E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Verwaltungsgericht (SG - B 2013/66)

Zusammenfassung des Urteils B 2013/66: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht hat in einem Fall von versuchter Steuerhinterziehung entschieden, dass die Beschwerdegegnerin freigesprochen wird. Sie hatte vergessen, Mutterschaftsentschädigungen in der Steuererklärung anzugeben. Das Gericht urteilte, dass sie nicht vorsätzlich gehandelt habe, sondern nur fahrlässig war, da sie die Steuererklärung von einem Steuerberater ausfüllen liess und die Beträge nicht kontrollierte. Das Kantonale Steueramt legte Beschwerde ein, die jedoch abgewiesen wurde. Die Gerichtskosten in Höhe von CHF 1'500 trägt das Kantonale Steueramt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts B 2013/66

Kanton:SG
Fallnummer:B 2013/66
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid B 2013/66 vom 11.03.2014 (SG)
Datum:11.03.2014
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Urteil Steuerrecht. Art. 249 Abs. 1 StG.Versuchte Steuerhinterziehung. Die Umstände liessen nicht zwingend darauf schliessen, dass die Beschwerdeführerin mit der unterlassenen Deklaration von Mutterschaftsentschädigungen eine Steuerverkürzung (willentlich) in Kauf nahm; eine blosse Nachlässigkeit bzw. (grobe) Fahrlässigkeit erschien mindestens gleich wahrscheinlich. Der Nachweis des (eventual-)vorsätzlichen Unterlassens der Deklaration konnte damit nicht mit
Schlagwörter: Steuererklärung; Steuerhinterziehung; Mutterschaftsentschädigung; Lässigkeit; Steuerbehörde; Ausgleichskasse; Vorinstanz; Entscheid; Veranlagung; Einkommen; Fahrlässigkeit; Steueramt; Mutterschaftsentschädigungen; Person; Hinweis; Meuter; Richner/; Beilage; Steuerverkürzung; Tatbestand; Eventualvorsatz
Rechtsnorm: Art. 174 DBG ;Art. 175 DBG ;Art. 176 DBG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts B 2013/66

hinlänglicher Sicherheit als erbracht gelten (Verwaltungsgericht, B 2013/66).

Urteil vom 11. März 2014

Anwesend: Präsident lic. iur. B. Eugster; Verwaltungsrichter lic. iur. A. Linder,

Dr. B. Heer, lic. iur. A. Rufener, Dr. S. Bietenharder-Künzle; Gerichtsschreiber Dr. W.

Schmid

image

In Sachen

Kantonales Steueramt, Davidstrasse 41, 9001 St. Gallen,

Beschwerdeführer, gegen

Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Unterstrasse 28, 9001 St.

Gallen, Vorinstanz,

und X.Y.,

Beschwerdegegnerin, betreffend

versuchte Steuerhinterziehung (Staats- und Gemeindesteuern 2011)

hat das Verwaltungsgericht festgestellt:

  1. ./ X.Y. wohnt zusammen mit ihrem Ehemann und dem am 16. Februar 2011 geborenen Sohn in Buchs. Im Jahr 2011 war sie bei verschiedenen Arbeitgebern angestellt und bezog zudem Leistungen der Arbeitslosenversicherung (ALV) sowie der AHV-Ausgleichskasse (vgl. act. G 7/4/5 Beilagen). Das Ehepaar reichte die Steuererklärung 2011 am 1. April 2012 elektronisch ein und stellte der Steuerbehörde das von beiden Steuerpflichtigen unterzeichnete Steuererklärungsformular zusammen mit weiteren Belegen zu. Die Steuerbehörde forderte das Ehepaar Y. im Rahmen des Veranlagungsverfahrens mit Schreiben vom 30. April 2012 auf, die Lohnausweise der Ehefrau für die Zeit von Februar bis Mai 2011 einzureichen bzw. mitzuteilen, ob in dieser Zeit Ersatzeinkünfte erzielt worden seien (act. G 7/4/5 Beilage). X.Y. reichte daraufhin eine am 4. Mai 2012 ausgestellte Bestätigung der AHV-Ausgleichskasse (EXFOUR) über die von ihr vom 16. Februar bis 24. Mai 2011 bezogenen Mutterschaftsentschädigungen von Fr. 13'230.-- ein (act. G 7/4/5 Beilage). Am 14. August 2012 leitete das kantonale Steueramt gegen X.Y. ein Untersuchungsverfahren wegen Steuerhinterziehung ein. Es warf ihr vor, im Jahr 2011 die Mutterschaftsentschädigungen nicht deklariert zu haben und stellte eine Busse in der Höhe von Fr. 1'500.-- hinsichtlich der Kantons- und Gemeindesteuern in Aussicht (act. G 7/4/7). X.Y. nahm dazu am 15. August 2012 telefonisch Stellung und legte dar, sie habe Kenntnis der Zahlungen gehabt, sei jedoch nicht im Besitz der Bestätigung der AHV-Ausgleichskasse gewesen, als die Steuererklärung ausgefüllt worden sei. Sie habe deshalb vergessen, die Entschädigungen zu deklarieren. Es sei zudem ein "Riesentheater" gewesen, die Mutterschaftsentschädigungen überhaupt zu erhalten. Dies werde im Normalfall über den Arbeitgeber abgewickelt und auf dem Lohnausweis

    aufgeführt (act. G 7/4/8). Mit Strafbefehl vom 24. August 2012 wurde X.Y. wegen versuchter Steuerhinterziehung mit Fr. 1'500. gebüsst. Zudem wurden ihr die Verfahrenskosten von Fr. 100.-- auferlegt (act. G 7/2).

  2. ./ Gegen den Strafbefehl erhob X.Y. mit Eingabe vom 27. August 2012 Einsprache (act. G 7/3). Das kantonale Steueramt überwies die Strafsache am 10. September 2012 der Verwaltungsrekurskommission zur Beurteilung. Nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 21. Februar 2013 (act. G 7/12) eröffnete die Verwaltungsrekurskommission den Verfahrensbeteiligten mit Entscheid vom 21. Februar 2013, dass X.Y. vom Vorwurf der versuchten Steuerhinterziehung (Staats- und Gemeindesteuern 2011) freigesprochen werde (Kurzbegründung; act. G 7/13). Der auf Begehren des Steueramtes ausgefertigte ausführlich begründete Entscheid wurde am

    13. März 2013 versandt (act. G 7/15).

  3. ./ Gegen diesen Entscheid erhob das Kantonale Steueramt mit Eingabe vom 26. März 2013 Beschwerde mit dem Antrag, der Entscheid sei aufzuheben und der Strafbefehl vom 24. August 2012 sei zu bestätigen; unter Kostenfolge (act. G 1).

In der Vernehmlassung vom 4. April 2013 beantragte die Vorinstanz Abweisung der Beschwerde und verwies zur Begründung auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid (act. G 6). In der Stellungnahme vom 10. April 2013 bestätigte die Beschwerdegegnerin ihre im vorinstanzlichen Verfahren gemachten Darlegungen (act. G 9).

Darüber wird in Erwägung gezogen:

1. (…).

2. Streitig ist, ob die Beschwerdegegnerin bei der Veranlagung des Steuerjahres 2011 eine versuchte Steuerhinterziehung im Sinn von Art. 249 Abs. 1 StG begangen hat. Die Bestimmung entspricht den Vorgaben in Art. 56 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (SR 642.14, abgekürzt: StHG) und deckt sich inhaltlich mit Art. 176 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (SR 642.11, abgekürzt: DBG). Das Versuchsstadium beginnt mit der Ausführung der Tat und endet unter anderem, wenn der Taterfolg

ausbleibt. Eine versuchte Steuerverkürzung kann demnach solange vorliegen, als die betreffende Veranlagung noch im ordentlichen Verfahren durchgeführt abgeändert werden kann (R. Sieber, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Band I/2b,

  1. Aufl. 2008, N 2 und 3 zu Art. 176 DBG). In objektiver Hinsicht setzen die versuchte und die vollendete Steuerhinterziehung unrichtige (unwahre unvollständige) Angaben das Verschweigen von Tatsachen voraus, die für eine gesetzeskonforme Veranlagung erheblich sind. Dazu zählt insbesondere die Nichtdeklaration von steuerbaren Leistungen, aber auch das Verschweigen anderer steuererheblicher Tatsachen (Weidmann/Grossmann/Zigerlig, Wegweiser durch das st. gallische Steuerrecht, 6. Aufl. 1999, S. 425f). Nach Art. 168 Abs. 2 StG muss die steuerpflichtige Person die Steuererklärung wahrheitsgemäss und vollständig ausfüllen und persönlich unterzeichnen. Nach Art. 179 StG regelt das kantonale Steueramt die Voraussetzungen für den elektronischen Austausch von Daten zwischen der steuerpflichtigen Person und der Steuerbehörde.

    1. Die Beschwerdegegnerin unterzeichnete am 1. April 2012 die "eTaxes 2011- Quittung", auf der ein steuerbares Einkommen von Fr. 68'500.-- aufgeführt war. Sie stellte diese Quittung zusammen mit dem Original des Steuererklärungsformulars und weiteren Belegen der Steuerbehörde zu. Das nicht ausgefüllte Steuererklärungsformular unterzeichnete sie ebenfalls und bestätigte damit, die Steuererklärung mit allen Beilagen vollständig und wahrheitsgetreu ausgefüllt zu haben (act. G 7/4/5 Beilagen). Mit der Vorinstanz (act. G 2 E. 3a Absatz 3) ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass die Beschwerdegegnerin damit die Richtigkeit des auf der "e-Taxes 2011-Quittung" aufgeführten steuerbaren Einkommens von Fr. 68'500.-- bescheinigte. Mit der doppelten Unterzeichnung übernahm sie die Verantwortung für die unvollständige Steuererklärung. Aus dem Umstand, dass sie es an der notwendigen Sorgfalt mangeln liess, indem sie ihrem (als Steuersekretär in einer Nachbargemeinde tätigen) Steuerberater die Erledigung der Steuerangelegenheiten vollständig überliess und die Beträge nicht kontrollierte (vgl. act. G 3 S. 3), lässt sich keine Entlastung von der Verantwortung ableiten (vgl. Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Handkommentar zum DBG, 2. Aufl. 2009, N 13 zu Art. 174 DBG). Der objektive Tatbestand der unvollständigen Steuerdeklaration ist somit erfüllt.

    2. Der Steuerhinterziehungsversuch ist nur bei vorsätzlicher Tatbegehung strafbar; Fahrlässigkeit genügt dafür nicht (vgl. BGer 2A.168/2006 vom 8. März 2007, E. 3 mit Hinweis auf Sieber, a.a.O., N 5 zu Art. 176 DBG). Der Versuch einer Steuerhinterziehung setzt ein Wissen und Wollen des Täters voraus, das sich nicht nur auf die Unvollständigkeit Unrichtigkeit der Angaben, sondern auch auf deren Folgen - eine unrichtige Veranlagung - bezieht. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gilt der Nachweis des Vorsatzes als erbracht, wenn mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass sich die beschuldigte Person der Unrichtigkeit Unvollständigkeit der gemachten Angaben bewusst war. Ist dieses Wissen erwiesen, so muss angenommen werden, dass sie auch mit Willen handelte, d.h. eine Täuschung der Steuerbehörden beabsichtigte und eine zu niedrige Veranlagung zumindest in Kauf nahm (Eventualvorsatz). Diese Vermutung lässt sich nicht leicht entkräften, weil in der Regel ein anderer Beweggrund für die Unrichtigkeit Unvollständigkeit der gemachten Angaben nur schwer vorstellbar ist. Lediglich fahrlässig handelt der Steuerpflichtige demgegenüber, wenn er die Folgen seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht darauf nicht Rücksicht genommen hat. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Steuerpflichtige die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (BGer 2A.194/2002 vom 25. April 2003, E. 2.3, mit Hinweisen). Ein Steuerpflichtiger kann sich jedoch der Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in der Steuererklärung nicht dadurch entziehen, dass er seine Steuerangelegenheiten durch einen vertraglichen Vertreter besorgen lässt. Hat der Vertreter in der Steuererklärung unrichtige Angaben gemacht und damit eine Steuerverkürzung bewirkt, so hat sich der Steuerpflichtige dessen Verhalten anzurechnen, wenn er in der Lage gewesen wäre, die Fehler zu erkennen. Namentlich nimmt er den Versuch einer Steuerverkürzung in Kauf, wenn er die Erstellung der Steuererklärung ohne klare Instruktionen und ohne jegliche Kontrolle einem Treuhänder überträgt und sich nicht darum kümmert, ob die in der Steuererklärung enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind (BGer 2C_29/2011 vom 16. Juni 2011, E. 2.3 und

      2.4 mit Hinweis auf BGer 2A.194/2002, a.a.O., E. 2.5.1 mit Hinweisen).

      Der Nachweis der subjektiven Tatbestandselemente obliegt der Steuerbehörde (vgl. Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, a.a.O., N 39 zu Art. 175 DBG). Beim Vorwurf der versuchten Steuerhinterziehung hat sie insbesondere zu beweisen, dass die

      betreffende Person sich der Unrichtigkeit Unvollständigkeit der gemachten Angaben bewusst war. Dieses Wissen muss mit hinlänglicher Sicherheit nachgewiesen werden (vgl. Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, a.a.O., N. 46 und N. 57 zu Art. 175 DBG); blosse Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Die Veranlagungsbehörde darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Steuerpflichtige den massgebenden Sachverhalt zutreffend deklarierte. Die steuerpflichtige Person muss damit rechnen, dass die Steuerbehörde auf ihre Angaben abstellt, ohne diese näher zu überprüfen (vgl. Richner/Frei/Kaufmann/ Meuter, a.a.O., N. 48 und N. 57 zu Art. 175 DBG).

    3. Gemäss Bescheinigung der Ausgleichskasse vom 4. Mai 2012 (act. G 7/11) wurden der Beschwerdegegnerin im Zeitraum vom 16. Februar bis 24. Mai 2011 Mutterschaftsentschädigungen von insgesamt Fr. 13'230.-- ausgerichtet. Diese Bestätigung hatte die Beschwerdegegnerin angefordert, nachdem sie vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 30. April 2012 aufgefordert worden war, Unterlagen und Informationen zur Einkommenssituation im erwähnten Zeitraum einzureichen. Nach Auskunft der Ausgleichskasse vom 6. Februar 2013 werden Steuerausweise (Gesamtübersicht) für die Mutterschaftsentschädigung jeweils nur auf Verlangen ausgestellt, da die meisten Mütter die Abrechnungen der Mutterschaftsentschädigung als Steuerausweis verwendeten. Diese würden von den Steuerverwaltungen ebenfalls akzeptiert (act. G 7/10). Die Beschwerdegegnerin führte anlässlich der mündlichen Verhandlung unter anderem aus, die Deklaration der Einkünfte sei aufgrund des fehlenden Auszugs vergessen worden (act. G 7/12 S. 1f).

    4. Die Vorinstanz kam im angefochtenen Entscheid zum Schluss, bei der sorgfältigen Kontrolle bzw. Unterzeichnung der "eTaxes 2011-Quittung" hätte der Beschwerdegegnerin auffallen müssen, dass das steuerbare Einkommen im Vergleich zum Vorjahr (Fr. 86'118.--) ungewöhnlich tief ausgefallen sei. Eine Veränderung um rund 20 Prozent bleibe bei gehöriger Sorgfalt nicht unbemerkt. Dieses bestreite auch die Beschwerdegegnerin nicht. Sie habe an der Verhandlung eingeräumt, die Zahlen weder genau angeschaut noch nachgerechnet zu haben. Im Zusammenhang mit der Steuererklärung habe sie nichts selbst gemacht. Sie habe sämtliche Unterlagen dem Steuerberater übergeben, wie sie das jedes Jahr tue. Die Vorinstanz erachtete diese Aussagen als glaubhaft und vermerkte zu der vom Beschwerdeführer angeführten Rechtsprechung (BGer 2C_898/2011 vom 28. März 2011), wonach bei nicht

      deklarierten Beträgen von einer gewissen Höhe nicht mehr von Fahrlässigkeit auszugehen sei, dass diese Praxis nicht davon entbinde, den konkreten Einzelfall zu prüfen. Habe sich das Bundesgericht im zitierten Fall mit einem erfahrenen Immobilienhändler auseinandersetzen müssen, der über gute Kenntnisse des Steuerverfahrens verfügt habe, sei bei der Beschwerdegegnerin von lediglich rudimentären Steuerkenntnissen auszugehen. Ihr beruflicher Hintergrund lasse auf nichts anderes schliessen. Gegen eine Hinterziehungsabsicht spreche weiter die Tatsache, dass die Beschwerdegegnerin nicht versucht habe, die Mutterschaftsentschädigungen zu verheimlichen, nachdem sie von der Anklagebehörde aufgefordert worden sei, Auskunft über allfällige Einkünfte in der Periode von Februar bis Mai 2011 zu geben; vielmehr habe sie die von der Ausgleichskasse nachträglich eingeforderte Bestätigung unverzüglich zugestellt. Aus den gesamten Umständen könne nicht geschlossen werden, die Beschwerdegegnerin habe zumindest in Kauf genommen, Steuern zu hinterziehen. Soweit sie die von einem Dritten erstellte Steuererklärung nur mangelhaft gar nicht kontrolliert und dementsprechend das Fehlen der Zahlungen nicht bemerkt habe, sei ihr kein Vorsatz, sondern lediglich Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Denn fahrlässig handle, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenke darauf nicht Rücksicht nehme. Pflichtwidrig sei die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beobachtete, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet sei (Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, a.a.O., N 53 zu Art. 175 DBG). Zu berücksichtigen sei schliesslich, dass die Beschwerdegegnerin ihren Steuerpflichten in der Vergangenheit stets nachgekommen sei (act. G 2 S. 9f).

      Der Beschwerdeführer wendet ein, das Vorgehen eines Steuerpflichtigen könne vernünftigerweise nur mit der Absicht der Erwirkung einer gesetzwidrigen Steuerersparnis erklärt werden, wenn ein erheblicher Betrag, der vom Pflichtigen unmöglich habe übersehen werden können, nicht in dessen Steuererklärung erscheine. Eventualvorsatz sei von der Rechtsprechung unter anderem bejaht worden bei nicht deklarierten Nebeneinkünften im Umfang eines Viertels bzw. Drittels der Haupterwerbseinkünfte. Die Behauptung der Beschwerdegegnerin, sie hätte die Mutterschaftsentschädigung "vergessen" zu deklarieren, sei als Schutzbehauptung zu betrachten. An Einkommen, das man nur mit einem "Riesentheater" erhältlich machen könne und welches zwischen dem 16. Februar und 24. Mai 2011 das einzige

      Einkommen darstelle, müsse eine Steuerpflichtige auch dann denken, wenn sie die Steuerklärung von einem Dritten ausfüllen lasse. Es sei das erste Mal gewesen, dass die Beschwerdegegnerin Mutterschaftsentschädigung erhalten habe. Ebenso würden auf dem Ausweis der Arbeitslosenversicherung genau die Monate März bis Mai 2011 fehlen, was die Beschwerdegegnerin hätte bemerken müssen. Wer in einer solchen Situation die Steuererklärung unterzeichnet, ohne die Mutterschaftsentschädigung anzugeben, nehme eine Steuerhinterziehung in Kauf und erfülle damit den Eventualvorsatz (act. G 1 S. 3f).

    5. Hinsichtlich der Abgrenzung der (im Fall der versuchten Steuerhinterziehung straflosen) bewussten Fahrlässigkeit vom (strafbaren) Eventualvorsatz ist festzuhalten, dass die Person in beiden Fällen mit Wissen vorgeht. Der Unterschied liegt auf der Willensseite: Wer leichtfertig auf den Nichteintritt des Erfolgs vertraut, handelt nicht mit Eventualvorsatz, sondern nur mit bewusster Fahrlässigkeit. Wer dagegen die Verwirklichung eines Tatbestandes zwar nicht mit Gewissheit voraussieht, aber doch ernsthaft für möglich hält und die Erfüllung des Tatbestandes für den Fall, dass sie eintreten sollte, auch mindestens in Kauf nimmt, handelt eventualvorsätzlich (Richner/ Frei/Kaufmann/Meuter, a.a.O., N. 49 und N. 57 zu Art. 175 DBG sowie N. 3 und N. 4 zu Art. 176 DBG, je mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung spielt bei der Klärung der Frage, ob eine versuchte Steuerhinterziehung absichtlich (vorsätzlich) begangen wurde einer Nachlässigkeit (Fahrlässigkeit) zuzuschreiben ist, die Höhe der in Frage stehenden Beträge eine nicht zu vernachlässigende Rolle, indem das Fehlen eines Betrages auf der Steuererklärung dem Pflichtigen umso weniger entgehen könne, je höher die Summe sei (BGer 2C_898/2011 E. 2.2 zweiter Absatz am Schluss mit Hinweisen).

Unbestritten ist, dass die Beschwerdegegnerin bei den jeweiligen Auszahlungen der Mutterschaftsentschädigung von der Ausgleichskasse entsprechende Abrechnungen zugestellt erhielt und diese der Steuerbehörde als Beleg hätte einreichen können (vgl. act. G 7/10). Eines zusätzlichen Steuerausweises hätte es damit für die Steuerdeklaration nicht bedurft. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, dass nicht deklarierte Mutterschaftsentschädigungen von Fr. 13'230.-- rund einem Drittel des gesamten Einkommens der Beschwerdegegnerin im Jahr 2011 (Fr. 13'230.-- + Lohn und ALV-Taggeld von Fr. 19'373.--) entspreche (act. G 1 S. 3), ist festzuhalten, dass

die von der Beschwerdegegnerin mitunterzeichnete Steuererklärung 2011 das gesamte Familieneinkommen beinhaltete; bezogen auf letzteres beträgt der nicht deklarierte Anteil - wie von der Vorinstanz berechnet - rund 20% (vgl. vorstehende E. 2.4). Mit diesem (für sich gesehen erheblichen) Prozentwert ist allerdings eine Inkaufnahme einer Steuerverkürzung auf Seiten der Beschwerdegegnerin für sich allein noch nicht dargetan. Auch das Argument des Beschwerdeführers, die Beschwerdegegnerin, welche vor und nach der Geburt des Sohnes nicht mehr erwerbstätig gewesen sei, habe nach ihren eigenen Darlegungen bei der Einforderung der Mutterschaftsentschädigung bei der Ausgleichskasse Mühe gehabt (act. G 1 S. 3), lässt nicht zwingend darauf schliessen, dass sie eine Steuerverkürzung (willentlich) in Kauf nahm; eine blosse Nachlässigkeit bzw. (grobe) Fahrlässigkeit erscheint mindestens gleich wahrscheinlich. Der Nachweis des (eventual-)vorsätzlichen Unterlassens der Deklaration kann damit nicht mit hinlänglicher Sicherheit (vgl. vorstehende E. 2.2 am Schluss) als erbracht gelten. Insbesondere erscheint auch das generelle Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach es das grössere Unrecht sei, von 500 Steuerhinterziehern nur 5 ehrliche Dumme zu bestrafen, als 500 zu bestrafen, von denen 5 allenfalls nur (grob)fahrlässig gehandelt hätten (act. G 1 S. 4), nicht geeignet, diesen Nachweis im konkreten Fall zu führen. Unter Berücksichtigung aller Umstände kann die Folgerung der Vorinstanz, dass die Beschwerdegegnerin in Bezug auf die Nichtdeklaration der Mutterschaftsentschädigung den Tatbestand der versuchten Steuerhinterziehung gemäss Art. 249 Abs. 1 StG mangels vorsätzlichen Handelns nicht erfüllt habe und sie dementsprechend vom Vorwurf der versuchten Steuerhinterziehung freizusprechen sei, nicht als unhaltbar bezeichnet werden. Der angefochtene Entscheid lässt sich dementsprechend nicht beanstanden.

3. (…).

Demnach hat das Verwaltungsgericht zu Recht erkannt:

  1. ./ Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. ./ Der Beschwerdeführer trägt die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 1'500.--.

  3. ./ Ausseramtliche Kosten werden nicht entschädigt.

V. R. W.

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

lic. iur. Beda Eugster Dr. Walter Schmid

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.