Zusammenfassung des Urteils B 2012/177: Verwaltungsgericht
Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass die Beschwerde von X.Y.-Z. gegen die Abweisung des Familiennachzugs für ihren Ehemann D.Y. abgewiesen wird. D.Y. wurde wegen Vergewaltigung und anderen Straftaten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, weshalb sein Aufenthaltsrecht in der Schweiz erloschen ist. Die Rückfallgefahr bei D.Y. wird als hoch eingeschätzt, weshalb die Voraussetzungen für den Familiennachzug nicht erfüllt sind. Die Beschwerdeführerin beantragte unentgeltliche Prozessführung, was jedoch aufgrund ihrer finanziellen Situation abgelehnt wurde. Das Gericht entschied, dass die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten von CHF 1'500 tragen muss.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | B 2012/177 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 24.01.2013 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Urteil Ausländerrecht, Familiennachzug, Art. 8 EMRK, Art. 62 lit. b AuG.Die Schweizer Ehefrau kann einen erneuten Familiennachzug auch dann geltend machen, wenn die Aufenthaltsberechtigung des ausländischen Ehemannes rechtskräftig widerrufen worden ist.Angesichts des gesetzgeberischen Entscheids, Verbrechen gegen die sexuelle Freiheit in Ehe und Partnerschaft gleich zu behandeln, wie wenn sie ausserhalb eines sozialen Nahraums begangen werden, ist der Anspruch auf ein Aufenthaltsrecht erloschen, auch wenn die Ehefrau ihrem Mann verziehen hat.Der Ehemann der Beschwerdeführerin wurde unter anderem wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt.Die Verweigerung des Familiennachzugs ist im Licht der Reneja-Praxis auch verhältnismässig, zumal nach wie vor vor eine erhebliche Rückfallgefahr in der Beziehung zur Beschwerdeführerin auszugehen ist (Verwaltungsgericht, B 2012/177). |
Schlagwörter: | Recht; Ehemann; Quot; Ausländer; Familie; Schweiz; Aufenthalts; Freiheit; Gallen; Aufenthaltsbewilligung; Gesuch; Interesse; Gutachten; Familiennachzug; Therapie; Kantons; Vollzug; Freiheitsstrafe; Entscheid; Hinweis; Rechtsprechung; Beziehung; Vergewaltigung; Ehemannes; Anspruch; Gewalt; Hinweisen; ürftig |
Rechtsnorm: | Art. 117 ZPO ;Art. 55a StGB ;Art. 95 BGG ; |
Referenz BGE: | 127 I 205; 128 I 232; 135 II 377; |
Kommentar: | - |
Anwesend: Präsident lic.iur. B. Eugster; Verwaltungsrichter lic. iur. A. Linder,
Dr. B. Heer, lic. iur. A. Rufener, Dr. S. Bietenharder-Künzle; Gerichtsschreiber Dr. Th.
Scherrer
In Sachen X.Y.-Z.,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt lic.iur. A.B., gegen
Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen, Oberer Graben 32,
9001 St. Gallen, Vorinstanz, betreffend
Familiennachzug für D.Y.
hat das Verwaltungsgericht festgestellt:
./ X.Y.-Z., geb. 00. März 1963 und Bürgerin von W./SG, und D.Y., geboren am
00. Februar 1985, von Tunesien, heirateten am 20. März 2008 in G./SG. D.Y. war am
30. Januar 2008 zur Vorbereitung der Heirat erstmals in die Schweiz eingereist. Im
Rahmen des Familiennachzugs erhielt er eine Aufenthaltsbewilligung, die letztmals bis
19. März 2011 verlängert wurde.
./ Gestützt auf eine Meldung von X.Y.-Z. intervenierte die Kantonspolizei St. Gallen am 9. Januar 2010 wegen verbaler Streitigkeiten im häuslichen Bereich der Eheleute Y.-Z. Wegen einer depressiven Entwicklung, Selbstverletzungen und Aggressivität wurde D.Y. auf eigenen Wunsch am 18. Januar 2010 in der psychiatrischen Klinik Wil hospitalisiert. Am folgenden Tag trat er wieder aus. Sein Zustand verbesserte sich unter einer vom Hausarzt durchgeführten Therapie mit Antidepressiva deutlich, jedoch setzte er die medikamentöse Behandlung im April 2010 entgegen dem ärztlichen Rat frühzeitig ab. Am 27. April 2010 ersuchte X.Y.-Z. um Eheschutzmassnahmen mit der Begründung, das weitere Zusammenleben mit ihrem Ehemann sei unzumutbar. Am
6. Juni 2010 war wegen einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen den
Eheleuten Y.-Z. erneut eine polizeiliche Intervention im häuslichen Bereich erforderlich.
Am 25. August 2010 wurde D.Y. im Anschluss an eine weitere polizeiliche Intervention
im häuslichen Bereich wegen des Verdachts, seine Ehefrau vergewaltigt zu haben, in
Untersuchungshaft genommen. Im Anschluss an die Untersuchungshaft trat er am
19. März 2011 den (vorzeitigen) Strafvollzug an. Die Familienrichterin des Kreisgerichts St. Gallen genehmigte im Rahmen des Eheschutzverfahrens am 15. September 2010 eine Vereinbarung zwischen den Eheleuten Y.-Z., in welcher sie sich mit dem Getrenntleben ab 25. August 2010 einverstanden erklärten und die eheliche Wohnung in G./SG der Ehefrau zur alleinigen Benützung zuwiesen. Zudem wurde D.Y. verboten, das Grundstück mit der ehelichen Wohnung zu betreten und seine Ehefrau an ihrem Arbeitsort aufzusuchen. Das Migrationsamt des Kantons St. Gallen widerrief am
November 2010 die Aufenthaltsbewilligung von D.Y. Die Verfügung wurde ihm am
November 2010 gegen Empfangsbestätigung im Gefängnis G. eröffnet und
unangefochten rechtskräftig.
./ X.Y.-Z. reichte am 17. Dezember 2010 beim Einwohneramt G. ein neues Gesuch um Familiennachzug für ihren Ehemann ein. Das Migrationsamt sistierte das Verfahren am 23. Dezember 2010 bis zum Abschluss des Strafverfahrens und wies das Gesuch – nachdem D.Y. vom Kantonsgericht St. Gallen mit Urteil vom 2. November 2011 wegen Vergewaltigung, mehrfacher sexueller Nötigung und Drohung sowie wegen mehrfacher
Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und einer Busse von Fr. 300.— rechtskräftig verurteilt worden war – am 14. März 2012 ab. Den von X.Y.-Z. gegen die Abweisung am 28. März 2012 erhobenen Rekurs wies das Sicherheits- und Justizdepartement (nachfolgend Vorinstanz) am 27. Juli 2012 ab.
./ Gegen den Entscheid vom 27. Juli 2012 erhob X.Y.-Z. (nachfolgend Beschwerdeführerin) durch ihren Rechtsvertreter mit Eingabe vom 24. August 2012 Beschwerde beim Verwaltungsgericht mit dem Rechtsbegehren, es sei der angefochtene Entscheid unter Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege aufzuheben, das Gesuch um Familiennachzug für D.Y. gutzuheissen und die Sache zur Erteilung der Aufenthaltsbewilligung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Mit Vernehmlassung vom 28. August 2012 beantragte die Vorinstanz, die Beschwerde
sei unter Kostenfolge abzuweisen. Die Beschwerdeführerin verzichtete am
4. September 2012 auf eine weitere Stellungnahme. Am 26. September 2012 wies die Anklagekammer des Kantons St. Gallen die gegen die Verweigerung der bedingten Entlassung von D.Y. aus dem Strafvollzug erhobene Beschwerde ab. Am 21. Januar
2013 gingen zwei Disziplinarverfügungen des Zürcher Amts für Justizvollzug vom
15. Januar 2013 ein, wonach D.Y. wegen Verstosses gegen das Waffen- und Drogenverbot in der Vollzugseinrichtung – er hatte einen Cutter aus dem Werkbereich auf sich getragen und in seiner Zelle wiederholt Cannabis geraucht – mit einem Zellenein- und (teilweise leichten) Gruppenausschluss während zusammen 14 Tagen und einer Busse von Fr. 40.- belegt wurde. Die Verfügungen wurden dem Rechtsvertreter gleichentags per Fax und mit dem Hinweis auf die für 24. Januar 2013 vorgesehene Behandlung der Beschwerdesache zur Kenntnis gebracht.
Auf die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Begründung ihrer Anträge wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
Darüber wird in Erwägung gezogen:
1. (…).
Das Migrationsamt hat die Aufenthaltsbewilligung des Ehemannes der Beschwerdeführerin am 22. November 2010 während der strafrechtlichen Untersuchung des Vorwurfs der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung widerrufen. Dieser Widerruf wurde unangefochten rechtskräftig. Da die Beschwerdeführerin einen in Art. 13 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (SR 101, abgekürzt BV) und Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (SR 0.101, abgekürzt EMRK) grundrechtlich geschützten Anspruch geltend macht, steht der rechtskräftige Widerruf des Aufenthaltsrechts der erneuten Einreichung eines Gesuchs um Familiennachzug am 17. Dezember 2010 nicht entgegen. Dies gilt umso mehr, als sich die Verhältnisse seither insoweit geändert haben, als ihr Ehemann einerseits rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde und anderseits während des Strafvollzugs psychotherapeutisch behandelt wird. Daran ändert auch die Befristung des Anspruchs in Art. 47 des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (SR 142.20, abgekürzt AuG) nichts, zumal nicht ein nachträglicher Familiennachzug, sondern im Ergebnis die Weiterführung eines früheren Aufenthalts zu beurteilen und die Fünfjahresfrist seit dem Eheschluss am 8. März 2008 ohnehin nicht abgelaufen ist (vgl. M. Caroni, in: Caroni/
Gächter/Thurnherr [Hrsg.], Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer,
Stämpflis Handkommentar, Bern 2010, N 25 zu Art. 47 AuG).
Zu prüfen ist, ob dem Ehemann der Beschwerdeführerin im Rahmen des Familiennachzugs eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen ist. Dabei ist zunächst zu klären, ob der gesetzliche Anspruch erloschen ist (vgl. dazu nachfolgend E. 3.1). Ist dies der Fall, fragt sich, ob die Verweigerung der Bewilligung vor dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit standhält (vgl. dazu nachfolgend E. 3.2 und 3.3).
Gemäss Art. 42 Abs. 1 AuG haben ausländische Ehegatten von Schweizerinnen Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen. Der Anspruch erlischt gemäss Art. 51 Abs. 1 Ingress und
lit. b AuG, wenn Widerrufsgründe nach Art. 63 vorliegen. Gemäss Art. 63 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 62 Ingress und lit. b AuG kann die Bewilligung unter anderem widerrufen werden, wenn ein Ausländer zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn gegenüber dem Ausländer eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr ausgesprochen wurde (BGE 135 II 377 E. 4.1).
In der Beschwerde ist unbestritten, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin wegen Vergewaltigung, mehrfacher sexueller Nötigung und Drohung gegenüber der Beschwerdeführerin mit Urteil des Kantonsgerichts vom 2. November 2011 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren, mithin zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe im Sinn von Art. 62 Ingress und lit. b AuG verurteilt wurde (vgl. dazu auch BGer 2C_932/2011 vom 7. Juni 2012 E. 4.1). Der Verurteilung liegen Widerhandlungen gegen die Freiheit und gegen die sexuelle Integrität zugrunde. Der Gesetzgeber hat mit der am 1. April 2004 in Kraft getretenen Revision sowohl die sexuelle Nötigung als auch die Vergewaltigung in der Ehe und in der Partnerschaft als Offizialdelikt ausgestaltet, indem er Art. 189 Abs. 2 und Art. 190 Abs. 2 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (SR 311.0, abgekürzt StGB), welche eine Strafverfolgung nur auf Antrag vorsahen, aufhob (vgl. AS 2004, S. 1407). Im Gegensatz zu den zwischen Ehegatten und Partnern begangenen weniger schweren Delikten sieht das Gesetz bei Strafverfahren wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung auch keine Einstellung mit dem Einverständnis des Opfers vor (vgl. Art. 55a StGB). Mit dieser
Regelung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es Opfern von Gewalt im sozialen Nahraum ausgesprochen schwer fällt, einen Strafantrag zu stellen einen solchen aufrechtzuerhalten, da sie vom Täter von Angehörigen leicht unter Druck gesetzt werden können (vgl. BBl 2003, S. 1912).
Angesichts dieses gesetzgeberischen Entscheides, Verbrechen gegen die sexuelle Freiheit in Ehe und Partnerschaft gleich zu behandeln, wie wenn sie ausserhalb eines sozialen Nahraumes begangen werden, erweisen sich die Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie sei die einzige Betroffene der Straftaten, habe ihrem Mann verziehen und setze sich mit allen Mitteln dafür ein, mit ihm in der Schweiz zusammenleben zu können, als unbehelflich. Vielmehr wiegt das vom Gesetzgeber in den einschlägigen Rechtsnormen des Strafrechts zum Ausdruck gebrachte öffentliche Interesse, Gewaltdelikte auch in partnerschaftlichen Beziehungen zu vermeiden, derart schwer, dass der Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für den Ehemann der Beschwerdeführerin aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung grundsätzlich erloschen ist. Es stellt sich somit noch die Frage nach der Verhältnismässigkeit dieser Massnahme.
Gemäss Art. 96 Abs. 1 AuG berücksichtigt die zuständige Behörde bei der Ermessensausübung die öffentlichen Interessen und die persönlichen Verhältnisse sowie den Grad der Integration der Ausländerinnen und Ausländer. Dabei sind namentlich die Schwere des Verschuldens bei Straftaten, die Dauer der bisherigen Anwesenheit sowie die dem Betroffenen und seiner Familie drohenden Nachteile zu berücksichtigen. Die Notwendigkeit einer Verhältnismässigkeitsprüfung ergibt sich auch aus Art. 8 Ziff. 2 EMRK. Danach ist ein Eingriff in das von Art. 8 Ziff. 1 EMRK geschützte Familienleben dann statthaft, wenn er gesetzlich vorgesehen ist und eine Massnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft unter anderem zur Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie der Rechte und Freiheiten anderer notwendig erscheint. Bei der Interessenabwägung sind die Schwere des begangenen Delikts, der seit der Tat vergangene Zeitraum, das Verhalten des Ausländers während dieser Periode, die Auswirkungen auf die primär betroffene Person sowie deren familiäre Situation zu berücksichtigen. Zudem sind die Dauer der ehelichen Beziehung und weitere Gesichtspunkte relevant, welche Rückschlüsse auf deren Intensität zulassen. Von Bedeutung sind auch die Nachteile, welche der Ehepartnerin erwachsen
würden, müsste sie dem Betroffenen in dessen Heimat folgen (vgl. BGE 135 II 377
E. 4.3 mit Hinweisen).
Neben dem strafrechtlichen Verschulden sind insbesondere die Art und Schwere der Straftat(en), die durch die Straftat verletzten Rechtsgüter, die Art und Umstände der Tatbegehung (einfache mehrfache Delinquenz) sowie das Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen. Dem strafrechtlichen Resozialisierungsgedanken ist zwar im Rahmen der umfassenden Interessenabwägung Rechnung zu tragen. Die Prognose über das Wohlverhalten ist jedoch nicht ausschlaggebend, weil aus der Sicht der Ausländerbehörden das Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Vordergrund steht. Aus ausländerrechtlicher Sicht ist das Risiko eines Rückfalls umso weniger hinzunehmen, je schwerer die Tat wiegt, welche die ausländische Person verübt hat. Im Zusammenhang mit Gewaltdelikten muss selbst ein geringes Restrisiko nicht in Kauf genommen werden (vgl. S. Hunziker, in: Caroni/Gächter/Thurnherr [Hrsg.], Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, Stämpflis Handkommentar, Bern 2010, N 12 zu Art. 63 AuG mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung). Was das Interesse an der Fernhaltung betrifft, darf bei ausländischen Personen, die nicht unter das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten anderseits über die Freizügigkeit (SR 0.142.112.681) fallen, im Rahmen der Interessenabwägung auch generalpräventiven Gesichtspunkten Rechnung getragen werden (vgl. BGer 2C_932/2011 vom 7. Juni 2012 E. 3.2 mit Hinweisen auf weitere Rechtsprechung).
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung impliziert die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren in jedem Fall einen sehr schwerwiegenden Verstoss gegen die schweizerische Rechtsordnung, weshalb sie den weiteren Verbleib des ausländischen Straftäters in der Schweiz selbst dann ausschliessen kann, wenn der schweizerischen Ehepartnerin die Ausreise nicht nur schwer zuzumuten ist. Damit hat das Bundesgericht an der sogenannten "Reneja"-Praxis festgehalten, nach welcher in einer solchen Konstellation aussergewöhnliche Umstände vonnöten sind, um die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung dennoch zu rechtfertigen. Insbesondere hat es der in der Literatur teilweise vertretenen Forderung, diese Grenze auf
Freiheitsstrafen von drei Jahren zu erhöhen, nicht entsprochen (vgl. BGE 135 II 377
E. 4.4 mit Hinweisen auf weitere Rechtsprechung).
3.3. Im Lichte der bundesgerichtlichen "Reneja"-Praxis vermögen die privaten Interessen der Beschwerdeführerin, die in der geltend gemachten Unzumutbarkeit ihrer Ausreise nach Tunesien zur Aufrechterhaltung der Ehe – sie spreche kein Arabisch und müsste ohne Perspektiven in einem fremden Land leben - bestehen, das öffentliche Interesse an der Wegweisung ihres Ehemanns nicht zu überwiegen.
Aufgrund der Akten ist beim Ehemann der Beschwerdeführerin zudem von einer beträchtlichen Rückfallgefahr auszugehen. Anlässlich der forensisch-psychologischen Begutachtung (vgl. act. 6/310-341) im Rahmen der Strafuntersuchung gab er an, die beängstigenden Wahrnehmungen, welche er in Bezug auf seinen Körper gehabt habe, hätten ihren Ursprung in seiner Frau und nicht in ihm selbst. Von daher sehe er nicht ein, Antidepressiva einzunehmen, um seine Probleme zu lösen (vgl. S. 13 des Gutachtens). Diagnostisch wurden die erhobenen Befunde als mittelgradig depressive Störung eingeordnet (S. 22 des Gutachtens). Die Gutachterin ging von einer akzentuierten Persönlichkeit mit emotional-instabilen, histrionischen (d.h. zu egozentrischem und theatralischem Verhalten neigenden) und schizotypischen Zügen aus (S. 23 des Gutachtens). Im Therapiebericht vom 14. November 2011 wird diese Diagnose – entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde – nicht als falsch beurteilt. Vielmehr wird beanstandet, dass im Strafurteil und in der Berichterstattung in der Presse zu Unrecht der Begriff "schizophren", welcher weder mit "schizotypisch" noch mit "schizoid" gleichgesetzt werden dürfe, verwendet worden war. Zutreffend ist hingegen, dass im Therapiebericht davon ausgegangen wird, zur Präzisierung der Persönlichkeitszüge des Ehemanns der Beschwerdeführerin sei wohl nicht der Begriff "schizotypisch", sondern "schizoid" vorgesehen gewesen. Diese begriffliche Ungenauigkeit ist indessen nicht geeignet, die Schlussfolgerungen im Gutachten hinsichtlich der Rückfallprognose als unzutreffend zu beurteilen.
Ausgehend von einer Basisrate für Rückfälle bei Vergewaltigungen von 25% wird das Rückfallrisiko beim Ehemann der Beschwerdeführerin ausserhalb von Beziehungen zwar als geringer, jedoch vor dem Hintergrund der patriarchischen Denkmuster in einer Partnerschaft als erhöht betrachtet, umso mehr als die Anlasstat auf eine "übermässige
Gewaltanwendung" hingewiesen habe. Die Beschwerdeführerin habe zudem bereits in Tunesien ein gewalttätiges Verhalten beobachtet, sodass eine gewisse Prädisposition zu Gewaltanwendungen im Rahmen von Beziehungskonflikten durchaus angenommen werden müsse. Die Gutachterin geht aufgrund der Persönlichkeitsauffälligkeiten, eines regelmässigen, missbräuchlichen Cannabiskonsums, einer erheblichen Beeinträchtigung der beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit mit überwiegend instabilen Arbeitsverhältnissen, einer gestörten Wahrnehmung der sozialen Realität, unrealistischen Erwartungshaltungen insbesondere bezüglich Sexualität und Beziehungen und einem geringen Durchhaltevermögen von einer bereits chronifizierten Problematik aus (vgl. S. 26 des Gutachtens). Bei den früheren Versuchen, sich Hilfe zu holen, hätten sich jeweils eine geringe Compliance und wenig Eigeninitiative gezeigt. Die Symptomatik habe sich zwar unter antidepressiver Medikation verbessert, jedoch wird die Therapiebereitschaft als stark ambivalent beurteilt. Insbesondere ist nach der Schlussfolgerung im Gutachten mit einer Wiederholung der spezifischen Konfliktsituationen in der Beziehung zur Beschwerdeführerin und einer hohen Wahrscheinlichkeit stereotypen delinquenten Verhaltens ihres Ehemannes zu rechnen. Zusammenfassend überwiegen gerade bei der Fortsetzung der Partnerschaft mit der Beschwerdeführerin die ungünstigen Faktoren, so dass die statistische Rückfallprognose von 25% nach oben zu korrigieren und innerhalb von partnerschaftlichen Beziehungen eine hohe Rückfallgefahr für Gewaltanwendungen anzunehmen ist (vgl. S. 27 des Gutachtens).
In der Beschwerde werden der ungünstigen Beurteilung der Rückfallgefahr im Gutachten vom 21. Dezember 2010 der Therapiebericht vom 14. November 2011 und der Vollzugsbericht der Justizvollzugsanstalt Pöschwies vom 7. Mai 2012 entgegen gehalten. Im Therapiebericht wird ausgeführt, es fänden sich vorwiegend prognostisch günstige Kriterien. Diese Formulierung macht indessen klar, dass sich nach wie vor ungünstige Kriterien finden. Die Anklagekammer des Kantons St. Gallen hat denn auch in ihrem Entscheid vom 26. September 2012 in Würdigung von Gutachten und Therapiebericht eine bedingte Entlassung als "zu riskant" eingeschätzt. Bisherige Behandlungen seien bald abgebrochen worden, weil der Ehemann der Beschwerdeführerin die Ursache seiner Probleme hauptsächlich auf seine Frau "attribuiere". Zudem wirkt sich der wiederholte Cannabiskonsum im Strafvollzug ungünstig auf die Prognose aus, zumal er sich – wie der Vorfall vom 14. Januar 2013
zeigt (vgl. act. 13) – auf die (psychische) Befindlichkeit des Ehemanns der
Beschwerdeführerin ungünstig auswirkt.
Schliesslich kommt hinzu, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin lediglich etwas mehr als eineinhalb Jahre – vom 30. Januar 2008 bis 25. August 2010 - in der Schweiz in Freiheit gelebt hat und seine Integration dementsprechend wenig vorangeschritten ist. Vielmehr hat sie sich mit der Akzentuierung seiner psychischen Schwierigkeiten als problembehaftet gezeigt.
Zusammenfassend ergibt sich deshalb insbesondere unter Berücksichtigung der Art und Schwere der begangenen Straftaten und der ausgewiesenen Rückfallgefahr, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für den Ehemann der Beschwerdeführerin im Rahmen des Familiennachzugs – jedenfalls zurzeit – nicht erfüllt sind. Die Beschwerde ist dementsprechend abzuweisen. Das Gesuch, dem Ehemann der Beschwerdeführerin im Sinn einer vorsorglichen Massnahme zu gestatten, den Entscheid in der Schweiz abzuwarten, ist mit der Verweigerung der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug durch die Anklagekammer am
26. September 2012 hinfällig.
5. Die Beschwerdeführerin beantragt die unentgeltliche Prozessführung und die unentgeltliche Rechtsverbeiständung.
Die unentgeltliche Rechtspflege wird gewährt, wenn der Gesuchsteller bedürftig und wenn das von ihm angestrebte Verfahren nicht aussichtslos ist (Art. 99 VRP in Verbindung mit Art. 117 ZPO; Art. 29 Abs. 3 der Bundesverfassung, SR 101, abgekürzt BV; BGE 128 I 232; 127 I 205). Eine Partei gilt als bedürftig, wenn ihr die Mittel fehlen, um neben dem Lebensunterhalt für sich und die Familie die Prozesskosten aufzubringen. Damit wird die Bedürftigkeit in gleicher Weise umschrieben wie in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 127 I 205). Zur Prüfung der Bedürftigkeit ist auf die gesamte wirtschaftliche Situation der Gesuchstellerin im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung abzustellen; massgeblich ist dabei, welche Mittel sie innert welcher Frist aufzubringen vermag. Neben den Einkommens- sind auch die Vermögensverhältnisse miteinzubeziehen (R. Hirt, Die Regelung der Kosten nach st.
gallischem Verwaltungsrechtspflegegesetz, Diss. St. Gallen 2004, S. 232 f. mit
Hinweisen).
Grundsätzlich obliegt der Nachweis der Bedürftigkeit der Gesuchstellerin. Diese hat ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darzustellen und soweit möglich auch zu belegen (Hirt, a.a.O., S. 234 mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung). Auch wenn die Gesuchstellerin ihre Mittellosigkeit nicht strikte nachzuweisen braucht, sondern Glaubhaftmachen genügt, soll aus den eingereichten Belegen der aktuelle Grundbedarf hervorgehen, und die Unterlagen sollen Aufschluss über sämtliche finanziellen Verpflichtungen sowie über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse geben (Hirt, a.a.O., S. 226 f.).
Den monatlichen Nettoeinkünften der Beschwerdeführerin aus ihrer unselbständigen Erwerbstätigkeit von Fr. 4'251.- (inkl. 13. Monatslohn) stehen der um 30% erhöhte Grundbedarf von Fr. 1'600.-, Mietkosten für die Wohnung inkl. Nebenkosten von
Fr. 1'115.- und die Prämien für die obligatorische Krankenversicherung von Fr. 252.- gegenüber. Für die Fahrt vom Wohnort der Beschwerdeführerin an der Q.-strasse 000 in G./SG zum Arbeitsort im Westcenter ist sie nicht auf ein privates Verkehrsmittel angewiesen. Die Kosten des öffentlichen Verkehrsmittels (Ostwind, Zonen 10 und 12) belaufen sich auf jährlich rund Fr. 1'200.--, d.h. monatlich rund Fr. 100.-. Die Mehrkosten der auswärtigen Verpflegung sind als weitere unvermeidliche Berufsauslagen mit monatlich Fr. 265.- zu veranschlagen. Glaubhaft ist zudem, dass die Beschwerdeführerin für die Prämien der obligatorischen Krankenversicherung ihres Ehemannes von monatlich Fr. 272.- und im Rahmen der Franchise und des Selbstbehalts für die Therapiekosten ihres Ehemannes aufkommt. Belegt sind für das Jahr 2012 Kosten von Fr. 1'241.35, d.h. monatlich rund Fr. 100.-. Weitere Kostenbeteiligungen im Jahr 2012 sind nicht dargetan. Damit verbleibt der Beschwerdeführerin ein monatlicher Überschuss vor Steuern von rund Fr. 500.-. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann in der Steuererklärung für 2011 ein Reinvermögen von rund Fr. 35'000.- ausweisen. Dass insbesondere das Guthaben auf dem Konto der St. Galler Kantonalbank über rund Fr. 34'000.- (auch) auf den Namen des Ehemannes lautet ist nicht ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht. Da im ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung grundsätzlich jeder Ehegatte für seine Schulden mit seinem Vermögen haftet (Art. 202 des
Schweizerischen Zivilgesetzbuches, SR 210), können die Schulden des Ehemannes der Beschwerdeführerin aus dem Strafverfahren nicht berücksichtigt werden.
Unter diesen Umständen ist die Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin nicht glaubhaft dargetan, weshalb es (zumindest) an einer Voraussetzung für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege fehlt. Das Gesuch ist dementsprechend abzuweisen.
8. (…).
Demnach hat das Verwaltungsgericht zu Recht erkannt:
./ Die Beschwerde wird abgewiesen.
./ Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und
Rechtsverbeiständung wird abgewiesen.
./ Die Beschwerdeführerin hat die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 1'500.-- zu bezahlen.
./ Ausseramtliche Kosten werden nicht entschädigt.
V. R. W.
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Versand dieses Entscheides an:
die Beschwerdeführerin (durch Rechtsanwalt lic.iur. A.B.)
die Vorinstanz
am: Rechtsmittelbelehrung:
Sofern eine Rechtsverletzung nach Art. 95 ff. BGG geltend gemacht wird, kann gegen diesen Entscheid gestützt auf Art. 82 lit. a BGG innert dreissig Tagen nach der Eröffnung Beschwerde beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, erhoben werden.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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