach deren Genehmigung durch das Bildungsdepartement des Kantons St. Gallen am 20. Dezember 2012 in Kraft (Art. 28 der Schulordnung) und gilt für die Oberstufe gleichermassen wie für Kindergarten und Primarschule (Art. 1 und 2 der Schulordnung). Sie erfüllt damit grundsätzlich die für eine schwerwiegende Einschränkung eines Grundrechts an ein Gesetz gestellten Anforderungen in formeller Hinsicht.

        Da das Erfordernis der ausreichenden formellen, das heisst demokratisch legitimierten gesetzlichen Grundlage lediglich notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung ist, kann eine Einschränkung der Religionsfreiheit nicht allein mit dem Hinweis auf den

        Volkswillen gerechtfertigt werden. Wie alle Menschenrechte soll auch die Religionsfreiheit die Minderheit vor der Mehrheit und nicht die Mehrheit vor der Minderheit schützen (vgl. R. Pahud de Mortanges, Allgemeine Einführung und Rechtslage in der Schweiz, in: ders. [Hrsg.], Religiöse Minderheiten und Recht, Freiburg 1998, S. 20 f.; J. P. Müller, Elemente einer schweizerischen Grundrechtstheorie, Bern 1982, S. 37 ff.). Für die Religionsfreiheit gilt dies in besonderem Mass, weil sie als Recht der Angehörigen von Abspaltungen von der Mehrheitsreligion, aber auch von Gruppenbildungen innerhalb solcher Abspaltungen, also auch innerhalb der verschiedenen christlichen Konfessionen, entwickelt wurde (Hangartner, a.a.O., in: AJP 19/2010 S. 447).

        Die Beschwerdeführer machen geltend, die Schulgemeinde sei nicht befugt, dem fakultativen Referendum unterliegende generell-abstrakte Normen zu erlassen. Die Beschwerdegegnerin ist – wie die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid ausführlich und überzeugend dargelegt hat (Erwägungen 3a und b) – zum Erlass einer Schulordnung befugt. Die Schulgemeinde darf als Gemeinde im Sinn des Gemeindegesetzes (sGS 151.2, GG; Art. 1 Abs. 2 Ingress und lit. b GG) Recht durch die Gemeindeordnung sowie insbesondere durch Reglemente setzen und darin allgemein verbindlich Rechte und Pflichten insbesondere der Bürgerinnen und Bürger regeln (Art. 3 Abs. 1 GG). Sie kann gemäss Art. 23 Abs. 1 GG allgemein verbindliche Reglemente (lit. a) und Geschäfte nach Massgabe der Gemeindeordnung, soweit diese nicht das obligatorische Referendum vorsieht (lit. b), dem fakultativen Referendum unterstellen. Art. 14 ff. der Gemeindeordnung der Beschwerdegegnerin regelt das fakultative Referendum, ohne konkret festzulegen, welche Erlasse ihm zu unterstellen sind. Die Schulordnung regelt in generell-abstrakter Weise insbesondere die Pflichten der Schülerinnen und Schüler sowie der Erziehungsberechtigten (vgl. Art. 12 ff.). Die Beschwerdegegnerin war dementsprechend befugt, die Schulordnung und damit auch die in Art. 14 Abs. 2 vorgesehene Kleiderordnung zu erlassen und sie dem fakultativen Referendum zu unterstellen.

        Die Beschwerdeführer machen geltend, das Verbot, während des Schulunterrichts ein islamisches Kopftuch zu tragen, widerspreche dem kantonalen Gesetzesrecht. Soweit das Kopfbedeckungsverbot das anständige und rücksichtsvolle Verhalten der Schülerinnen und Schüler sowie die Verbindlichkeiten von Hausordnungen statuiere,

        könne dagegen nichts eingewendet werden. Weder das Gemeindegesetz noch das Volksschulgesetz (sGS 213.1, VSG) sähen aber eine Regelung zur Einschränkung der Religionsfreiheit in der Schule vor. Auch wenn die Volksschule gemäss Art. 3 Abs. 1 VSG nach christlichen Grundsätzen geführt werden solle, lasse sich aus dem Erziehungs- und Bildungsauftrag kein solches Verbot ableiten. Im Gegenteil widerspreche es dem Auftrag, den Schülerinnen und Schülern den Zugang zu verschiedenen Bereichen der Kultur zu öffnen, sie zu selbständigem Denken und Handeln anzuleiten und sie nach den Grundsätzen der Demokratie, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit im Rahmen des Rechtsstaates zu verantwortungsbewussten Menschen und Bürgern zu erziehen (Art. 3 Abs. 2 und 3 VSG). Auch die Beschwerdeführer gehen davon aus, die Schulgemeinde sei befugt, das Tragen einer Kopfbedeckung während des Unterrichts zu untersagen. Umstritten ist damit nicht die Zulässigkeit der Norm als solcher, sondern deren gesetzes- und verfassungskonforme Handhabung. Insoweit steht nicht die Zuständigkeit der Schulgemeinde zum Erlass des Verbots in Frage (vgl. allerdings die sibyllinischen Formulierungen in BGE 139 I 280 E.

        5.4.2 und die Kritik von G. Biaggini, in: ZBl 104/2013 S. 615 f.).

    3. Zu prüfen ist des weiteren, ob der Eingriff in die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Beschwerdeführer und ihrer Tochter durch ein öffentliches Interesse (dazu nachfolgend Erwägung 4.3.1) durch den Schutz von Grundrechten Dritter (dazu nachfolgend Erwägung 4.3.2) gerechtfertigt werden kann.

      1. Der Begriff des öffentlichen Interesses ist örtlich und zeitlich variabel und umfasst eine Reihe von sogenannten Polizeigütern (Ordnung, Sicherheit, Gesundheit, Sitte, öffentliche Ruhe usw.) auch soziale, kulturelle, geschichtliche, ökologische und wissenschaftliche Werte (Botschaft über eine neue Bundesverfassung vom 20. November 1996, in: BBl 1997 I S. 1 ff., S. 195). Als rechtfertigendes öffentliches Interesse kann auch die Erfüllung einer staatlichen Aufgabe in Frage kommen (Kiener/ Kälin, a.a.O., S. 116).

        Die Vorinstanz hat das öffentliche Interesse an der umstrittenen Kleidervorschrift eingehend dargelegt: Die Schule habe, damit sie ihren Auftrag erfüllen könne, einen qualifizierten Bedarf nach Ordnung und Störungsfreiheit. Die Öffentlichkeit des Schulbetriebs ertrage nicht den gleichen Anspruch des Individuums auf Beliebigkeit,

        Selbstverwirklichung und Partikularismus wie die allgemeine Öffentlichkeit. Für den schulischen Raum seien zweckorientierte Verhaltensvorschriften mit mehr Kompromissbereitschaft der Normadressaten angezeigt als "für die Strasse". Entsprechende Vorschriften könnten auch vorsehen, dass im Unterricht auf das Tragen ablenkender irritierender Kleidungsstücke von Kopfbedeckungen verzichtet werde. Ein generelles Kopfbedeckungsverbot im Schulunterricht könne dazu beitragen, dass bei der Erfüllung des auf dem verfassungsrechtlichen Grundschulanspruch und - obligatorium gründenden Bildungs- und Erziehungsauftrags Werte und Ziele wie Transparenz, Offenheit und Fairness, weltanschauliche Neutralität, Unabgelenktheit und Konzentration auf den Unterricht, Chancengerechtigkeit und Nichtdiskriminierung sowie gesellschaftliche Integration besser berücksichtigt beziehungsweise erreicht würden (Erwägung 4c).

        Das allgemeine Verbot, während des Unterrichts eine Kopfbedeckung zu tragen, ist nicht – wie die Beschwerdeführer geltend machen – spezifisch auf eine Gruppe von Schülerinnen, die dem Islam angehören und eine religiös motivierte Bekleidungsvorschrift einhalten, ausgerichtet. Vielmehr soll es – wie sich aus dem von der Vorinstanz angeführten öffentlichen Interesse ergibt – einem respektvollen persönlichen Umgang dienen ("parler à des têtes nues"; vgl. Aubert, a.a.O., S. 484) und richtet sich damit in erster Linie gegen Modeerscheinungen wie das Tragen von Baseballcaps und Wollmützen.

      2. Die Beschwerdegegnerin begründet die Durchsetzung des Verbots religiös begründeter Kopfbedeckungen mit den Grundrechten Dritter, namentlich der negativen Religionsfreiheit der Mitschülerinnen und Mitschüler. Erlaube der Staat das Tragen des islamischen Kopftuches durch eine Schülerin während des Unterrichts in der öffentlichen Schule, werde das Gebot eines religionsneutralen Schulunterrichts durchbrochen.

        Als rechtfertigende öffentliche Interessen für ein Verbot von Kopfbedeckungen mit religiöser Konnotation kommen die staatliche Neutralitätspflicht an der öffentlichen Schule und die Wahrung des Religionsfriedens in Betracht: Danach soll der Staat allgemein vermeiden, in einer religiösen weltanschaulichen Sache in unzulässiger Weise Partei zu ergreifen. Auch wenn sich die Pflicht zur Neutralität an die zuständigen

        staatlichen Stellen richtet und mit dem Tragen eines islamischen Kopftuches kein Zwang für Dritte im Sinn von Art. 15 Abs. 4 BV einhergeht, ist es den Kantonen grundsätzlich unbenommen, eine weitergehende Neutralitätspflicht vorzusehen, die sich auch auf Schülerinnen und Schüler auswirkt, wenn die Schule aufgrund deren Verhaltens in den Einflussbereich bestimmter religiöser weltanschaulicher Überzeugungen gerät (vgl. Epiney/Mosters/Gross, a.a.O., S. 136 ff.).

      3. Die Beschwerdegegnerin kann sich dementsprechend auf öffentliche Interessen berufen, die grundsätzlich die Durchsetzung des Kopfbedeckungsverbots im Unterricht an der öffentlichen Schule auch bei religiös motiviertem Verhalten rechtfertigen können.

    4. Die mit dem Verbot für Schülerinnen, während des Unterrichts an der öffentlichen Schule das islamische Kopftuch zu tragen, verbundene Einschränkung der Religionsfreiheit ist verhältnismässig, wenn das Verbot geeignet ist, das öffentliche Interesse auch tatsächlich zu schützen (dazu nachfolgend Erwägung 4.4.1) und der verfolgte Zweck nicht durch eine gleich geeignete, in ihren Eingriffswirkungen weniger schwerwiegende Massnahme erreicht werden kann (dazu nachfolgend Erwägung 4.4.2). Schliesslich muss sich der Eingriffszweck im Verhältnis zur Eingriffswirkung im konkreten Fall bewähren, das heisst der mit der Massnahme verbundene Eingriff muss zumutbar sein; dabei sind die öffentlichen Interessen für ein solches Verbot (dazu nachfolgend Erwägung 4.4.3) gegen die privaten und gegebenenfalls auch öffentlichen Interessen, die gegen das Verbot sprechen (dazu nachfolgend E. 4.4.4) abzuwägen (dazu nachfolgend Erwägung 4.4.5).

      1. Das allgemeine Kopfbedeckungsverbot während des Unterrichts, wie es die Beschwerdegegnerin in Art. 14 Abs. 2 ihrer Schulordnung vorsieht, ist grundsätzlich geeignet, die von der Beschwerdegegnerin angerufenen öffentlichen Interessen an einem störungsfreien Unterricht in allseitigem persönlichen Respekt und in einem religionsneutralen Umfeld umzusetzen.

      2. Soll – wie die Beschwerdegegnerin geltend macht – die öffentliche Schule strikt religionsfrei sein, erscheint die Durchsetzung des Verbots insbesondere bei religiös begründeten Kopfbedeckungen erforderlich. Indessen unterliegt die st.

        gallische Volksschule nicht dem Prinzip des strikten Laizismus (vgl. dazu unten Erwägung 4.4.3.4)

        Die ausnahmslose Durchsetzung des Kopfbedeckungsverbots während des Unterrichts in der öffentlichen Schule kann sodann unter Umständen zur Wahrung des Religionsfriedens erforderlich sein. Gestützt auf den Entscheid des Präsidenten des Verwaltungsgerichts vom 7. November 2013 trägt die Tochter der Beschwerdeführer das islamische Kopftuch seit rund einem Jahr auch während des Unterrichts. Zu den Erfahrungen während dieser Zeit hat der Präsident des Schulrats anlässlich der mündlichen Verhandlung ausgeführt, die Schule habe zum Schutz des Kindes versucht, mit dem Hinweis auf den Entscheid Diskussionen im Lehrerzimmer, in der Öffentlichkeit und an Veranstaltungen zu unterdrücken. Wohl auch deshalb sei "nichts Grosses" festzustellen gewesen. Auf drei Gesuche in der Oberstufe und ein Gesuch in der Primarschule um Erlaubnis zum Tragen des islamischen Kopftuches sei die Schule angesichts der weiteren Geltung des Kopfbedeckungsverbots nicht eingegangen, ohne dass sie aber eine formelle Verfügung erlassen habe. Diese Schülerinnen gingen ohne Kopftuch zur Schule. Die Tochter der Beschwerdeführer stellte gemäss ihren Aussagen anlässlich der mündlichen Verhandlung keine Unterschiede im Umgang mit den Mitschülerinnen und Mitschülern sowie den Lehrpersonen fest. Sie habe keinerlei Probleme in der Klasse.

        Die Schilderungen der unmittelbar Beteiligten zur aktuellen Situation in der Klasse der Tochter der Beschwerdeführer, in der Schule und in der Schulgemeinde deuten nicht auf eine Gefährdung des Religionsfriedens durch den Umstand hin, dass einzelne muslimische Schülerinnen das Kopftuch auch während des Unterrichts an der öffentlichen Schule tragen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass dieser Friede in den öffentlichen Schulen, in denen trotz eines relativ hohen Anteils muslimischer Kinder kein allgemeines Kopfbedeckungsverbot gilt durchgesetzt wird, in Frage gestellt wäre. Die Durchsetzung eines ausnahmslosen Kopfbedeckungsverbots während des Unterrichts an der öffentlichen Schule erscheint unter Berücksichtigung der aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse, insbesondere der Beziehungen zwischen den Angehörigen verschiedener Religionen und verschiedener Glaubensrichtungen innerhalb des Islam zur Wahrung des Religionsfriedens zurzeit auch an den Schulen der Beschwerdegegnerin nicht erforderlich.

        Soweit das Verbot dem Respekt gegenüber dem Mitmenschen Ausdruck geben und die Ordnung des Schulbetriebs sicherstellen soll, erscheint dessen Durchsetzung auch gegenüber religiös begründeten Kopfbedeckungen nicht als erforderlich. Insbesondere kann ein geordneter und effizienter Schulbetrieb auch dann gewährleistet sein, wenn religiös begründete Ausnahmen zugelassen werden. Vielmehr kann auf dem Hintergrund der für die Schule geltenden christlichen Grundsätze und des Ziels, zu lernen, anderen religiösen und weltanschaulichen Ansichten offen und mit Respekt zu begegnen, die Tolerierung religiös begründeter Ausnahmen geboten sein. Auch insoweit ist zumindest fraglich, ob die ausnahmslose Durchsetzung des Verbots erforderlich ist.

      3. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit sind vorab die öffentlichen Interessen zu berücksichtigen, welche für die Durchsetzung des Kopfbedeckungsverbots auch gegenüber religiös motiviertem Verhalten sprechen. Ausgehend von der Verfassungslage (dazu nachfolgend Erwägung 4.4.3.1), fallen insbesondere das allgemeine Rechtsgleichheitsgebot (dazu nachfolgend Erwägung 4.4.3.2), der Grundsatz der Gleichheit von Mann und Frau (dazu nachfolgend Erwägung 4.4.3.3), die religiöse Neutralität der öffentlichen Schule (dazu nachfolgend Erwägung 4.4.3.4), die Glaubens- und Gewissensfreiheit Dritter und der Religionsfriede (dazu nachfolgend Erwägung 4.4.3.5) sowie das Ziel der kulturellen und sozialen Integration von Kindern und Jugendlichen (dazu nachfolgend E. 4.4.3.6) in Betracht.

        1. Das Grundrecht der Religionsfreiheit kann nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr ist es eingebettet in das Geflecht der kulturellen (Vor-)Prägung des Staates und der verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen, wie sie in der Präambel und in den Allgemeinen Bestimmungen der Bundesverfassung wie auch im Katalog der Zuständigkeiten von Bund und Kantonen zum Ausdruck kommen (vgl. B. Ehrenzeller, Glauben, Gewissen und Weltanschauung, in: Merten/Papier/Müller/Thürer [Koord.], Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Band VII/2: Grundrechte in der Schweiz und in Liechtenstein, Heidelberg und Zürich/St. Gallen 2007, S. 302 ff., Rz. 7). Art. 78 Abs. 5 des Vorentwurfs der nachgeführten Bundesverfassung sah vor, dass die öffentlichen Schulen von den Angehörigen aller Bekenntnisse ohne Beeinträchtigung ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit besucht werden können. Art. 62 BV enthält diese Art. 27 Abs. 3 aBV entsprechende Regelung nicht mehr ausdrücklich; sie wird

          jedoch als Bestandteil von Art. 62 Abs. 2 und Art. 15 BV verstanden (vgl. B. Ehrenzeller, in: Ehrenzeller/Mastronardi/ Schweizer/Vallender [Hrsg.], Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 3. Aufl. 2014, N 1 zu Art. 62 BV)

          Gestützt auf Art. 72 Abs. 2 BV können Bund und Kantone im Rahmen ihrer Zuständigkeit Massnahmen treffen zur Wahrung des öffentlichen Friedens zwischen den Angehörigen der verschiedenen Religionsgemeinschaften. Die Bestimmung verleiht der früheren Gewährleistung der individuellen Glaubens- und Gewissensfreiheit unter dem Vorbehalt der bürgerlichen Rechte und Pflichten Ausdruck (vgl. Ehrenzeller, a.a.O., Rz. 2 und 3). Insgesamt bedeutet dies, dass der Bund und die Kantone ihre Gesetzgebung und ihr Handeln an der Religionsfreiheit ausrichten müssen, dass aber der individuelle, kollektive und korporative Gehalt des Grundrechts im institutionellen und allgemeinen Regelungsrahmen von Staat und Religionsgemeinschaften notwendigerweise auch eine gewisse Einschränkung erfährt (vgl. Ehrenzeller, a.a.O., Rz. 7).

        2. Die Beschwerdegegnerin macht geltend, die Gewährung einer Ausnahme vom Kopfbedeckungsverbot für die Tochter der Beschwerdeführerin führe zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung von Schülerinnen anderer Religionszugehörigkeit.

          Nach Art. 8 Abs. 1 BV sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet eine unterschiedliche Behandlung nicht absolut; Differenzierungen sind unter gewissen Voraussetzungen zulässig und unter dem Gesichtspunkt des Differenzierungsgebots unter Umständen verfassungsrechtlich geboten (vgl. Kiener/Kälin, a.a.O., S. 415). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts müssen Ungleichbehandlungen in der Rechtsanwendung in öffentlich- rechtlichen Angelegenheiten sich vernünftig begründen lassen beziehungsweise sachlich haltbar sein. Der allgemeine Rechtsgleichheitsgrundsatz verpflichtet die Behörden, gleiche Sachverhalte mit identischen relevanten Tatsachen gleich zu beurteilen, es sei denn ein sachlicher Grund rechtfertige eine unterschiedliche Behandlung (vgl. BGE 136 I 345 E. 5 mit Hinweisen). Die Anforderungen an die Rechtfertigung einer Differenzierung beziehungsweise einer Gleichbehandlung sind

          umso strenger, je stärker diese den Einzelnen in seinen Grundrechten trifft (vgl. Müller/ Schefer, a.a.O., S. 662).

          Religiöse Überzeugungen sind sachliche Gründe, welche die Gewährung einer Ausnahme vom Kopfbedeckungsverbot während des Unterrichts rechtfertigen können. Das allgemeine Rechtsgleichheitsgebot verbietet es hingegen grundsätzlich, verschiedene religiöse Bekenntnisse unterschiedlich zu behandeln. Insbesondere erschiene es deshalb nicht als zulässig, Ausnahmen für das Tragen der jüdischen Kippa und des Turbans der Sikhs zu verweigern.

        3. Die Beschwerdegegnerin bringt vor, das islamische Kopftuch sei Ausdruck der Unterwerfung der Frau unter den Mann. Der Beschwerdeführer äusserte denn auch klar und wiederholt seine Auffassung, nach seinem Verständnis des Islams und der Scharia stehe die Frau "eine Stufe unterhalb des Mannes" (insbesondere act. 9/5a-31, 26/5 Seiten 2 und 3)

          Gemäss Art. 8 Abs. 3 Satz 1 BV sind Mann und Frau gleichberechtigt. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann allerdings nicht mit Grund gesagt werden, das Tragen des Kopftuches als Manifestation eines religiösen Bekenntnisse bringe in allgemein erkennbarer Weise eine Haltung der Unterwerfung der Frau unter den Mann und eine Herabminderung von Frauen zum Ausdruck. Die Befolgung der aus dem Koran abgeleiteten Übung kann auf eigenständigem Entschluss der Frauen selber beruhen, ihren Glauben auf diese Weise zu manifestieren, ohne dass damit eine Haltung der Unterwerfung ausgedrückt würde. Der Umstand, dass die Ehefrau eines Moslems ein Kopftuch trägt, könnte – bei der Begründung einer Nichteinbürgerung – mitberücksichtigt werden, wenn darin vor dem Hintergrund der konkreten Verhältnisse eine Haltung zum Ausdruck kommt, die mit unsern grundlegenden rechtsstaatlichen und demokratischen Wertvorstellungen im Widerspruch stünde (BGE 134 I 56 E. 5.2; anderer Meinung Y. Hangartner, Bemerkungen zu BGer 2P.419/1996 [BGE 123 I 296; Pra 87/1998 Nr. 47], in: AJP 1998 S. 599 ff., Ziffern 13 und 19, wonach der auf altorientalisches Brauchtum zurückgehende Frauenschleier des Islams Ausdruck patriarchalischer Auffassungen ist, die der Zielsetzung von Art. 8 Abs. 3 BV auch dann zuwiderlaufen, wenn die korangemässe Bekleidung dem Schutz der Frauen dienen soll,

          und Karlen, a.a.O., S. 211 Fussnote 81, wonach das Tragen des Kopftuches auch unter Muslimen selber als Zeichen der Intoleranz gilt).

          Es ist nicht zu verkennen, dass die Kleidervorschrift zusammen mit den Ausführungen des Beschwerdeführers zur Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft geeignet ist, eine Auffassung zum Ausdruck bringen, welche den Wertvorstellungen, wie sie in der schweizerischen Verfassung insbesondere in Art. 8 Abs. 3 BV niedergelegt sind, zuwiderläuft. Allerdings teilen auch nicht alle christlichen Bekenntnisse diese verfassungsrechtlichen Wertvorstellungen gleichermassen. In einer pluralistischen Gesellschaft bestehen geradezu zwangsläufig differenzierte Vorstellungen hinsichtlich der Stellung der Geschlechter in der Gesellschaft, in der Religionsgemeinschaft und in der Familie. Sie können in der Regel aber nicht – wie dies beim islamischen Kopftuch der Fall sein kann – in gleicher Weise mit einem Erscheinungsbild verbunden werden, das geeignet ist, als Symbol der Unterwerfung wahrgenommen zu werden. Das Tragen des islamischen Kopftuches indessen schliesst – worauf auch das Bundesgericht in der dargelegten Rechtsprechung hinweist – als religiöses Bekenntnis nicht von vornherein eine selbstbestimmte und gleichberechtigte Rolle der Frau in der Gesellschaft und in der Familie aus.

        4. Die Beschwerdegegnerin macht geltend, nicht muslimischen Schülerinnen und Schülern komme ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf einen strikt religionsneutralen Schulunterricht zu. Religiöse Symbole hätten im Schulzimmer nichts zu suchen. Das Schulzimmer sei nicht nur ein religionsneutraler, sondern ein religionsfreier Raum.

          Art. 10 KV umschreibt die Staatsziele im Bereich der Bildung; der Staat tritt insbesondere dafür ein, dass im Unterricht Verantwortung gegenüber Mensch und Mitwelt wahrgenommen und vermittelt wird (Abs. 3). Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VSG hält dazu fest, dass die Schule nach christlichen Grundsätzen geführt wird. In der Botschaft zu dieser Bestimmung wird ausgeführt, es würden damit keine konfessionellen Schranken gesetzt. Die christlichen Grundsätze beinhalteten die Zehn Gebote und den Gedanken der Nächstenliebe. Sie bestimmten das christliche Verständnis der Menschenwürde, das der Christ jedem Menschen, auch dem Nicht-Christen entgegen bringe (vgl. Botschaft des Regierungsrates zum Entwurf eines Volksschulgesetzes vom 23. Juni

          1981, in: ABl 1981 S. 1073 ff., S. 1076). In der parlamentarischen Beratung wurde zum Ausdruck gebracht, von einer nach christlichen Grundsätzen geführten Schule werde erwartet, dass sie sich besonders den Hilfsbedürftigen, den Schwachen und den am Rand der Gesellschaft Lebenden zuwende, zur Verantwortung gegenüber Schöpfung und Mitmenschen sowie zur Gemeinschaftsfähigkeit erziehe, im Geist einer Liebe, die Geduld, Gewaltlosigkeit, Förderung geistiger und manueller Begabung sowie seelischer Kräfte einschliesse, lebe und lehre (vgl. Protokoll des Grossen Rates vom 4. Mai 1982, Nr. 319/19 S. 1087/8). Systematisch steht die Bestimmung im Dienst an den in Art. 3 Abs. 2 VSG genannten erzieherischen Zielen, insbesondere die unterschiedlichen und vielfältigen Begabungen und die Gemütskräfte der Schülerinnen und Schüler zu fördern, den Zugang zu den verschiedenen Bereichen der Kultur zu öffnen und zu selbständigem Denken und Handeln anzuleiten (vgl. dazu auch den Entscheid des Bundesrates vom 11. Januar 1984, in: VPB 51/1987 Nr. 7).

          Das st. gallische Schulrecht geht offenkundig nicht von einem strikten Laizismus aus, der auch von Schülerinnen und Schülern verlangen würde, in der Schule ihrer Religion, in der sie aufwachsen, keinerlei erkennbaren Ausdruck zu verleihen. Vielmehr sollen – im Sinn der christlichen Grundsätze, wie sie Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VSG zum Ausdruck bringen – Toleranz und Verständnis gegenüber anderen Glaubensbekenntnissen geübt werden können (vgl. dazu Aubert, a.a.O., S. 484). Das kann in der Begegnung mit hermetischen, doktrinären und der individuellen Freiheit gegenüber kritisch eingestellten Ansichten durchaus zur Stärkung der eigenen – erst auf der Grundlage dieser Offenheit zu gewinnenden – Überzeugungen führen und damit auch die Erkenntnis fördern, dass Offenheit unabdingbare Grundlage für ein Zusammenleben der Menschen in einer pluralistischen Gesellschaft in Frieden und Freiheit ist. Diese praktisch erprobte Offenheit und die dadurch gewonnenen Erfahrungen befähigen schliesslich dazu, die Grenzen zu erkennen, die jenem Verhalten gesetzt werden müssen, das auf intoleranten und lebensfeindlichen Welt- und Menschenbildern beruht. Mit Blick auf dieses Einüben von Offenheit stiess selbst das – vom Bundesgericht geschützte – Kopftuchverbot für eine Primarlehrerin im laizistisch geprägten Schulsystem des Kantons Genf in der Literatur auf Kritik (vgl. Hangartner, a.a.O., in: AJP 7/1998, insbesondere Ziffer 17; P. Richli, Berufsverbot einer Primarlehrerin wegen eines islamischen Kopftuches?, in: ZBJV 134/1998 S. 228 ff.).

          Im Allgemeinen findet keine Identifikation der Schule mit einem Glauben statt, wenn Schülerinnen und Schüler in der Schule religiös geprägte Kleidungsstücke tragen. Im Fall einzelner, das islamische Kopftuch tragender Schülerinnen wird die religiöse Neutralität der Schule nicht in Frage gestellt. Daraus, dass die Schule die Einhaltung dieser Kleidervorschrift zulässt, lässt sich also nicht ableiten, sie identifiziere sich mit dem Glauben dieser Schülerinnen. Die Neutralität der Schule kann aber dann tangiert sein, wenn die Praxis des Tragens religiöser Zeichen sehr verbreitet ist und in Konflikt mit anderen Religionen beziehungsweise Weltanschauungen gerät. Einschränkungen religiös geprägter Kleidung kämen mit Blick auf einen religionsneutralen Unterricht deshalb dann in Frage, wenn ein geordneter Schulbetrieb dadurch ernsthaft beeinträchtigt würde. Dies könnte etwa dann der Fall sein, wenn die Identifikation der Schüler wegen ihrer Kleidung für die Lehrpersonen nicht mehr möglich ist, wenn dadurch die Kommunikation im Klassenzimmer erheblich gestört wird (vgl. Epiney/ Mosters/Gross, a.a.O., S. 138; Müller/ Schefer, a.a.O., S. 277 f. mit Hinweisen auf Kiener/Kälin und deutsche Literatur sowie die Rechtsprechung des EGMR zum türkischen und des UNO-Menschenrechtsausschusses zu einem – nicht begründeten – usbekischen Kopftuchverbot an Universitäten; da die Schweiz – im Gegensatz zur Türkei – weder einen derart stringenten Laizismus noch entsprechende starke, religiös extremistische und homogene politische Gruppierungen kennt, wäre ein solches Verbot in der Schweiz nicht zulässig).

        5. Die Beschwerdegegnerin sieht mit der Bewilligung einer religiös bedingten Ausnahme vom Kopfbedeckungsverbot die Religionsfreiheit Dritter und den Religionsfrieden gefährdet.

          Vom Umstand, dass eine einzelne Mitschülerinnen während des Unterrichts an der öffentlichen Schule das islamische Kopftuch tragen, geht für ihre Mitschülerinnen und Mitschüler kein Zwang im Sinn von Art. 15 Abs. 4 BV einher. Art. 15 BV verleiht zudem grundsätzlich keinen Anspruch darauf, nicht mit den religiösen Handlungen anderer konfrontiert zu werden (BGer 2C_724/2011 vom 11. April 2012 E. 3.2 bezüglich des Singens christlicher Lieder in der öffentlichen Schule).

          Vor dem Hintergrund der absoluten Wertvorstellungen des Beschwerdeführers erscheint das Tragen des islamischen Kopftuchs als unverzichtbarer Bestandteil des

          richtig verstandenen Islam. Insoweit sind angesichts der doktrinären Auffassungen des Beschwerdeführers die Befürchtungen der Beschwerdegegnerin nicht von der Hand zu weisen, dass radikalislamische Auffassungen geeignet sind, von anderen – in der Diaspora lebenden – moslemischen Gläubigen als Bedrohung ihrer liberaleren Gesinnung erfahren zu werden. Deshalb hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Kopftuchverbot an der Universität von Istanbul bestätigt unter anderem mit dem Hinweis auf den Einfluss, den das Tragen eines solchen Symbols, das als zwingende religiöse Pflicht dargestellt angesehen wird, auf jene haben kann, die sich entschieden haben, es nicht zu tragen (vgl. Urteil 44774/98 vom 29. Juni 2004, in: EuGRZ 32/2005 S. 31 ff., Ziffern 99 und 100). Vergleichbares gilt auch für Angehörige anderer Religionen, die in von einem unduldsamen Islamismus beherrschten Gesellschaften in bedrängten Verhältnissen leben aufgrund des Umstands, dass die Grundlagen des Islam – wie im Übrigen auch für den Beschwerdeführer – auch Grundlage von Staat und Kultur sein sollen (vgl. S. Raeder, Der Islam und das Christentum. Eine historische und theologische Einführung, Neukirchen-Vluyn 2001, S. 139 f.).

          Abgesehen davon, dass sich die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Schweiz und auch in der Schulgemeinde St. Margrethen nicht mit jenen in Istanbul vergleichen lassen, steht die Bestätigung des Kopftuchverbots an der Universität von Istanbul durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auch vor dem Hintergrund der Verteidigung des Prinzips des Laizismus und seiner Bedeutung für die demokratische Ordnung in der Türkei (vgl. K. Pabel, in: Islamisches Kopftuch und Prinzip des Laizismus, in: EuGRZ 32/2005 S. 12 ff., S. 14 f.). Die Beschwerdegegnerin befürchtet eine vergleichbare Entwicklung, ohne allerdings konkrete Anzeichen dafür zu nennen, dass radikal-islamische Vorstellungen die Grundüberzeugungen, wie sie in der schweizerischen Rechtsordnung zum Ausdruck kommen, ernstlich bedrohen. Insbesondere ist nicht bekannt, dass in Schulen, welche kein Kopfbedeckungsverbot kennen, entsprechende Probleme virulent sind. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass der – befürchtete – Einfluss fundamentalistischer

          Überzeugungen auf andere Mitglieder der Religionsgemeinschaft doch wohl nicht allein auf das Tragen des islamischen Kopftuches auch während des Unterrichts an der öffentlichen Schule zurückzuführen wäre. Von mindestens gleichem Gewicht dürfte das Verhalten in der Freizeit ausserhalb des Klassenzimmers sein. Das Verbot, ein Kopftuch

          zu tragen zum Schutz des Religionsfriedens auf Vorrat, erscheint unverhältnismässig. Es dürfte erwogen werden, wenn sich eine ernsthafte Gefährdung des Religionsfriedens abzeichnen sollte (vgl. Richli, a.a.O., S. 231 f.). Dass veränderte tatsächliche Verhältnisse eine Anpassung der Regeln verlangen können, ist aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

        6. Die Beschwerdegegnerin stützt die ausnahmslose Geltung des Kopfbedeckungsverbotes während des Unterrichts auf das Ziel der Integration von Kindern mit Migrationshintergrund. Sie verlange das Mittragen der Grundwerte des modernen Verfassungsstaates durch die zugewanderte Bevölkerung. Religion wirke dann desintegrierend, wenn sie Normen und Praktiken enthalte, die mit den gesellschaftlichen Konventionen und mit den Werten unserer Verfassungsstaates in Konflikt stünden. Integration werde verhindert, wenn die in der Schweiz geltenden Grundrechte von der zugewanderten Bevölkerung nicht mitgetragen würden, sondern die eigene Religion über diesen Grundwerten stehe.

          Bundes- und Kantonsverfassung verankern die Integration insbesondere von Kindern- und Jugendlichen als Sozial- und Staatsziel. Gemäss Art. 41 Abs. 1 Ingress und lit. g BV setzen sich Bund und Kantone in Ergänzung zu persönlicher Verantwortung und privater Initiative dafür ein, dass Kinder und Jugendliche in ihrer sozialen, kulturellen und politischen Integration unterstützt werden. Nach Art. 14 KV setzt sich der Staat die soziale Integration zum Ziel. Um dem Anliegen von Art. 41 Abs. 1 Ingress und lit. g BV zu entsprechen, muss auch den Besonderheiten von weiblichen, behinderten und ausländischen Kindern und Jugendlichen Beachtung geschenkt werden (Bigler- Eggenberger/ Schweizer, in: Ehrenzeller/Schindler/Schweizer/Vallender [Hrsg.], Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, N 82 zu Art. 41 BV).

          Die Beschwerdegegnerin weist an sich zu Recht darauf hin, dass die Integration von Menschen mit verschiedener Herkunft, Kultur und Religion eine Anpassung an bestimmte gemeinsame Regeln verlangt. Eine Kultur, in der Menschen mit heterogenen religiösen Überzeugungen friedlich koexistieren, vermag nur zu funktionieren, wenn alle in ihr Lebenden bereit sind, Unterscheidungsleistungen zu erbringen – Unterscheidungen zwischen dem, was für alle gelten soll, und jenem, das jeder nur für

          sich selbst gelten lässt. Wer dagegen die eigene Lebensnorm gottesbegeistert absolut setzt, kann andere immer nur als Missionsobjekte Feinde wahrnehmen. Mit wohlmeinender Konsensrhetorik ritueller Grundwertebeschwörung ist solchen fundamentalistischen Herausforderungen allerdings nicht angemessen zu begegnen. Denn die von Fundamentalisten entworfenen Szenarien der Traditionszerstörung und des modernisierungsbedingten Moralverlustes lassen sich ja nicht leichthin als Wahnpropaganda abtun. Gerade auch demokratisch verfasste offene Gesellschaften bedürfen der Erinnerung an moralische Traditionen und deren Erneuerung, wollen sie ihr Überleben jenseits der Verteilungskämpfe rücksichtsloser Individuen sichern. Wer die liberale Demokratie verteidigen will, ist deshalb gut beraten, sich nicht in eine falsche Entgegensetzung von "laizistischem Staat" und "fundamentalistischer Religion" drängen zu lassen. Es geht vielmehr darum, die Bestände an religiös-moralischer Tradition, die uns (noch) zur Verfügung stehen, reflektiert so präsent zu halten, dass sie der Stärkung einer Kultur der Toleranz dienen (F.W. Graf, Götter global, München 2014, S. 245).

          Das Zusammenleben von verschiedenen Kulturen und Religionen in ein und derselben Gesellschaft verlangt angepasstes, nicht aber uniformes Verhalten in Fragen, wie sie eine objektiv nicht störende Bekleidung – auch – während des Unterrichts in der öffentlichen Schule darstellt. Vielmehr darf, soll und muss – im Hinblick auf die Erkennbarkeit der Besonderheiten des Gegenübers – die Verschiedenheit der Menschen und ihrer Auffassungen auch äusserlich wahrnehmbar werden. Die Bekleidung ist elementarer sinnenhafter Ausdruck der Persönlichkeit ihres Trägers. Integration kann nicht gelingen, wenn sich die Gesellschaft bereits von Äusserlichkeiten aufhalten lässt, die für ein friedliches Zusammenleben in gegenseitigem Respekt belanglos sind. Erscheint sie, wie dies beim islamischen Kopftuch der Fall ist, weder als unsittlich – vielmehr von einer ausgeprägten, möglicherweise als übertrieben empfundenen Schamhaftigkeit bestimmt – noch als respektlos – wie dies bei einer vollen Verschleierung der Fall sein kann – von einer irritierenden Verschlossenheit gegenüber den Mitmenschen, besteht kein Anlass, sie mit dem Hinweis auf das Ziel einer gelingenden Integration zu verbieten.

              1. Dafür, dass der Tochter der Beschwerdeführerin das Tragen des islamischen Kopftuches auch während des Unterrichts an der öffentlichen Schule als Ausnahme

                vom generellen Kopfbedeckungsverbot bewilligt wird, spricht in erster Linie die Religionsfreiheit der Beschwerdeführer und ihrer Tochter. Die Beschwerdegegnerin macht geltend, ob die Tochter der Beschwerdeführer jemals selbst den Wunsch geäussert habe, aus religiösen Gründen das Kopftuch zu tragen, sei nicht überprüfbar. Diese Argumentation wirft die Frage nach dem Verhältnis von Tradition und Selbstbestimmungsrecht des Individuums auf. Gelebte Tradition beruht – wie das auch für die Christliche gilt – weitgehend auf einer generationenübergreifenden Weitergabe ohne bewussten individuellen Entscheid jener, die in eine Tradition hineinwachsen. Beruht die Einhaltung einer Regel allein auf einem Entscheid des mündigen Individuums, erscheint sie weniger als Tradition denn als rationales Verhalten, das neuer Erkenntnis folgend auch wieder geändert werden kann. Insoweit stehen die Weitergabe von Tradition und – tatsächliche vermeintliche – Willensfreiheit zumindest in einem ambivalenten Verhältnis.

                Bei der Beurteilung der Verhältnismässigkeit der Durchsetzung bürgerlicher Pflichten im Kontext religiös bedingter Schuldispensationen hat das Bundesgericht Eingriffe in die Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht zuletzt wegen der Gefahr eines Gewissenskonflikts und aufgrund der belastenden Auswirkungen eines Konflikts zwischen Schule und Familie auf das Kind als unzumutbar beurteilt (vgl. BGE 114 Ia 129 und 117 Ia 311: Schuldispensationen für Anhänger der Weltweiten Kirche Gottes; BGE 119 Ia 178: Dispensation vom Schwimmunterricht für eine muslimische Schülerin). Sodann hat das Bundesgericht den mit der Verschiebung von drei auf einen Samstag fallenden Maturitätsprüfungen verbundenen Aufwand im Verhältnis zum Interesse eines der Gemeinschaft der Adventisten angehörenden Schülers, seine religiösen Feiertage einzuhalten, als nicht übermässig hoch beurteilt (vgl. BGE 134 I 114). Mit der Begründung, der Anteil der muslimischen Bevölkerung sei stark gewachsen und die religiöse Zusammensetzung der Schweizer Bevölkerung habe sich entsprechend verändert, hat das Bundesgericht in der neueren Rechtsprechung die Bedeutung der bürgerlichen Pflichten und der Schule für die Integration von Ausländerinnen und Ausländern wieder stärker gewichtet und die Verweigerung der Dispensation muslimischer Kinder vom gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht an der Unterstufe bestätigt (vgl. BGE 135 I 79). Im Gegensatz zur Frage, inwieweit ein Kind am Schulunterricht teilnimmt, stellt das Tragen des islamischen Kopftuches auch während des Unterrichts an der öffentlichen Schule kein Integrationshindernis dar. Zudem zieht

                es für die Schule auch keinen besonderen organisatorischen Aufwand nach sich. Insoweit kommt dem Bestreben, in der Folge der Bekleidungsvorschrift den Schülerinnen Gewissenskonflikte zu ersparen, erhebliches Gewicht zu. Dies gilt umso mehr, als die vorübergehende Nichtbewilligung der Ausnahme dazu geführt hat, dass die Tochter der Beschwerdeführer die Schule während dreier Monate nicht mehr besuchen konnte. Da die Beschwerdeführer an ihrer Auffassung ohne Rücksichten auf die ausbildungsbezogenen Konsequenzen festhielten, fragt sich, ob und wie die Pflicht zum Schulbesuch letztlich gewaltsam durchgesetzt werden könnte. Jedenfalls zeigt sich, dass in erster Linie die Tochter der Beschwerdeführer die nachteiligen Konsequenzen des Konflikts zu tragen hätte.

                Die Bewilligung einer religiös begründeten Ausnahme dient schliesslich auch dem öffentlichen Interesse an einer gelingenden Integration verschiedener Religionen und Kulturen in der schweizerischen Gesellschaft.

              2. Für die Unzulässigkeit der Einschränkung der Glaubens- und Gewissensfreiheit der Beschwerdeführer und ihrer Tochter durch die ausnahmslose Durchsetzung des Kopfbedeckungsverbots während des Unterrichts an der öffentlichen Schule der Beschwerdegegnerin sprechen gewichtige private und öffentliche Interessen. Die Beschwerdeführer und ihre Tochter begründen die Einhaltung der Bekleidungsvorschrift mit ihrer religiösen Überzeugung, der angesichts der fundamentalen Bedeutung der Religionsfreiheit grosses Gewicht zukommt. Bei einer Durchsetzung des Verbots wäre die Tochter der Beschwerdeführer zudem einem ernsthaften Gewissenskonflikt ausgesetzt. Die Zulässigkeit einer religiös bedingten Ausnahme bei einer blossen Kleidervorschrift, bei deren konkreter Umsetzung im Übrigen das Gesicht frei bleibt, dient sodann auch dem öffentlichen Interesse an der tatsächlichen Wirksamkeit der Religionsfreiheit und dem Einüben eines respektvollen Umgangs mit religiösen Minderheiten.

          Die für die Zulässigkeit der Einschränkung der Glaubens- und Gewissensfreiheit sprechenden öffentlichen Interessen erscheinen weniger gewichtig, zumal sie sich selber relativieren. Das Rechtsgleichheitsgebot und insbesondere das Diskriminierungsverbot schliessen eine religiös begründete Differenzierung nicht aus, sondern gebieten sie viel mehr. Aus der Verpflichtung der öffentlichen Schule zur

          Religionsneutralität lässt sich grundsätzlich kein Verbot des Tragens des islamischen Kopftuches durch Schülerinnen während des Unterrichts ableiten, zumal jedenfalls zurzeit keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass dadurch Mitschülerinnen und Mitschüler anderer Religionen mit einem weniger fundamental geprägten islamischen Glauben in ihrer Religionsfreiheit ernsthaft beeinträchtigt hinsichtlich ihres eigenen Verhaltens in eine Zwangslage gerieten. Einiges Gewicht kommt zwar der in Art. 8 Abs. 3 BV verankerten Gleichstellung von Mann und Frau zu, zumal das islamische Kopftuch insbesondere auf dem Hintergrund fundamentalistischer islamischer Strömungen auch als Ausdruck der Unterordnung der Frau unter den Mann interpretiert werden kann (vgl. Aubert, a.a.O., S. 485 f.). Mit Blick auf die dargestellte bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach das Tragen des islamischen Kopftuches eine selbstbestimmte und gleichberechtigte Rolle der Frau in der Gesellschaft und in der Familie nicht von vornherein ausschliesst (vgl. oben Erwägung 4.4.3.3), rechtfertigen diese Bedenken allein nicht die ausnahmslose Durchsetzung des Kopfbedeckungsverbots.

          Dieses Ergebnis entspricht auch der in der Literatur vertretenen Auffassung, für Schülerinnen und Schüler erscheine ein generelles Verbot, bestimmte religiöse Kleidungsstücke wie das Kopftuch zu tragen, in der Regel als unverhältnismässig und verfassungswidrig (Karlen, a.a.O., S. 208 f.). Die kritischen Überlegungen, welche zum Kopftuchverbot für eine Primarlehrerin in einer laizistisch geprägten Volksschule angestellt wurden (vgl. auch H. Plotke, Schweizerisches Schulrecht, 2. Aufl. 2003, S. 611 f.), gelten noch weit mehr für ein Verbot des Tragens von religiösen Symbolen seitens der Schülerinnen und Schüler; diese könnten sich dafür in einem weitergehenden Mass als Lehrkräfte auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit berufen (Richli, a.a.O., S. 233, der im Übrigen die Auffassung vertritt, dies lasse auch das Bundesgericht in BGE 123 I 296 durchblicken). Schülerinnen und Schüler können nicht verpflichtet werden, in der Schule auf das Tragen starker religiöser Symbole zu verzichten. Weil nur der Staat, nicht auch die Schülerinnen als Privatpersonen zur religiösen Neutralität verpflichtet sind, kann ihnen das Tragen des islamischen Kopftuches nicht grundsätzlich verboten werden (Kiener/Kälin, a.a.O., S. 320). Schliesslich wird in der Literatur auch die Auffassung vertreten, im Fall einzelner kopftuchtragender Schülerinnen müsse die Prüfung der Verhältnismässigkeit in jedem

          Fall zugunsten der Glaubens- und Gewissensfreiheit der Schülerin ausfallen (vgl. Epiney/Mosters/Gross, a.a.O., S. 138).

  2. Zusammenfassend gelangt das Verwaltungsgericht deshalb zur Auffassung, dass die Durchsetzung des Kopfbedeckungsverbots während des Unterrichts an der öffentlichen Schule zurzeit einen unverhältnismässigen Eingriff in die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Beschwerdeführer und ihrer Tochter, welche das islamische Kopftuch tragen will, darstellt. Eine wortgetreue Handhabung des Kopfbedeckungsverbots, das keinerlei Ausnahmen vorsieht, verletzt die Religionsfreiheit der Beschwerdeführer und ihrer Tochter. Eine verfassungskonforme Handhabung des Verbots von Art. 14 Abs. 2 der Schulordnung der Beschwerdegegnerin verlangt deshalb, dass der Tochter der Beschwerdeführer das Tragen des islamischen Kopftuches auch während des Unterrichts erlaubt wird. Damit erübrigt es sich zu prüfen, ob die Durchsetzung des Verbots zu einer – indirekten mittelbaren (vgl. dazu BGE 129 I 217 E. 2.1 letzter Absatz) – Diskriminierung jener Schülerinnen führen würde, die das islamische Kopftuch während des Unterrichts tragen möchten.

  3. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 95 Abs. 1 VRP). Eine Entscheidgebühr von CHF 4'000 erscheint angemessen (Art. 7 Ziff. 222 der Gerichtskostenverordnung, sGS 941.12). Auf die Erhebung ist zu verzichten (Art. 95 Abs. 3 VRP). Die unterliegende Beschwerdegegnerin hat die obsiegenden Beschwerdeführer ausseramtlich mit CHF 4'000 (inklusive Barauslagen, zuzüglich Mehrwertsteuer) ausseramtlich zu entschädigen (Art. 98 Abs. 1 und Art. 98bis VRP).

Demnach erkennt das Verwaltungsgericht zu Recht:

  1. Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid des Bildungsdepartements des Kanton St. Gallen vom 12. März 2014 aufgehoben.

  2. Der Tochter der Beschwerdeführer, C.Z., wird erlaubt, im Schulunterricht das islamische Kopftuch (Hijab) zu tragen.

  3. Die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens von CHF 4'000 werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. Auf die Erhebung wird verzichtet.

  4. Die Beschwerdegegnerin entschädigt die Beschwerdeführer ausseramtlich mit CHF 4'000 (zuzüglich Mehrwertsteuer).

Der Präsident Der Gerichtsschreiber

Eugster Scherrer

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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